TE OGH 1975/6/24 4Ob318/75

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Veröffentlicht am 24.06.1975
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Norm

Urheberrechtsgesetz §78

Kopf

SZ 48/73

Spruch

Für die Veröffentlichung eines "(Berufs-)Bildes" eines Fotomodells bei Berichterstattung über dessen strafbares Verhalten muß ein legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bestehen

Bezweckt die Veröffentlichung des Bildes einer Person primär die Befriedigung der Neugierde und der Sensationslust der breiten Öffentlichkeit, dann werden damit die Grenzen einer zulässigen Berichterstattung überschritten und die rechtlich geschützten Interessen der abgebildeten Person verletzt

OGH 24. Juni 1975, 4 Ob 318/75 (OLG Linz 3R 149/74; LG Linz 8 Cg 22/74)

Text

Die Beklagte ist Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin der "Neuen Kronen-Zeitung" (früher: "Unabhängige Kronen-Zeitung"), der auflagenstärksten Zeitung Österreichs. In der für Oberösterreich bestimmten, in Linz redigierten Lokalausgabe dieses Blattes - nicht aber auch in den übrigen Ausgaben - wurde am 21. Oktober 1971 auf Seite 5 im Zusammenhang mit einem Artikel unter der Schlagzeile: " 'Perle' packte aus: Chefin bezahlte die EngelmacherinÜ" ein Lichtbild der Klägerin veröffentlicht.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 100.000 S samt Anhang. Sie habe durch die beanstandete Veröffentlichung einen Schaden in dieser Höhe erlitten (§ 87 UrhG), doch gebühre ihr der eingeklagte Betrag auch als "angemessenes Entgelt" im Sinne des § 86 UrhG. Das Begehren wird überdies auf die "einschlägigen Schadenersatzbestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 1293 ff.)" und auf die Verletzung der Persönlichkeitsrechte gestützt, die der Klägerin gemäß §§ 15 ff. A8GB zustunden, darüber hinaus auch auf Art. VII StGN 1862 (Lassersche Artikel).

Demgegenüber behauptet die Beklagte ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Information über das strafbare Verhalten der Klägerin, wegen dessen sie schließlich auch vom Strafgericht verurteilt worden sei; das Klagebegehren sei auch der Höhe nach nicht berechtigt.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Die Klägerin hatte 1968 und 1969 fallweise als Fotomodell gearbeitet; im Jahr 1971 übte sie diese Tätigkeit hauptberuflich aus.

Im Herbst 1970 ließ sich die Klägerin bei dem Fotografen Roland N in Wien gegen ein Honorar von 8655 S (reine Aufnahmekosten) ein sogenanntes "Compose" anfertigen, welches auf drei zusammenhängenden Blättern drei großformatige Farbaufnahmen - davon ein Bild der Klägerin im Neglige - und dreizehn Schwarz-Weiß-Bilder verschiedener Größe enthielt. Neben der Neglige-Aufnahme findet sich folgender Text:

"Ulla T, Größe 170, Konfektion 38, Oberweite 88, Taille 61, Hüfte 88, Handschuhe 7, Schuhe 40, Haare mittelblond, Augen grün; Sport:

Reiten, Tennis, Wasserski, Ski, Eiskunstlauf. Foto: Roland N."

Das "lay-out", also die Auswahl und Zusammenstellung der für das Compose in Betracht kommenden Bilder, hatte der damalige Schwager der Klägerin, Helmut H, unentgeltlich besorgt. Zur Anfertigung der Aufnahmen und zur Herstellung des "lay-outs" hatte sich die Klägerin drei Tage lang in Wien aufgehalten, wodurch ihr Spesen in der Höhe von 1500 S entstanden waren. Auch die für die Aufnahmen erforderlichen Kleidungsstücke und Accessoires mußte die Klägerin aus eigenem bezahlen.

In der Folge ließ sich die Klägerin bei der Druckerei H 600 Exemplare des Composes anfertigen, wofür sie 16.000 S zu zahlen hatte.

