TE OGH 1975/10/21 5Ob198/75

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Veröffentlicht am 21.10.1975
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Norm

ABGB §1167
ABGB §1170
KO §21 Abs1

Kopf

SZ 48/108

Spruch

Der Masseverwalter, der in einen vom Gemeinschuldner als Unternehmer abgeschlossenen Werkvertrag eingetreten ist, muß auch für die Behebung allfälliger Mängel des Werkes sorgen; bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch Behebung dieser Mängel ist der Besteller - vom Fall schikanöser Rechtsausübung abgesehen - auch dem Masseverwalter gegenüber berechtigt, die gesamte Gegenleistung zu verweigern

OGH 21. Oktober 1975, 5 Ob 198/75 (OLG Wien 4 R 97/75; LGZ Wien 18 Cg 55/74)

Text

Die Firma Jakob R, Inhaberin Josefine R, führte über Auftrag des Beklagten an dessen Haus in K, A-Straße 68 a, Arbeiten durch. Laut Schlußrechnung vom 11. Mai 1971 betrag der Werklohn 42.000 S, wovon 20.000 S vom Beklagten bereits bezahlt waren. Die Arbeiten wurden mangelhaft durchgeführt. Im Zuge des Rechtsstreites wurde außer Streit gestellt, daß dem Beklagten für die festgestellten Mängel ein Preisminderungsanspruch von 6000 S und eine Gegenforderung von 4070.20 S für die Reparatur der beschädigten Wasserinstallation zustehe. Über das Vermögen der Josefine R wurde während des Rechtsstreites mit Beschluß des KG Korneuburg vom 30. Mai 1974, 6 S 9/74, der Konkurs eröffnet.

Die Firma Jakob R begehrte die Zahlung des Betrages von 22.000 S samt Anhang. Nach Eröffnung des Konkurses erklärte der Kläger, in den Rechtsstreit als Konkursmasseverwalter einzutreten, und beantragte, das Verfahren fortzusetzen. Der Beklagte behauptete, er habe die Mängel gerügt und Verbesserung gefordert, diese aber nicht erreichen können; der eingeklagte Anspruch sei daher nicht fällig. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Josefine R behauptete der Kläger, der Betrieb der Firma Jakob R sei eingestellt und die Konkursmasse vermögenslos, so daß sie nicht mehr in der Lage sei, die behaupteten Mängel zu beheben. Da der Behebungsaufwand nur 6000 S betrage, sei die Einwendung, die Arbeiten seien im Hinblick auf die vorhandenen Mängel nicht abgeschlossen, schikanös.

Das Erstgericht stellte fest, die eingeklagte Forderung bestehe mit

16.600 S, die Gegenforderung mit 4070.20 S zu Recht; es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 12.529.80 S samt Anhang und wies das Mehrbegehren, letzteres rechtskräftig, ab. Der Beklagte habe die Mängel Jakob R gegenüber, der die Bauleitung innegehabt habe, wiederholt gerügt und ihre Behebung verlangt, ohne jedoch eine solche zu erreichen. Die meisten gerügten Mängel seien nach wie vor unbehoben, nur zum Teil habe der Beklagte selbst für deren Behebung Sorge getragen. Der Betrieb der Firma Jakob R sei Mitte Juni 1974 eingestellt worden. Die Konkursmasse sei praktisch vermögenslos. Die Behebung der an sich behebbaren Mängel sei für die klagende Partei wirtschaftlich unmöglich. Dies sei rechtlich als nachträglich eingetretene Unmöglichkeit der Leistung zu werten. Da Verbesserung durch die klagende Partei nicht mehr in Frage komme, könne der Beklagte nur mehr Preisminderung verlangen und müsse trachten, die Verbesserung durch eine andere Firma durchführen zu lassen. Das Argument, daß die klagende Partei im Hinblick auf ein angebliches Verschulden an der gegenwärtigen Situation den Anspruch auf Zahlung verwirkt habe, sei nicht gerechtfertigt; der Nachweis eines Verschuldens fehle. Die geltend gemachte Forderung sei daher fällig, allerdings im Hinblick auf die außer Streit gestellte Preisminderung und Gegenforderung nur in der Höhe von 12.529.80 S samt Anhang.

