Norm
ABGB §1167Kopf
SZ 49/60
Spruch
Der Besteller kann gemäß § 1167 ABGB bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht behebbaren Mängeln stets Wandlung begehren (hier: Baupläne)
OGH 4. Mai 1976, 5 Ob 565/76 (OLG Wien 3 R 30/76; KG Korneuburg 3 Cg 122/75)
Text
Die Beklagten beabsichtigten in dem ihnen gehörigen Gebäude in H Nr. 252, in dem zuletzt ein Kaffeehaus betrieben wurde, einen Umbau zur Schaffung einer Apotheke und Drogerie. Sie erteilten dem Kläger den Auftrag, die hiezu erforderlichen Entwürfe bis zum Einreichplan herzustellen.
Dieser begehrte mit der am 3. April 1975 eingebrachten Klage das angemessene Honorar für die erbrachten Architektenleistungen zuzüglich eines 25%igen Zuschlages nach den Bestimmungen der GOA, da der erteilte Auftrag mit Schreiben vom 28. März 1975 unbegrundet widerrufen worden sei.
Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Gründe und der Höhe nach und wendeten insbesondere ein, daß sie den Auftrag widerrufen hätten, weil die vom Kläger gelieferten Pläne durchwegs mangelhaft und nicht ihren Wünschen und Vorschlägen entsprechend, sowie schließlich zur Einreichung bei der Baubehörde ungeeignet gewesen seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen dieses Urteil. Demnach steht folgender wesentlicher Sachverhalt fest:
In Entsprechung des ihm erteilten Auftrages erstellte der Kläger den ersten Einreichplan vom 4. Oktober 1974. Bei seiner Überprüfung fand der Erstbeklagte, daß hinsichtlich des Durchlaufens der Träme ein Fehler unterlaufen sei. Es kam deshalb zu erneuten Besprechungen zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten, in deren Verlauf der Erstbeklagte den Planungsauftrag in wesentlichen Punkten abänderte. Nach einem Vorentwurf übergab der Kläger dem Erstbeklagten Ende Jänner 1975 einen weiteren Plan (Beilage 4). Bei einer diesbezüglichen Besprechung bemängelte der Erstbeklagte einige Punkte und gab im übrigen den Auftrag, den Einreichplan auf Grund des Entwurfes Beilage 4 auszuarbeiten. Der Kläger verfaßte hierauf den zweiten Einreichplan (Beilage J). In diesem sind bei der Fensterfront in der F-Gasse die Normalfenster zu Oberlichten verkleinert, obwohl der Erstbeklagte derartige Fenster nicht wünschte. Der Kläger, der keine statische Vorberechnung durchführte, plante entgegen dem ausdrücklichen Auftrag des Beklagten und dem Plan Beilage 4 eine tragende Stahlbetonsäule im Drogerieverkaufsraum zusätzlich ein. Der zweite Einreichplan entspricht nur teilweise den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung. Der Kläger ließ zudem im Hinblick auf den erteilten Auftrag des Umbaues eines Kaffeehauses in eine Drogerie und Apotheke wesentliche gewerbepolizeiliche Vorschriften unbeachtet. Es fehlen nach Geschlechtern getrennte sanitäre Anlagen, ferner Heizung und Lüftung. Das vorhandene Stiegenhaus entspricht wegen der Wendelung und der geringen Breite nicht den einschlägigen Vorschriften. Die Beseitigung dieser Mängel erfordert eine neue Entwurfsausarbeitung. Der Kläger informierte die Beklagten nicht darüber, daß diese Mängel eine gewerbepolizeiliche Genehmigung ausschließen würden. Das von den Beklagten auf Grund des zweiten Einreichplanes gestellte Ansuchen um baubehördliche Bewilligung wurde vom Bürgermeister zurückgestellt. Es fehlten der Fundamentgrundriß über die neu zu errichtenden Gebäudeteile, der statische Nachweis über die Tragfähigkeit der alten Fundamente im Bereiche des Obergeschoßes, der Schritt der Stiegenhausanlage in das Obergeschoß, Angaben über die Tür- und Fenstergröße, eine statische Vorberechnung über die Tragwerkssysteme und eine Baubeschreibung.