TE OGH 1975/6/30 13Os64/75

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Veröffentlicht am 30.06.1975
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, Dr. Piska, Dr. Faseth und Dr. Kießwetter als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Januschke als Schriftführers in der Strafsache gegen Adolf Willibald S***** wegen des Verbrechens des Diebstahles nach den §§ 171, 173, 174 I lit d, 176 I lit a und b, 179 StG nach öffentlicher Verhandlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 6. März 1975, GZ 11 d Vr 783/74-31, erhobene Berufung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Georg Zanger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Staatsanwalt Dr. Knob, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Gemäß dem § 8 Abs 1 Z 2 OGHG ist ein verstärker Senat zur Entscheidung über die im Zusammenhang mit einem allfälligen Vorgehen nach dem § 290 Abs 1 StPO wesentliche Vorfrage nach der Rechtsnatur des § 39 StGB zuständig.

Text

Gründe:

Der Angeklagte Adolf Willibald S***** wurde vom Kreisgericht Korneuburg als Schöffengericht in der Hauptverhandlung vom 6.März 1975 wegen zweier am 5.November und 25.November 1974 unter Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen des § 176 I lit b StG begangener Einbruchsdiebstähle mit einem Gesamtschaden von rund S 60.000,-- des Verbrechens nach den §§ 171, 173, 174 I lit d, 176 I lit a und b, 179 StG schuldig erkannt und hiefür nach der letztgenannten Gesetzesstelle zu fünf Jahren schwerem Kerker verurteilt; in der Urteilsbegründung stellte das Erstgericht unter anderem fest, daß der Angeklagte die Straftaten nicht bloß gewohnheits- sondern auch gewerbsmäßig verübt hat.

Das Erstgericht hatte sohin zur Klärung der Frage, ob die gegenständlichen Straftaten nach dem Recht des StG oder aber nach jenem des StGB zu beurteilen sind, einen "Günstigkeitsvergleich" im Sinne des § 61 StGB anzustellen. Dieser Günstigkeitsvergleich führt zu nachstehendem Ergebnis:

I.) Nach dem Recht des StG waren die vorliegenden Straftaten im Hinblick auf den S 25.000,-- übersteigenden Wert der gestohlenen Sachen und den Umstand, daß sich der Angeklagte das Stehlen zur Gewohnheit gemacht hat, als Verbrechen des Diebstahles nach den §§ 171, 173, 174 I lit d, 176 I lit a und b, 179 StG zu qualifizieren und demgemäß nach dem § 179 StG mit einer schweren Kerkerstrafe (sohin Freiheitsstrafe) von 5 bis 10 Jahren bedroht; diesen Strafsatz hat das Erstgericht auch angewendet.

II.) Nach dem Recht des StGB wären diese Straftaten - abgesehen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB - zunächst als das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 StGB zu beurteilen und gemäß dem 2. Strafsatz des § 130 StGB mit Freiheitsstrafe von 1 bis 10 Jahren bedroht. Hiebei ist davon auszugehen, daß das Erstgericht im Rahmen seiner Feststellungen über die Gewerbsmäßigkeit der verübten Straftaten ungeachtet dessen, daß bloß von der Absicht der Begehung "weiterer Diebstähle" zwecks Verschaffung einer Einnahmsquelle die Rede ist, in einer aus den Zusammenhängen erkennbaren Weise die Annahme der Absicht zur Begehung weiterer solcher - also nach den §§ 128 und 129 StGB qualifizierter - Diebstähle zum Ausdruck bringen wollte, weshalb der 2. Strafsatz des § 130 StGB zur Anwendung zu bringen wäre (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB, S 665).

Damit erschiene aber insoweit - zumal keine sonstigen Umstände in Betracht kommen, die geeignet wären, hier neben dem primär durchzuführenden Vergleich der Strafdrohungen zu treten und die Akzente zu verschieben - zunächst die Strafdrohung des StGB zufolge der niedrigeren Untergrenze des angedrohten Strafausmaßes bei gleicher Obergrenze desselben in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger.

Zu berücksichtigen ist jedoch ferner, daß nach den eindeutigen Feststellungen des Erstgerichtes im vorliegenden Fall rückfallsbegründende Vorstrafen sowie alle sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Heranziehung des § 39 Abs 1 StGB vorliegen. Nun wurde die Frage nach dem Wesen der Strafschärfungsbestimmung des § 39 StGB bisher in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unterschiedlich beantwortet. Nach der Entscheidung vom 6.6.1975, 9 Os 65/75, statuiert der § 39 StGB weder ein Tatbestandsmerkmal noch eine Deliktsqualifikation (im Gegensatz zum früher zwingenden § 176 I lit b StG), sondern ist seinem Wesen nach eine bloß fakultative Strafschärfungsbestimmung allgemeiner Natur.

Dagegen haben die Entscheidungen vom 18.2.1975, 12 Os 8/75, vom 3.6.1975, 10 Os 42/75, vom 5.6.1975, 12 Os 60/75, und - jüngst - vom 26.6.1975, 11 Os 50/75 der vorerwähnten Gesetzesbestimmung den Charakter einer strafsatzerhöhenden (Qualifikations-)Norm beigemessen.

Rechtliche Beurteilung

Für den vorliegenden Fall ist die Bestimmung der Rechtsnatur des § 39 StGB als Vorfrage deshalb von ausschlaggebender Bedeutung, weil sich nur dann, wenn man der letzterwähnten Rechtsauslegung folgt, eine Abweichung in den Obergrenzen der dem Günstigkeitsvergleich zugrunde zu legenden "gesetzlichen" Strafsätze insoferne ergibt, als diesfalls die Obergrenze des zweiten Strafsatzes im § 130 StGB von 10 Jahren (um die Hälfte, somit) auf 15 Jahre erhöht würde. Dies wäre bei einer Betrachtung der Bestimmung des § 39 StGB als bloße Strafzumessungsregel nicht der Fall. Das Ergebnis einer Überprüfung des vom Erstgericht im Sinne des § 61 StGB angestellten Günstigkeitsvergleiches auf Rechtsrichtigkeit ist demnach von der Klärung der Rechtsnatur des § 39 StGB abhängig.

Da diese Frage, deren grundsätzliche Bedeutung schon mit Rücksicht auf die sich daraus für das Rechtsmittelverfahren ergebenden Konsequenzen in bezug auf die Anfechtungsmöglichkeit einer Anwendung oder Nichtanwendung des § 39 StGB im Einzelfall außer Zweifel steht, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - wie bereits oben dargestellt - nicht einheitlich beantwortet worden ist, hatte in dieser Sache ein Ausspruch nach dem § 8 Abs 1 Z 2 OGHG zu ergehen.

Anmerkung

E73508 13Os64.75

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0130OS00064.75.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19750630_OGH0002_0130OS00064_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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