Norm
ZPO §391 Abs3Kopf
SZ 48/10
Spruch
Die Einwendung einer Gegenforderung durch die beklagte Partei ist mit Endurteil abzuweisen, wenn zur Zeit seiner Erlassung der der klagenden Partei mit gemäß § 391 Abs. 3 ZPO gefällten Teilurteil zuerkannte Anspruch bereits erfüllt war
OGH 5. Feber 1975, 1 Ob 16/75 (OLG Innsbruck 2 R 265/74; LG Innsbruck 6 Cg 302/72)
Text
Die von der klagenden Partei - einem Speditionsunternehmen - zu 6 Cg 377/69 (später 6 Cg 302/72) des Landesgerichtes Innsbruck am 13. März 1969 erhobene Klage, mit welcher sie aus dem Titel der Amtshaftung die Verurteilung der beklagten Partei - der Republik Österreich - zur Zahlung von zunächst 153.688.14 S begehrte, wurde am 6. Feber 1970 auf den Betrag von 105.132.14 S eingeschränkt, während der Differenzbetrag zum Gegenstand einer zu 6 Cg 279/70 des Landesgerichtes Innsbruck überreichten neuerlichen Klage gemacht wurde, die in der Folge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem erstgenannten Verfahren verbunden wurde. Mit Schriftsatz vom 17. Feber 1972 wendete die beklagte Partei auf Grund des vollstreckbaren Rückstandsausweises des Zollamtes Innsbruck vom 10. November 1971, Steuernummer 88 b/B eine Forderung von 566.916 S compensando gegen die Klagsforderung ein. Die klagende Partei bestritt die Gegenforderung und deren Aufrechenbarkeit, so daß das Erstgericht mit Teilurteil vom 19. Oktober 1972 zunächst über die Klagsforderung erkannte und gemäß § 391 Abs. 3 ZPO die Fortsetzung der Verhandlung über die Gegenforderung verfügte. Während das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht dieses Teilurteil bestätigte, änderte der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 17. Oktober 1973, 1 Ob 124/73, die Entscheidung der Vorinstanzen bei gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens von 1099.14 S samt Anhang dahin ab, daß er die Klagsforderung mit dem Betrage von 149.238 S samt Anhang feststellte und die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages unter Vorbehalt der Kostenentscheidung verurteilte. Dieses Urteil wurde den Parteien am 14. Jänner 1974 zugestellt. Die Fortsetzung der Verhandlung über die Gegenforderung erfolgte am 13. Feber 1974. Bei dieser Tagsatzung schränkte die klagende Partei im Hinblick auf die am 5. Feber 1971 erfolgte Bezahlung der "Hauptsache samt Zinsen" das Begehren auf Kosten ein. Die beklagte Partei brachte ihrerseits vor, daß die von ihr eingewendete Gegenforderung am 4. Feber 1974 von der klagenden Partei bezahlt wurde, ohne daß sie jedoch den Kompensationseinwand fallen ließ. Im Zuge des weiteren Verfahrens behauptete die klagende Partei, daß ihr die beklagte Partei in Ansehung der Gegenforderung laufend Stundungen gewährt habe. Über Aufforderung des Gerichtes, die angeblichen Stundungsgewährungen zu konkretisieren, erklärte sie, nicht angeben zu können, wann und in welcher Form und mit welchem Inhalt Stundungen der Gegenforderung bewilligt worden seien.
Das Erstgericht erkannte mit Urteil, daß die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verurteilte sie zur Zahlung von Prozeßkosten an die klagende Partei. Es nahm unter Abstandnahme angebotener Beweise an, daß zwischen der Geltendmachung der Gegenforderung im vorliegenden Verfahren und deren Bezahlung am 4. Feber 1974 keine die Fälligkeit der Gegenforderung aufhebende oder hemmende Maßnahme erfolgt sei. In seiner rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Geltendmachung einer Gegenforderung auf Grund eines rechtskräftigen Verwaltungsbescheides zwar zulässig sei, doch sei diese Forderung durch die am 4. Feber 1974 erfolgte Bezahlung getilgt worden, weshalb der Ausspruch über ihren Nichtbestand berechtigt sei.
