TE OGH 1977/4/19 9Os41/77

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Veröffentlicht am 19.04.1977
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 1977 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Stelzhammer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, Dr. Bernardini, Dr. Faseth und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bajc als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 und Abs 2 (2. Fall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 14. Dezember 1976, GZ 11a Vr 297/76-142, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Josef Wegrostek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf drei Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene Hilfsarbeiter Karl S***** schuldig erkannt:

1. des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 und Abs 2 (2. Fall) StGB;

2.

des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1 StGB;

3.

des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 und 2 StGB;

              4.              des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB;

              5.              des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger nach dem § 208 StGB.

Nach dem Inhalt des Urteilsspruches wird ihm zur Last gelegt, er habe in U***** (NÖ)

am 2. April 1976 (gemeinsam mit der gesondert verfolgten Jugendlichen Brigitte S*****) Anna S***** - seiner Schwägerin -

zu 1.:

durch Fesseln mit einer Kette die persönliche Freiheit entzogen, wobei die Freiheitsentziehung, da sie mit Würgen und schweren Misshandlungen wie zahlreichen Schlägen mit einem in einem Schlauch steckenden Holzknüppel verbunden war, der Festgehaltenen eine Qual bedeutete (ersichtlich gemeint: besondere Qualen bereitete) - Punkt A/I des Urteilssatzes;

zu 2.:

sie durch Versetzen von Schlägen, sohin mit Gewalt (zu ergänzen: gegen ihre Person) widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand dadurch zur Unzucht missbraucht, dass er ihren entblößten Geschlechtsteil betastete - Punkt A/II des Urteilssatzes; zu 3.:

sie durch die mit dem Herbeiholen einer Wäscheleine verbundene Ankündigung, er werde sie aufhängen, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen - Punkt A/III des Urteilssatzes;

zu 4.:

sie durch die zu 1. und 2. genannten Misshandlungen am Körper verletzt, wobei die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Berufsunfähigkeit und eine an sich schwere Verletzung, nämlich zahlreiche Prellungen und Blutunterlaufungen im Bereich des Schädels, an den Schultern, am Rücken, an den Oberschenkeln, an der rechten Hüfte, an der (rechten) Hand und an der Oberlippe, zur Folge hatte und unter Zufügung besonderer Qualen begangen wurde - Punkt A/IV des Urteilssatzes;

in der Zeit von Jänner bis März 1976 wiederholt

zu 5.:

vor den Unmündigen Johann, Franz und Erwin S***** sein Glied entblößt, sohin Handlungen vorgenommen, die geeignet waren, die sittliche und seelische Entwicklung unmündiger Personen zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen - Punkt B des Urteilssatzes.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen lebte der Angeklagte seit dem Herbst 1975 mit seiner Schwägerin Anna S***** und deren vier aus der Ehe mit seinem Bruder Johann S***** stammenden Kindern in Hausgemeinschaft. Am Abend des 1. April 1976 verlangte der Angeklagte von Anna S*****, dass sie wegen eines Mopedfahrers, der sie auf der Straße verfolgt haben sollte, bei der Gendarmerie eine Anzeige erstattete. Nach ihrer Rückkehr vom Gendarmerieposten S***** begab sich der Angeklagte selbst dorthin, um zu erfahren, was sie angegeben habe. Anna S***** hielt sich indessen von ihrem Wohnhaus entfernt und kehrte erst um etwa 01 Uhr des 2. April 1976 dahin zurück. Darauf wurde sie vom Angeklagten mit einem gummiüberzogenen Holzprügel geschlagen. In der Folge fesselte sie der Angeklagte mit einer Kette, indem er ihr die Hände auf dem Rücken gekreuzt zusammenband, die Enden der Kette um ihren Körper legte und auf der Vorderseite zusammenschloss. Unter Vorwürfen, sie habe mit dem erwähnten Mopedfahrer einen Geschlechtsverkehr gehabt, versetzte er ihr weitere Schläge mit dem Knüppel auf den Kopf, die Schultern, den Rücken, die (gefesselten) Hände und Arme. Schließlich erreichte Anna S*****, die starke Schmerzen litt, vom Angeklagten durch kniefälliges Bitten, dass er ihr die Kettenfessel löste. Unter Androhung neuerlicher Misshandlungen zwang sie der Angeklagte sodann, die Unterhose über die Knie herunterzuziehen, worauf er ihren entblößten Geschlechtsteil betastete und sagte, sie sei naß, also habe sie doch mit dem Mopedfahrer einen Geschlechtsverkehr gehabt. Er schlug ihr noch mehrmals mit der Faust ins Gesicht, ließ dann von Brigitte S***** - der am ***** geborenen Tochter der Anna S***** - eine Wäscheleine bringen und erklärte der Anna S*****, sie solle ihre Zahnprothese heraus- und die Brille abnehmen, er werde sie jetzt aufhängen. Endlich gelang es Anna S*****, aus dem Haus zu gelangen und sich in der Nachbarschaft zu verstecken.

