TE OGH 1976/1/20 3Ob283/75

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.1976
beobachten
merken

Norm

EO §35

Kopf

SZ 49/4

Spruch

Die Worte "imstande waren" (§ 35 Abs. 3 EO) sind nicht wie die Worte "wirksam Gebrauch machen konnte" (§ 35 Abs. 1 EO) nur im objektiven Sinn zu verstehen; sie stellen vielmehr darauf ab, ob dem Verpflichteten im Zeitpunkt der Klagserhebung die tatsächlichen Grundlagen für die Einwendungen bekannt waren oder nicht

OGH 20. Jänner 1976, 3 Ob 283/75 (OLG Wien 5 R 160/75; LGZ Wien 7 Cg 293/74)

Text

Auf Grund der einstweiligen Verfügung des Landesgerichtes für ZRS W vom 4. Mai 1972 wurde der Beklagten mit dem Beschluß des Titelgerichtes vom 31. Mai 1974 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von 7500 S und laufender Alimente die Exekution auf das Arbeitseinkommen des Klägers bewilligt.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte seit 8. Oktober 1973 eine Pension beziehe und deshalb "die einstweilige Verfügung erloschen" sei, begehrte der Kläger die "Unzulässigerklärung der Exekution". Im Zuge des Verfahrens machte der Kläger als weiteren Oppositionsgrund geltend, daß die Beklagte den Unterhaltsanspruch durch ehewidrige Beziehungen bzw. Ehebruch verwirkt "habe. Davon habe er erst nach Klagseinbringung Kenntnis erlangt.