Das Berufungsgericht erkannte mit Urteil, daß der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben und das Ersturteil in der Hauptsache mit der Maßgabe bestätigt werde, daß es zu lauten habe: "Die Einwendung einer Gegenforderung von 566.916 S durch die beklagte Partei wird abgewiesen." Das Berufungsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, daß grundsätzlich eine Gegenforderung, für die bereits ein Exekutionstitel vorliege, gegen eine festgestellte Klagsforderung aufrechenbar sei; über die Aufrechenbarkeit dieser Gegenforderung werde jedoch erst im Urteil entschieden und die Aufrechnung, sofern Aufrechenbarkeit bei Schluß der Verhandlung vorgelegen sei, hiemit vorgenommen. Die spezifische Aufrechnungswirkung könne erst mit der die Behauptung des Aufrechnenden bestätigenden Sachentscheidung eintreten. Zutreffend habe das Erstgericht erkannt, daß diesmal die Voraussetzungen für eine Aufrechnung deshalb nicht vorgelegen seien, weil bei Schluß der Verhandlung die Klagsforderung durch Zahlung bereits erloschen gewesen sei. Damit sei die Möglichkeit zu einer aufrechten Entscheidung über die Gegenforderung genommen; denn Voraussetzung jeder Entscheidung über die Gegenforderung sei der Bestand einer Klagsforderung bei Schluß der Verhandlung. Könne die Gegenforderung dem Aufrechnungszweck nicht mehr dienen, weil eine Aufrechnung mit Urteil mangels Bestandes der Klagsforderung nicht mehr möglich sei, müsse die Aufrechnungseinrede abgewiesen werden. Diese habe überdies hier deshalb nicht mehr zur Aufrechnung im Urteil führen können, weil auch die Gegenforderung durch Bezahlung erloschen gewesen sei, daher eine Aufrechnung mit ihr nicht mehr habe vorgenommen werden können. Dem Kompensationsanspruch sei jeder Boden entzogen gewesen. Da es richtig gewesen wäre, über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung gar nicht mehr zu entscheiden, sei eine entsprechende Berichtigung der im Ergebnis abweisend gebliebenen Entscheidung über die Aufrechnungseinrede vorzunehmen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Oberste Gerichtshof hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob sich die Entscheidungen der Vorinstanzen lediglich als solche im Kostenpunkt darstellen und daher die Anrufung der dritten Instanz gemäß § 528 ZPO - wie die klagende Partei meint - unzulässig wäre. Das Erstgericht hat gemäß § 391 Abs. 3 ZPO mit Teilurteil über die Klagsforderung entschieden und - nachdem diese Forderung letztlich durch den Obersten Gerichtshof mit 149.238 S als zu Recht bestehend erkannt wurde - entsprechend der Vorschrift des § 391 Abs. 3 letzter Satz ZPO die Verhandlung über die Gegenforderung fortgesetzt. Nachdem die Klägerin nach Bezahlung der rechtskräftig festgestellten Klagsforderung durch die beklagte Partei ihr Begehren "auf Kosten eingeschränkt hatte-", entschied es mit Endurteil, daß die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.
Bei der Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten nach rechtskräftiger Entscheidung über die Klagsforderung und deren Bezahlung durch die beklagte Partei entging ihr, daß die Frage der Berechtigung ihrer einredeweise geltend gemachten Gegenforderung Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens blieb. Das Erstgericht hat mit Endurteil über die Gegenforderung abgesprochen, diese Entscheidung wurde von der beklagten Partei - zutreffend mit Berufung - bekämpft. Über dieses Rechtsmittel, das die Frage des Bestandes und damit die der Aufrechenbarkeit der Gegenforderung zum Inhalt hatte, erkannte das Berufungsgericht - ebenfalls richtig - in Urteilsform. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofes gegen diese Entscheidung ist daher zulässig.
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß es sich bei der Geltendmachung der Gegenforderung durch die Beklagte um eine prozessuale Aufrechnungseinrede im Gegensatz zu einem allfälligen Einwand der privatrechtlich vollzogenen Aufrechnung handelt. Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Auffassung Faschings (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III, 584) nicht anzuschließen, wonach für die Entscheidung über die prozessuale Aufrechnungseinrede der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über die mit Teilurteil vorweg entschiedene Klagsforderung maßgeblich sei. Diese Ansicht ist auch in der Lehre vereinzelt geblieben. In "Vorlesungen über die Praxis des Civilprozesses" (211 f.) führt Klein aus, daß gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten erst eintritt, wenn die durch Endurteil liquid gemachte Gegenforderung als fällige Forderung der durch Teilurteil dem Kläger zuerkannten fälligen Forderung zu einer Zeit gegenübertritt, wo letztere noch nicht berichtigt ist. Ebenso lehrt Neumann (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen[4], 1118), daß die Wirkungen der Geltendmachung der Gegenforderung erst eintreten, sobald über letztere - nach dem Teilurteil - weiter verhandelt und über diese entschieden wurde. Diese Auffassungen werden auch von Melichar, Die Geltendmachung von Gegenforderungen im österreichischen Zivilprozeß- und Exekutionsrecht, JBl. 1946, 49 f., Petschek - Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, 261, Pollak, System des Österreichischen Zivilprozeßrechts[2], 20, Novak, Zur prozessualen Aufrechnungseinrede des österreichischen Rechts, JBl. 1951, 504 und Kropiunig, Die Form der Entscheidung über die Aufrechnungseinrede im Zivilprozeß, RZ 1959, 163 vertreten.