Auf Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zu Gänze abwies. Auch wenn der Besteller die unvollständige Erfüllung angenommen und Verbesserung verlangt habe, sei er berechtigt, die ganze Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages, also bis zu Verbesserung des mangelhaften Werkes, zu verweigern. Die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages stehe dem Besteller schon bei Mängel zu, deren Behebung nur einen im Vergleich zur Restforderung geringen Aufwand erfordere. Die Grenze dieses Rechtes zur Verweigerung der Gegenleistung lägen nur in dem Rechtsgrundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zur Schikane ausarten dürfe. Die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Verbesserungsanspruch des Beklagten wegen Unmöglichkeit der Leistung aufgehoben worden sei, könne nicht beigepflichtet werden; die persönliche Leistungsunfähigkeit des Schuldners, etwa durch Verarmung, stelle keine absolute Unmöglichkeit der Erfüllung dar. Daß die klagende Partei über keine geeigneten Arbeitskräfte und Betriebsmittel mehr verfüge, um die Verbesserung des Werkes selbst vorzunehmen, sei unerheblich, weil ihr § 1165 ABGB die Befugnis einräume, zur Fertigstellung des Werkes nicht nur Gehilfen und Substituten heranzuziehen, sondern sie sogar einem Subunternehmen zu übertragen; die persönliche Ausführung des Werkes durch die klagende Partei sei nicht vereinbart worden, sie ergebe sich auch nicht aus der Natur des Werkes. Daran ändere auch die Bestimmung des § 21 KO nichts. Diese Bestimmung räume dem Masseverwalter das Recht ein, durch ausdrückliche Erklärung oder durch konkludente Handlungen zwischen dem Eintritt in den Vertrag und dem Rücktritt vom Vertrag zu wählen, ohne an bestimmte Fristen gebunden zu sein, sofern nicht der Vertragspartner beim Konkurskommissar die Setzung einer Frist beantrage. Trete der Masseverwalter in den bei Konkurseröffnung noch von keiner Seite voll erfüllten Vertrag ein, so könne er vom Vertragspartner volle Erfüllung verlangen, aber auch der Vertragspartner habe gegenüber der Konkursmasse Anspruch auf Erbringung der im Vertrag vereinbarten Leistungen; diese Ansprüche könne er gemäß § 46 Abs. 1 Z. 3 KO als Masseforderung geltend machen. Dadurch, daß der Masseverwalter in den vorliegenden Rechtsstreit eingetreten sei und vom Beklagten die volle aus dem Werkvertrag geschuldete Leistung begehre, habe er eindeutig zu erkennen gegeben, daß er auf Erfüllung des Vertrages beharre; dann müsse aber auch die Konkursmasse das Rechtsgeschäft voll erfüllen und sei somit zur Verbesserung des mangelhaften Werkes verpflichtet. Der Beklagte habe daran ein berechtigtes Interesse, so daß sein Begehren nicht schikanös sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß das Entgelt aus einem Werkvertrag in der Regel erst nach vollendetem Werk zu entrichten ist (§ 1170 ABGB); der Unternehmer hat die Herstellung des Werkes in der Regel also als Vorleistung zu bewirken; darüber hinaus wird durch diese Regelung auch der Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgeltes bestimmt (JBl. 1970, 371; SZ 23/26 u. a.; Adler - Höller in Klang[2] V, 417). Es ist herrschende Rechtsprechung, daß auch der Besteller, der die unvollständige Erfüllung eines Werkes angenommen, seine Gegenleistung aber noch nicht erbracht, sondern die Verbesserung des Werkes verlangt hat, auch dann noch die gesamte Gegenleistung (das Entgelt) bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer, somit bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes, verweigern kann. Dieses Vorgehen soll dem Besteller die Erlangung eines einwandfreien Werkes sichern und ist ein geeignetes Mittel, den Vertragspartner zu einer umgehenden Verbesserung und Vollendung des Werkes zu bestimmen und den Besteller der undankbaren Aufgabe zu entheben, selbst die Beseitigung der vorhandenen Mängel durch einen anderen Unternehmer erreichen zu müssen. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages steht dem Besteller dem auf Zahlung des Werklohnes klagenden Unternehmer gegenüber auch bei Vorliegen geringer Mängel zu. Dieses Recht findet seine Grenze nur in dem im § 1295 Abs. 2 ABGB normierten, nicht nur für den Bereich des Schadenersatzrechtes geltenden Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zu Schikane ausarten darf (JBl. 1970, 371; HS 6482; SZ 39/27 und zahlreiche nicht veröffentlichte Entscheidungen, zuletzt 1 Ob 97/75, 5 Ob 98/73, 1 Ob 46/73; Ehrenzweig[2] II/1, 215). An diesem Grundsatz ändert sich auch nichts, wenn über das Vermögen des Unternehmers der Konkurs eröffnet wurde, aber der Masseverwalter gemäß § 21 Abs. 1 KO sein Wahlrecht, entweder den Vertrag zu erfüllen und vom Besteller Erfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurücktreten, im Sinne der ersten Möglichkeit ausübte. Hat sich der Masseverwalter, wie im vorliegenden Fall, durch Eintritt in den Prozeß ohne Änderung des Rechtsgrundes unmißverständlich für die Aufrechterhaltung des Vertrages entschieden, dann ist er auch seinerseits verpflichtet, an Stelle des Gemeinschuldners die diesem oblegenen Vertragsverpflichtungen aus der Masse zu erfüllen. Forderung und Verpflichtung haben nämlich für den Masseverwalter genau den gleichen Inhalt wie für den Gemeinschuldner; es ist daher auch für den Masseverwalter bindend, wenn der Gemeinschuldner Zug um Zug oder vorzuleisten hatte. Der Besteller hat wiederum gegenüber dem Masseverwalter die gleichen Rechte und Einwendungen wie gegenüber dem Gemeinschuldner vor der Konkurseröffnung. Er ist insbesondere, wenn die Leistung des Gemeinschuldners Mängel aufwies, bis zu deren Behebung zur Zurückbehaltung des Entgeltes berechtigt (SZ 44/69 und die dort zitierte Literatur).