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, daß ein Werkvertrag ohne Elemente eines Bevollmächtigungsvertrages vorliege und daher bezüglich der festgestellten Mängel § 1167 ABGB, zur Anwendung gelange. Damit könnten alle wesentlichen Mängel zur Wandlung führen. Solche lägen hinsichtlich des zweiten Einreichplanes, der eine völlig neue Konzeption gegenüber dem ersten Einreichplan gewesen sei, vor. Im Hinblick auf den vorgesehenen Umbau eines Kaffeehauses in eine Apotheke und Drogerie verstoße der zweite Einreichplan im Zusammenhang mit den Abortanlagen und der Stiegenanlage gegen die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Dienstnehmerschutzverordnung. Diese beiden Mängel bewirkten, daß eine Verbesserung des Einreichplanes nicht möglich sei, sondern ein völliger Neuentwurf erforderlich wäre. Es lägen damit wesentliche, nur durch völlige Umbearbeitung der Pläne behebbare Mängel vor, die nach § 1167 ABGB, die Beklagten zur Wandlung berechtigt hätten. Überdies verstoße der zweite Einreichplan zumindestens in zwei Punkten gegen ausdrücklich zugesagte Eigenschaften. Im Verkaufsraum der Drogerie sollte keine Säule als tragendes Moment störend wirken; über diesem Raum sollten Glaskuppeln angebracht sein. Zumindest die Planung einer neuen tragenden Säule entgegen dem erteilten Auftrag der Beklagten, die einen einheitlichen, nicht erneut gegliederten Verkaufsraum schaffen wollten, könne nicht von vorne herein als leicht behebbarer Fehler beurteilt werden, weil es der Kläger entgegen gesetzlichen Vorschriften unterlassen habe, eine statische Vorausberechnung zu erstatten. Auch hierin sei daher im Sinne des § 1167 ABGB ein Grund zur Wandlung anzunehmen. Der Kläger sei überdies seiner Warnpflicht nach § 1168 ABGB nicht nachgekommen. Er habe sich offenbar, ohne den Beklagten von den zwingenden gewerbebehördlichen Vorschriften auch nur eine Andeutung zu machen, darauf verlassen, daß es diesen Grund ihrer guten Beziehungen schon gelingen werde, die Angelegenheit zu richten. Da die Ausführung des Werkes nicht durch Umstände verhindert worden sei, die auf Seite den Besteller lägen, habe der Kläger auch nicht gemäß dem § 1168 ABGB einen Entgeltanspruch behalten.
Das Berufungsgericht befand das Verfahren vor dem Erstgericht für mangelfrei und dessen Feststellungen als unbedenklich und ausreichend sowie auf aktenmäßiger Grundlage zustande gekommen. Bei der rechtlichen Beurteilung sei davon auszugehen, daß bei Bestellung eines Einreichungsplanes seine Verwendbarkeit für den vorgesehenen Zweck ausbedungen sei. Da der vom Kläger verrechnete zweite Plan zur Einreichung nicht geeignet war und den gewerberechtlichen Erfordernissen nicht entsprach, lägen wesentliche Mängel vor, die die Beklagten berechtigten, gemäß § 1 167 ABGB vom Vertrage abzugehen. Der Kläger könne aber auch keinen begrundeten Anspruch für die bisher erbrachten Teilleistungen wegen eines allfällig unbegrundeten Rücktrittes der Besteller hinsichtlich des Gesamtwerkes stellen, weil diese bisher erbrachten Teilleistungen für die Beklagten wertlos seien, da es einer vollständigen Umplanung des Bauvorhabens und einer neuen Planerstellung bedürfe. Bei der Planung eines Geschäftshauses seien auch sämtliche gewerberechtlichen Erfordernisse zu berücksichtigen. Das sei dem Kläger nach seinem Stande als Architekt wenigstens in Form einer Warnung auf voraussichtliche Einwände der Gewerbebehörde zusinnbar gewesen. Er habe dies aber unterlassen und den beiden Beklagten auch nicht jene Teilleistungen erbracht, die von diesen nach der Bestellung hätten erwartet werden können und die für den bedungenen Gebrauch von Wert gewesen wären. Ein Plan für ein Geschäftslokal, der zwar von der Baubehörde nicht, aber wegen des Fehlens der Voraussetzungen hinsichtlich des Geschäftsbetriebes von der Gewerbebehörde genehmigt werden könnte, erfülle den Zweck nicht. Der Kläger habe sohin im Hinblick auf seine Unachtsamkeit betreffend die gewerberechtlichen Bestimmungen und durch die auftragswidrige Anordnung einer tragenden Säule im Drogerieraum die Abbestellung verschuldet und überdies nicht