In der Zeit vom Jänner bis März 1976 hatte der Angeklagte wiederholt von den noch unmündigen Kindern der Anna S*****, nämlich Johann (geboren am *****) Franz (geboren am *****) und Erwin (geboren am *****), sein Glied entblößt, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen.

Dieses Urteil wird in den Schuldsprüchen zu Punkt A/II, III, IV und B vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft; im Schuldspruch zu Punkt A/I (wegen Verbrechens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 und Abs 2 [2. Fall] StGB) blieb es sachlich unangefochten. In seiner Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte ziffernmäßig die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit b und 10 StPO geltend.

A. Gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1 StGB (Punkt A/II des Urteilssatzes) beruft sich der Angeklagte zu allen drei von ihm bezogenen Nichtigkeitsgründen auf die Urteilsfeststellungen, aus denen sich in rechtlicher Beziehung nicht ergebe, dass seine Absicht auf Missbrauch zur Unzucht gerichtet gewesen sei; auch sei nicht eine durch Gewalt herbeigeführte Widerstandsunfähigkeit der Anna S*****, sondern lediglich ihre Nötigung durch Androhung weiterer Misshandlungen festgestellt worden, weshalb die Tat so gesehen richtigerweise nur als Nötigung zur Unzucht (§ 204 Abs 1 StGB) beurteilt werden könne. Der Sache nach werden mit diesen Beschwerdeausführungen die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht, die jedoch dem angefochtenen Schuldspruch in keiner Richtung anhaften.

Unter "Unzucht" versteht das Strafgesetzbuch - (auch) in seinem § 203 - ein solches Verhalten, durch das die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt wird. Es muss also das vom Vorsatz des Täters umfasste Verhalten schon nach seinem objektiven Charakter zum Geschlechtsleben (strafgesetzwidrig) in Beziehung stehen (Foregger-Serini Anmerkung I zu § 203 StGB). Unter der erwähnten Voraussetzung liegt Unzucht - im Sinne eines geschlechtlichen Missbrauchs - dann vor, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers mit dem Körper des Täters in eine - nicht bloß flüchtige und sexuell sinnbezogene - Berührung gebracht werden (vgl EvBl 1976/205). Der Vorsatz des Täters muss sich auf den Missbrauch des Opfers zur Unzucht im gedachten Sinn gerichtet sein. Dies hat aber das Erstgericht im Fall des Beschwerdeführers ersichtlich festgestellt, indem es ausführte, gleichviel ob der Angeklagte sich über einen stattgehabten Geschlechtsverkehr der Anna S***** vergewissern oder sich von einer masochistischen Reaktion ihrerseits auf die vorangegangenen Misshandlungen überzeugen wollte, sei jedenfalls anzunehmen, dass der Angeklagte sie an der Scheide betastete, um sich dadurch geschlechtlich zu befriedigen (S 300/Bd II). Die solcherart ausgesprochene Konstatierung einer - zur Tatbestandsverwirklichung nach dem § 203 StGB an sich gar nicht erforderlichen (vgl abermals EvBl 1976/205) - auf sexuelle Befriedigung gerichteten Absicht des Angeklagten schließt den Vorsatz eines unzüchtigen Missbrauchs ein, der mithin - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - sehr wohl vom Erstgericht festgestellt wurde. Insoweit liegt dem angefochtenen Urteil eine unrichtige Gesetzesauslegung (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) keineswegs zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Dem sachlich eine Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO behauptete Einwand, im vorliegenden Fall könne nicht von einer durch Gewalt herbeigeführten Widerstandsunfähigkeit (§ 203 Abs 1 StGB), sondern bloß von einer Nötigung durch gefährliche Drohung (§ 204 Abs 1 StGB) gesprochen werden, ist folgendes entgegenzuhalten:

"Widerstandsunfähig" (im Sinne der §§ 201, 203 StGB) ist eine Person, wenn sie in einer extremen Lage der Hilflosigkeit ist, in der sie aus physischen oder psychischen Gründen zu weiterem Widerstand nicht mehr imstande oder ihr ein solcher wegen Aussichtslosigkeit nicht zugemutet werden kann. Widerstandsunfähigkeit in dieser Bedeutung kann auch vorliegen, wenn bei fortgesetzten Angriffen insbesondere die seelischen Kräfte einer Frau derart erlahmen, dass sie schließlich außerstande ist, weiteren Widerstand zu leisten, und sich deshalb mehr oder weniger widerstandslos dem Angreifer fügt (EvBl 1975/270). Ein solcher Zustand kann mit Gewalt gegen die Person, aber auch durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben herbeigeführt werden; es handelt sich dabei um rechtlich gleichwertige Begehungsweisen ein- und desselben Delikts. Für den Beschwerdeführer ist daher nichts daraus zu gewinnen, dass die Aussage des Urteilsspruchs zu Punkt A/II, der Angeklagte habe Anna S***** "durch Versetzen von Schlägen und sohin mit Gewalt" widerstandsunfähig gemacht, in den in der Entscheidungsbegründung enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen keine Deckung findet. Darnach wurde nämlich Anna S***** durch die Androhung neuerlicher Misshandlungen gezwungen, die Betastung ihres Geschlechtsteils durch den Angeklagten zu dulden (S 295/Bd II). Die Ankündigung weiterer Misshandlungen stellte aber nach Lage des Falles für Anna S***** eine gegen sie gerichtete Drohung mit durchaus gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben dar, welche unter den gegebenen Umständen, insbesondere im Hinblick auf die schweren und qualvollen Misshandlungen, denen Anna S***** seitens des Angeklagten eben erst wehrlos ausgesetzt gewesen war, dazu ausreichte, jeden Widerstand gegen den nunmehr vom Angeklagten unternommenen sexuellen Missbrauch für sie aussichtslos erscheinen zu lassen. Wenn daher das Ersturteil erkennbar davon ausgeht, dass Anna S***** vom Angeklagten im Sinne des § 203 StGB widerstandsunfähig gemacht wurde, haftet der darauf beruhenden Subsumtion des inkriminierten Sachverhalts unter den betreffenden Verbrechenstatbestand kein Rechtsirrtum an.

B. Das gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 und 2 StGB (Punkt A/III des Urteilssatzes) von der Beschwerde mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO eingewendete materiellrechtliche Verfolgungshindernis des Mangels der erforderlichen Ermächtigung (§ 107 Abs 4 StGB) ist nicht gegeben. Dem Beschwerdeführer kann eingeräumt werden, dass die urteilsgegenständliche, nach dem § 107 Abs 2 StGB strafbare gefährliche Drohung gegen seine Schwägerin (Ehegattin seines Bruders; nicht "Schwagers", wie es im Urteil S 294/Bd II heißt; vgl S 103/Bd

