Norm
ABGB §364aKopf
SZ 48/45
Spruch
Der Wegfall des Rechtes, Immissionen zu untersagen, kann nur eine Ausnahmeregelung sein; eine baubehördliche Genehmigung allein macht ein Bauvorhaben oder gar den Einsatz eines bestimmten Arbeitsgerätes, das durch ein erschütterungsfreieres ersetzt werden kann, noch nicht zu einer behördlich genehmigten Anlage im Sinne des § 364a ABGB
OGH 15. April 1975, 5 Ob 41/75 (OLG Linz 2 R 26/75; LG Salzburg 8 Cg 601/74)
Text
Zur Sicherung ihres Klageanspruches, die beklagte Gegnerin sei schuldig, das Einschlagen von Spundwänden im Zuge der Verwirklichung des Bauvorhabens ob den Liegenschaften EZ 401 und EZ 646 KG S ab sofort zu unterlassen, begehrten die gefährdeten Kläger die einstweilige Verfügung eines inhaltsgleichen Verbotes für die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites, längstens jedoch bis 1. Oktober 1976. Sie begrundeten ihr Begehren mit der Behauptung, die beklagte Gegnerin lasse durch eine von ihr beauftragte Arbeitsgemeinschaft auf ihrer den Liegenschaften der gefährdeten Kläger gegenüberliegenden und davon nur durch eine Straße getrennten Baustelle mittels eines Diesel-Explosionsrammhammers Stahlspundwände einschlagen, wodurch Erschütterungen hervorgerufen werden, die an den Häusern der gefährdeten Kläger zum Teil nicht mehr behebbare Schäden hervorriefen; die beklagte Gegnerin bestehe dennoch auf dem weiteren Einsatz dieser Ramme.
Die beklagte Gegnerin hat in ihrer Äußerung zu diesem Antrag, dessen Abweisung sie begehrte, im wesentlichen vorgebracht, daß die durch den Einsatz der Diesel-Explosionsramme hervorgerufenen Erschütterungen keinerlei Schäden an den Häusern der gefährdeten Kläger hervorriefen und in ihrer Größenordnung nicht über den vom normalen Straßenverkehr verursachten Erschütterungen liegen; sie habe bereits vor Einbringung der Klage die Einstellung des Einschlagens der Spundwände veranlaßt und werde die Ramme nicht mehr einsetzen, es sei denn, daß es sich im äußersten Notfalle bei schweren Behinderungen durch Findlinge im Boden nicht vermeiden ließe.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und nahm als bescheinigt an, daß der Einsatz der Diesel-Explosionsramme nur in doppelter bis dreifacher Entfernung von den Häusern der gefährdeten Kläger im Verhältnis zur bisherigen Entfernung zulässig wäre. Da in dem Antrag der gefährdeten Kläger vom Einsatz anderer Geräte beim Einschlagen der Spundwände als der Diesel-Explosionsramme keine Rede gewesen sei, könne das Verbot auch nur auf den Einsatz einer solchen Ramme bezogen werden.
Dem Rekurs der beklagten Gegnerin gegen diese einstweilige Verfügung gab das Rekursgericht teilweise Folge, indem es das Verbot auf den Einsatz eines Diesel-Explosionsrammhammers beim Einschlagen von Spundwänden beschränkte. Das Rekursgericht erachtete den Einsatz der Diesel-Explosionsramme bei den gegebenen Verhältnissen als unzulässig und nahm das Bestehen einer Wiederholungsgefahr auf Grund der Äußerung der beklagten Gegnerin an, das Gerät werde nicht mehr eingesetzt, es sei denn, daß es sich im äußersten Notfalle bei schweren Behinderungen durch Findlinge im Boden nicht vermeiden ließe; das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß der Unterlassungsanspruch ausreichend bescheinigt sei, es habe allerdings im Spruch seiner Entscheidung nicht jene Immissionsquelle bezeichnet, die nach der Aktenlage allein als Ursache der das ortsübliche Maß überschreitenden und den gefährdeten Klägern zumutbaren Erschütterungseinwirkungen in Betracht komme, nämlich die Diesel-Explosionsramme. Der Begriff der Gefährdung im Sinne des § 381 EO erfasse auch die Möglichkeit, daß von der Aufrechterhaltung des bekämpften Zustandes ein unwiederbringlicher Schaden zu befürchten ist. Es entspreche der Erfahrung des täglichen Lebens, daß durch Maschinenbetrieb ausgelöste Erschütterungen wie sie im vorliegenden Fall bescheinigt seien, sowohl für den