nachgewiesen, daß er mit den erbrachten Tätigkeiten wenigstens einen Teil des bestellten Werkes geliefert habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte haben das Vertragsverhältnis der Streitteile als Werkvertrag beurteilt. Dies entspricht der Rechtsprechung des OGH, daß ein Vertrag, mit dem einem Architekten nur der Auftrag zur Herstellung von Bauplänen erteilt wird, als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Die Frage nach der Beurteilung weiterer Tätigkeiten des Architekten, wie sie sich sonst im Zusammenhang mit der Bauausführung aus der Leitung und Überwachung der diesbezüglichen Arbeiten ergibt, stellt sich zufolge der Beschränkung des Auftrages nicht. Da das gelieferte Werk Mängel zeigt, gelten die Bestimmungen des § 1167 ABGB.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Kläger dem Auftrag zur Herstellung eines Einreichplanes nach Durchführung der entsprechenden Vorarbeiten umfänglich entsprochen hat und einen mit März 1975 datierten (zweiten) Einreichplan auch geliefert hat. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beklagten auf seiner Grundlage am 20. Mai 1975 ein Ansuchen um baubehördliche Bewilligung des Zu- und Umbaues des Kaffeehauses in H, Rathausplatz 252, in eine Apotheke beantragt haben. Dem Schreiben der Beklagten vom 28. März 1975 kann sohin nicht die Bedeutung einer Abbestellung des Werkes mit ihren nach § 1168 Abs. 1 ABGB zu beurteilenden Rechtsfolgen beigemessen werden. Die Beklagten haben aber dem Entgeltanspruch des Klägers, der nach dem § 1170 ABGB zu beurteilen ist, das Vorliegen wesentlicher Mängel entgegengehalten, welche das Werk unbrauchbar machen und ausdrücklichen Bedingungen zuwiderlaufen. Die Frist für die Forderung der Gewährleistung bestimmt sich auch beim Werkvertrag nach § 933 ABGB. Ihre Geltendmachung durch Einrede bleibt dem Besteller vorbehalten, wenn er innerhalb der sechsmonatigen Frist nach Ablieferung des Werkes dem Unternehmer den Mangel angezeigt hat. Zum Unterschied von den allgemeinen Gewährleistungsregeln kann der Besteller gemäß dem § 1167 ABGB bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht behebbaren Mängel stets Wandlung begehren (vgl. Adler - Höller in Klang[2] V, 393; Koziol - Welser, Grundriß[4]I, 305). Wesentlich sind alle Mängel, wegen welcher das Werk den Zweck, den es nach ausdrücklicher Vereinbarung oder nach seiner Natur zu erfüllen hat, nicht oder nur so unvollkommen zu erfüllen im Stande ist, daß es nach Auffassung des Verkehrs als unbrauchbar anzusehen ist (vgl. EvBl. 1976/20). Der Besteller kann beim Vorliegen wesentlicher Mängel auch dann vom Vertrage abgehen, wenn eine Verbesserung möglich wäre (vgl. JBl. 1964, 565; Koziol - Welser[4] 1, 305). Die festgestellte Notwendigkeit einer neuen Entwurfsausarbeitung schließt es entgegen der Auffassung des Revisionswerbers in seiner Rechtsrüge aus, die Möglichkeit einer Verbesserung, insbesondere die einer leichten Behebbarkeit des Mangels anzunehmen, der diesem den Charakter eines wesentlichen Mangels benehmen würde, so daß er einem Entgeltanspruch des Unternehmers nicht entgegenstehen könnte (vgl. SZ 37/61). Nach den Feststellungen der Untergerichte ist das vom Kläger erstellte Werk auch nicht in Teilen für die beklagten Parteien im Sinne ihres Auftrages brauchbar, zumal grundsätzliche Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Planung an sich bestehen. Der Kläger kann sohin auch nicht einen verhältnismäßigen Teil des Entgeltes im Sinne des § 1170 ABGB beanspruchen.
Anmerkung
Z49060Schlagworte
Wandlung, bei Werkvertrag - auch bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht, behebbaren Mängeln, Werkvertrag, Wandlung auch bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht, behebbaren MängelnEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00565.76.0504.000Dokumentnummer
JJT_19760504_OGH0002_0050OB00565_7600000_000