Kopf
SZ 49/11
Spruch
Zur Sicherung eines auf § 117 HGB oder § 127 HGB gestützten Anspruches durch einstweilige Verfügung bedarf es einer Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 EO
OGH 30. Jänner 1976, 7 Ob 507/76 (OLG Linz 4 R 235/75; LG Linz 9 Cg 324/75)
Text
Die Zweitklägerin sowie Josef W und die W-Ges. m. b. H (nunmehrige Erstklägerin) grundeten mit Gesellschaftsvertrag vom 6. Juli 1971 eine OHG unter der Firma W und Co. Gegenstand des Unternehmens dieser Personalgesellschaft war der Betrieb einer Wäscherei, Chemisch-Putzerei und Färberei. In Punkt VI des Gesellschaftsvertrages über die OHG wurde bestimmt, daß die Gesellschaft von allen Gesellschaftern gemeinsam vertreten wird und daß alle Gesellschaften verpflichtet sind, ihre ganze Arbeitskraft für die Gesellschaft einzusetzen W-Ges. m. b. H sei im besonderen verpflichtet, in der Person ihres Geschäftsführers der OHG jederzeit einen mit den persönlichen und gewerberechtlichen Voraussetzungen versehenen Geschäftsführer zur Verfügung zu halten, der die OHG in die Lage versetzt, ihr Unternehmen dem Gesellschaftszweckentsprechend zu betreiben. Die W-Ges. m. b. H ist zu diesem Zweck ebenfalls am 6. Juli 1971 gegrundet worden. Der Gesellschafter Josef W ist am 30. Juli 1973 ohne Hinterlassung eines gültigen Testamentes gestorben. Seiner Witwe, der Beklagten, wurde als Universalerbin die gesamte Verlassenschaft nach ihm eingeantwortet.
Gestützt auf §§ 117 und 127 HGB machen die Kläger als Gesellschafter der OHG gegen die Beklagte als Mitgesellschafterin den Anspruch auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis geltend, wobei sie beantragen, zur Sicherung dieses Anspruches die Entziehung der Befugnisse mit einstweiliger Verfügung auf die Dauer des Rechtsstreites, längstens bis 31. 12. 1976 anzuordnen. Im wesentlichen machen sie geltend, daß die Beklagte, obwohl ihr reichlich Gelegenheit geboten worden sei sich in den Geschäftsbetrieb einzuarbeiten, keinerlei Interesse hiefür an den Tag gelegt habe. Sie sei monatelang vom Betrieb abwesend gewesen. Aus diesem Grund könne von ihr eine ersprießliche Geschäftsführertätigkeit nicht erwartet werden. Durch ihr Verhalten habe sie mehrfach das ansehen und den Ruf der Firma aufs Spiel gesetzt. Sie habe nicht nur durch Unfälle mit dem ihr zur Verfügung stehenden, jedoch firmeneigenen PKW Schäden verursacht, sondern auch 40.000 S für eine Aufzahlung auf einen neuen PKW verlangt. Im Sommer 1974 habe sie eine Flugreise nach Italien mit einem ungedeckten Scheck bezahlt. Auch habe sie eine Privatschuld gegenüber der Firma F nicht beglichen, so daß diese die betreffende Rechnung an die Firma W gesandt habe. Mehrfach habe die A-Sparkasse in L, mit der die Gesellschaft in der Geschäftsverbindung stehe, die Erstklägerin gebeten, die Beklagte zu verständigen, daß deren Konto überzogen sei. Schließlich habe die Beklagte Wäsche und Kleidungsstücke zum Reinigen in der Filiale in abgegeben und ohne Bezahlung abgeholt; hiefür hafte noch ein Betrag von 950.60 S aus. Einen Betrag von 1.000 S habe sie aus der Filialkasse beheben wollen und sich schließlich 150 S von der Filialleiterin ausgeborgt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, bestritt, daß sie kein Interesse an einer Einarbeitung in den Betrieb an den Tag gelegt hätte, und machte im übrigen geltend, daß die ihr zur Last gelegten Verfehlungen teils nicht den Tatsachen entsprächen, teils in der Klage stark übertrieben dargestellt seien. Im übrigen habe sie mit der Geschäftsführung zum größten Teil gar nichts zu tun.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, wobei es die Behauptungen der Klage als bescheinigt annahm. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, das als bescheinigt angenommene Verhalten der Beklagten würde den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis rechtfertigen. Demnach hätten die Kläger ihren Anspruch bescheinigt. Infolge Bescheinigung dieses Anspruches sei aber eine gesonderte Gefahrenbescheinigung entbehrlich.