Baubestand von Wohnhäusern als auch für die physische und psychische Gesundheit der Bewohner eine immanente Gefahr darstellen, wobei zumindestens die gesundheitliche Gefährdung der Hausbewohner als drohender unwiederbringlicher Schaden zu qualifizieren sei. Gefahr und Anspruch seien demnach ausreichend bescheinigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs der beklagten Gegnerin gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes ist zulässig, weil es sich nach dem allein maßgeblichen Spruch des Erstgerichtes, der ein einschränkungsloses Verbot des Einschlagens von Spundwänden zum Ausdruck bringt, bei dem vom Rekursgericht auf die Verwendung eines Diesel-Explosionsrammhammers eingeschränkten Verbot des Einschlagens von Spundwänden nicht um eine bestätigende Entscheidung im Sinne des § 528 Abs. 1 ZPO (§ 78 EO, § 402 EO) handelt (vgl. Jud 56 u. a., zuletzt 7 Ob 188/74)
In der rechtlichen Beurteilung der Sache ist der Revisionsrekurswerberin darin beizustimmen, daß es in Ansehung der Sachverhaltsvoraussetzungen auf den Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung ankommt; dieser Auffassung hat auch das Rekursgericht Rechnung getragen, denn es ist von der Bescheinigungslage ausgegangen, wie sie sich nach den Beilagen D, E und 2 bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Verbotes durch das Erstgericht dargestellt hat. Zu diesem Zeitpunkt war aber auch die Gefahr der Eingriffswiederholung durch neuerlichen Einsatz der Diesel-Explosionsramme durch die beklagte Gegnerin gegeben, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat. Ein Unterlassungsbegehren ist nur dann berechtigt, wenn die Gefahr eines künftigen Zuwiderhandelns, also die Gefahr der Eingriffswiederholung oder eines Ersteingriffes, besteht. An dieser Ansicht, die der ständigen Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht (vgl. EvBl. 1972/20 u. v. a.; zuletzt 5 Ob 308/74), wird trotz der gegen die Lehre von der Wiederholungsgefahr jüngst erhobenen Einwendungen (Schuster - Bonott, JBl. 1974, 169 ff.) im Einklang mit Gschnitzer (in Klang[2] IV/1, 24 f.; 4 Ob 547/74) schon deshalb festgehalten, weil sich aus den §§ 354, 523 und 1432 ABGB ergibt, daß Unterlassungspflichten erst und nur dann klagbar sind, wenn und solange die Gefahr künftigen Zuwiderhandelns besteht (vgl. jüngst Jelinek, ÖBl. 1974, 125, der zutreffend überdies auf § 81 UrhG verweist). Der Einwand der Rekurswerberin, sie werde mit der Diesel-Explosionsramme nicht mehr arbeiten, bedeutet daher nichts anderes als den Einwand des Wegfalles der (nach österreichischem Recht dem materiellen Privatrecht und nicht etwa dem Rechtsschutzbedürfnis zuzuweisenden) Klagbarkeit (Fasching III 9; Holzhammer, Zivilprozeßrecht, 135). Ein Anspruch, dem die Klagbarkeit fehlt, kann durch eine einstweilige Verfügung nicht gesichert werden.
An die Bescheinigung der Wiederholungsgefahr sind keine engherzigen Maßstäbe anzuwenden (SZ 27/119; SZ 25/161; SZ 37/62; ÖBl. 1974/119 u. v. a.). Sie wird jedenfalls grundsätzlich schon dann anzunehmen sein, wenn, wie im vorliegenden Falle, der beklagte Gegner weiterhin den Standpunkt verficht, zu der beanstandeten Handlung berechtigt zu sein (ÖBl. 1971, 46; ÖBl. 1972, 43; ÖBl, 1973, 60; ÖBl. 1974, 119 u. v. a.; zuletzt 4 Ob 306, 307/74). Im vorliegenden Verfahren kommt hinzu, daß die beklagte Gegnerin freimütig bekundete, im äußersten Notfalle bei schweren Behinderungen durch Findlinge dennoch die Diesel-Explosionsramme einsetzen zu wollen. Mit Recht hat daraus auch das Rekursgericht den Fortbestand ernstlicher Besorgnis weiterer Eingriffe der beklagten Gegnerin in die Rechte der gefährdeten Kläger abgeleitet (vgl. EvBl. 1961/75; SZ 37/62 u. v. a.). Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr - wofür die beklagte Gegnerin behauptungs- und bescheinigungspflichtig war (4 Ob 306, 307/74; ÖBl. 1973, 135 u. a.) - liegt kein ausreichender Anhaltspunkt vor.
