Norm
ABGB §833Kopf
SZ 50/9
Spruch
Trat durch den Mangel einer Gemeinschaftsanlage eine Wertminderung einer Eigentumswohnung ein, ist der Wohnungseigentümer ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer berechtigt, einen Preisminderungsanspruch gegen den Verkäufer der Wohnung geltend zu machen
OGH 26. Jänner 1977, 1 Ob 795/76 (OLG Graz 5 R 123/76; LG Klagenfurt 21 Cg 223/75)
Text
Die Kläger haben vom Beklagten auf Grund von Kaufverträgen Miteigentumsanteile erworben, mit denen das Wohnungseigentum an Wohnungen im Appartementhaus II, in S verbunden ist. Der Erstkläger ist Eigentümer der Wohnungen Nr. 3 und 14, der Zweitkläger Eigentümer der Wohnungen Nr. 5, 19 und 20.
Die Kläger behaupten, der Beklagte habe entgegen der Baubewilligung und den mit ihm abgeschlossenen Baudurchführungsverträgen, wonach mehrere Entlüftungsschächte und mehrere Entlüftungsstränge vorgesehen gewesen seien, nur je ein Entlüftungsrohr für die Toiletten und die Küchen der Wohnungen gebaut. Hiedurch trete in den Wohnungen eine erhebliche Geräusch- und Geruchsbelästigung auf. Der Beklagte sei mehrmals zur Mängelbehebung aufgefordert worden, er habe dieser Aufforderung jedoch nicht entsprochen. Da nachträglich zusätzliche Entlüftungsrohre nicht eingebaut werden könnten, käme nur noch eine Preisminderung in Betracht, die mit dem Betrage von je 16 000 S geltend gemacht werde.
Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, der Bau sei plangemäß ausgeführt und die Entlüftungsanlage sach- und fachgemäß errichtet worden. Die Lärmbelästigung sei auf das übliche Maß reduziert, wenn die Ventile der Entlüftungsanlage richtig eingestellt seien. Die beanstandeten Gegenstände seien im übrigen bewegliche Sachen, welche von den Klägern am 2. Juni 1973 übernommen worden seien. Bei Bedachtnahme auf den Preis der gesamten Wohnanlage im Verhältnis zu jenem der Einzelwohnungen der Kläger stunde dem Erstkläger höchstens ein Anteil von 10.40% und dem Zweitkläger ein solcher von 8.56% einer vermeintlichen Preisminderung zu.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, den Klägern einen Betrag von 4300 S samt Anhang zu bezahlen; das Mehrbegehren auf Zuspruch von je 11 700 S samt Anhang wies es ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Wohnanlage, insbesondere die einzelnen von den Klägern erworbenen Wohnungen, wurden den ursprünglich vorliegenden Bauplänen und der Bauausstattungsbeschreibung entsprechend errichtet. In den Plänen waren nicht für jede Wohnung getrennte Entlüftungsschächte vorgesehen. Die für das gesamte Appartementhaus II errichtete zentrale Entlüftungsanlage besteht aus einem Abluftgerät, welches am Dachboden aufgestellt ist und einem Kanalsystem aus Kunststoffrohren und verzinkten Blechkanälen. An den Absaugstellen in den Küchen und Bädern mit WC sind Abluftventile aus Kunststoff angebracht. An die einzelnen Steigleitungen des Abluftsystems sind sowohl die jeweils gegenüberliegenden Bäder bzw. Kochnischen als auch die übereinanderliegenden Einheiten der einzelnen Wohnungen angeschlossen. Die Luftleistung des Abluftgerätes beträgt laut Typenschild 1440 m3 pro Stunde bei einer statischen Pressung von 20 mm Wassersäule. Die erstellte Entlüftungsanlage entspricht der Norm und der üblichen Ausführung. Es tritt bei gehöriger Einstellung der Ventile eine Lärmbelästigung nur in zumutbarem und bei solchen Bauten üblichem Ausmaß ein. Im vorliegenden Fall ist jedoch an den Absaugstellen eine Geräuschbelästigung wahrzunehmen, die auf die schlechte Lagerung des Abluftgerätes zurückzuführen ist. Der Anschluß von verschiedenen Wohnungen an denselben Entlüftungsstrang ist zulässig und wird vielfach auch in dieser Weise ausgeführt. Die Anlage erreicht jedoch nicht die im Typenschild angeführte Luftmenge, sondern leistet tatsächlich nur 1020 m3 pro Stunde. Dies entspricht einer Minderleistung von 30%. Durch entsprechende Einstellung der Abluftventile und Erhöhung der Ventilatordrehzahl kann jedoch die Luftmenge von 1440 m3 pro Stunde erreicht werden. Hiezu wäre die Anbringung eines stärkeren Motors und eines geänderten Riemenantriebes erforderlich. Insgesamt wäre die Entlüftungsanlage mit einem Aufwand von 8600 S funktionstüchtig herzustellen.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, daß der Verbesserungsaufwand 8600 S betrage, den die Kläger je zur Hälfte fordern könnten, weil es sich um eine Gesamthandforderung handle. Die Berechnung der Preisminderung brauche daher auch nicht nach der relativen Berechnungsmethode zu erfolgen, weil der Beklagte erfolglos zur Verbesserung aufgefordert worden sei, diese aber unterlassen habe.
Der Beklagte bekämpfte den stattgebenden Teil des Ersturteils mit Berufung, der das Berufungsgericht Folge gab. Es hob die angefochtene Entscheidung im Umfang der Anfechtung auf und verwies die Rechtssache unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung zurück. Das Berufungsgericht führte aus, die Bestimmung des § 1167 zweiter Satz ABGB räume dem Besteller eines Werkes bei Vorhandensein von Mängeln das Recht ein, anstatt der Wandlung oder Verbesserung die angemessene Minderung des Entgelts zu verlangen. Diese Befugnis stehe ihm auch dann zu, wenn Wandlung und der Anspruch auf Verbesserung ausgeschlossen seien. Beide Kläger hätten sich zur Preisminderung entschlossen, so daß die nach den Beweisergebnissen nicht klar gelöste Frage, ob der Beklagte zur Behebung der tatsächlich vorliegenden Mängel erfolglos aufgefordert wurde, dahingestellt bleiben könne. Nach dem in der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung noch verdeutlichten Prozeßvorbringen machten die Kläger, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes, nicht einen Anspruch auf Verbesserungskosten geltend, sie begehrten vielmehr eine individuelle Preisminderung, resultierend aus dem Umstand, daß ihre Wohnungen wegen der behaupteten GeruchsundGeräuschimmission im Werte verringert seien. Für die Geltendmachung dieses Preisminderungsanspruches sei die Aktivlegitimation der Kläger gegeben, zumal es undenkbar wäre, Wohnungseigentümer von der Geltendmachung solcher Ansprüche auf einen unter Umständen nicht erzielbaren Mehrheitsbeschluß der übrigen Wohnungseigentümer zu verweisen, die durch eine allfällige Geruchs- oder Geräuschimmission nicht berührt werden und daher an einer Mitwirkung auch nicht interessiert sein müßten. Die Kläger seien daher berechtigt, die Preisminderungsansprüche ohne Zustimmung, ja sogar gegen den Willen der übrigen Miteigentümer geltend zu machen, zumal sie ausschließlich die in ihrem unbeschränkten Eigentum stehenden Wohnungen betreffen und Interessen der übrigen Miteigentümer nicht berührten. Die Gewährleistungsfrist betrage im vorliegenden Fall drei Jahre, weil es sich um eine Minderung der Gebrauchsmöglichkeit von beweglichen Sachen handle. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht den Wert der Wohnungen der Kläger bei ordentlicher Belüftung mit jenen der mangelhaften Belüftung in Relation zum Ankaufspreis zu überprüfen haben. Der sich daraus ergebende Preisminderungsanspruch sei im vorliegenden Fall allerdings durch die bereits rechtskräftige Teilabweisung bei jedem der Kläger nach oben mit dem Betrag von 4300 S, der ohnehin auch der Höhe der Verbesserungskosten entspreche, begrenzt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber führt aus, die Rechtsautfassung des Berufungsgerichtes, wonach jeder Miteigentümer, dessen Wohnung durch Geruchs- oder Geräuschbelästigungen beeinträchtigt werde, vom Beklagten als dem Generalunternehmer Preisminderung begehren könne, sei abzulehnen. Wenn auch jedem Miteigentümer Verbesserungsansprüche einzuräumen seien, könne doch ein Preisminderungsanspruch nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses begehrt werden, wobei dann die Gesamtheit der Miteigentümer, vertreten durch die Verwaltung, auf Grund dieses Mehrheitsbeschlusses als Kläger aufzutreten habe. Es sei undenkbar, daß ein oder zwei Miteigentümer ohne Zustimmung der übrigen den gesamten Preisminderungsanspruch zugesprochen erhalten. Ebenso sei nicht gerechtfertigt, jedem Miteigentümer den gesamten Verbesserungsaufwand zuzuerkennen.
Was den zuletzt genannten Einwand betrifft, so ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß die Kläger nicht den zur Verbesserung des Mangels erforderlichen Aufwand, sondern gestützt auf den mit dem Beklagten geschlossenen Bauvertrag, Preisminderung wegen behaupteter Sachmängel begehren, und zwar, wie dies in der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung klargestellt wurde, ausschließlich für die bei ihren Wohnungen aufgetretenen Wertminderungen. Was nun die Frage betrifft, ob die Kläger für den erhobenen Gewährleistungsanspruch aktiv legitimiert sind, so ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall ein Preisminderungsanspruch hinsichtlich der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung der Kläger erhoben wird, der lediglich die Besonderheit aufweist, daß er aus der behaupteten Mangelhaftigkeit einer der allgemeinen Benützung dienenden Anlage (§ 1 Abs. 2 WEG 1975) abgeleitet wird. Der Gewährleistungsanspruch bezieht sich daher nicht auf die Gemeinschaftsanlage als solche. Bei Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich allgemeiner Teile der Liegenschaft sind freilich Kollisionen mit Rechten anderer Wohnungseigentümer möglich, so daß von Feistenberger - Barta - Call, § 14 Note 51 erwogen wird, daß die Geltendmachung solcher Ansprüche bereits als Verwaltungshandlung im Sinne des § 14 WEG anzusehen ist und aus Praktikabilitätserwägungen die Kompetenz der Mehrheit der Wohnungseigentümer postuliert wird. Hiezu ist hier jedoch nicht Stellung zu nehmen, weil die Kläger, auf der Grundlage des mit dem Beklagten als dem Verkäufer der Liegenschaft und als Generalunternehmer abgeschlossenen Vertrages Gewährleistungsanspruche hinsichtlich ihrer im Wohnungseigentum stehenden Wohnung erheben. Durch die Geltendmachung dieser Ansprüche wird auch, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, in Rechte anderer Miteigentümer in keiner Weise eingegriffen. Die Kläger können mit ihrer Klage ohnehin nur insoweit durchdringen, als ihre Wohnung durch den behaupteten Mangel im Wert gemindert wird. Richtig ist, daß bei Mängel an Gemeinschaftsanlagen andere Miteigentümer vom Beklagten grundsätzlich auch Verbesserung begehren könnten; der Konsequenz, daß der Kläger allenfalls einigen Wohnungseigentümern Preisminderungsbeträge bezahlen muß und schließlich zur Verbesserung der Anlage verpflichtet wird, kann sich der Beklagte aber ohnehin dadurch entziehen, daß er von vornherein die Verbesserung der Anlage durchführt. Es sind dann aber auch die Kläger zur Geltendmachung des Preisminderungsanspruches hinsichtlich der in ihrem Wohnungseigentum stehenden Wohnung wegen behaupteter Mängel gemeinschaftlicher Anlagen berechtigt, ohne daß diesbezüglich eine wie immer qualifizierte Mehrheit von Wohnungseigentümern ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müßte. Geht man von diesen Erwägungen aus, so sind aber, wie das Berufungsgericht in dieser Hinsicht unbekämpft ausführte, Feststellungen darüber erforderlich, in welchem Ausmaß eine Wertminderung bei den Wohnungen der Kläger eingetreten ist.
Anmerkung
Z50009Schlagworte
Eigentumswohnung, Preisminderungsanspruch, Preisminderungsanspruch bei Wertminderung einer Eigentumswohnung durch, Mangel an GemeinschaftsanlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00795.76.0126.000Dokumentnummer
JJT_19770126_OGH0002_0010OB00795_7600000_000