I) - sohin gegen eine Angehörige (§ 72 Abs 1 StGB) -, mit der er nach

dem Urteilsinhalt und den Verfahrensergebnissen zur Tatzeit in Hausgemeinschaft lebte, nur mit Ermächtigung der Bedrohten zu verfolgen ist (§ 107 Abs 4 StGB). Die Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, gilt aber als Ermächtigung (§ 2 Abs 5 zweiter Satz StPO). Eine solche uneingeschränkt auf den Gegenstand des Strafverfahrens bezogene Anschlusserklärung hat Anna S***** durch ihren Rechtsbeistand bereits in der wegen des inkriminierten Sachverhalts gegen den Beschwerdeführer geführten Voruntersuchung bei Gericht gegeben (ON 22 d. A.), vor der Hauptverhandlung mit Eingabe der ON 84 d. A. ein Schmerzensgeld in der Höhe von S 26.000,- begehrt und bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz ihren PB-Anschluss nicht zurückgenommen (vgl S 269/Bd II). Ihre Ermächtigung, den Angeklagten wegen des den Gegenstand des Strafverfahrens bildende Deliktsverhaltens (auch) unter den rechtlichen Gesichtspunkten eines Ermächtigungsdelikts zu verfolgen, ist daher als erteilt anzusehen. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass sich die Anschlusserklärung der Privatbeteiligten auf das Vergehen der gefährlichen Drohung mangels eines denkbar daraus ableitbaren Vermögensschadens schon begrifflich nicht beziehen könne, schlägt deshalb nicht durch, weil eine gefährliche Drohung jedenfalls geeignet ist, die seelische Gesundheit der bedrohten Person zu beeinträchtigen (vgl die in § 107 Abs 3 StBG enthaltene Verweisung auf die im § 106 Abs 2 StGB angeführten Tatfolgen, die in der Regel mit einem Schaden an der seelischen Gesundheit des Betroffenen verbunden sind); ein aus einer solchen Tat entstehender, im Anschlussverfahren verfolgbarer (vermögensrechtlicher) Schaden des Bedrohten (§§ 1293, 1325 ABGB) ist daher keineswegs ausgeschlossen (siehe auch Entscheidung des OGH vom 29. 1. 1976, 2 Ob 285/75, RZ 1977 Nr. 12).

C. Den Schuldspruch wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB (Punkt A/IV des Urteilssatzes) bekämpft der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO; seiner Ansicht nach sei dieses Delikt durch den vom Schuldspruch laut Punkt A/II des Urteilssatzes erfassten Zwang zur Unzucht bereits konsumiert. Auch diese Rechtsrüge geht fehl. Richtig ist, dass leichte Verletzungen, die die Anwendung körperlicher Gewalt bei einem der in den §§ 201 bis 204 StGB umschriebenen Delikte beim Betroffenen nach sich zieht, dem Täter nicht zusätzlich als - damit in Tateinheit verwirklichtes - selbständiges Delikt nach dem § 83 StGB zuzurechnen sind, und dass selbst der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen durch die für einen solchen Fall nach den jeweiligen zweiten Absätzen der §§ 201 bis 204 StGB normierten höheren Strafsätze abgegolten wird (EvBl 1976/174). Abgesehen davon nun, dass das Erstgericht den betreffenden höheren Strafsatz des § 203 (Abs 2) StGB auf den Beschwerdeführer nicht angewendet hat, ist nach dem zum Schuldspruch wegen § 203 Abs 1 StGB bereits Gesagten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Delikt nach den getroffenen Feststellungen tatsächlich nicht durch Anwendung körperlicher Gewalt, sondern durch Drohung mit (weiteren) Misshandlungen begangen hat. Die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Schuldspruch zur Last gelegten Misshandlungen der Anna S***** stehen mithin mit dem als Zwang zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1 StGB zugerechneten Tatverhalten ausschließlich im Verhältnis der Realkonkurrenz. Im Hinblick auf die unbestritten feststehende Schwere aus der den Misshandlungen in ihrer Gesamtheit resultierenden Verletzungsfolgen im Sinne des § 84 Abs 1 StGB ist dem Beschwerdeführer das Vergehen der schweren Körperverletzung nach der angeführten Gesetzesstelle rechtsrichtig zugerechnet worden. Davon unabhängig und vom ihm gleichfalls unbekämpft ist die dem Zwang zur Unzucht vorangegangene Misshandlung wegen der Zufügung besonderer Qualen als das Vergehen der schweren Körperverletzung auch nach dem § 84 Abs 2 Z 3 StGB qualifiziert.

D. Hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger nach dem § 208 StGB (Punkt B des Urteilssatzes) stützt der Beschwerdeführer seine Nichtigkeitsrüge nach der Z 9 lit b - richtig 9 lit a - des § 281 Abs 1 StPO auf die Behauptung, es sei die inkriminierte Tathandlung deshalb nicht geeignet gewesen, die sittliche Entwicklung der betroffenen Unmündigen zu gefährden, weil diese bereits (sittlich) verdorben gewesen seien.

Nach dem Schlusssatz des § 208 StGB liegt allerdings (schon) die äußere Tatseite des in dieser Gesetzesstelle pönalisierten Vergehens nicht vor, wenn eine Gefährdung der unmündigen oder jugendlichen Person (in ihrer sittlichen, seelischen oder gesundheitlichen Entwicklung) durch die von dieser Person vorgenommene Handlung ungeachtet deren abstrakter Gefährdungseignung nach den Umständen des Falles - als schlechthin unmöglich - ausgeschlossen ist (Dokumentation zum StGB 193 f); das kann zB bei einem bereits vollkommen verwahrlosten Jugendlichen der Fall sein (ÖJZ-LSK 1976/305). Die Voraussetzungen eines Strafbarkeitsausschlusses nach dem Schlusssatz des § 208 StGB wurden aber im vorliegenden Fall, was die unmündigen Johann, Franz und Erwin S***** betrifft, weder vom Erstgericht festgestellt noch waren sie durch die Verfahrensergebnisse indiziert. Es kann sohin nicht davon gesprochen werden, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen sexuellen Charakters vor den genannten Unmündigen deren sittliche Entwicklung unter keinen Umständen (mehr) zu gefährden vermocht hätten. Die dies behauptende Rechtsrüge beruht auf einer urteilsfremden Sachverhaltsannahme und erweist sich deshalb als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde muss sohin ein Erfolg versagt bleiben.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 99 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die einschlägigen Vorverurteilungen, als mildernd keinen Umstand.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, wobei er zur Begründung dieses Antrages vorbringt, dass seine gesamte Verhaltensweise auf die Zustände seiner Umgebung und auf die Familie, in der er lebt, zurückzuführen sei. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer, die vom Erstgericht gewählt wurde, sei weder general- noch spezialpräventiv angemessen. Der Berufung kommt Berechtigung zu. Zwar hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollzählig festgestellt und richtig gewürdigt, jedoch erscheint dem Obersten Gerichtshof bei Betrachtung des Vorlebens des Angeklagten und der bisher über ihn verhängten Strafen - er wurde in den Jahren 1951 - 1968 dreizehnmal wegen Gewalttätigkeiten zu Freiheitsstrafen zwischen einer Woche Arrest und sechs Monaten schweren Kerker verurteilt, während die strengste Freiheitsstrafe vom Jugendgerichtshofes Wien am 31. 10. 1974 wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs 2 USchG in der Dauer eines Jahres über ihn verhängt worden ist - die gegenständliche Eskalation des Strafmaßes auf vier Jahre als zu hoch gegriffen. Es konnte daher in Stattgebung der Berufung die über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf das im Spruch angegebene schuld- und tatangemessene Ausmaß herabgesetzt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E73543 9Os41.77

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0090OS00041.77.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19770419_OGH0002_0090OS00041_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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