Composes dieser Art können etwa drei bis vier Jahre lang verwendet werden. Interessierte Kunden wählen daraus im Studio des Fotografen das ihnen zusagende Modell, wenden sich dann an die zuständige Modellagentur und buchen dort das von ihnen ausgewählte Modell. Auch die Klägerin hatte das Compose an 20 bis 30 Fotografen und Großfirmen in Österreich versendet und außerdem bei einer Agentur in Wien auflegen lassen. Auf Grund dieser aufliegenden Exemplare erhielt die Klägerin von März bis Juni 1971 verschiedene Aufträge. Dabei verdiente sie insgesamt 39.440 S. Auf Empfehlung eines Fotografen hatte sich die Klägerin außerdem an eine Agentur in Barcelona gewendet, von dieser einen Auftrag erhalten und für 10 Termine in Spanien ein Honorar von 36.000 S erzielt. Der Gesamtverdienst der Klägerin als Fotomodell betrug in der Zeit von März bis Juni 1971 insgesamt 69.440 S.

Im Sommer 1971 war bei der Klägerin eine Hausgehilfin namens Mary Jane R beschäftigt gewesen. Diese war im Zeitpunkt ihres Dienstantritts bereits im vierten oder fünften Monat schwanger gewesen und hatte dies der Klägerin auch mitgeteilt. Anfang Juli 1971 forderte die Klägerin Mary Jane R auf, sich die Leibesfrucht abtreiben zu lassen; die Abtreibung wurde am 2. Juli 1971 unter Mitwirkung der Klägerin tatsächlich durchgeführt. Im Anschluß daran verbrachte die Klägerin mit ihrem Mann, ihren beiden Adoptivkindern und der Hausgehilfin Mary Jane R einen Urlaub in Italien. Mary Jane R wurde am 1. September 1971 von der italienischen Polizei nach Österreich abgeschoben und dem Gendarmeriepostenkommando Arnoldstein übergeben. Als die Klägerin am 6. oder 7. September 1971 nach Österreich zurückkehrte, erfuhr sie, daß gegen sie Erhebungen in der Richtung des Verbrechens nach § 146 StG geführt wurden. Auf Grund einer Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Pasching vom 2. September 1971 beantragte die Staatsanwaltschaft Linz am selben Tag gegen Mary Jane R die Verhängung der U-Haft wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 144 StG und gegen die Klägerin die Durchführung von Vorerhebungen wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 146 StG. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. März 1972, 24 Vr 2090/71-38, wurde die Klägerin rechtskräftig des Verbrechens der Mitschuld an der Abtreibung der eigenen Leibesfrucht nach § 146 StG schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie Anfang Juli 1971 in Linz die schwangere Mary Jane R zur Abtreibung ihrer Leibesfrucht verleitet und ihr durch Vermittlung der abgesondert verfolgten Helene K dazu Hilfe geleistet habe.

Die Oberösterreich-Ausgabe der "Kronen-Zeitung" brachte am 21. Oktober 1971 im Lokalteil auf Seite 5 nachstehenden Bericht:

"Linzer Mannequin ließ seine Hausgehilfin ohne Paß in Italien.

'Perle' packte aus: Chefin bezahlte die EngelmacherinÜ"

Beim Spaziergang im Gefängnishof sah sie jetzt jene Frau wieder, die bei ihr einen verbotenen Eingriff vorgenommen hatte. Damit konnte die Hausgehilfin Mary Jane R (17) beweisen, daß sie ihre Chefin, den Mannequin Ulli Maria T (26) nicht verleumderisch der Anstiftung zur Abtreibung bezichtigt hatte, wie die es behauptet hatte. Jetzt sitzt auch die Chefin mit ihrer entlassenen Hausgehilfin und der Engelmacherin im selben Gefängnis.

Am längsten von den dreien ist die Pensionisten und Aufräumerin Helene K (60) eingesperrt. Der einschlägig vorbestraften Frau war, wie berichtet, am 7. Oktober eine Abtreibung mit tödlichem Ausgang nachgewiesen worden. Helene K gab aber nur zu, den tragisch endenden Eingriff an der Hausgehilfin Anneliese W (25) vorgenommen zu haben. Andere Abtreibungen bestritt sie.

Das nahmen ihr aber die erfahrenen Beamten der Gendarmerieerhebungsabteilung nicht ab. Doch erst "Inspektor Zufall" kam zu Hilfe: Im Hof des landesgerichtlichen Gefangenenhauses in Linz hatte Mary Jane R die Mitgefangene Helene K als jene Frau wiedererkannt, die am 2. Juli eine Abtreibung an ihr vorgenommen hatte.

