Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Reitvereins M, vertreten durch Dr. T in W, dieser vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 4. Dezember 2002, Zl. 129.405/6-6/02, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. N in W; 2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3101 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 14-16;
3. Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Landesgeschäftsstelle, 1013 Wien, Hohenstaufengasse 2; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;
5. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. April 2000 stellte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte in seiner Tätigkeit als Pferdepfleger für den Beschwerdeführer in der Zeit vom 20. August 1993 bis 18. Juli 1996 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlag. Dem dagegen erhobenen Einspruch gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 1. August 2001 keine Folge. Dieser Bescheid wurde Herrn Dr. T., der im Einspruch als Zustellungsbevollmächtigter des Beschwerdeführers genannt worden war, zugestellt und ist diesem nach seinem eigenen Vorbringen am 21. August 2001 zugekommen. Mit Schreiben vom 28. August 2001 gab Dr. T. gegenüber der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine "Mitteilung und Stellungnahme" ab, die von der belangten Behörde als Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Einspruchsbehörde gewertet und mit Bescheid vom 29. November 2001 als verspätet zurückgewiesen wurde. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 2002/08/0075, Folge gegeben und der Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 2001 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde "der Berufung des Reitvereines (M.), vertreten durch Herrn Dr. (T.)" keine Folge gegeben und "in Bestätigung des angefochtenen Bescheides" festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte in seiner Tätigkeit als Pferdepfleger für den Beschwerdeführer in der Zeit vom 20. August 1993 bis 18. Juli 1996 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 (ASVG) und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen ist.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung als Sachverhalt zu Grunde, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Dr. T. Beamter einer internationalen Organisation gewesen sei. Im Mai/Juni 1993 sei der Erstmitbeteiligte von der Caritas an den Beschwerdeführer vermittelt worden. Er habe sich vom 20. August 1993 bis 18. Juli 1996 auf dem Anwesen des Beschwerdeführers aufgehalten und dort Kost, Quartier und Taschengeld erhalten. Der Erstmitbeteiligte sei während dieser Zeit durch Dr. T. bei drei namentlich angeführten Versicherungsunternehmen privat unfall- und krankenversichert gewesen. Seitens des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten sei für den Erstmitbeteiligten, einen bosnischen Staatsangehörigen, am 17. November 1995 eine Legitimationskarte mit einer Gültigkeit bis 1. September 1997 ausgestellt worden, die jedoch von Herrn Dr. T. am 22. Juli 1996 an das Ministerium retourniert worden sei. In dieser Legitimationskarte sei unter "Titel/Funktion" ausgeführt: "Privater Hausangestellter bei Herrn (T.), leitender Beamter bei der internationalen (...)organisation in Wien."
In rechtlicher Hinsicht hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass die Zustellungsbevollmächtigung des Herrn Dr. T. gegeben war, da dieser selbst gegenüber der Behörde als Zustellungsbevollmächtigter aufgetreten war. Im Hinblick auf die Beweisrüge ergebe sich aus den vorliegenden Zeugenaussagen, dass kein einziger Zeuge jenes Bild habe wiedergeben können, welches Herr Dr. T. im Laufe des Verfahrens den angerufenen Behörden gegenüber habe glaubhaft machen wollen. Die Aussagen der Zeugen würden eine einheitliche Darstellung ergeben und beinhalteten keine Widersprüche. Die Berufungsbehörde könne sich daher nur den Ausführungen der Einspruchsbehörde anschließen, und die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass die belangte Behörde gegen § 45 Abs. 3 AVG verstoßen habe, indem sie ihn nicht davon verständigt habe, dass sie beabsichtige, der Berufung keine Folge zu geben. Insbesondere habe sie gegen den "impliziten Beweisantrag" auf Einvernahme von Frau T. verstoßen und (ebenso wie die Einspruchsbehörde) diese nicht persönlich einvernommen. Hätte die belangte Behörde dies getan, so wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass Frau T. den Erstmitbeteiligten niemals angestellt oder beschäftigt habe und dieser weder für sie noch für den Beschwerdeführer "eine Tätigkeit entfacht" habe.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Behörde die von ihr beabsichtigte rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes nicht dem Parteiengehör zu unterziehen hat. Hat die Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, so gibt es nichts, das den Parteien zur Kenntnis zu bringen gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 91/07/0009).
Den Ausführungen in der von der belangten Behörde als Berufung gewerteten "Mitteilung und Stellungnahme", die sich im Wesentlichen mit Fragen der Zustellungsbevollmächtigung befassen, ist ein "impliziter Beweisantrag" nicht zu entnehmen. Insbesondere wurde in der Berufung auch nicht behauptet, dass der Erstmitbeteiligte nicht in einer dem Beschwerdeführer zurechenbaren Weise bei diesem angestellt bzw. beschäftigt worden sei.
2. Die Beschwerde wendet sich ferner gegen die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung und führt dabei aus, dass der Erstmitbeteiligte "für die gleiche Tätigkeit" als privater Hausangestellter des Dr. T. versichert gewesen sei, Dr. T. diplomatischen Status genieße und dementsprechend davon befreit sei, seine privaten Hausangestellten "ASVG zu versichern". Es läge damit nicht nur eine Doppelversicherung vor, sondern der Bescheid verstoße auch gegen das Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen universellen Charakters sowie gegen die Wiener Vertragsrechtskonvention.
Hiezu ist festzuhalten, dass im Berufungsverfahren ein derartiges Vorbringen nicht erstattet wurde und die belangte Behörde in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen ist, dass der Erstmitbeteiligte als Pferdepfleger beim Beschwerdeführer beschäftigt gewesen ist. Ob er gegebenenfalls "die gleiche Tätigkeit" auch als privater Hausangestellter für Dr. T. entfaltet hat - also auch für diesen als Pferdepfleger tätig war -, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und hat auch für das Vorliegen der Versicherungspflicht im Hinblick auf die festgestellte versicherungspflichtige Beschäftigung beim Beschwerdeführer keine Bedeutung. Damit gehen auch die Ausführungen der Beschwerde im Hinblick auf den diplomatischen Status des - als Bevollmächtigter des Beschwerdeführers aufgetretenen - Dr. T. ins Leere, da beschwerdegegenständlich ausschließlich die Versicherungspflicht auf Grund der Beschäftigung beim Beschwerdeführer - einem inländischen Verein, der keine diplomatische Privilegien genießt - ist.
3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. April 2005
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtliche Beurteilung Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080013.X00Im RIS seit
31.05.2005