Die Lehre ist sich auch darüber einig, daß nicht mehr aufgerechnet werden kann, wenn zur Zeit der Erlassung des Endurteiles das Teilurteil schon (mit oder ohne Zwangsvollstreckung) erfüllt ist. Pollak vertritt die Auffassung, daß in einem solchen Fall das Endurteil das Teilurteil aufheben muß (§ 39 Z. 1 EO), während Neumann der Ansicht ist, der Beklagte könne, wenn die Gegenforderung als bestehend erkannt wird, auf Grund des Urteiles gemäß § 40 EO Einstellung der Exekution und nebst dem gemäß § 42 Z. 3 und 5 EO einstweilige Aufschiebung der Exekution begehren, allenfalls auch Einwendungen gegen die Exekution im Sinne des § 35 EO mittels Klage erheben. Sollte auf Grund des Teilurteiles gezahlt worden sein, werde im Endurteil der Kläger zu verurteilen sein, den erhaltenen Betrag nach Maßgabe der Höhe der festgestellten Gegenforderung zurückzuzahlen. Petschek - Stagel lehren, daß dann, wenn der Beklagte auf Grund des Teilurteiles mittlerweile freiwillig oder zufolge Exekution gezahlt hat und in dem die fortgesetzte Verhandlung abschließenden Endurteil der Einrede stattgegeben werde, der Beklagte eine "condictio" anstellen könne; schwebe zur Zeit der Rechtskraft des Endurteiles die Exekution auf Grund des Teilurteiles, so habe die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO zu erfolgen. Nach Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht, 230, kann der im weiteren Urteil siegreiche Beklagte, wenn der Kläger schon die Vollstreckung des "Vorbehaltsurteiles" betreibt, mit Oppositionsklage (§ 35 EO) oder Oppositionsgesuch (§ 40 EO) die Einstellung der Exekution erwirken; komme er aber damit zu spät, so habe er einen Schadenersatz- oder Bereicherungsanspruch. Die Schwierigkeiten, die sich aus der Fällung eines Teilurteils ergeben und die - wie aufgezeigt - zu den verschiedensten Lösungsversuchen geführt haben, erkennt auch Fasching, der darauf hinweist, daß das ganze Verfahren nach einem über die Hauptforderung gefällten Teilurteil gemäß § 391 Abs. 3 ZPO eine "Anomalie im Rahmen des Zivilprozesses" ist, weil in einem solchen Fall der Hauptsachantrag bereits erledigt und lediglich als Eventualabwehrantrag des Beklagten zum ausschließlichen Gegenstand eines selbständigen Verfahrens wird.
Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei auf Grund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises eine Gegenforderung eingewendet, deren Fälligkeit und Aufrechenbarkeit mit der Behauptung bestritten wurde, daß Stundungen gewährt worden seien. Grundsätzlich kann der Bundesschatz gegen eine gegen ihn geltend gemachte Klagsforderung im Aufrechnungswege auch eine öffentlich-rechtliche Forderung des Bundesschatzes gegen eine Privatperson mit einer Forderung dieser Person aus einem Privatrechtstitel aufrechnen (SZ 17/58; SZ 26/54). Die beklagte Partei ist dem Befehl des ergangenen Teilurteiles, den der klagenden Partei zuerkannten Klagsbetrag zu bezahlen, nachgekommen, obwohl ihr verschiedene Möglichkeiten gegen eine allfällige Exekutionsführung der klagenden Partei auf Grund des Teilurteiles zu Gebote gestanden wären (siehe hiezu JBl. 1952, 347). Insbesondere wäre sie in der Lage gewesen, auf Grund des vollstreckbaren Rückstandsausweises gegen die klagende Partei unabhängig von dem gegenständlichen Verfahren vorzugehen. Wenn sie diese Forderung als Gegenforderung in der Annahme eingewendet hat, auf Grund der die Klagsforderung weit übersteigenden Gegenforderung jedes Kostenrisiko des Hauptprozesses auszuschließen, dann muß sie auch das mit einem solchen Vorgehen verbundene Kostenrisiko tragen, das dann fühlbar wird, wenn durch Zahlung der Klagsforderung eine Aufrechnung mit der Gegenforderung ausgeschlossen ist. Eine solche Möglichkeit bestand im konkreten Fall übrigens auch deshalb nicht, weil die Gegenforderung - wie die beklagte Partei zugeben mußte noch vor Schluß der fortgesetzten Verhandlung von der klagenden Partei berichtigt worden ist.
Dem Berufungsgericht ist schließlich auch darin zu folgen, daß im Endurteil die Aufrechnungseinrede, die unter den gegebenen Umständen als selbständiges Anspruchsverfolgungsmittel außer Betracht bleiben muß, jetzt aber auch nicht mehr dem Aufrechnungszweck dienen kann, abzuweisen war.
Anmerkung
Z48010Schlagworte
Endurteil, Abweisung der Einwendung einer Gegenforderung mit -, Gegenforderung, Abweisung der Einwendung einer - mit EndurteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00016.75.0205.000Dokumentnummer
JJT_19750205_OGH0002_0010OB00016_7500000_000