TE OGH 1975/7/2 8Ob137/75

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Veröffentlicht am 02.07.1975
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Norm

ABGB §481
ABGB §504

Kopf

SZ 48/78

Spruch

Der Vertrag über die Dienstbarkeit des Gebrauchs eines Grundstückes hat nicht das bücherliche Eigentum des das Gebrauchsrecht Einräumenden zur Voraussetzung

Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit ist gegenüber dem Rechtsnachfolger des Bestellers wirksam, wenn er von der Dienstbarkeit Kenntnis hatte oder wenn diese offenkundig war

OGH 2. Juli 1975, 8 Ob 137/75 (LGZ Graz 3 R 118/74; BGZ Graz 6 C 148/73)

Text

Der Kläger ist auf Grund eines am 27. Oktober 1967 mit der Voreigentümerin, der Mutter der Streitteile, Rosa P, abgeschlossenen Übergabsvertrages Eigentümer der Liegenschaft EZ 1234, KG G mit dem Wohnhause F-Gasse 20. Rosa P wurde auf Grund des mit dem Voreigentümer, dem Land Steiermark, abgeschlossenen Kaufvertrages vom 21. Feber 1967 bücherliche Eigentümerin dieser Liegenschaft, die sie schon viele Jahre vorher bewohnt und benutzt hatte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger - nach Klagseinschränkung -, den Beklagten zur Räumung der von diesem auf der Liegenschaft errichteten Garage zu verhalten.

Der Beklagte hat eingewendet, er sei Eigentümer der Garage; seine Mutter habe ihm gestattet, auf der Liegenschaft aus eigenen Mitteln eine Garage zu bauen, und ihm zugesichert, daß er diese immerwährend und ausschließlich benützen dürfe, was er auch getan habe; hievon habe der Kläger Kenntnis gehabt.

Das Erstgericht hat das Räumungsbegehren im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voreigentümerin habe dem Beklagten das lebenslängliche Recht der Garagenbenützung eingeräumt, das zwar nicht verdinglich worden sei, das aber der Kläger infolge Kenntnis der Sachlage gegen sich gelten lassen müsse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Räumungsbegehren stattgab. Es stellte fest, daß der Streitwert 1000 S übersteige, trug seinen Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstrichterlichen Feststellungen durch Beweiswiederholung Rechnung und legte seiner Entscheidung im wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte zog Anfang 1962 nach G in das von der Mutter der Streitteile bewohnte, damals im Eigentum des Landes Steiermark stehende Haus, F-Gasse 20. Er fragte seine Mutter, ob er auf der Liegenschaft eine Garage errichten dürfe. Rosa P erklärte ihm, daß er die Garage errichten dürfe, daß sie ihm gehören solle und daß er sie immer und ausschließlich benützen könne. Darüber, in wessen Eigentum der Grundteil, auf dem die Garage dann errichtet wurde, künftig stehen sollte, wurde zwischen dem Beklagten und Rosa P nie gesprochen. Mit dem Land Steiermark als Gründeigentümer hat sich der Beklagte wegen Errichtung der Garage nicht ins Einvernehmen gesetzt, eine Erlaubnis des Landes dazu somit nicht erhalten. Irgend eine Entgeltleistung für die Errichtung und Benützung der Garage wurde zwischen dem Beklagten und Rosa P nicht vereinbart. Der Beklagte hat ihr hiefür nichts bezahlt. Er und seine Frau haben allerdings auf Rosa P in der Weise "geschaut", daß die Gattin des Beklagten sie im Haushalt unterstützte und ihr in jeder Beziehung an die Hand ging. Als der Beklagte sich zur Errichtung der Garage entschloß, war auch an eine allfällige künftige Aufstockung (unter Einbeziehung des Garagenbaues) gedacht. Der Kläger wußte das; er dachte zwar noch nicht konkret an eine Erweiterung des Hauses, hielt aber eine solche für möglich. Die Errichtung der Garage begann im Jahre 1962. Der Kläger half beim Bau selbst mit. Die Garage wurde als Zubau zum bestehenden Wohnhaus in Massivbauweise und aus Material des Beklagten errichtet. Bei Erteilung der Baubewilligung (Bescheid der Marktgemeinde G vom 31. August 1966, Beilage ./2) war sie bereits fertiggestellt. Auch nachdem Rosa P 1967 bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft geworden war, hat sie keinerlei Einwendungen gegen die Weiterbenützung der Garage durch den Beklagten erhoben. In dem zwischen Rosa P und dem Kläger abgeschlossenen Übergabsvertrag ist von dem gegenständlichen Garagenraum nicht die Rede. Der Beklagte erhielt vom Kläger auf Grund des Übergabsvertrages auf Lebenszeit der Rosa P ein unentgeltliches Wohnrecht an der Liegenschaft eingeräumt. Nach dem Tode der Rosa P im Jahre 1972 hat der Beklagte das Haus geräumt, die Garage benützt er jedoch weiter.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus: Der Beklagte habe die Garage in Massivbauweise als Anbau zu einem bestehenden Wohnhaus errichtet, wobei sogar ein künftiger Ausbau des Hauses unter Einbeziehung der Garage in Erwägung gezogen worden sei. Diese Umstände wiesen auf die Absicht hin, den Zubau dauernd auf dem Gründe zu belassen. Ein Superädifikat entstehe nur bei einem von vornherein zeitlich befristeten Grundbenützungsrecht; eine derartige zeitliche Beschränkung sei nicht beabsichtigt gewesen. Die Garage sei daher im Sinne des § 297 ABGB Bestandteil der Liegenschaft geworden.

