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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §9 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der I in M, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 14. Juli 2004, Zl. LGS NÖ/RAG/12181/2004, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe gemäss § 10 iVm § 38 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der im Notstandshilfebezug stehenden Beschwerdeführerin wurde von der örtlich zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 22. März 2004 eine Niederschrift aufgenommen, deren Gegenstand mit "Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung" bezeichnet ist. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift wurde der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) am 1. März 2004 eine Beschäftigung als "Kassa- und Regalbetreuerin" bei einem Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit einer Entlohnung von brutto EUR 750,-- zugewiesen. Als möglicher Arbeitsantritt war der 15. März 2004 ins Auge gefasst. Die Beschwerdeführerin gab als "Einwendungen" an, dass sie am Freitag und Samstag auf Grund ihres Kursbesuches nicht arbeiten könne, wobei sie anbiete, an den anderen Tagen zu arbeiten. Nach der Stellungnahme des Dienstgebers habe die Vorstellung am 4. März 2004 stattgefunden, jedoch sei keine Einstellung erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass sie am Freitag und Samstag nicht arbeiten könne.
Mit Bescheid vom 14. April 2004 hat die regionale Geschäftsstelle ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG 1977 im Zeitraum vom 15. März 2004 bis 25. April 2004 verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Als Begründung wird in diesem Bescheid angegeben, dass die Beschwerdeführerin die von der regionalen Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung bei einem näher bezeichneten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels vereitelt habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung mit der Begründung, sie habe eine langjährige Verkäuferinnentätigkeit aufgeben müssen, da das Tragen von schweren Lasten gesundheitliche Folgen mit sich gebracht habe, wobei sich aus einer mit der Berufung vorgelegten ärztlichen Bestätigung vom 30. April 1999 ergebe, dass der Beschwerdeführerin wegen näher bezeichneter chronischer Erkrankungen das Heben schwerer Lasten verboten sei. Ferner verwies die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung darauf, dass sie vom 9. Jänner bis 25. November 2004 einen WIFI-Kurs zur Ausbildung als Fußpflegerin absolviere. Sie kümmere sich daher selbst um ihre Besserqualifizierung, auch wenn das AMS die Kurskosten nicht bezahle. Der Mitarbeiterin des Einzelhandelsunternehmens habe sie im Vorstellungsgespräch ihre "Arbeitswilligkeit für 38,5 Wochenstunden klar gezeigt", jedoch gebeten, "diese Arbeitstunden von Montag bis Freitag Mittag aufzuteilen".
Die Berufungsbehörde holte eine Stellungnahme des betreffenden Einzelhandelsunternehmens ein, worin bestätigt wird, dass sich die Beschwerdeführerin am 4. März 2004 in der Filiale vorgestellt habe. "Möglicherweise" sei sie arbeitswillig gewesen, daran könne sich aber "die Filialleitung" infolge der vielen Bewerber nicht mehr erinnern. Sie habe nur erklärt, sie könne nicht Freitag nachmittags und auch nicht samstags arbeiten, da sie einen Kurs besuche. Daher sei eine Einstellung nicht in Betracht gekommen.
Die Beschwerdeführerin nahm über Aufforderung der belangten Behörde zu diesem Schreiben dahin Stellung, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass sie den Kursbesuch nicht habe erwähnen dürfen. Sie habe die Filialleiterin nicht in einem falschen Glauben lassen wollen, "für sie stets zur Verfügung zu stehen".
