Norm
ABGB §1299Kopf
SZ 49/32
Spruch
Rechtsgrundlage des Anspruches auf Einräumung einer Ersatzhypothek im Sinne des § 222 Abs. 4 EO ist ausschließlich den Umstand, daß ein nachfolgender Buchberechtigter bei Verteilung des Erlöses einer Pfandsache infolge unverhältnismäßiger Befriedigung eines vorrangigen Gläubigers nichts (oder nicht soviel) erhalten hat, obwohl er bei verhältnismäßiger Befriedigung der ihm im Rang vorausgehenden Gläubiger aus allen diesen Gläubigern zur Verfügung stehenden Pfandobjekten zum Zuge gekommen wäre. Diese Rechtsgrundlage erfordert keinerlei Rechtsbeziehungen des durch die unverhältnismäßige Zuweisung verkürzten Gläubigers zum Eigentümer der dem unverhältnismäßig befriedigten Gläubiger verhafteten weiteren Pfandobjekte
Der Anspruch gemäß § 222 Abs. 4 EO ist auch auf den Fall der Zwangsversteigerung nur einzelner Liegenschaftsanteile anwendbar. Ein Rechtsanwalt ist für den durch Unterlassung der Antragstellung gemäß § 222 Abs. 4 EO entstandenen Schaden ersatzpflichtig
OGH 2. März 1976, 3 Ob 523/76 (OLG Linz 3 R 138/75; LG Linz 7 Cg 415/73)
Text
Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, vertrat die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Pfandgläubigerin der Rosa K im Zwangsversteigerungsverfahren E 2010/69 des Bezirksgerichtes R, in welchem die Sparkasse des Marktes H zur Hereinbringung der zu ihren Gunsten auf den gesamten Liegenschaften EZ 180 und 1288 KG H simultan einverleibten Forderung von 778 800 S samt Anhang die Versteigerung der beiden der Rosa K gehörigen Liegenschaftshälften betrieb. Bei der Meistbotsverteilungstagsatzung am 24. Juni 1971 nahm die Sparkasse H - ebenso wie weitere Gläubiger - ihre gesamte vorrangige Forderung aus dem Meistbot der erwähnten Liegenschaftshälften in Anspruch. Die Klägerin, deren Forderung nachrangig und überdies nur auf der Liegenschaftshälfte der Rosa K verbüchert war, ging deshalb im Meistbotsverteilungsverfahren zu E 2010/69 des Bezirksgerichtes R leer aus.
Die Klägerin war zwar auch gegenüber dem Eigentümer der anderen Liegenschaftshälften, Eduard K, forderungsberechtigt, hatte jedoch diesem gegenüber kein Pfandrecht. Außerdem war über dessen Vermögen bereits mit Beschluß vom 3. Dezember 1968 der Konkurs eröffnet worden.
Die Klägerin behauptet, im Konkurs des Eduard K mangels eines Absonderungsrechtes nur eine Quote von 20% ihrer Forderung zuzüglich eines Betrages von 60 000 S erhalten und dadurch einen Ausfall bzw. Schaden in der schließlich mit 113 831 S außer Streit gestellten Höhe erlitten zu haben. Sie begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieses Betrages, weil er es trotz Hinweises auf diese Möglichkeit im Zwangsversteigerungsverfahren gegen Rosa K unterlassen habe, gemäß § 222 EO die Eintragung einer Ersatzhypothek auf den Liegenschaftshälften des Eduard K zu begehren.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, Ersatzpfandrechte hätten auf den Liegenschaftshälften des Eduard K wegen des Konkursverfahrens nicht begrundet werden können, die Klägerin habe entgegen seinem Rat im Konkurs einem Zwangsausgleichsvorschlag zugestimmt, obwohl sie bei kridamäßiger Versteigerung der Liegenschaftshälften des Eduard K volle Zahlung erhalten hätte. Im übrigen habe er die Interessen der Klägerin im Exekutionsverfahren durchaus zweckentsprechend gewahrt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab ihm statt. Es stellte nach Beweisergänzung zusätzlich fest:
Die Simultanpfandrechte der Sparkasse des Marktes H auf den gesamten Liegenschaften EZ 180 und 1288 KG H, welche die Grundlage für ihre Befriedigung aus dem Meistbotserlös darstellten, wurden in den Jahren 1965 bis 1967 begrundet, das Pfandrecht der Klägerin auf der Liegenschaftshälfte der Rosa K hingegen erst im Jahr 1970 einverleibt. Als Verteilungsmasse in der Zwangsversteigerungssache gegen Rosa K stand bei einem Meistbot von 1 220 000 S ein Betrag von (einschließlich Zinsen) 1 234 983.84 S zur Verfügung. Zur Meistbotsverteilung meldete die Klägerin ihre Forderung von 143 157.84 S samt (detailliert angeführten) Nebengebühren zur Berichtigung durch Barzahlung an. Es meldeten jedoch die ihr im bücherlichen Rang vorausgehenden Pfandgläubiger Sparkasse H, M AG und Republik Österreich (Finanzamt R) ihre gesamten Forderungen zur Berichtigung durch Barzahlung an, obwohl sie nicht bloß auf den Liegenschaftshälften der Rosa K, sondern auch auf jenen des Eduard K Pfandrechte erworben hatten. Diese Anmeldungen waren Gegenstand der Meistbotsverteilungstagsatzung, bei welcher auch der Beklagte als Vertreter der Klägerin anwesend war. Auf Grund ihrer Anmeldungen wurden die drei vorgenannten Gläubiger durch Zuweisung von 922 597.42 S (Sparkasse H), 151 080.21 S (M AG) und 67 205.37 S (Republik Österreich) voll, der der Forderung der Klägerin im Range gleichfalls vorausgehende Gläubiger Johann K mit 71 874.60 S teilweise befriedigt. Die Forderung der Klägerin fand in der Verteilungsmasse keine Deckung mehr. Hätten die Sparkasse des Marktes H und die Republik Österreich damals aus dem Meistbot nur die Hälfte ihrer Forderungen in Anspruch genommen, so wäre zur Verfügung des viertrangigen Gläubigers Johann K ein Meistbotrest von zirka 566 000 S und nach dessen vollständiger Befriedigung für die Klägerin ein Meistbotrest von etwa 313 000 S, also eine zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung leicht hinreichende Summe verblieben. Die Klägerin hatte den Beklagten während des Versteigerungsverfahrens gegen Rosa K aufgefordert, die Einverleibung einer Ersatzhypothek auf den Liegenschaftshälften des Eduard K zu beantragen, falls sie aus dem Versteigerungserlös nichts bekommen sollte.
Die Klägerin, welche gegen Eduard K keinen Exekutionstitel besaß, meldete im Konkurs des Eduard K ihre Forderung als Konkursgläubigerin dritter Klasse mit insgesamt 151 470 S an. Bei der Gläubigerversammlung am 27. Juli 1971 erklärten die Gläubiger, von der vorgesehenen Veräußerung der Liegenschaftshälften des Eduard K abzusehen, falls der damals vorliegende Zwangsausgleichsvorschlag verbessert werde und die Klägerin dem Zwangsausgleich zustimme. In der Folge erklärte die Klägerin ihre Zustimmung unter der Voraussetzung, daß sie außer dermit 25%vorgesehenen Quote (für die Konkursgläubiger dritter Klasse) weitere 60 000 S erhalte. Daraufhin wurde am 24. August 1971 der Zwangsausgleich mit einer Quote von 25% für die Konkursgläubiger dritter Klasse angenommen, deren Gesamtforderungen 1 160 757.73 S betrugen. Die Klägerin erhielt anschließend sowohl die Zwangsausgleichsquote von 34 062 S als auch den ihr außerdem zugesprochenen Betrag von 60 000 S (beide Zahlungen wurden bei der Berechnung des außer Streit gestellten Ausfalles berücksichtigt).
Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Klägerin hätte hier die Bestellung einer Ersatzhypothek im Sinn des § 222 Abs. 4 EO nicht erwirken können, weil sie gegen Eduard K kein Pfandrecht und keinen Exekutionstitel gehabt, ferner keine Solidarverpflichtung des Eduard und der Rosa K bestanden habe.
Das Berufungsgericht führte hingegen nach eingehender Darstellung des Wesens einer Ersatzhypothek aus, weder ein bereits bestehendes (nachrangiges) Pfandrecht des Anspruchsberechtigten auf dem Objekt der Ersatzhypothek, noch eine Verpflichtung oder auch nur Haftung des Eigentümers dieses Objektes gegenüber dem Anspruchsberechtigten stelle eine Voraussetzung für die Einräumung einer Ersatzhypothek gemäß § 222 Abs.4 EO dar. Die Bestimmung des § 13 KO hätte die Einverleibung einer Ersatzhypothek, deren Rang sich ja nach den ursprunglichen Pfandrechten der unverhältnismäßig befriedigten Simultanpfandgläubigerin Sparkasse H gerichtet hätte, nicht hindern können, weil diese Pfandrechte lange vor Konkurseröffnung begrundet und daher ihre abgesonderte Befriedigung aus der Konkursmasse - präziser aus der sich bei kridamäßiger Veräußerung der Liegenschaftshälften des Eduard K ergebenden Sondermasse - gesichert gewesen wären. Dieser Anspruch auf abgesonderte vorzugsweise Befriedigung wäre im Fall der Einverleibung einer Ersatzhypothek zugunsten der Klägerin auf diese übergegangen und die Klägerin daher aller Voraussicht nach voll befriedigt worden. Die Unterlassung des Beklagten, rechtzeitig einen Antrag im Sinn des § 222 EO zu stellen, verpflichte ihn zufolge § 1299 ABGB zum Ersatz des der Klägerin durch diese Unterlassung entstandenen Schadens, dessen Eintritt und dessen Höhe hier durch die erst später erfolgte Zustimmung der Klägerin zum Zwangsausgleich nicht berührt worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wie aus § 222 Abs. 2 und 3 EO klar ersichtlich, soll in jenen Fällen, in welchen für eine Forderung mehrere Pfandobjekte haften, die Befriedigung dieser Forderung grundsätzlich durch verhältnismäßige Heranziehung aller Pfandobjekte geschehen. Da aber ein derart gesicherter Gläubiger zufolge § 15 Abs. 2 GBG berechtigt ist, die Bezahlung seiner gesamten Forderung aus jedem einzelnen Pfandobjekt zu begehren, bei einer infolge dieses Begehrens unverhältnismäßigen Inanspruchnahme jedoch nachfolgende Gläubiger Verluste erleiden können, normiert § 222 Abs. 4 EO, daß bei unverhältnismäßiger Befriedigung vorrangiger Pfandgläubiger die dadurch benachteiligten nachrangigen Gläubiger das Pfandrecht des unverhältnismäßig befriedigten vorrangigen Gläubigers an seinen übrigen Pfandobjekten zusagen "übertragen" erhalten, allerdings nur zugunsten jenes Betrages, der bei einer verhältnismäßigen Befriedigung auf sie entfallen wäre (ebenso Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblaus Komm. zur EO[4], 1515, insbesondere 1516 und 1519; SZ 19/48; EvBl. 1964/133 u.a.).
