Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Heinrich R*****, vertreten durch Dr. Otto Krömer und Dr. Herbert Hofbauer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Widerruf, Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert S 51.000,--) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 4. Juli 1975, GZ 7 R 126/75-10, das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 10. April 1975, GZ 6 Cg 91/75-6, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei brachte in ihrer Klage vor, sie habe im Gebiet der Gemeinde Z***** in M***** einen Teich ausgebaggert und beabsichtige an diesem Teich liegende Parzellen zu veräußern. Es hätten sich mehrere Kaufinteressenten gemeldet, die in der Folge dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Gemeinde Z***** von ihrer Kaufabsicht Mitteilung gemacht haben. Durch die den Inhalt des Klagebegehrens darstellenden Äußerungen des Beklagten, die unrichtig seien, werde die klagende Partei in ihrem Erwerb und besseren Fortkommen geschädigt. Sie begehre daher den Beklagten schuldig zu erkennen, die Äußerungen
a) daß auf dem Grundstück ein Wohnwagen nur in Verbindung mit einem Auto aufgestellt sein dürfe, daß keine Wohnerlaubnis gegeben werde und daß der Beklagte selbst nach 24 bzw. 48 Stunden die Gendarmerie verständigen werde, die den Eigentümer vom Grundstück verweisen werde;
b)
Brunnen für Trinkwasser nicht erlaubt seien,
c)
Stromanschluß auch nicht bei Bezahlung durch den jeweiligen Eigentümer beigestellt werden könne und
d) das Grundstück im Grundwasserschutzgebiet liege und das Trinkwasser der umliegenden Dörfer gefährdet sei, zu unterlassen, diese Äußerungen zu widerrufen und der klagenden Partei die Befugnis zu erteilen, den Widerruf binnen 4 Wochen nach Rechtskraft des Urteils in der Tageszeitung "Kurier" auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen.
Der Beklagte gab als richtig zu, daß sich Personen an ihn in seiner Eigenschaft als Bürgermeister in Angelegenheit der Umgestaltung des Schotterteiches bei M***** in ein Erholungsgebiet gewandt hätten. Wegen seiner Äußerungen könne die klagende Partei nur Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend machen, da er als Organ der Gemeinde Z***** in Vollziehung der Gesetze, insbesondere der Bauordnung gehandelt habe.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Das Begehren sei hinsichtlich der in der Klage genannten Grundstücke unbestimmt; darüberhinaus habe der Beklagte die inkriminierten Rechtsauskünfte als Verwaltungsorgan abgegeben, ihre allfällige Unrichigkeit könne nur durch die zuständigen Verwaltungsorgane festgestellt werden, wobei allfällige Ansprüche nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zu verfolgen wären.
Aus Anlaß der von der klagenden Partei gegen dieses Urteil erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil sowie das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß der Beklagte nach dem Inhalt der Klagserzählung die ihm von der klagenden Partei angelasteten, angeblich wahrheitswidrigen Behauptungen nicht als Privatperson, sondern in seiner amtlichen Stellung als Bürgermeister gemacht habe. Als Bürgermeister vertrete der Beklagte aber nicht nur die Gemeinde nach außen, er sei auch Baubehörde erster Instanz. Da nun insbesondere die Errichtung von Brunnen einer kommissionellen Bauverhandlung bedürfe und zumindest die Aufstellung von Wohnwagen mit abmontierten Rädern eine baubehördliche Genehmigung erfordere, widrigenfalls die Baubehörde zur Versagung verpflichtet sei, könne kein Zweifel darüber bestehen, daß der Beklagte die Erklärungen gegenüber den Interessenten in seiner Eigenschaft als Organ eines Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes gemacht habe. Insoweit könne aber der Beklagte wegen eines der klagenden Partei zugefügten Schadens im ordentlichen Rechtsweg nicht belangt werden. § 9 Abs 5 AHG verfolge den Zweck, das in Vollziehung der Gesetze handelnde Organ vor unmittelbarer Inanspruchnahme wegen jeden Ersatzanspruches prozessual zu bewahren. Demzufolge aber sei das durchgeführte Verfahren nichtig. Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, in eventu ihn aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Die klagende Partei wendet sich zunächst gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe die in Rede stehenden Äußerungen in seiner Eigenschaft als Bürgermeister, somit als Organ eines Rechtsträgers abgegeben. Ein Organhandeln sei deshalb nicht anzunehmen, weil der Beklagte zu jenen Vollzugsakten, die Gegenstand des Klagebegehrens seien, gar nicht zuständig wäre. Der Beklagte sei gemäß Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG als Bürgermeister nicht berechtigt, wegen eines Verstoßes gegen die Bauordnung die Hilfe der Gendarmerie in Anspruch zu nehmen. Es fehle ihm hiezu die Kompetenz, sodaß er nicht als Bürgermeister, sondern nur als Privatperson gehandelt haben könne. Für die Errichtung von Brunnen und das Aufstellen von Wohnwagen sei nicht unter allen Umständen eine baubehördliche Bewilligung erforderlich. Es treffe auch nicht zu, daß die gegenständliche Liegenschaft im Grundwasserschutzgebiet liege und letztlich entscheide nicht der Bürgermeister darüber, wann ein Stromanschluß hergestellt werden könne. Der Beklagte habe auch aus dem weiteren Grunde nicht als Organ gehandelt, weil das Organhandeln in Form eines vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts anfechtbaren Bescheides zu erfolgen habe.