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es trat der Rechtsansicht, daß eine Gefahrenbescheinigung nicht erforderlich sei, nicht bei, sondern ging davon aus, es müßten Tatsachen bescheinigt werden, aus denen zu schließen sei, daß durch das Verhalten des Gesellschafters im Rahmen seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis die Gefahr unwiederbringlicher erheblicher Nachteile für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter auch in Zukunft droht. Unter Zugrundelegung des Vorbringens der Kläger sei dies im vorliegenden Fall zu verneinen. Ob das behauptete passive Verhalten der Beklagten einen Grund für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis bilde, könne hier unerörtert bleiben, weil dies eine Frage nach dem Anspruchsgrund sei. Daß aus diesem Verhalten die Besorgnis einer schweren Gefahr für das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen oder die klagenden Gesellschafter begrundet wäre, könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Geschäftsführungsaufgaben nach der vorliegenden Aktenlage nicht nach Sachgebieten auf die einzelnen Gesellschafter aufgeteilt seien und daher der Geschäftsführer der Erstklägerin sowie die Zweitklägerin ohnehin alle mit der Geschäftsführung zusammenhängenden Aufgaben wahrnehmen können. Das passive Verhalten der Beklagten gefährde daher die Belange der Gesellschaft und der Klägerin als Mitgesellschafter nicht. Daß aber die Beklagte hindernd und in erheblichem Maße schädlich in die Gestionen der Kläger eingegriffen hätte oder solches in Zukunft mit aller Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, werde nicht einmal von den Klägern behauptet. Die übrigen Umstände beträfen zum Teil nur die Privatsphäre der Beklagten, zum Teil seien sie so geringfügig, daß sie die Interessen der Kläger gefährden könnten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Kläger streben die Sicherung eines anderen Anspruches als einer Geldforderung an. Gemäß § 381 Z. 2 EO kann zur Sicherung derartiger Ansprüche eine einstweilige Verfügung unter anderem getroffen werden, wenn dies zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint (Die anderen Fälle des § 381 EO kommen hier nicht in Frage).
Als unwiederbringlich kann ein Schaden nur dann bezeichnet werden, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (ÖBl. 1972, 77; ÖBl. 1971, 152; JBl. 1955, 72 u. a.). Bescheinigt muß eine konkrete Gefährdung werden (EVBl. 1974/153; SZ 42/135; JBl. 1970, 322 u. a.).
Das Erstgericht hat den Standpunkt vertreten, eine Gefahrenbescheinigung sei für die Sicherung des geltend gemachten Anspruches wegen dessen Bescheinigung nicht erforderlich. Diese Rechtsansicht hat jedoch das Rekursgericht zutreffend widerlegt:
Nach § 117 HGB kann einem Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft die Befugnis zur Geschäftsführung auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Diese Bestimmung, sowie die für den Entzug der Vertretungsbefugnis gleichlautende des § 127 HGB, umschreibt nur die Voraussetzungen für den Entzug der Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsbefugnis, trifft aber keine verfahrensrechtliche Regelung, insbesondere im Hinblick auf Provisorialmaßnahmen. Aus ihr kann daher der Wegfall einer prozessualen Voraussetzung nicht abgeleitet werden. Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung SZ 26/184 erklärt in dem dort genannten Fall eine Gefahrenbescheinigung nicht für entbehrlich; sie geht vielmehr von einer bescheinigten Gefahr aus. Die vom Revisionsrekurs zitierten Stellen im RGR-Komm. z. HGB behandeln auch nur die materiellen Voraussetzungen für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis nach § 117 HGB. Daß dort als Erfordernis für einen solchen Entzug eine erhebliche Gefährdung der Belange der Gesellschaft angeführt ist, bedeutet lediglich eine Erläuterung der materiellen Voraussetzungen. Der Schluß, weil der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis eine erhebliche Gefährdung der Belange der Gesellschaft voraussetzt, müsse bei Bescheinigung des Entziehungsanspruches nicht auch gesondert eine Gefährdung zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung bescheinigt werden, ist nicht zwingend. § 381 Z. 2 EO erfordert nämlich die Bescheinigung einer ganz speziellen Gefährdung in dem dort näher umschriebenen Ausmaß ("wiederbringlich"). Abgesehen davon, daß im allgemeinen deutsche Lehrmeinungen zu prozessualen Fragen wegen der nicht übereinstimmenden Rechtslage nicht ohne weiteres für die Beurteilung österreichischer Verfahrensbestimmungen herangezogen werden können, führt auch der im Revisionskurs zitierte RGR-Komm. (3. Aufl. II/1, 181) ausdrücklich aus, daß auch im deutschen Rechtsbereich eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruches nach § 117 HGB nur erlassen werden kann, wenn die allgemeinen prozeßrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Maßregel gegeben sind.