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Nach der Wiedergabe der von der belangten Behörde als einschlägig angesehenen Gesetzesbestimmungen und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin zuletzt vom 2. September 2002 bis 30. Juni 2003 als Ordinationshilfe vollversichert beschäftigt gewesen sei. Vom 2. Juli 2003 bis 27. Jänner 2004 sei sie im Arbeitslosengeldbezug gestanden und beziehe seit 28. Jänner 2004 Notstandshilfe. Sie habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Einzelhandelskauffrau mit Lehrabschlussprüfung, sei jedoch zuletzt überwiegend als Ordinationshilfe beschäftigt gewesen. Sie besitze den Führerschein B und ein eigenes Fahrzeug und suche wiederum eine Beschäftigung als Ordinationshilfe oder Verkäuferin. Seit 9. Jänner 2004 besuche sie jeden Freitag von 13.00 bis 22.00 Uhr und jeden Samstag von 8.00 bis 16.20 Uhr eine Ausbildung beim WIFI zur Fußpflegerin. Seitens der regionalen Geschäftsstelle sei sie mehrmals darauf hingewiesen worden, dass ihr während des Bezuges der Notstandshilfe Ganztagsstellen zumutbar seien, seitens des AMS Teilzeit- und Ganztagsstellen zugewiesen würden und es im Verkauf üblich sei, dass an Samstagen gearbeitet werden muss. Der Beschwerdeführerin habe seit ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 2. Juli 2003 mangels offener Stellen keine einzige Stelle als Ordinationshilfe zugewiesen werden können. Es sei ihr daher am 1. März 2004 eine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 30 Wochenstunden bei der Filiale eines Einzelhandelsunternehmens mit einer Entlohnung im Rahmen des anzuwendenden Kollektivvertrages und möglichem Arbeitsbeginn am 15. März 2004 zugewiesen worden. In der Rückmeldung habe das Unternehmen die Bewerbung der Beschwerdeführerin am 4. März 2004 sowie ihre Nichteinstellung bekannt gegeben, und zwar mit der Begründung, dass diese bis November nicht an Freitagen und Samstagen arbeiten könne und überdies nichts Schweres heben dürfe. Daher sei es zu keiner Einstellung der Beschwerdeführerin gekommen.
Nach Wiedergabe der im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahmen begründete die belangte Behörde ihren Bescheid weiters damit, dass nach einer weiteren telefonischen Auskunft des potenziellen Dienstgebers vom 5. Juli 2004 die Beschwerdeführerin "überwiegend als Kassabetreuerin eingesetzt worden" wäre. Im Bedarfsfalle hätte sie "auch Regale auffüllen müssen (vor allem Lebensmittel)". Das Gewicht der "zu hebenden Produkte hätte jedoch 5 kg nicht überschritten".
Nach Erwähnung der ärztlichen Bestätigung vom 30. April 1999 wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ferner eine Abfrage der belangten Behörde beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vom 1. Juli 2004 erwähnt, nach deren Ergebnis die Beschwerdeführerin seit 14. Juni 2002 "bis laufend" bei einem näher bezeichneten Unternehmen einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft nachgehe. Sie sei vom 26. April bis 31. Mai 2004 in Notstandshilfebezug gestanden und seit 1. Juni 2004 als Arbeiterin vollversichert beschäftigt.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin im Zuge des Vorstellungsgespräches vom 4. März 2004 ein Verhalten an den Tag gelegt habe, "welches eine Arbeitsaufnahme unmöglich" gemacht habe. Auf Grund ihrer Angaben, bis November 2004 nicht an Freitagen und Samstagen arbeiten zu können und keine schweren Lasten heben zu dürfen, sei es zu keiner Einstellung gekommen. Die Beschwerdeführerin habe damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz - ihre Arbeitswilligkeit "in Zweifel gestellt". Die angebotene Beschäftigung hätte ihre Arbeitslosigkeit sofort beendet. Eine mögliche Arbeitsaufnahme habe jedenfalls Priorität gegenüber dem Besuch eines WIFI-Kurses. Trotz des Besuches dieses Kurses habe die Beschwerdeführerin die Verpflichtung, eine zumutbare "- und diese liege hier vor -" Beschäftigung anzunehmen. Die gesundheitlichen Einschränkungen habe die Beschwerdeführerin weder konkretisiert noch mit der zugewiesenen Beschäftigung in Verbindung gebracht. Nach allgemeiner Lebenserfahrung verstoße eine Tätigkeit als Kassabetreuerin nicht gegen das Verbot, schwere Lasten zu heben. Dies auch deshalb nicht, weil der potenzielle Dienstgeber ausgeführt habe, dass die Beschwerdeführerin vor allem als Kassabetreuerin eingesetzt worden wäre und bei der fallweisen Tätigkeit als Regalbetreuerin die Schwere der Lasten 5 kg nicht überstiegen hätte. Da ihr auch eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft "mit den dafür erforderlichen Hebe- und Tragetätigkeiten" seit 14. Juni 2002 möglich sei, "erhärte" dieser Umstand die Beurteilung der Berufungsbehörde.
Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG lägen nicht vor, weil die Aufnahme einer (ergänze: die Arbeitslosigkeit beendenden) Beschäftigung durch die Beschwerdeführerin erst am 1. Juni 2004 und damit nach Beendigung der Ausschlussfrist erfolgt sei. Eine solche Nachsicht sei (bloß) im Falle von Sorgepflichten des Arbeitslosen für seine Familie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu gewähren, da ihn diese nicht härter treffen als andere Arbeitslose, die ebenfalls für eine Familie zu sorgen haben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt dieser Zeitraum acht Wochen.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde wirft der Beschwerdeführerin vor, dass sie bei der Bewerbung um die (vom AMS zugewiesene) Stelle als Kassa- und Regalbetreuerin bei der Filiale eines großen Einzelhandelsunternehmens (nach der Aktenlage hätte es sich um eine Teilzeitbeschäftigung mit 30 Wochenstunden gehandelt) ein Verhalten an den Tag gelegt habe, welches "eine Arbeitsaufnahme unmöglich machte". Es sei deshalb zu keiner Einstellung der Beschwerdeführerin gekommen, weil diese angegeben habe, nicht an Freitagen und Samstagen arbeiten zu können und keine schweren Lasten heben zu dürfen. Die Beschwerdeführerin wäre aber - wie der "potenzielle Dienstgeber" ausgeführt habe - "vorallem als Kassabetreuerin eingesetzt worden ... bei der fallweisen Tätigkeit als Regalbetreuerin (hätte) die Schwere der Lasten 5 kg nicht überstiegen". Da der Beschwerdeführerin eine Tätigkeit als geringfügig beschäftigte Reinigungskraft "mit den dafür erforderlichen Hebe- und Tragetätigkeiten" möglich sei, müsse ihr die zugewiesene Beschäftigung zumutbar im Sinne des Gesetzes sein. Es sei daher das Nichtzustandekommen der Beschäftigung der Beschwerdeführerin anzulasten.
Es kann zunächst dahinstehen, ob und in welcher Form die Beschwerdeführerin ihren Wunsch nach einer entsprechenden Lagerung der Arbeitszeit auch auf andere, unschädliche Weise hätte vorbringen können: nach ihrer eigenen Darstellung im Schreiben an die regionale Geschäftsstelle vom 4. Juni 2004 hat sie beim Vorstellungsgespräch mitgeteilt, dass es ihr nicht möglich sei, an Freitagen nachmittags und an Samstagen vormittags zu arbeiten. Der Beschwerdeführerin muss bewusst gewesen sein, dass im Lebensmitteleinzelhandel gerade zu diesen Zeiten eine besondere Nachfrage nach Arbeitskräften besteht und dass daher die Mitteilung, zu diesen Zeiten sei ein Arbeiten für sie nicht möglich dazu führen könnte, dass sie nicht eingestellt werde. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit der von der Beschwerdeführerin belegte Kurs nach seiner Absolvierung zu einer Beendigung der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin hätte führen können, weil die Beschwerdeführerin die Verpflichtung hatte, jede Möglichkeit einer Beendigung der Arbeitslosigkeit ohne Vorbehalte aktiv anzustreben. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich die Beschwerdeführerin in Bezug auf die ihr angebotene Beschäftigung arbeitswillig gezeigt hat, kommt es auch nicht darauf an, ob und aus welchen Gründen das AMS die Finanzierung der von der Beschwerdeführerin angestrebten Fortbildung verweigert hat.
Soweit in der Beschwerde weiter geltend gemacht wird, dass die angebotene Beschäftigung als Kassierin und Regalbetreuerin gegen den "Berufsschutz" der Beschwerdeführerin verstoße, ist darauf hinzuweisen, dass die damals im Notstandshilfebezug befindliche Beschwerdeführerin keinen wie immer gearteten "Berufsschutz" für sich in Anspruch nehmen konnte (vgl. § 9 Abs. 2 letzter Satz AlVG). Die weitwendigen Ausführungen in der Beschwerde zum "Entgeltschutz" vermögen den Verwaltungsgerichtshof - in Ermangelung neuer Argumente - nicht zu einer Änderung seiner Rechtsprechung zu veranlassen, wonach eine Beschäftigung nach § 9 Abs. 2 AlVG schon dann zumutbar ist, wenn sie angemessen, d.h. kollektivvertraglich entlohnt ist (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/08/0392 mwH, insbesondere auch gegenteilige Literaturstimmen). Auf die Höhe des vom Arbeitslosen vorher erzielten Verdienstes oder auch nur die Höhe eines Durchschnittsverdienstes kommt es nicht an (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2001/08/0035).