Nach der oben wiedergegebenen herrschenden Rechtsprechung kann der Beklagte, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, daher bis zur Behebung der Mängel durch den Kläger mangels Fälligkeit eines Anspruchs wegen unvollständiger Erfüllung seiner Verpflichtungen den gesamten noch offenen Betrag zurückbehalten. Der Revision sei allerdings zugegeben, daß die Entscheidung SZ 44/69 auch die Auffassung vertrat, daß der Beklagte, falls sich der Kläger weigere oder außerstande erkläre, die Mängel zu beheben, nur das für die notwendigen Verbesserungen erforderliche Deckungskapital zurückbehalten dürfe. Wenn jedoch bei Eintritt des Masseverwalters in den Vertrag dieser die gleichen Pflichten hat wie der Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Konkurses, ist nicht einzusehen, warum die oben wiedergegebenen Grundsätze der herrschenden Rechtsprechung nicht auch während eines Konkursverfahrens zur Anwendung gelangen sollten; der Kläger hätte ja die Möglichkeit gehabt, vom Vertrag zurückzutreten und dann Bereicherungsansprüche geltend zu machen (SZ 39/147), die ihm möglicherweise in Höhe des Klagsbetrages zugestanden wären. Wenn er sich aber zur Aufrechterhaltung des Vertrages entschloß, muß er alle sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen. Der in dieser Frage vereinzelt gebliebenen Auffassung der Entscheidung SZ 44/69 kann der erkennende Senat nicht beitreten, zumal sie zu der oben wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung überhaupt nicht Stellung bezogen hat. Soweit sich aber auf die Entscheidungen HS 3161/28 (richtig: 3161/38) und SZ 25/277 berief, stützte sie sich gar nicht auf Entscheidungen in gleichgelagerten Fällen. In beiden handelte es sich nur darum, ob der Besteller das notwendige Deckungskapital ohne Rücksicht darauf, ob die Verbesserung von ihm vorgenommen wurde oder nicht, einredeweise oder mit Klage begehren kann, was bejaht wurde, da der Besteller auch berechtigt ist, die Mängel selbst zu beheben oder durch einen Dritten beseitigen zu lassen und den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen; mit der Frage, ob der Besteller seine gesamte Gegenleistung mangels Fälligkeit auch hätte vorenthalten können, um auf diese Weise die verlangte Mängelbehebung durch den Unternehmer zu erzwingen, hatten sich die Entscheidungen also gar nicht zu befassen. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlaßt, den von der herrschenden Rechtsprechung anerkannten Anspruch des Bestellers, seine Gegenleistung bis zur Mängelfreistellung des Werkes zur Gänze vorenthalten zu dürfen, gerade für den Fall, in dem der Unternehmer zwar in Konkurs verfiel, der Masseverwalter aber in den Vertrag eintrat, abzulehnen. Gewiß wurde auch die Auffassung vertreten, daß es dann, wenn es dem Gegner nicht an dem nötigen guten Willen fehlt, sondern Hindernisse vorliegen, deren augenblickliche Beseitigung untunlich