Das 17jährige Mädchen war im vierten Monat schwanger gewesen. Das war seiner Dienstgeberin, dem Berufsmannequin und Photomodell Ulli Maria T, ein Dorn im Auge: Die Chefin überredete ihre Hausgehilfin, einen verbotenen Eingriff vornehmen zu lassen. Sie holte dazu Helene K ins Haus.

Drei Tage nach der Schwangerschaftsunterbrechung reiste die Haushälterin dann mit Chefin, deren Gatten und dem Kind auf Urlaub nach C in Italien. Dort wurde das aus U stammende Mädchen fristlos entlassen, weil es wegen Männerbekanntschaften seine Arbeit vernachlässigt hatte. Ohne ihr den Reisepaß herauszugeben, wurde Mary Jane R in Italien mittellos vor die Tür gesetzt.

Den Beamten des Grenzpostens Arnoldstein in Kärnten erzählte sie von ihren Erlebnissen. Auch von der Abtreibung. Auch von der Anstifterin. Mary Jane wurde verhaftet, doch die Exchefin blieb frei: Sie tat nämlich die schweren Beschuldigungen des Mädchens als Racheakt und böse Verleumdung ab. Ein Verleumdungsverfahren gegen die Hausgehilfin wurde eingeleitet. Gerade noch vor der Verurteilung traf sie jetzt glücklicherweise im Gefängnis die ihr namentlich unbekannte Engelmacherin wieder. Jetzt wurde auch der Mannequin überführt und ebenfalls verhaftet."

Neben diesem Artikel war auf derselben Seite ein 10 x 13 cm großes Brustbild der Klägerin eingefügt: Darunter stand: "Stiftete die Haushälterin zu einer Abtreibung an und bezichtigte sie der Verleumdung: Der Mannequin Ulli Maria T (26)."

Verfasser des Artikels war der damalige Redakteur der "Kronen-Zeitung" Richard Sch. gewesen. Er hatte dem gleichfalls bei diesem Blatt beschäftigten Fotografen Horst E mitgeteilt, daß er einen Artikel über die Klägerin herausbringen werde und dazu das erforderliche Bildmaterial benötige. E, welcher ein bei der Firma "Quelle" aufliegendes Compose der Klägerin zur Verfügung hatte, fotografierte daraus die Aufnahme der Klägerin im Neglige und übersandte einen Ausschnitt dieses Bildes an die Redaktion der "Kronen-Zeitung", welche das Bild im Zusammenhang mit dem Artikel vom 21. Oktober 1971 veröffentlichte. Weder Horst E noch die "Kronen-Zeitung" hatten die Zustimmung der Klägerin zu dieser Veröffentlichung eingeholt; die Klägerin hatte niemandem erlaubt, ihr Bild aus dem Compose in irgendeiner Weise zu veröffentlichen.

Nach der Veröffentlichung des Bildes in der "Kronen-Zeitung" wurde die Klägerin von verschiedenen Firmen oder Fotografen, die sie bisher als Fotomodell engagiert hatten, nicht mehr verwendet. Die Ursache für das Ausbleiben dieser Aufträge lag darin, daß ein "Berufsbild" der Klägerin in der Zeitung veröffentlicht worden war; dies hatten auch verschiedene Firmen, bei denen sich die Klägerin nach dem Grund dafür, daß sie nicht mehr verwendet wurde, erkundigt hatte, der Klägerin zur Kenntnis gebracht.