Die Beklagte wendete ein, daß die Leistungen der Pensionsversicherung nicht auf die Unterhaltsverpflichtung anzurechnen seien, und daß das ergänzende Vorbringen des Klägers gegen die Eventualmaxime verstoße.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgendes fest: Der Kläger beantragte am 11. Juni 1974 beim Titelgericht die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 4. Mai 1972, hilfsweise die Herabsetzung des vorläufigen Unterhaltes auf einen angemessenen Betrag. Das Titelgericht änderte diese einstweilige Verfügung mit dem Beschluß vom 19. Juli 1974 dahin ab, daß der Kläger an Stelle des vorläufigen Unterhaltsbeitrages von 2.500 S monatlich einen solchen von 2.000 S monatlich zu bezahlen habe. Das Begehren, das Erlöschen der Zahlungspflicht auszusprechen, wurde abgewiesen. Das Oberlandesgericht W bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß der herabgesetzte Unterhaltsbeitrag ab 11. Juni 1974 (Tag der Antragstellung) zu bezahlen sei. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mit Antrag nach § 399 EO oder mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden könne. Da der im Scheidungsverfahren eingebrachte Antrag des Klägers auf Aufhebung bzw. Einschränkung der einstweiligen Verfügung rechtskräftig erledigt sei, fehle dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung des Klägers. Im übrigen gab es seiner Berufung Folge, hob das erstinstanzliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Im Gegensatz zur ersten Instanz war das Berufungsgericht der Ansicht, daß das Erlöschen des Unterhaltsanspruches infolge eigenen Einkommens und schwerer Verfehlungen der Beklagten nur mit Oppositionsklage geltend gemacht werden könne, da der Aufhebungsgrund des § 399 Abs. 1 Z. 4 EO für einstweilige Verfügungen nach § 382 Z. 8 EO nicht gelte. Die mit dem Vorbringen des Klägers die Beklagte verfüge nunmehr über ein eigenes Pensionseinkommen, erhobene weitere Einwendung, daß es infolge dieser Änderung der Verhältnisse des Fortbestandes der einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterhaltsbedarfes der Beklagten nicht mehr bedürfe, könne sowohl mit einem Aufhebungsantrag nach der auch auf einstweilige Verfügungen nach § 382 Z. 8 EO anwendbaren Bestimmung des § 399 Abs. 1 Z. 2 EO als auch mit Oppositionsklage geltend gemacht werden. Zur Frage der Eventualmaxime führte das Berufungsgericht aus, daß die Worte "imstande war" im § 35 Abs. 3 EO im objektiven Sinne zu verstehen seien. Es komme daher nur darauf an, ob die Beklagte die vom Kläger behaupteten schweren Eheverfehlungen nach Erhebung der Oppositionsklage gesetzt habe. Hingegen sei ohne Bedeutung, wann der Kläger von diesen Verfehlungen Kenntnis erhalten habe. Mit Rücksicht auf die Behauptung des Klägers, sein ergänzendes Vorbringen verstoße nicht gegen die Eventualmaxime, hätte das Erstgericht daher prüfen müssen, ob der Kläger imstande war, diese Einwendung schon zur Zeit der Klageerhebung vorzubringen. Verneinendenfalls seien Feststellungen zur Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruches zu treffen. Schon aus diesem Gründe sei das erstgerichtliche Urteil wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuheben. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für den Zeitraum vom 1. März bis 10. Juni 1974 könne auch dann nicht verneint werden, wenn die Einwendung des Klägers, die Beklagte habe den Unterhaltsanspruch verwirkt, wegen der Eventualmaxime unbeachtlich oder sachlich nicht gerechtfertigt sei. Eine Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung nach § 399 EO könne nämlich nur mit Wirkung ab dem Tage der Antragstellung erfolgen, während im Oppositionsprozeß auch über den Bestand der Leistungspflicht in der Vergangenheit abzusprechen sei. Die rechtskräftige Erledigung des Aufhebungs- bzw. Herabsetzungsantrages könne nur für den Zeitraum ab 11. Juni 1974 zur Abweisung der Oppositionsklage mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers führen; die Exekution sei insoweit nach § 39 Abs. 1 Z. 1 EO einzustellen.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger wendet sich mit Recht gegen die von der zweiten Instanz unter Berufung auf Rechtsprechung (SZ 2/54 und SZ 43/124) und Heller - Berger - Stix, Komm. zu EO[4], 419 vertretene Ansicht, daß die Worte "imstande war" im Abs. 3 des § 35 EO, ebenso wie die Worte "wirksam Gebrauch machen konnte" im Abs. 1 nicht im subjektiven, sondern im objektiven Sinn zu verstehen seien. Richtig ist, daß es nach Lehre (Heller - Berger - Stix, 397 und die dort angeführte Literatur) und Rechtsprechung (EvBl. 1965/308; EvBl. 1973/8 u. a.) bei der Prüfung der Frage, ob von den Einwendungen im vorangegangenen Verfahren nicht wirksam Gebrauch gemacht werden konnte, nicht auf die subjektiven Gründe, aus denen die Erlöschungsgrunde des geltend gemachten Anspruches nicht vorgebracht wurden, sondern darauf ankommt, ob ihre Verwendung objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen ummöglich war. Die hiefür maßgebenden Erwägungen, daß bei Anwendung eines subjektiven Maßstabes eine Partei die Möglichkeit hätte, statt der Wiederaufnahmsklage die Vollstreckungsgegenklage einzubringen und daß die Befristungen des § 534 ZPO daher nutzlos wären, treffen auf die Vorschrift des § 35 Abs. 3 EO nicht zu. Der Eventualmaxime könne begriffsnotwendig nur solche Einwendungen unterliegen, die sonst mit Oppositionsklage geltend gemacht werden könnten, also nicht schon aus anderen Gründen unzulässig oder unberechtigt wären. Unter die Eventualmaxime fallen daher nur solche Erlöschensgrunde, die nach dem im § 35 Abs. 1 EO bezeichneten Zeitpunkt eingetreten sind. Für solche Einwendungen stunde aber einem Verpflichteten die sonst zulässige Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO nicht offen. Zur Auslegung des § 35 Abs. 3 EO im objektiven Sinn zwingt auch nicht der Begriff der materiellen Rechtskraft, da die Rechtskraft einer nachträglichen Änderung der Sache unbestrittenermaßen nicht standhält. Die von Pollak, System[2], 893, für die nicht näher begrundete Ansicht, daß bloß neu bekannt gewordene Tatsachen nicht zu einer zweiten Oppositionsklage berechtigen,zitierten Belegstellen besagen entweder das Gegenteil, oder betreffen nicht die Eventualmaxime, sondern die Bestimmung des § 35 Abs. 1 EO. Die vom Berufungsgericht für seine Ansicht herangezogenen Entscheidungen SZ 2/54 und SZ 43/124 nahmen, da die nachträglich vorgebrachten Tatsachen erst nach Erhebung der Klage eingetreten waren, zu der Frage, ob die Geltendmachung von vor der Einbringung der Oppositionsklage eingetretenen, dem Kläger aber erst nachher bekanntgewordenen Tatsachen durch die Eventualmaxime ausgeschlossen ist, überhaupt nicht Stellung. Nach dem Sprachgebrauch kommen als Einwendungen, die der Verpflichtete im Zeitpunkt der Erhebung der Klage vorzubringen imstande war, nur solche in Betracht, deren tatsächliche Grundlagen ihm in diesem Zeitpunkt bekannt waren (Neumann - Lichtblau EO[3], 169; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht, 113; ebenso Stein - Jonas, Komm. zur d ZPO[18] zu § 767, dem die Bestimmung des § 35 Abs. 3 EO nachgebildet ist; vgl. auch Fasching, Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen IV, Anm. 4 zu § 559 und Anm. 14 zu § 562; DR EvBl. 1938/411). Die erst während des Prozesses erhobene Einwendung, daß der Unterhaltsanspruch durch ehewidrige Beziehungen bzw. Ehebruch der Beklagten erloschen sei, ist daher durch die Eventualmaxime nicht ausgeschlossen, wenn 1. der Verwirkungstatbestand erst nach Erlassung der einstweiligen Verfügung gesetzt wurde und 2. der Kläger von dem Verwirkungstatbestand erst nach Erhebung der Klage Kenntnis erhielt. Es muß daher auch geprüft werden, ob dem Kläger der während des Prozesses geltend gemachte Einwendungstatbestand zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage bekannt war oder nicht. Im ersten Falle wäre dem Kläger die Geltendmachung dieser Einwendung durch die Eventualmaxime verwehrt. Anderenfalls wäre zu erheben und festzustellen, ob und wann die Beklagte die vom Kläger behaupteten Verfehlungen begangen hat. Dem Berufungsgericht ist nämlich beizupflichten, daß die Frau ihren Unterhaltsanspruch verliert, wenn sie besonders schwere Eheverfehlungen begeht. Als Oppositionsgrund kommen entgegen der Ansicht des Klägers aus den vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Gründen nur solche Eheverfehlungen der Beklagten in Betracht, die nach dem im § 35 Abs. 1 EO bezeichneten Zeitpunkt begangen wurden. Vor diesem Zeitpunkt gesetzte, dem Kläger aber erst später bekanntgewordene Eheverfehlungen der Beklagten können mit der Oppositionsklage nicht geltend gemacht werden, da die Bestimmung des § 35 Abs. 1 EO, wie bereits ausgeführt, im objektiven Sinne zu verstehen ist. Diesbezüglich besteht zwischen einstweiligen Verfügungen nach § 382 Z. 8 EO, durch die kein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern dem Berechtigten einstweilen ein Unterhalt zugebilligt wird, und anderen gerichtlichen Entscheidungen kein Unterschied. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß für die Erlassung solcher einstweiliger Verfügungen die (bloße) Bescheinigung der sie begrundenden Tatsachen genügt. Der vorerwähnten Erhebungen und Feststellungen bedarf es allerdings nur dann, wenn nach den Prozeßbehauptungen des Klägers, deren Ergänzung das Erstgericht auf Grund seiner Prozeßleitungspflicht zu veranlassen haben wird, die Beklagte die behaupteten Verfehlungen nach dem oben bezeichneten Zeitpunkt begangen haben soll.