Zusammenfassend ergibt sich also, daß §§ 378 ff. EO grundsätzlich die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung regeln. Nur wo eine Spezialbestimmung die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auch bei Fehlen einer der allgemeinen Voraussetzungen für zulässig erklärt, kann von dieser Voraussetzung abgesehen werden. Bezüglich eines Anspruches nach §§ 117 und 127 HGB fehlt eine solche Ausnahmsbestimmung. Zur Sicherung derartiger Ansprüche bedarf es daher einer Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 EO.
Selbst wenn man aber von den Behauptungen der Kläger ausgeht, kann eine Gefährdung im Sinne des § 381 Z. 2 EO nicht gegeben sein. Die Kläger wollen erreichen, daß sich die Beklagte jeglicher Geschäftsführertätigkeit enthalten soll. Demnach sehen sie eine solche Enthaltung nicht als Gefährdung ihrer Interessen an. Aus diesem Gründe kann die bloße Passivität der Beklagten eine Gefährdung nicht begrunden. Das Rekursgericht hat zudem zutreffend darauf verwiesen, daß auch nach dem Vorbringen der Kläger diese selbst zur Gänze die Geschäfte der Gesellschaft führen, weshalb eine mangelnde Geschäftsführertätigkeit der Beklagten Interessen der Gesellschaft nicht gefährden könne.
Daß jemand fallweise Unfälle beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursacht, hat mit der Geschäftsführung an sich nichts zu tun. Schäden, die hiedurch der Gesellschaft verursacht werden, sind unschwer durch Geld zu ersetzen, zumal die im vorliegenden Fall genannten Beträge relativ gering sind. Kleine, allfällige Nachlässigkeiten bei Regelung von Reinigungsrechnungen gefährden selbstverständlich das Gesellschaftsunternehmen nicht.
Die anderen in der Klage erhobenen Vorwürfe betreffen nicht die Geschäftsführertätigkeit der Beklagten, sondern ihre Privatsphäre. Selbst nach dem Vorbringen der Kläger war die Gesellschaft in der Lage, die gegen sie erhobenen Ansprüche ohne Schwierigkeiten abzuwehren. Im übrigen würde ein sofortiger Entzug der Geschäftsführerbefugnis nicht ausschließen, daß solche Ansprüche versuchsweise auch in Hinkunft gegen die Gesellschaft erhoben werden, insbesondere dann, wenn, wie dies in der Klage behauptet wird, vor allem der Name der Beklagten deren Gläubiger auf die Firma verweisen sollte.
Richtig hat sohin das Rekursgericht erkannt, daß die behaupteten Umstände keinesfalls einen Schluß auf eine Gefährdung im Sinne des § 381 EO rechtfertigen können.
Die weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses beschäftigen sich nur mit dem Anspruch selbst sowie mit der Frage, ob derartige Ansprüche grundsätzlich mit einer einstweiligen Verfügung gesichert werden können. Da im vorliegenden Fall die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels Gefahrenbescheinigung keinesfalls in Frage kommt, mußte die Frage, ob der Anspruch als solcher hinreichend bescheinigt ist und ob ganz allgemein zur Sicherung derartiger Ansprüche einstweilige Verfügungen erlassen werden können, nicht weiter geprüft werden.
Anmerkung
Z49011Schlagworte
Einstweilige Verfügung zur Sicherung eines auf § 117 HGB oder § 127 HGB, gestützten Anspruches durch - bedarf es einer Gefahrenbescheinigung im, Sinne des § 381 EO, Offene Handelsgesellschaft, zur Sicherung eines auf § 117 HGB oder § 127, HGB gestützten Anspruches durch einstweilige Verfügung bedarf es einer, Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 EOEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00507.76.0130.000Dokumentnummer
JJT_19760130_OGH0002_0070OB00507_7600000_000