Auch Heinz F, welcher bei der X-GmbH als Fotograf an der Herstellung der Kataloge mitgewirkt hatte, hatte nach dem Erscheinen des Artikels und des Bildes in der "Kronen-Zeitung" von anderen Fotomodellen erfahren, daß die Klägerin der Beteiligung an einer Abtreibung bezichtigt werde und daß dabei ein Foto der Klägerin veröffentlicht worden war. Als Heinz F diesen Umstand der X-GmbH zur Kenntnis brachte, erklärte ihm die genannte Gesellschaft, daß die Klägerin als Modell im Firmenkatalog nicht mehr werde aufscheinen können, weil ihre weitere Verwendung im Hinblick auf die Zeitungsveröffentlichung für die Gesellschaft zu riskant wäre. Andere Mannequins teilten Heinz F mit, daß es sich bei der Abbildung der Klägerin in der "Kronen-Zeitung" um ein Foto aus ihrem Compose gehandelt hatte. Heinz F war mit der Klägerin als Fotomodell zufrieden gewesen und hatte ihr beim letzten Termin vor dem Erscheinen des gegenständlichen Artikels mitgeteilt, daß sie für den Herbst-Winter-Katalog 1972, für welchen die Aufnahmen im Frühjahr 1972 gemacht werden sollten, wieder herangezogen werde. Heinz F hätte die Klägerin auch tatsächlich, wären ihr Bild und der Artikel nicht in der "Kronen-Zeitung" erschienen, als Fotomodell für diesen Katalog verwendet. Bei der X-GmbH wird ein Fotomodell in der Regel in drei bis vier Auflagen des Katalogs verwendet, erst dann pausiert es. Die Klägerin hätte für die Aufnahmen bei der X-GmbH pro Tag 3500 S netto bekommen; außerdem wären ihr die Kosten der Anreise, der Übernachtung und des Mittagessens vergütet worden. Für eine Katalogauflage hätte die Klägerin zwei Tage zur Verfügung stehen müssen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, für den Herbstkatalog 1972, den Weihnachtskatalog und den Frühjahrskatalog 1973 der X-GmbH als Fotomodell beschäftigt zu werden; sie hätte sich für die Aufnahmen insgesamt fünf Tage zur Verfügung stellen müssen. Tatsächlich teilte Heinz F der Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 1971 mit, daß er sie auf Grund der Veröffentlichung in der "Kronen-Zeitung" in Zukunft nicht mehr werde verwenden können; die in Aussicht genommenen Termine müßten entfallen. Auf Grund der Zeitungsveröffentlichung hatte Heinz F auch das Compose der Klägerin aus seiner Sammlung herausgenommen.

Nach den Aufzeichnungen des Steuerberaters der Klägerin Dr. W, hatte die Klägerin im Jahr 1971 für die Herstellung des Composes einschließlich der notwendigen Ausstattung, Taxi- und Bahnfahrten sowie Verpflegungs- und Nächtigungskosten insgesamt 41.263 S ausgegeben.

Im Verfahren 20 Vr 2543/71 des Landesgerichtes Linz wurden Richard Sch. und Fritz P mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 20. Juli 1973, 13 Os 61/73-6, von der Anklage, sie hätten - als Artikelverfasser und nach dem Pressegesetz verantwortlicher Redakteur - den Inhalt der im Lauf einer strafgerichtlichen Untersuchung zu den Akten gebrachten Beweisurkunden, nämlich den Inhalt der in den Strafsachen gegen Helene K und Mary Jane R erstatteten Gendarmerieanzeigen und sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnisse, bevor davon in der Hauptverhandlung Gebrauch gemacht wurde, durch den Druck des Artikels in der "Kronen-Zeitung" vom 21. Oktober 1971 veröffentlicht und dadurch das Vergehen nach Art. VII StGN 1862 begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 78 UrhG. Die Klägerin habe der Beklagten die Veröffentlichung ihres Bildes nicht gestattet; ihre berechtigten Interessen seien dadurch verletzt worden, daß verschiedene Firmen und Agenturen, welche die Klägerin bisher als Fotomodell herangezogen hatten, sie fortan nicht mehr verwendeten. Da die Beklagte das Verschulden ihres Fotografen Horst E zu vertreten habe, sei das Schadenersatzbegehren der Klägerin gemäß § 87 Abs. 1 UrhG gerechtfertigt. Da die Klägerin im Jahr 1971 innerhalb von vier Monaten etwa 70.000 S verdient habe, müsse gemäß § 273 ZPO davon ausgegangen werden, daß der ihr infolge der Veröffentlichung ihres Bildes in den folgenden Monaten und Jahren entgangene Gewinn mindestens 100.000 S betrage. Eine Verpflichtung zur Schadensminderung durch Entfernung des veröffentlichten Bildes aus dem Compose habe die Klägerin schon deshalb nicht getroffen, weil dieses Bild eine Ganzaufnahme der Klägerin unter Beifügung ihres Namens, ihrer Anschrift sowie verschiedener Maße und Daten zeige und daher ein wesentlicher Bestandteil des Composes sei.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm sämtliche Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und hielt auch die Feststellung weiterer Tatsachen nicht für erforderlich. Rechtlich war das Berufungsgericht der Auffassung, daß bei der Prüfung der Frage, ob die Veröffentlichung eines Bildes im Sinne des § 78 UrhG berechtigte Interessen des Abgebildeten verletze, darauf abgestellt werden müsse, ob die von ihm geltend gemachten Interessen bei objektiver Prüfung des konkreten Falles als schutzwürdig anzusehen seien. Das Bild dürfe dabei nicht allein betrachtet werden; vielmehr komme es auf die ganze Art der Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Rahmen, in dem das Bild erscheint, sowie insbesondere auf den beigegebenen Text und die Art der Verbreitung an. Müsse danach ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten anerkannt werden, dann sei die Veröffentlichung grundsätzlich unzulässig; behaupte aber derjenige, der das Bild verbreitet habe, ein Interesse an dieser Verbreitung, dann seien die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen.