Zu den bereits in der Klage geltend gemachten Einwendungen hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Eine meritorische Erledigung dieser Einwendungen wäre daher dem Berufungsgericht nur nach einer in seinem Ermessen liegenden Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung möglich gewesen.

Das Rekursvorbringen des Klägers ist somit im Sinne der vorstehenden Ausführungen berechtigt. Sein Erfolg kann aber, da es aus den dargelegten Gründen bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles zu verbleiben hat, nur in der Begründung zum Ausdruck kommen.

Die Beklagte meint, daß die Sache spruchreif sei, weil das Titelgericht inzwischen über den Herabsetzungsantrag des Klägers entschieden habe. Für die Zeit vor der Antragstellung sei jedenfalls der vorläufige Unterhalt zu leisten, so daß dem Kläger auch diesbezüglich das Rechtsschutzinteresse fehle. Auf die erst während des Prozesses erhobene Einwendung sei wegen der Eventualmaxime nicht einzugehen. Was zunächst die Frage der Eventualmaxime betrifft, so ist die Beklagte auf die Ausführungen zum Rekurs des Klägers zu verweisen.

Ob der in der Klage vorgebrachte Sachverhalt auch zum Gegenstand eines Antrages gemäß § 399 EO gemacht werden konnte, ist hier nicht näher zu erörtern, da das Titelgericht rechtskräftig über den gemäß § 399 EO gestellten Antrag entschieden hat und diese vom Titelgericht getroffene Entscheidung bei der Entscheidung über die vorliegende Klage von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl.SZ 19/316). Die Klage wird daher für die Zeit ab 11. Juni 1974 abzuweisen sein, falls die Einwendung der Verwirkung des Unterhaltsanspruches unbeachtlich oder nicht berechtigt sein sollte. Für die Zeit vor dem 11. Juni 1974 liegt hingegen eine Entscheidung des Titelgerichtes überhaupt nicht vor, weshalb das Berufungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für diese Zeit zutreffend bejaht hat. Dem Rekurs der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z49004

Schlagworte

Eventualmaxime. Oppositionsklage, Oppositionsklage, die Worte "imstande waren" (§ 35 Abs. 3 EO) sind nicht, wie die Worte "wirksam Gebrauch machen konnte" (§ 35 Abs. 1 EO) nur im, objektiven Sinn zu verstehen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00283.75.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19760120_OGH0002_0030OB00283_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten