TE OGH 1977/1/18 3Ob161/76 (3Ob160/76, 3Ob159/76)

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Veröffentlicht am 18.01.1977
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Norm

ABGB §37
deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §157
deutsch-österr. Vollstreckungsvertrag Art6
EO §35
EO §36

Kopf

SZ 50/3

Spruch

Die Bewilligung und Durchführung der Exekution auf Grund eines in der BRD geschaffenen Titels ist nach Art. 6 des Vertrages vom 6. Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der BRD über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. Nr. 105/1960, nach inländischem Recht zu beurteilen. Bei Vollstreckung des ausländischen Titels im Inland ist die Einstellung der Exekution nach §§ 36 Abs. 3 bzw. 35 Abs. 4 EO nur auf Grund einer nach den Bestimmungen der §§ 35, 36 EO, also im Inland erfolgreich erhobenen Klage, zulässig. Ein sachlich beschränkter Verzicht auf eine Exekutionsführung kann nach deutschem und österreichischem Recht wirksam vereinbart werden

OGH 18. Jänner 1977, 3 Ob 159 - 161/76 (OLG Innsbruck 1 R 164- 166/76; LG Innsbruck 5 Cg 700/74)

Text

Auf Grund der vollstreckbaren Notariatsurkunde vom 9, August 1974 des Notars Dr. Georg S mit dem Amtssitz in Dortmund wurde der beklagten Partei zur Hereinbringung von 583 178.44 DM samt Zinsen mit den erstgerichtlichen Beschlüssen vom 20. August, 22. August und 17. Dezember 1974 Fahrnisexekution, Forderungsexekution und Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung sowie Zwangsversteigerung einer Liegenschaft bewilligt.

Der Verpflichtete dieser Exekution erhob beim Erstgericht insgesamt drei Klagen mit den Begehren auf Aufhebung dieser Exekutionsbewilligungen. In allen Klagen stützte der Kläger seine Einweisungen darauf, daß zwischen den Parteien vereinbart worden sei, daß auf Grund der Notariatsurkunde vom 9. August 1974 lediglich in das Betriebsvermögen des Verpflichteten, nicht aber auch in dessen Privatvermögen Exekution geführt werden dürfe. Tatsächlich handle es sich bei den von den gegenständlichen Exekutionsverfahren betroffenen Vermögen aber um Privatvermögen des Verpflichteten.

In einer Klage wurde ergänzend vorgebracht, der Beklagte habe auch auf die Verwertung des nur in Exekution zu ziehende Betriebsvermögens verzichtet; es sei daher nur der Erwerb eines Pfandrechtes vereinbart worden. In den beiden weiteren Klagen wurden die erhobenen Einwendungen auch darauf gestützt, daß die Anlaßexekution unter Verletzung der im § 798 dZPO normierten Wartefrist von einer Woche frühzeitig bewilligt worden sei. Die drei Rechtsstreite wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger brachte noch ergänzend vor, daß die Exekutionsführung auf Grund des notariellen Schuldanerkenntnisses vom 9. August 1974, Urkundenrolle Nr. 180/1974 des Notars Dr. S, mit Urteil des Landesgerichtes Dortmund vom 3. Feber 1976 für unzulässig erklärt worden sei.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren zur Gänze ab.

Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der behauptete Verzicht des Beklagten auf die Exekutionsführung, auf das Privatvermögen des Klägers nicht vorliege. Die Einwendung bezüglich der Nichteinhaltung der einwöchigen Frist des § 798 dZPO sei nicht stichhaltig, und zwar auf Grund der vorn OGH in den betreffenden Exekutionssachen bereits geäußerten Rechtsansicht, daß es sich bei dieser Wartefrist um eine deutsche Norm formeller Natur handle, welche im Inland nicht anzuwenden sei. Die Einwendung, daß das Landesgericht Dortmund die Exekution auf Grund der Notariatsurkunde vom 9. August 1974 für unzulässig erklärt habe, sei verspätet erhoben worden und rechtfertige im übrigen auch nicht eine Klage nach § 36 EO.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge.

In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, die vorliegende "Klage" (gemeint offenbar alle drei Klagen) sei nur als Impugnationsklage aufzufassen. Die Geltendmachung der Einwendung, das Landesgericht Dortmund habe mit Urteil vom 3. Feber 1976 die Exekutionsführung auf Grund der Notariatsurkunde vom 9. August 1974 für unzulässig erklärt, stehe zwar die Eventualmaxime (§ 36 Abs. 2 EO) nicht entgegen, weil sich dieser Einwendungstatbestand erst nach Klagseinbringung ergeben habe, doch ergebe sich aus diesem Urteil nicht die Unzulässigkeit der mit der vorliegenden Klage bekämpften Exekution. Mit diesem Urteil seien nämlich nur eine Reihe von Forderungsexekutionen die vorn Amtsgericht Dortmund bewilligt worden seien, für unzulässig erklärt worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu der in der Rechtsrüge angeschnittenen Frage der Anwendung deutschen oder inländischen Rechtes ist zunächst zu bemerken, daß die Bewilligung und die Durchführung der gegenständlichen vier Anlaßexekutionen nach Art. 6 des Vertrages vorn 6. Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der BRD über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. Nr. 105/1960, nach inländischem Recht zu beurteilen sind. Die Exekutionsbewilligungen und der betriebene Anspruch können daher in der Absicht, die Einstellung der inländischen Exekutionen zu erwirken, nur nach Maßgabe der Bestimmungen der Exekutionsordnung bekämpft werden. Die Einstellung der gegenständlichen Exekutionen nach § 36 Abs. 3 EO bzw. 35 Abs. 4 EO ist demnach nur auf Grund einer nach den Bestimmungen der §§ 35 und 36 EO - somit im Inland - erfolgreich erhobenen Klage zulässig. Schon aus diesem Grund kommt das Urteil des Landesgerichtes Dortmund vom 3. Feber 1976 weder als Impugnationsgrund noch als Einstellungsgrund nach § 35 Abs. 4 oder § 36 Abs. 3 EO in Frage.

Was nun den in den Einwendungen nach § 36 Abs. 1 Z. 3 EO geltend gemachten Verzicht des betreibenden Gläubigers auf die Exekutionsführung auf das Privatvermögen des Klägers anbelangt, so war der Kläger hinsichtlich des behaupteten Impugnationsgrundes nach § 36 EO beweispflichtig. Für die Frage der Wirksamkeit des als Impugnationsgrund geltend gemachten beschränkten Exekutionsverzichtes sind hingegen gemäß § 37 ABGB nach den Feststellungen des Erstgerichtes (Abschluß des Vertrages in der BRD) die Rechtsvorschriften der BRD anzuwenden. Nach deutschem Recht kann - ebenso wie übrigens nach österreichischem - ein sachlich beschränkter Verzicht auf eine Exekutionsführung wirksam vereinbart werden (BGH vom 11. Dezember 1967, NJW 1968, 700; Schönke - Baur, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht[8], § 7 II 3). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat die beklagte Partei auf eine Vollstreckung in das Privatvermögen des Klägers nur unter der Voraussetzung verzichtet, daß die noch im Umlauf befindlichen Wechsel eingelöst werden, keine weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen die Firma des Klägers vorlagen und "bei den Abtretungen der Forderungen" keine Schwierigkeiten eintreten. Letztere Vereinbarung ist dahin zu verstehen, daß der Verzicht dann nicht wirksam sein sollte, wenn bei der Geltendmachung der abgetretenen Forderungen Schwierigkeiten entstehen sollten. Für diese Auslegung im Sinne des § 157 dBGB spricht eindeutig, daß die Forderungen bereits am 8. August 1974, am Vortag der Errichtung der Notariatsurkunde und der Vereinbarung über den bedingten Exekutionsverzicht abgetreten worden waren. Da es sich bei den abgetretenen Forderungen nach den Feststellungen des Erstgerichtes zumindest zum Teil um nicht realisierbare gehandelt hat, war die beklagte Partei an ihren Verzicht auf die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen der beklagten Partei nicht mehr gebunden. Die Vorinstanzen haben daher mit Recht und mit im übrigen zutreffender Begründung keinen der mit den gegenständlichen Klagen geltend gemachten Impugnationsgrunde als berechtigt angesehen.

Anmerkung

Z50003

Schlagworte

Exekutionsbewilligung auf Grund eines in der BRD geschaffenen Titels, Exekutionsdurchführung auf Grund eines in der BRD geschaffenen Titels, Exekutionsführungsverzicht, sachlich beschränkter - kann nach, österreichischem oder deutschem Recht vereinbart werden, Impugnationsgrund des beschränkten Exekutionsverzichtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00161.76.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19770118_OGH0002_0030OB00161_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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