TE OGH 1976/2/18 8Ob501/76

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Veröffentlicht am 18.02.1976
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Norm

ABGB §589
JN §33

Kopf

SZ 49/24

Spruch

Die Bestimmung des § 589 ABGB, daß das Gericht, welches die letztwillige Erklärung aufnimmt, aus wenigstens zwei eidlich verpflichteten Gerichtspersonen bestehen muß, deren einer in dem Orte, wo die Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht, kann nur dahin verstanden werden, daß der Richter an dem Orte, wo er die letztwillige Erklärung aufnimmt, sein Richteramt durch die im Gesetz geregelte Mitwirkung an der Errichtung des letzten Willens befugterweise ausübt

Eine die Überschreitung des Gerichtssprengels rechtfertigende Gefahr am Verzug ist anzunehmen, wenn angesichts des unmittelbar bevorstehenden Ablebens des Testierwilligen zu befürchten ist, daß die angesuchte Testamentserrichtung vereitelt werden könnte

OGH 18. Feber 1976, 8 Ob 501/76 (OLG Wien 7 R 167/75; KG St. Pölten 1 c Cg 378/74)

Text

Johann D ist am 26. September 1973 im Krankenhaus St. P gestorben. Er war wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigt. Er war mit der Erstklägerin in aufrechter Ehe verheiratet, der Zweit- und der Drittkläger sind seine ehelichen Söhne. Sie begehrten die Fällung des Urteils 1. Das mündliche Testament des am 26. September 1973 verstorbenen Johann D, richtet am 21. September 1973 im Krankenhaus St. P sei ungültig; 2. den Klägern stehe auf Grund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlasse des Johann D zu. Zu der behaupteten Ungültigkeit des Testamentes brachten sie - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - vor, daß dem Richter, vor dem der letzte Wille zu Protokoll gegeben worden sei, das Richteramt in St. P nicht zugestanden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in seinem Punkt 1 statt und wies es in seinem Punkt 2 ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in seinem Punkt 1 dahin ab, daß es das Klagebegehren, das mündliche Testament des am 26. September 1973 gestorbenen Johann D, errichtet am 21. September 1973 im Krankenhaus St. P sei ungültig, abwies; in seinem Punkte 2 bestätigte das Gericht zweiter Instanz - unangefochten - das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes 1000 S übersteige.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung zu Punkt 1 des Klagebegehrens folgenden Sachverhalt zugrunde:

Am 21. September 1973 ersuchte der Beistand des Johann D das Bezirksgericht M, es möge im Krankenhaus St. P mit dem bedenklich erkrankten Kuranden eine letztwillige Anordnung aufgenommen werden. Das Bezirksgericht M setzte sich mit dem örtlich zuständigen Bezirksgericht St. P ins Einvernehmen, doch erklärte dessen Gerichtsvorsteher, die letztwillige Verfügung möge "wegen seiner Unabkömmlichkeit" vom Bezirksgericht M aufgenommen werden. Hierauf begab sich der beim Bezirksgericht M ernannte Landesgerichtsrat Dr. Sch. mit zwei weiteren Gerichtspersonen ins Krankenhaus St. P, wo in deren sowie in Anwesenheit zweier weiterer Zeugen mit Johann D ein mündliches Testament aufgenommen und protokolliert wurde. Das Protokoll wurde vom Testator, vom Richter, von der gerichtlichen Schriftführerin H sowie von zwei weiteren - nichtgerichtlichen - Zeugen unterschrieben.

Das Erstgericht führte rechtlich aus, Landesgerichtsrat Dr. Sch. habe nicht dem in § 589 ABGB aufgestellten Erfordernissen entsprochen, weil er, wiewohl er für das Bezirksgericht M ernannt gewesen sei, die letztwillige Erklärung im Krankenhaus St. P, somit außerhalb seines Gerichtssprengels, aufgenommen habe.

Das Berufungsgericht übernahm die erstrichterlichen Feststellungen und stellte ergänzend insbesondere fest:

Die Behandlung des Pflegschaftsaktes betreffend Johann D, AZ P 45/70 des Bezirksgerichtes M, stand an sich dem Vorsteher dieses Gerichtes, Oberlandesgerichtsrat Dr. F-C, zu. Als sich am 21. September 1973 (Freitag) nachmittags der Beistand des D mit der Bitte um eheste Testamentserrichtung an dieses Gericht wendete, war der genannte Richter - vermutlich dienstlich - abwesend, so daß sein geschäftsverteilungsmäßig bestimmter Vertreter Landesgerichtsrat Dr. Sch. die Amtshandlung in dieser Sache übernahm.

Beim Bezirksgericht St. P war am 21. September 1973 der Gerichtsvorsteher Oberlandesgerichtsrat Dr. S laut Geschäftsverteilung zuständig sowohl für Abhandlungen mit dem Buchstaben "D" als auch für außerstreitige Rechtshilfesachen mit diesem Anfangsbuchstaben.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß § 589 ABGB den zuständigen im Dienst befindlichen Richter vor Augen habe - im Gegensatz zu einer Person, die zwar die Qualitäten nach Art. 86 ff. B-VG aufweise, zum Orte der Errichtung aber in keinerlei dienstlicher Beziehung stehe, wie z. B. der Richter auf Urlaub oder auf Reisen.