Im vorliegenden Fall sei die Veröffentlichung des Bildes der Klägerin nicht durch das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gedeckt, weil die von der Klägerin begangene strafbare Handlung - auch unter Berücksichtigung ihrer Begleitumstände und des wenig schönen Verhaltens der Klägerin gegenüber Mary Jane R - eine derartige "Anprangerung" der Klägerin in aller Öffentlichkeit keinesfalls rechtfertige. Die Tathandlung der Klägerin sei auch nicht so geartet gewesen, daß eine Notwendigkeit oder auch nur ein Bedürfnis bestanden hätte, die Leser der "Kronen-Zeitung" vor der Person der Klägerin zu warnen. Nach der Rechtsprechung sei die Veröffentlichung von Bildern, die einen Rechtsbrecher in einer mit der Tat nicht zusammenhängenden Umgebung zeigten, also bei irgendeiner anderen Gelegenheit aufgenommen wurden, unstatthaft. Es sei daher in jedem Fall unzulässig gewesen, ein mit dem Beruf der Klägerin zusammenhängendes Foto der Öffentlichkeit darzubieten. Da sich aus dem Zusammenhang zwischen dem zu beruflichen Zwecken hergestellten Bild der Klägerin und dem sensationell aufgemachten Text des Zeitungsartikels jedenfalls ergebe, daß die Beklagte hier die Grenze zwischen einer zulässigen Berichterstattung und einem Eingriff in die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überschritten habe, falle die Interessenabwägung eindeutig zugunsten der Klägerin aus. Der von der Beklagten bestrittene Kausalzusammenhang zwischen der Veröffentlichung des Bildes und der von der Klägerin behaupteten Einkommensminderung sei auf Grund der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht zu bejahen; das Verschulden der Beklagten liege darin, daß sie ihre Mitarbeiter ("Bedienstete oder Beauftragte" im Sinne des § 88 Abs. 2 UrhG) nicht entsprechend überwacht habe, so daß die Veröffentlichung des gegenständlichen Bildes ohne Zustimmung der Klägerin geschehen konnte.