Den zur Zeit der Errichtung der Garage zwischen dem Beklagten und seiner Mutter getroffenen Vereinbarungen komme keine rechtliche Bedeutung zu, weil Rosa P damals nicht Eigentümerin der Liegenschaft und daher nicht verfügungsberechtigt gewesen sei. Mit dem Land Steiermark als damaligen Eigentümer der Liegenschaft habe sich der Beklagte wegen der Bauführung nicht ins Einvernehmen gesetzt und von diesem dazu keine Erlaubnis erhalten. Somit sei davon auszugehen, daß der Gründeigentümer von der Bauführung keine Kenntnis gehabt habe. Rechtlich folge daraus, daß § 418, Satz 3 ABGB nicht anwendbar sei. Diese einmal entstandene Rechtslage in Bezug auf das Eigentum an dem vom Beklagten verbauten Teil der Liegenschaft habe auch dadurch keine Änderung erfahren, daß Rosa P nachdem sie die Liegenschaft erworben hatte (1967), die Benützung der Garage durch den Beklagten weiterhin duldete, zumal sie mit ihm über die Eigentumsrechte am betreffenden Grundstücksteil nie gesprochen habe. Somit bilde die Liegenschaft samt der Garage und dem dadurch verbauten Grundstücksteil im Zeitpunkt des Eigentumserwerbes durch den Kläger eine rechtliche Einheit. Auf Grund seines Eigentumsrechtes sei der Kläger grundsätzlich berechtigt, die Räumung der Garage zu begehren.

Aus der von Rosa P mehrere Jahre vor ihrem Eigentumserwerb abgegebenen Erklärung, der Beklagte dürfe die Garage errichten, sie gehöre dann ihm und er dürfe sie immer und ausschließlich benützen, lasse sich die Begründung eines Servitutsrechtes schon deshalb nicht ableiten, weil nur der Liegenschaftseigentümer einem Dritten solche Rechte einräumen könne. Aus der Tatsache, daß Rosa P einer Garagenbenützung des Beklagten nach ihrem Eigentumserwerb nicht widersprochen habe, lasse sich für dessen Standpunkt auch in diesem Zusammenhang nichts gewinnen. Ein die Räumungsklage allenfalls hinderndes Bestandsrecht sei nicht behauptet worden und mangels Entgeltlichkeit auch nicht anzunehmen. Dem Räumungsbegehren sei daher stattzugeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung geben Anlaß festzuhalten, daß die Revisionsausführungen über eine dem Beklagten eingeräumte Dienstbarkeit nicht dem Neuerungsverbot widersprechen. Wenn auch der Beklagte in seinem Vorbringen erster Instanz den Begriff Servitut nicht verwendet hat, so hat er doch mit seinem - eingangs wiedergegebenen - Vorbringen ein zur Beurteilung in dieser Richtung ausreichendes sachliches Substrat unterbreitet. Schon das Erstgericht hat daher das Vorbringen des Beklagten auch in dieser Richtung geprüft und ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, daß dem Räumungsbegehren des Klägers die Dienstbarkeit des Beklagten entgegensteht, die er gegen sich gelten lassen muß.

Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Mutter der Streitteile im Jahre 1962 dem Beklagten gestattete, auf der von ihr benützten Liegenschaft neben ihrem Wohnhaus eine Garage zu errichten, und ihm zusicherte, er dürfe diese immer und ausschließlich benützen, ohne hiefür Entgelt leisten zu müssen. Eine derartige Vereinbarung ist als Vertrag über die Dienstbarkeit des Gebrauches (§§ 480, 504 ABGB) zu beurteilen. Der Umstand, daß die Mutter der Streitteile im Zeitpunkt dieser Vereinbarung noch nicht bücherliche Eigentümerin des Grundstückes war, macht diese Vereinbarung entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht - nicht ungültig. Vergleichsweise sei darauf hingewiesen, daß etwa das mangelnde Verfügungsrecht über die Sache, ja selbst die mangelnde Existenz der Sache, einen Kaufvertrag darüber nicht ungültig macht (5 Ob 258/71; 8 Ob 193/67 u. a.). Hiezu kommt, daß der Beklagte, als die Mutter der Streitteile - wie von den Vertragspartnern offenbar erwartet schließlich bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft wurde, die ihm immerwährend und ausschließlich zugesicherte Garagenbenützung wie schon vorher, seit vielen Jahren - weiterhin unentgeltlich ausübte, ohne daß die Klägerin dem entgegengetreten wäre.

In seinen Entscheidungen, MietSlg. 18.138 und 17.032, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß ein Wohnungsrecht im Sinne des § 521 ABGB, wenn es nicht durch bücherliche Eintragung verdinglicht ist, mit obligatorischer Wirkung zwischen den Vertragspartnern bestehen kann, daß die Stellung des Wohnungsberechtigten in einem solchen Falle allerdings durch eine bücherliche Verfügung des Eigentümers gegenüber einem gutgläubigen Dritten gefährdet werden kann. Die gleichen Grundsätze haben für die als Dienstbarkeit des Gebrauches (§ 504 ABGB) zu wertende Garagenbenützung des Beklagten zu gelten. Ausschlaggebend ist somit, ob dem Kläger als bücherlichem Rechtsnachfolger der Bestellerin der Dienstbarkeit der gute Glaube an den Buchstand zuzubilligen ist. Dies entspricht auch dem in der Rechtsprechung (vgl. die unter Nr. 1, 2 und 3 zu § 481 ABGB in MGA 29 mitgeteilten Entscheidungen) und Lehre (Klang[2] III, 561; Ehrenzweig I/2, § 249 V 4 und § 258 II 1 a und 2; Gschnitzer, Sachenrecht, 152) entwickelten Grundsatz, wonach eine vertragliche, nicht verbücherte Dienstbarkeit gegenüber dem Rechtsnachfolger des Bestellers wirksam ist, wenn dieser von der Dienstbarkeit Kenntnis hatte oder wenn diese offenkundig war. Da der Kläger an der Errichtung der Garage aus Mitteln des Beklagten mitgewirkt hat und nach der Sachlage über die Person des Benützers und die Art und Ausübung der Garagenbenützung sich im klaren war, muß eine solche Offenkundigkeit angenommen werden. In seiner Entscheidung JBl. 1963, 377, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß eine Servitut schlüssig dadurch begrundet werden kann, daß der Liegenschaftseigentümer die Errichtung einer kostspieligen Anlage zwecks Ausübung derselben duldet, weil er wissen mußte, daß der Begünstigte solche Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn er Gefahr gelaufen wäre, daß ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden könnte. In gleicher Weise mußte der Kläger, der an der in Massivbauweise erfolgten Errichtung der Garage aus Mitteln des Beklagten mitgewirkt hatte und, wie oben dargelegt, über die Sachlage informiert war, wissen, daß der Beklagte solche Mittel nicht eingesetzt hätte, wenn die ihm zugesicherte Garagenbenützung jederzeit widerrufbar gewesen wäre. Unter diesen Umständen kann dem Kläger der Schutz des Vertrauens auf den Buchstand nicht zugute kommen.

Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Anmerkung

Z48078

Schlagworte

Dienstbarkeit des Gebrauches, der Vertrag über die - eines Grundstückes, hat nicht das bücherliche Eigentumdes das Gebrauchsrecht Einräumenden, zur Voraussetzung, Nichtverbücherte Dienstbarkeit, Wirksamkeit gegenüber dem, Rechtsnachfolger des Bestellers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0080OB00137.75.0702.000

Dokumentnummer

JJT_19750702_OGH0002_0080OB00137_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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