Rechtsgrundlage des Anspruches auf Einräumung einer Ersatzhypothek im Sinn des § 222 Abs. 4 EO ist daher ausschließlich der Umstand, daß ein nachfolgender Buchberechtigter bei Verteilung des Erlöses einer Pfandsache infolge unverhältnismäßiger Befriedigung eines vorrangigen Gläubigers nichts (oder nicht soviel) erhalten hat, obwohl er bei verhältnismäßiger Befriedigung der ihm im Rang vorausgehenden Gläubiger aus allen diesen Gläubigern zur Verfügung stehenden Pfandobjekten zum Zuge gekommen wäre (ebenso Heller - Berger - Stix, 1515; EvBl. 1962/98 u. a.). Diese Rechtsgrundlage erfordert keinerlei Rechtsbeziehungen des durch die unverhältnismäßige Zuweisung verkürzten Gläubigers zum Eigentümer der dem unverhältnismäßig befriedigten Gläubiger verhafteten weiteren Pfandobjekte (vgl. insbesondere Heller - Berger - Stix, 1519/20 und 1527). Die gegenteilige Meinung des Erstgerichtes und des Revisionswerbers widerspricht somit dem vorstehend erläuterten Wesen der Ersatzhypothek. Ferner besteht seit der Entscheidung SpR 186 einhellige Auffassung darüber, daß das Recht, volle - unverhältnismäßige - Befriedigung zu verlangen, auch jenen Gläubigern zusteht, deren Pfandrecht sich auf eine ganze Liegenschaft erstreckt, falls nur ein ideeller Anteil dieser Liegenschaft versteigert wird (ebenso neben SpR 186 Heller - Berger - Stix, 1617/18, gleichlautend mit Neumann - Lichtblau[3], 761 f., Heller - Trenkwalder[3], 784; SZ 15/192; EvBl. 1967/310u. a.). In einem derartigen Fall ist nach der angeführten Lehre und Judikatur zufolge § 238 EO eine Ersatzhypothek im Sinn des § 222 Abs. 4 EO auf dem anderen (nicht versteigerten) Liegenschaftsanteil einzuverleiben.
Hätte somit der Beklagte, der übrigens festgestelltermaßen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, im Verfahren E 2010/69 des Bezirksgerichtes R in der Verteilungstagsatzung bzw. rechtzeitig vor Erlassung des Meistbotsverteilungsbeschlusses (vgl. hiezu Heller - Berger - Stix, 1521 und 1524; RSpr 1934/398; EvBl. 1962/98 u. a.; zuletzt 3 Ob 217/73) einen Antrag auf Festsetzung und Einverleibung einer Ersatzhypothek im Range des zugunsten der Sparkasse des Marktes H einverleibten (rangbesten) Pfandrechtes beantragt, so hätte er nach der Aktenlage die Einverleibung dieser Ersatzhypothek bewilligt erhalten. Die Klägerin wäre in diesem Fall bei kridamäßiger Versteigerung der beiden dem Eduard K gehörigen Liegenschaftshälften nicht als Konkursgläubigerin dritter Klasse, sondern als im bücherlichen Rang beste Absonderungsberechtigte zum Zuge gekommen (in diesem Fall hätte sich die Klägerin sicherlich nicht veranlaßt gesehen, einer bloß quotenmäßigen Befriedigung zuzustimmen).
Das Institut der Ersatzhypothek als Ausgleich der Benachteiligung nachrangiger Gläubiger bei unverhältnismäßiger Befriedigung rangbesserer Gläubiger gehört ebenso wie der Grundsatz verhältnismäßiger Befriedigung aus den im Befriedigungszeitpunkt vorhandenen Pfandobjekten zu den grundlegenden Prinzipien der Exekutionsordnung. Die Heranziehung des § 222 Abs. 4 EO bei Zwangsversteigerung von Liegenschaftsanteilen entspricht der seit 1905 (SpR 186) herrschenden Lehre und ständigen Rechtsprechung. Der Beklagte ist daher für den durch Unterlassung einer Antragstellung im Sinn des § 222 Abs. 4 EO der Klägerin entstandenen Schaden gemäß § 1299 ABGB ersatzpflichtig (vgl. EvBl. 1972/124 u. v. a.).
Anmerkung
Z49032Schlagworte
Ersatzhypothek i. S. des § 222 Abs. 4 EO, Rechtsgrundlage, Rechtsanwalt, Schadenersatzpflicht des - durch Unterlassung der, Antragstellung auf Einräumung einer Ersatzhypothek im Sinne des § 222, Abs. 4 EO, Schadenersatzpflicht des Rechtsanwaltes durch Unterlassung der, Antragstellung auf Einräumung einer Ersatzhypothek im Sinne des § 222, Abs. 4 EOEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00523.76.0302.000Dokumentnummer
JJT_19760302_OGH0002_0030OB00523_7600000_000