Die Berufung der Beklagten sei aber auch insoweit nicht berechtigt, als sie sich gegen die Höhe des der Klägerin zuerkannten Betrages wende: Der der Klägerin im Zusammenhang mit der Herstellung des Composes entstandene, durch die Entwertung dieses Composes unnütz gewordene und gemäß § 273 ZPO mit 30.000 S festzusetzende Aufwand sei der Klägerin als Schadenersatz voll zu vergüten. Darüber hinaus habe die Klägerin aber gemäß § 87 Abs. 1 UrhG aus dem Titel des entgangenen Gewinnes Anspruch auf Ersatz des Nettoverdienstes, den sie ohne die beanstandete Veröffentlichung auf Grund des Composes noch hätte erzielen können und der vom Erstgericht gleichfalls unbedenklich mit 70.000 S festgesetzt worden sei. Da auch eine Verpflichtung der Klägerin zur Schadensminderung durch Austausch des veröffentlichten Bildes schon deshalb nicht in Betracht komme, weil ein solcher Austausch an der bereits eingetretenen Schädigung der Klägerin nichts mehr geändert hätte und die Beklagte im übrigen nicht habe beweisen können, daß die Klägerin durch Annahme eines Engagements im Ausland oder durch verstärkte Bemühungen in anderen Bundesländern den Schaden hätte verringern können, sei das Urteil des Erstgerichtes in vollem Umfang zu bestätigen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge; er bestätigte den Zuspruch von 70.000 S samt Anhang und wies das Mehrbegehren von 30.000 S samt Anhang ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht im Recht, wenn sie in Ausführung der Rechtsrüge weiterhin eine Verletzung berechtigter Interessen der Klägerin durch die beanstandete Veröffentlichung ihres Bildes in der "Kronen-Zeitung" vom 21. Oktober 1971 in Abrede stellt. Das Berufungsgericht hat hier unter sorgfältiger Berücksichtigung der einschlägigen Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt, daß bei der Beurteilung dieser Frage nicht das Bild allein betrachtet werden darf, vielmehr die ganze Art der Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Rahmen, in den das Bild gestellt wurde, und insbesondere mit dem beigegebenen Text berücksichtigt werden muß. Maßgebend ist, daß bei objektiver Prüfung der Umstände des Einzelfalles die Interessen des Abgebildeten als schutzwürdig anzusehen sind. Trifft das zu, dann ist die Veröffentlichung und Verbreitung des Bildes grundsätzlich unzulässig. Behauptet aber derjenige, der das Bild verbreitet, seinerseits ein Interesse an diesem Vorgehen, dann müssen die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden (vgl. dazu außer der schon vom Berufungsgericht zitierten Judikatur insbesondere noch SZ 28/205 = ÖBl. 1957, 12; SZ 44/104 = ÖBl. 1972, 47; ÖBl. 1961, 36; ÖBl. 1961, 78; ÖBl. 1969, 21). Einer solchen Interessenabwägung bedarf es insbesondere bei Beantwortung der Frage, wie weit sich jemand, der einer strafbaren Handlung verdächtigt, beschuldigt, angeklagt oder verurteilt worden ist, die Veröffentlichung seines Bildes gefallen lassen muß; hier wird die Entscheidung vor allem davon abhängen, ob die Umstände des konkreten Falles ein Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Bekanntgabe der Tatsachen, sondern auch an der Veröffentlichung des Bildes des Betroffenen rechtfertigen und diesem Interesse der Öffentlichkeit ein höheres Maß von Berechtigung zukommt als dem begreiflichen Interesse des Abgebildeten am Unterbleiben einer solchen bildlichen "Anprangerung" (vgl. dazu Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl. 1961, 8 bei und in FN 36).