Eine Vereitelung des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses wäre nach dem Vorgesagten aber nur unter der Voraussetzung zu bejahen, dass die Feststellungen der belangten Behörde über die Zumutbarkeit dieser Beschäftigung unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde angenommenen Leistungseinschränkung der Beschwerdeführerin mängelfrei wären.
Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid aber in zweifacher Hinsicht als mangelhaft: Abgesehen davon, dass in der Arbeitsplatzbeschreibung von einer überwiegenden Tätigkeit an der Kasse bei einer nur fallweisen Beschäftigung als Regalbetreuerin - von der die belangte Behörde ausgeht - keine Rede ist, stützt sich die Feststellung der belangten Behörde, dass bei der Tätigkeit einer Regalbetreuerin kein Gebinde zu heben gewesen wäre, dessen Gewicht 5 kg übersteigt, nur auf eine telefonische Auskunft des potenziellen Dienstgebers, die aber im Sachverhaltssubstrat über den Grad einer Behauptung nicht hinausgeht. Es ist der Behörde aber vorzuwerfen, dass sie der Behauptung der Beschwerdeführerin, einen Arm schonen zu müssen und "nichts Schweres heben" zu dürfen, nicht weiter nachgegangen ist, insbesondere das tatsächliche Ausmaß gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit nicht auf entsprechend fachlicher Ebene festgestellt hat.
Selbst wenn der für eine allfällige Einstellung verantwortliche Mitarbeiter des potenziellen Dienstgebers im Bewerbungsgespräch zugesichert haben sollte, auf die genannte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin Bedacht nehmen zu wollen, würde dies für die Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung nichts ändern, weil es nicht darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin eine bestimmte Beschäftigung allenfalls mit Nachsicht des Dienstgebers (oder eines derzeitigen Filialleiters) verrichten könnte, sondern nur darauf, ob ihr die im Falle des Zustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses als Kassierin und Regalschlichterin arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten gesundheitlich zumutbar gewesen wären. Da bei der Tätigkeit einer Kassierin und Regalschlichterin in der Filiale eines Unternehmens des Lebensmitteleinzelhandels keineswegs notorisch ist, dass Hebearbeiten mit einer Belastung von mehr als 5 kg nicht vorkommen können, hätte die belangte Behörde diese Frage prüfen und dazu die erforderlichen Feststellungen sowohl über das Höchstgewicht der in einem solchen Betrieb zu hebenden Lasten, als auch über die tatsächlichen Leistungseinschränkungen der Beschwerdeführerin treffen müssen.
Dieser Mangel des Ermittlungsverfahrens konnte auch durch den Hinweis der belangten Behörde auf die angeblichen Anforderungen bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als geringfügig beschäftigte Reinigungskraft nichts ändern: die belangte Behörde führte in ihrer Begründung nämlich nicht aus, von welcher Art und Schwere die "Hebe- und Tragetätigkeiten" als Reinigungskraft sind, von deren Verrichtung durch die Beschwerdeführerin sie ausgeht, und inwieweit sie in dieser Hinsicht mit Tätigkeiten einer Regalbetreuerin verglichen werden können. Die belangte Behörde übersieht mit diesem Argument im Übrigen auch, dass es für die Frage der Zumutbarkeit einer zugewiesenen Beschäftigung aus medizinischer Sicht ausschließlich auf objektive Umstände ankommt, nicht aber auch darauf, ob die Beschwerdeführerin in einer anderen Beschäftigung allenfalls freiwillig auf Kosten ihrer Gesundheit arbeitet.