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß bei Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges von den Klagebshauptungen auszugehen ist. Es entscheide der Wortlaut des Klagebegehrens und darüberhinaus der Klagssachverhalt. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wieder der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (SZ 45/117, SZ 44/165, EvBl 1975/76, EvBl 1974/237, 69, 54). Nun hat die klagende Partei in der Klage selbst behauptet, Kaufinteressenten hätten sich an den Beklagten als Bürgermeister, d. h. in seiner Eigenschaft als Bürgermeister gewandt. Damit wurde schon nach dem Sachvorbringen behauptet, daß der Beklagte die in Rede stehenden Äußerungen als Organ abgegeben habe. Dies würde freilich die Annahme privaten Handelns dann nicht ausschließen, wenn die Annahme, der Beklagten habe als Organ gehandelt, seine Handlungen seien dem Rechtsträger zuzurechnen, von vornherein nicht in Betracht käme. Nimmt nämlich ein Organ Handlungen vor, die mit den Aufgaben seines Amtes in keinem Zusammenhang stehen, dann kommt die Zurechnung dieser Handlung an den Rechtsträger selbst dann nicht in Betracht, wenn die betreffende Person als Organ auftreten wollte, tatsächlich aufgetreten ist und auch als solches angesehen werden konnte. Eine Überschreitung der Zuständigkeit allein kann aber die Qualifikation als Organhandlung nicht immer ausschließen. Es wäre dies nur dann der Fall, wenn die betreffende Handlung ihrer Art nach aus dem Vollzugsbereich des betreffenden Organs von vorneherein ausscheidet (vgl. Loebenstein-Kaniak, Komm. zum AHG, 35, 37, 38). Ohne Belang ist es, ob sich die Tätigkeit in Form eines Bescheides im Sinne des § 56 AVG äußert. Es ist vielmehr in der Lehre (Loebenstein-Kaniak, aaO, 49) und Rechtsprechung (vgl. z. B. SZ 43/10) anerkannt, daß zu den Handlungen, die in Vollziehung der Gesetze vorgenommen werden, selbst rein tatsächliche Verrichtungen gehören, die eine hoheitliche Tätigkeit vorbereiten oder abschließen und daher mit ihr nur in einem allerdings unmittelbaren Zusammenhang stehen. Die Haftung für hoheitliches Handeln wird mit der vorerwähnten Einschränkung auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Organ damit seine Zuständigkeit überschritten hat und nicht gesetzmäßig vorgegangen ist. Es ist daher nicht entscheidend, ob der Beklagte als Baubehörde erster Instanz zur Bewilligung des Aufstellens von Wohnwagen mit abmontierbaren Rädern berufen war, gegen das Aufstellen von Wohnwagen mit montierten Rädern nach Meinung des Rekurswerbers aber nicht einschreiten durfte. Selbst wenn der Beklagte als Organ damit seine Zuständigkeit überschreiten würde, wäre doch ein solches - rechtswidriges - Verhalten dem Rechtsträger zuzurechnen. Nach der Ansicht des Rechtsmittelwerbers käme ja eine Haftung des Rechtsträgers überhaupt nicht in Betracht, weil dann jedes Handeln eines Organs, das der Rechtsordnung widerstreitet, als sein privates Handeln anzusehen wäre. Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen für die Errichtung von Brunnen eine baubehördliche Bewilligung erforderlich ist und ob die gegenständlichen Grundstücke im Grundwasserschutzgebiet liegen und der Beklagte deshalb gegen die Aufstellung von Wohnwagen durch Käufer von Grundstücken einschreiten durfte. Die Äußerungen des Beklagten stehen jedenfalls in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der ihm als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz obliegenden Vollzugstätigkeit. Ihr hoheitlicher Charakter wird bei den Äußerungen, die Eigentümer der Grundstücke müßten mit Anzeigen rechnen, er, Beklagter, werde der Gendarmerie den Auftrag erteilen die Grundstücke zu räumen, wenn Wohnwagen ohne Zugmaschinen aufgestellt werden, besonders deutlich aber auch bei den anderen Äußerungen gegeben. Soweit durch derartige Äußerungen - ihre Rechtswidrigkeit unterstellt - eine Person in ihrem Erwerb oder Fortkommen Schaden leidet, kann die Haftung des Rechtsträgers grundsätzlich in Anspruch genommen werden. Gemäß § 1 Abs 1 AHG ist freilich der Schaden nur in Geld zu ersetzen. Der Grund für diese Regelung ist darin zu erblicken, daß es der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung den Gerichten verwehrt, im Amtshaftungsprozeß Organe der Vollziehung zu einem hoheitlichen Tun oder Unterlassen zu verurteilen (Loebenstein-Kaniak aaO 65). Da somit die Inanspruchnahme des Beklagten schon deshalb ausgeschlossen ist, weil er als Organ im Sinne des § 1 AHG in Vollziehung der Gesetze tätig war, ist gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg für die vorliegende Klage ausgeschlossen (vgl Loebenstein-Kaniak aaO 109), sodaß die Klage vom Berufungsgericht zu Recht zurückgewiesen wurde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E73510 1Ob171.75European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00171.75.1126.000Dokumentnummer
JJT_19751126_OGH0002_0010OB00171_7500000_000