Der vorliegende Fall ist in dieser Hinsicht vor allem dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte nicht etwa im Zuge der Berichterstattung über ein anhängiges Strafverfahren ein bei der Verhaftung der Klägerin oder während des anschließenden Strafverfahrens, insbesondere bei der öffentlichen Hauptverhandlung, entstandenes Bild der Klägerin veröffentlicht hat - die Bezugnahme der Revision auf die Entscheidung SZ 28/77 = ÖBl. 1955, 32, welche die Veröffentlichung eines Bildes aus einer öffentlichen Gerichtsverhandlung betroffen hatte, ist also schon aus diesem Gründe verfehlt -, sondern ein mit der Berufstätigkeit der Klägerin zusammenhängendes, auf ihre Bestellung angefertigtes und in das Compose aufgenommenes Foto, das sich die Beklagte ohne Wissen und ohne Zustimmung der Klägerin verschafft hatte. Ob dieser Umstand im Sinne der vom Berufungsgericht angeführten Lehre und Rechtsprechung allenfalls schon für sich allein ausreichen würde, um das Verhalten der Beklagten als unzulässig erscheinen zu lassen, braucht hier aber nicht weiter erörtert zu werden: Die nach den obigen Rechtsausführungen gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen fällt nämlich, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend erkannt und schlüssig begrundet hat, im vorliegenden Fall schon deshalb zum Nachteil der Beklagten aus, weil ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit, im Rahmen der Berichterstattung der "Kronen-Zeitung" über das strafbare Verhalten der Klägerin auch ein Bild ihrer Person zu sehen, unter den gegebenen Umständen jedenfalls verneint werden muß: Das von der Klägerin begangene Verbrechen nach § 146 StG war bis zum 21. Oktober 1971 über den Kreis der daran unmittelbar beteiligten Personen und der mit seiner Aufklärung befaßten Behörden nicht hinausgedrungen; die Öffentlichkeit wurde mit ihm erst an diesem Tag durch die Berichterstattung der "Kronen-Zeitung" konfrontiert. Dabei konnten aber weder die Person der Klägerin noch die Art und die Schwere des Deliktes oder die Begleitumstände seiner Entdeckung und Aufklärung bei objektiver Wertung ein berechtigtes Anliegen der Öffentlichkeit begrunden, nicht nur über das strafbare Verhalten der Klägerin als solches, sondern auch über das Aussehen der Täterin unterrichtet zu werden. Die Veröffentlichung und Verbreitung des Bildes der Klägerin war bei dieser Sachlage durch kein echtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerechtfertigt; Inhalt und Aufmachung des Zeitungsartikels vom 21. Oktober 1971 lassen vielmehr deutlich erkennen, daß es der beklagten Partei nicht, wie sie jetzt in der Revision glauben machen will, darum gegangen ist, die Allgemeinheit vor der Klägerin zu warnen und eine Wiederholung eines solchen Vorfalls zu verhindern, sondern daß die Beklagte das - mit dem Strafverfahren gegen die Klägerin in keinem Zusammenhang stehende, sondern von der Beklagten widerrechtlich dem Compose entnommene - Lichtbild vor allem deshalb veröffentlicht hat, um das Interesse des Leserpublikums in besonderem Maße auf den betreffenden Artikel in der "Kronen-Zeitung" zu lenken. Bezweckt aber die Veröffentlichung des Bildes einer Person primär die Befriedigung der Neugierde und der Sensationslust der breiten Öffentlichkeit, dann werden damit die Grenzen einer zulässigen Berichterstattung jedenfalls überschritten und die rechtlich geschützten Interessen der abgebildeten Person verletzt (vgl. dazu auch JBl. 1964, 423 = ÖBl. 1964, 129). Die Auffassung der Untergerichte, daß die Beklagte durch die Veröffentlichung des Bildes der Klägerin in der "Kronen-Zeitung" vom 21. Oktober 1971 berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 78 UrhG verletzt hat, begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.

Soweit die Beklagte in der Revision abermals einen Kausalzusammenhang zwischen der Veröffentlichung des Lichtbildes und den von der Klägerin behaupteten nachteiligen Folgen bestreitet und in diesem Zusammenhang die Ansicht vertritt, nur der - im übrigen den Tatsachen entsprechende - Zeitungsartikel als solcher, nicht aber auch das ihm beigegebene Lichtbild sei für etwaige Einkommenseinbußen der Klägerin ursächlich gewesen, welche sich die negativen Folgen ihrer Handlungsweise letzten Endes selbst zuzuschreiben habe, ist diesen Ausführungen folgendes entgegenzuhalten: Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz lag die Ursache dafür, daß die Klägerin nach der Veröffentlichung ihres Bildes von verschiedenen Firmen oder Fotografen, die sie bisher als Fotomodell engagiert hatten, nicht mehr verwendet wurde, darin, "daß ein 'Berufsbild' der Klägerin in der 'Kronen-Zeitung' veröffentlicht worden war". Damit steht aber nicht nur der natürliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Schaden der Klägerin für den Obersten Gerichtshof bindend fest; die Veröffentlichung des Bildes war für die der Klägerin entstandenen nachteiligen Folgen schon deshalb auch im juristischen Sinne kausal, weil, wie das Berufungsgericht durchaus zutreffend ausführt, gerade bei einem Fotomodell, für das derartige Werbebilder geradezu eine Existenzgrundlage bilden, die Veröffentlichung eines "Berufsbildes" unter den gegebenen Umständen zwangsläufig die Bedeutung einer - unter Umständen bis zur Existenzvernichtung gehenden - "Strafverschärfung" haben mußte. Daß aber im konkreten Fall dem berechtigten Interesse der Klägerin, neben der Berichterstattung über ihr strafbares Verhalten nicht zusätzlich noch durch die Veröffentlichung eines (Berufs-)Bildes an den "Pranger" gestellt zu werden, kein legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gegenüberstand, so daß auch die - im großen und ganzen gegebene - sachliche Richtigkeit des Artikels vom 21. Oktober 1971 die gleichzeitige Veröffentlichung des Bildes der Klägerin nicht zu rechtfertigen vermochte, ist bereits in anderem Zusammenhang dargelegt worden.