Schließlich ist der angefochtene Bescheid auch deshalb rechtswidrig, weil nach der Aktenlage vor Verfügung der Sperrfrist keine adäquate Anhörung des Regionalbeirates nach § 10 Abs. 2 AlVG stattgefunden hat:
Die belangte Behörde hat die Anwendung des § 10 Abs. 2 AlVG mit der Begründung unterlassen, dass die Beendigung der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin erst am 1. Juni 2004, und daher erst nach Ablauf der Sperrfrist des § 10 Abs. 1 AlVG erfolgt sei und es auf die Sorgepflichten nicht ankäme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Juni 2001, Zl. 2000/19/0136, näher begründet, dass das Gesetz die Aufnahme einer anderen Beschäftigung ausdrücklich als Grund für die gänzliche oder teilweise Nachsicht vom Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes vorsieht. Die ausdrückliche Hervorhebung dieses Beispielsfalles durch den Gesetzgeber geht offenbar auf die Überlegung zurück, dass die Aufnahme einer anderen Beschäftigung durch den Arbeitslosen innerhalb eines absehbaren Zeitraumes nach Verwirklichung des Tatbestandes für den Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes die Versichertengemeinschaft für Zeiträume, die nach Ende der Ausschlussfrist liegen, von der Leistung von Arbeitslosengeld entbindet und damit wiederum entlastet. Eine ausdrückliche Regelung, innerhalb welcher Frist die andere Beschäftigung aufgenommen werden muss, um eine gänzliche oder teilweise Nachsicht vom Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes zu rechtfertigen, enthält § 10 Abs. 2 AlVG nicht. Der Umstand, dass bei Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung innerhalb eines Zeitraumes, welcher der nach § 10 Abs. 1 AlVG zulässigen Sperrfrist entspricht, jedenfalls ein Nachsichtsgrund vorliegt, vermag dann nicht den von der belangten Behörde gezogenen Gegenschluss zu begründen, weil auch andere Umstände vorliegen, durch welche sich der im Falle der Beschwerdeführerin vorliegende Sachverhalt von dem bei arbeitslosen Personen in ähnlicher Lage unterscheidet und denen vor dem Hintergrund jener Zwecke der Arbeitslosenversicherung, welche u.a. auch mit § 10 AlVG erreicht werden sollen, Bedeutung nicht abgesprochen werden kann:
Die Beschwerdeführerin hat für den Zeitraum vom 9. Jänner bis 25. November 2004 - wovon offenbar auch die belangte Behörde ausgeht - beim WIFI eine - vom AMS nicht geförderte - Fußpflegerinnenausbildung begonnen, die offenbar in berufsbegleitender Form an jedem Freitag Nachmittag und Abend und an jedem Samstag Vormittag stattfindet und für die sie einen Kursbeitrag in der Höhe von EUR 3.900,-- zu entrichten hat. Die Beschwerdeführerin hat - wie den EDV-Ausdrucken im Akt ferner entnommen werden kann - dazu vorgebracht, dass die Absolvierung dieser Ausbildung ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt vor allem im Zusammenhang mit einem angenommenen Bedarf im Rahmen der Altenpflege verbessern werde. Träfe die Argumentation der Beschwerdeführerin zu, dass es sich beim Besuch dieses Kurses um einen tauglichen Versuch handelt, aus Eigenem und unter erheblichem finanziellen Aufwand durch eine berufliche Umorientierung die Arbeitslosigkeit zu beenden, so träfe sie im Hinblick auf ihre aktenkundige Familien- und Lebenssituation der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe besonders hart, sodass unter Einbeziehung auch dieser Umstände konkrete Überlegungen des Regionalbeirates über eine (zumindest) teilweise Nachsicht der Folgen des § 10 AlVG angezeigt gewesen wären.
Den vorgelegten Verwaltungsakten kann aber weder entnommen werden, dass der Regionalbeirat solche Überlegungen angestellt hat, noch dass dieser überhaupt ordnungsgemäß gehört worden ist, zumal das dafür vorgesehene Formular (OZl. 10 des Aktes der regionalen Geschäftsstelle) weder in der Rubrik "Stellungnahme des Arbeitsmarktservice" Eintragungen enthält, die an dieser Stelle offenbar als Information für den Regionalbeirat gedacht sind, noch sich in dem für die Beurkundung durch den Regionalbeirat vorgesehenen Teil des Formulars Unterschriften der Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber an der dafür offenbar vorgesehen Stelle befinden. Damit fehlt es aber zumindest an einer die Anhörung des Regionalbeirates im Sinne einer ordnungsgemäßen Aktenführung dokumentierenden Beurkundung, welche den Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzen würde, seiner verfassungsmäßigen Kontrollaufgabe gemäß auch die Einhaltung des § 10 Abs. 2 AlVG nachzuprüfen.
Da die Verletzung des § 10 Abs. 2 AlVG den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, geht diese als Aufhebungsgrund den oben erwähnten Verletzungen von Verfahrensvorschriften vor. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. April 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080252.X00Im RIS seit
30.05.2005