ist, gegen Treu und Glauben verstoßen und daher unzulässig sein kann, mehr zurückzubehalten, als es dem Interesse an dem noch ausstehenden Rest der Leistung entspricht (Ehrenzweig, 215). Das Verhalten des Beklagten, der nach wie vor größtes Interesse daran haben muß, daß die Mängel behoben werden, ohne daß er sich selbst um die Ausfindigmachung der erforderlichen Unternehmer und die Durchführung der Arbeiten durch diese kümmern müßte, kann aber nicht als gegen Treu und Glauben verstoßend angesehen werden; gerade wenn der Kläger ein gesetzliches Wahlrecht hatte, mußte sich der Beklagte nicht einmal Gedanken darüber machen, warum der Kläger zum Vertrag stehen wollte. Es wird auch anerkannt, daß dann, wenn jemand die Ausführung eines Werkes übernommen hat, das er nicht selbst durchführen kann, er berechtigt und verpflichtet ist, die Ausführung an andere zu Übertragen (Adler - Höller, 379). Wenn der Kläger trotz bereits erfolgter Einstellung des Unternehmens der Firma Jakob R in den Vertrag eintrat und der Beklagte weiterhin darauf beharrte, daß die Mängel behoben werden, mußte der Kläger bereit sein, die allenfalls erforderlichen Arbeiten durch andere Unternehmer durchführen zu lassen; es ist aber auch dem Beklagten zu unterstellen, daß er mit der Mängelbehebung durch einen anderen befugten Unternehmer einverstanden ist. Die Vermögenslosigkeit der Masse ist schon deswegen unerheblich, weil der Kläger für die Mängelbehebung weniger aufwenden muß als die Masse sodann vom Beklagten als Zahlung zu erwarten hat; er kann also damit rechnen, die Kosten der Mängelbehebung schon allein aus der vom Beklagten sodann einlangenden Leistung bezahlen zu können. Schikane kann dem Beklagten auf keinen Fall zur Last gelegt werden, da schikanöse Rechtsausübung nur dann angenommen wird, wenn jedes andere Interesse als das, dem anderen Schaden zuzufügen, fehlt (JBl. 1974, 315; JBl. 1972, 210; JBl. 1970, 371 u. v. a.). Davon kann bei nicht gänzlich unerheblichen Mängeln keine Rede sein. Eine Behauptung, es seien weitere Teilzahlungen des Beklagten vor Vollendung des Werkes vereinbart worden, wurde in erster Instanz nicht aufgestellt. Was die Revision damit meint, der Beklagte hätte den begehrten Betrag schon als Akontozahlung zu leisten, ist daher nicht recht verständlich.

Anmerkung

Z48108

Schlagworte

Gewährleistung des Masseverwalters für einen vom Gemeinschuldner als, Unternehmer abgeschlossenen Werkvertrag, Masseverwalter, Gewährleistung für einen vom Gemeinschuldner als, Unternehmer abgeschlossenen Werkvertrag, Werkvertrag, Gewährleistung des Masseverwalters für einen vom, Gemeinschuldner als Unternehmer abgeschlossenen -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00198.75.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19751021_OGH0002_0050OB00198_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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