Den Revisionsausführungen kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie sich - zutreffenderweise im Rahmen der Rechtsrüge (JBl. 1973, 257 u. v. a.) - gegen die von den Untergerichten unter Anwendung des § 273 ZPO vorgenommene Bemessung des entgangenen Gewinnes der Klägerin (§ 87 Abs. 1 UrhG) mit 70.000 S wenden: Das angefochtene Urteil geht dabei einerseits davon aus, daß die Klägerin in den Monaten März bis Juni 1971 nur durch ihre Tätigkeit in Österreich Einnahmen von rund 30.000 S erzielt hatte, andererseits aber allein bei der X-GmbH bis zum Frühjahr 1973 weitere 17.500 S hätte verdienen können. Berücksichtigt man ferner, daß die Klägerin nach der vom Erstgericht zur Grundlage seiner Feststellungen gemachten Aufstellung Beilage I im Frühjahr 1971 bei anderen Interessenten noch wesentlich mehr verdient hatte als bei der X-GmbH, dann begegnet die Annahme der Untergerichte, daß die Klägerin während der restlichen "Laufzeit" des im Herbst 1970 angefertigten Composes bei den genannten Auftraggebern zusammen durchaus noch einen Nettoverdienst von mindestens 70.000 S hätte erzielen können, keinen Bedenken. In der Anwendung des § 273 ZPO, durch die Untergerichte kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Soweit die Beklagte aber die ihr von den Untergerichten auferlegte Verpflichtung bekämpft, der Klägerin auch die Herstellungskosten des Composes im Betrag von 30.000 S zu ersetzen, muß ihrer Rüge Berechtigung zuerkannt werden: Daß die Klägerin nicht neben dem Ersatz des Verdienstes, den sie in den Jahren 1971 bis 1973 unter Verwendung des Composes erzielt hätte, gleichzeitig auch noch die Kosten der Herstellung dieses Composes verlangen kann, folgt, wie die Revision insoweit zutreffend hervorhebt, allein aus der schon mehrfach erwähnten zeitlich begrenzten Verwendbarkeit eines derartigen Composes, welches nach Ablauf dieses Zeitraums praktisch wertlos geworden wäre und in jedem Fall durch ein neues hätte ersetzt werden müssen. Durch den Zuspruch des Verdienstentganges von 70.000 S soll die Klägerin das erhalten, was sie ohne die beanstandete Veröffentlichung ihres Bildes während der "Laufzeit" des Composes verdient hätte; dazu gehören aber jedenfalls nicht die Kosten dieses Composes selbst, welche von der Klägerin auch bei ungestörter Fortsetzung ihrer Tätigkeit als Fotomodell in jedem Falle selbst zu tragen gewesen wären. Für den gegenteiligen Standpunkt des Berufungsgerichtes ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch aus dem Hinweis auf Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 38, nichts zu gewinnen, weil dort im Zusammenhang mit dem Problem des sogenannten "Gebrauchsentganges" der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen erwähnt wird, die der Eigentümer einer beschädigten Sache zwecks Erlangung des Gebrauches gemacht hat, die aber jetzt für die Zeit der Unbenützbarkeit der Sache für ihn nutzlos geworden sind; daß aber dem Eigentümer einer beschädigten Sache ein solcher Ersatzanspruch auch dann zustunde, wenn ihm - wie hier - ohnehin der Gewinn ersetzt wird, den er bei Verwendung der Sache hätte erzielen können, kann auch der bezogenen Literaturstelle nicht entnommen werden.

In teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten waren daher die Urteile der Untergerichte dahin abzuändern, daß der Klägerin nur ein Betrag von 70.000 S samt Anhang zugesprochen und ihr Mehrbegehren von 30.000 S samt Anhang abgewiesen wurde.

Anmerkung

Z48073

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00318.75.0624.000

Dokumentnummer

JJT_19750624_OGH0002_0040OB00318_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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