Unrichtig ist die Ansicht der Rekurswerberin, es handle sich bei ihrer Baustelle, auf welcher die Diesel-Explosionsramme eingesetzt wurde, um eine behördlich genehmigte Anlage, auf die der Ausnahmetatbestand des § 364a ABGB Anwendung findet. Nach dieser Bestimmung, die Ähnlichkeit mit dem Rechtsinstitut der Enteignung hat (MietSlg. 23.035; SZ 45/7; 36/67 u. a., zuletzt 4 Ob 619/74; Steininger in JBl. 1965, 418), wird unter Ausschluß des Untersagungsanspruches den von den Einwirkungen durch den Betrieb einer Bergwerksanlage oder einer behördlich genehmigten Anlage beeinträchtigten Nachbareigentümer nur der Ersatz des zugefügten Schadens zugebilligt. Da es sich dabei um eine Ausnahmeregelung handelt (4 Ob 619/74), muß davon ausgegangen werden, daß das Untersagungsrecht des durch Immissionen beeinträchtigten Nachbareigentümers die Regel und sein Wegfall die Ausnahme ist (Klang[2] II 168; MietSlg. 23.035; 4 Ob 619/74). Deshalb hat auch derjenige, der sich auf die Anwendbarkeit der Ausnahmeregel des § 364a ABGB beruft, die behördliche Genehmigung der Anlage durch Vorlage eines entsprechenden Bescheides der zuständigen Behörde nachzuweisen (MietSlg. 23.035; 4 Ob 619/74). Eine Anwendung der Bestimmung des § 364a ABGB über den Bereich gewerblicher Anlagen hinaus wird zwar bei Anlagen bejaht, die nach bestimmten Sondergesetzen einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb bedürfen (z. B. Eisenbahnen, Flughäfen; Klang[2], 174 f.; Moser in ÖJZ 1974, 377), sie ist aber nicht bereits durch jede andere behördliche Genehmigung der Anlage wie eine Baugenehmigung für diese gerechtfertigt (4 Ob 619/74). Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß § 364a ABGB dann nicht anzuwenden ist, wenn nur eine Baugenehmigung für die Anlage vorliegt (Klang[2] II 174; MietSlg. 23.035 u. a., zuletzt 4 Ob 619/74). Aus diesen Erwägungen ist auf den Einwand der beklagten Gegnerin in erster Instanz, es handle sich bei ihrer Baustelle um eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB, keine Rücksicht zu nehmen.
Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 364 Abs. 2 ABGB wurde vom Rekursgericht im vorliegenden Fall mit Recht bejaht. Die durch den Einsatz der Diesel-Explosionsramme auf der Baustelle der beklagten Gegnerin den gefährdeten Klägern zugefügten Einwirkungen auf ihre Liegenschaften durch Erschütterungen des Bodens überschreiten das Maß des Zumutbaren und Ortsüblichen; vor allem aber sind sie durch den Einsatz anderer, auf den gleichen Verwendungszweck gerichteter und durchaus gleichwertiger Rammen (Vibrationsrammen) ohne erkennbare Schwierigkeiten für die beklagte Gegnerin vermeidbar.
Endlich kann auch die Auffassung der Rekurswerberin nicht geteilt werden, das Rekursgericht habe eine andere Entscheidung gefällt als sie von den gefährdeten Klägern begehrt wurde, weil es das vom Erstgericht antragsgemäß erlassene Verbot des Einschlagens von Spundwänden durch das Verbot der Verwendung eines bestimmten Gerätes ersetzt habe. Tatsächlich hat jedoch das Rekursgericht das vom Erstgericht erlassene allgemeine Verbot des Einschlagens von Spundwänden auf das spezielle Verbot dieses Unternehmens mittels eines Diesel-Explosionsrammhammers eingeschränkt. Es wurde somit nicht ein anderes Verbot als das von den gefährdeten Klägern begehrte ausgesprochen, vielmehr wurde ihrem Antrag nicht in vollem Umfange stattgegeben, sondern nur mit der dargestellten Einschränkung. Darin ist eine teilweise Abweisung des zu weit gezogenen Verbotsbegehrens der gefährdeten Kläger gelegen.
Anmerkung
Z48045Schlagworte
Arbeitsgerät, baubehördliche Genehmigung macht ein - noch nicht zu einer behördlich genehmigten Anlage im Sinne des § 364a ABGB Genehmigte Anlage, baubehördliche Genehmigung macht ein Arbeitsgerät noch nicht zu einer behördlich - im Sinne des § 364a ABGB Immissionen, baubehördliche Genehmigung macht ein Arbeitsgerät noch nicht zu einer behördlich genehmigten Anlage im Sinne des § 364 ABGBEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00041.75.0415.000Dokumentnummer
JJT_19750415_OGH0002_0050OB00041_7500000_000