Die Befugnis, das Richteramt an einem bestimmten Orte im konkreten Einzelfall auszuüben, ergebe sich aber nicht nur aus den Ernennungsvorschriften (B-VG, RDG), sondern auch aus Verfügungen der Justizverwaltung (dies nur bei Sprengelrichtern), aus den Normen über die Zuständigkeit und schließlich aus der Geschäftsverteilung (vgl. Art. 87 Abs. 3 B-VG). Dies bedeutet, daß für die Frage der Zuständigkeit die Normen der JN in ihrer Gesamtheit - also einschließlich des § 33 - heranzuziehen seien. Unter den Umständen des vorliegenden Falles habe Landesgerichtsrat Dr. Sch. Gefahr im Verzug annehmen dürfen. Das Berufungsgericht erachtete daher unter Heranziehung der Bestimmung des § 33 JN den Landesgerichtsrat Dr. Sch. als den im § 589 ABGB vorgesehenen Richter.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision der Kläger steht weiterhin auf dem Standpunkt, das Testament sei deshalb ungültig, weil der an seiner Errichtung mitwirkende Landesgerichtsrat Dr. Sch. wegen seiner Ernennung zum Bezirksgericht M den im § 589 ABGB normierten Voraussetzungen nicht entsprochen habe. Diese Ansicht ist nicht zutreffend.

Gemäß § 589 ABGB muß das Gericht, welches die letztwillige Erklärung aufnimmt, aus wenigstens zwei eidlich verpflichteten Gerichtspersonen bestehen, deren einer in dem Orte, wo die Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht. Dies kann nur dahin verstanden werden, daß der Richter an dem Orte, wo er die letztwillige Erklärung aufnimmt, sein Richteramt durch die im Gesetz geregelte Mitwirkung an der Errichtung des letzten Willens befugterweise ausübt. Dies trifft aber auf Landesgerichtsrat Dr. Sch. zu.

Die weitwendigen Ausführungen der Revision über die Zuständigkeit sind auf § 121 JN zu verweisen, wonach u. a. die Aufnahme letztwilligen Anordnungen von jedem Bezirksgericht vorgenommen werden kann. Daraus ergibt sich, daß für die Aufnahme solcher Anordnungen sachlich die Bezirksgerichte ausschließlich zuständig sind und daß hiefür sämtliche mit der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen befaßten Bezirksgerichte örtlich zuständig sind, ohne daß der Erblasser in seiner Wahl durch seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort beschränkt wäre (vgl. Fasching I, 557; Weiß in Klang[2] III, 331). Im vorliegenden Fall hatte der beschränkt Entmundigte ohnehin seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes M. Daß sich die im § 589 genannten Personen zur Aufnahme der letztwilligen Erklärung in einem - hier zweifellos gegebenen - Notfall hiezu in die Wohnung des Erblassers - d. h. zu dem Erblasser selbst (Weiß in Klang[2] III, 331) - begeben durften, ergibt sich aus § 590 ABGB.

Entscheidend ist somit lediglich, ob der einschreitende Richter des zur Errichtung des letzten Willens angerufenen Gerichtes die Gerichtsgewalt außerhalb seines Sprengels ausüben durfte. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen.

Wohl bestimmt § 32 JN, daß jedes Gericht die zu seinem Wirkungskreis gehörigen Amtshandlungen nur innerhalb des zugewiesenen Sprengels ausüben darf; die Beschränkung der Ausübung der Gerichtsgewalt jedes Gerichtes auf seinen Sprengel darf aber unter den Voraussetzungen des § 33 JN überschritten werden. Nach dieser Gesetzesstelle darf ein Gericht innerhalb der Staatsgrenzen ausnahmsweise behufs Vorname einer Amtshandlung die Grenzen seines Sprengels u. a. dann überschreiten, wenn Gefahr am Vollzuge obwaltet. Schon die Materialien (I, 51) zu § 33 JN weisen darauf hin, daß bei obwaltender Gefahr die Interessen der Partei nicht unter dem Prinzip leiden dürfen, daß der örtliche Sprengel des Gerichtes eingehalten werden müsse. Angesichts der Lebensgefahr des Kuranden und der Ablehnung des um Aufnahme des mündlichen Testamentes ersuchten Gerichtsvorstehers des Bezirksgerichtes St. P, war Dr. Sch. - entgegen den Revisionsausführungen - keineswegs gehalten, Freitag nachmittags von sich aus noch Erhebungen anzustellen, wer nach der Geschäftsordnung des ersuchten Gerichtes als Vertreter in Betracht käme und ob dieser am Wochenende zur Verfügung stunde. Da mit dem unmittelbar bevorstehenden Ableben des Kuranden zu rechnen war und bei weiterem Zuwarten befürchtet werden mußte, daß die angesuchte Testamentserrichtung vereitelt werden könnte (Fasching I, 236), lag Gefahr am Verzuge im Sinne des § 33 JN vor. Der geschäftsordnungsmäßig bestimmte Vertreter des zuständigen Richters des in Anspruch genommenen Bezirksgerichtes M, Landesgerichtsrat Sch., hat somit unter den Umständen des vorliegenden Falles von der ihm durch §§ 33 JN eingeräumten Befugnis zutreffend Gebrauch gemacht und als befugter Richter im Sinne des § 589 ABGB die letztwillige Erklärung des beschränkt Entmundigten - kurz vor dessen Dahinscheiden - aufgenommen.

Der von den Klägern geltend gemachte Ungültigkeitsgrund des Testamentes liegt somit nicht vor.

Anmerkung

Z49024

Schlagworte

Letztwillige Erklärung, Richter im Sinne des § 589 ABGB Richter im Sinne des § 589 ABGB, Aufnahme einer letztwilligen Erklärung Testamentserrichtung, Annahme einer die Überschreitung des Gerichtssprengels rechtfertigenden Gefahr am Verzuge zur - Überschreitung des Gerichtssprengels, Annahme einer die - rechtfertigenden Gefahr am Verzuge zur Testamentserrichtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0080OB00501.76.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19760218_OGH0002_0080OB00501_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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