TE OGH 1977/6/21 5Ob308/77

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Veröffentlicht am 21.06.1977
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Norm

Berufsausbildungsgesetz §17
KO §51 Z2 lita
KO §109 Abs1
KO §172

Kopf

SZ 50/92

Spruch

Die Lehrlingsentschädigung ist Entgelt im arbeitsrechtlichen Sinn; Forderungen auf Bezahlung der Lehrlingsentschädigung sind daher Dienstnehmerforderungen im Sinne des § 51 Abs. 1 Z.2 lit.a KO

OGH 21. Juni 1977, 5 Ob 308/77 (OLG Graz 1 R 39/77; LGZ Graz 12 Cg 214/76)

Text

Über das Vermögen des durch den nun beklagten Masseverwalter vertretenen Gemeinschuldners wurde vom Konkurssenat des Erstgerichtes mit Beschluß vom 18. August 1975 der Konkurs eröffnet. Durch den Aufenthalt von zwei Lehrlingen des nunmehrigen Gemeinschuldners im Schülerheim der Landesberufsschule F in der Zeit vom 7. Jänner bis 1. März 1975 (Lehrling Hermann K) und vom 3. März bis 30. April 1975 (Lehrling Gerhard T) waren Heimgebühren in der Höhe von 4012 S entstanden, deren Bezahlung vergeblich vom Gemeinschuldner verlangt worden war.

Im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschulders hat die Klägerin diese Forderung als Konkursforderung 1. Klasse angemeldet und behauptet, der Gemeinschuldner hätte die Heimgebühr aus dem Titel der Lehrlingsentschädigung zahlen müssen.

Der nun beklagte Masseverwalter hat diese Forderung bei der Prüfungstagsatzung am 21. Oktober 1975 im angemeldeten Rang bestritten, jedoch als Konkursforderung in der 3. Klasse anerkannt.

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage zu erkennen, daß die von ihr angemeldete Forderung von 4012 S in die 1. Klasse der Konkursforderungen gehöre.

Zur Begründung dieses Begehrens brachte sie vor:

Es sei seit Jahren Praxis, daß die Lehrherren die Heimgebühren, die anläßlich der Unterbringung ihrer Lehrlinge während der Zeit des Besuches der Landesberufsschule in einem ihr angeschlossenen Schülerheim auflaufen, direkt an das Heim und nur einen allfälligen Differenzbetrag an den Lehrling ausbezahlen. Es werde also, zumindest stillschweigend, von den Lehrlingen die Lehrlingsentschädigung bis zur Höhe der Heimgebühren an die Klägerin als Erhalterin der Heime abgetreten. Dies sei auch hier der Fall gewesen. Entgegen seiner rechtlichen Verpflichtung habe der Gemeinschuldner die auf die Klägerin übergegangene Lehrlingsentschädigung, die gemäß § 17 Abs. 6 des Berufsausbildungsgesetzes 1969 auch für die Dauer der Unterrichtszeit in der Berufsschule weiterzuzahlen sei, nicht bezahlt.

Der beklagte Masseverwalter hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, daß von einer stillschweigenden Zession der Forderung auf Bezahlung der Lehrlingsentschädigung keine Rede sein könne und Heimgebühren nicht zu den in § 51 KO angeführten Forderungen gehörten; eine solche Forderung sei nur in der 3. Klasse anzuerkennen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es die von der Klägerin behauptete stillschweigende Abtretung der Forderung auf Bezahlung der Lehrlingsentschädigung für die Zeit des Heimaufenthaltes der beiden Lehrlinge des Gemeinschuldners annahm. Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Masseverwalters Folge und wies in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge.

Das angefochtene Urteil wurde dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Prüfungstagsatzung im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners am 21. Oktober 1975 hat der Masseverwalter allein die begehrte Rangordnung der von der Klägerin angemeldeten Forderung bestritten, die Forderung selbst jedoch als eine solche der 3. Klasse anerkannt. Dieses Anerkenntnis des Masseverwalters, das zur Feststellung der Forderung in ihrer Richtigkeit führte (§ 109 Abs. 1 KO), ist nicht nach dem materiellen Privatrecht, sondern nach dem Prozeßrecht zu beurteilen (§ 172 KO) und stellt sich deshalb als eine unwiderrufliche Prozeßhandlung dar (Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 576). Es bindet daher auch das Prozeßgericht, bei dem in der Folge ein Prüfungsstreit über die Rangordnung anhängig wird. Streitgegenstand in dem vorliegenden Prüfungsprozeß kann demgemäß nur mehr die Rangordnung der von der Klägerin angemeldeten Forderung sein (Petschek - Reimer - Schiemer a. a. O., 581). Bei der Prüfung, welcher Rechtsnatur die in ihrer Richtigkeit festgestellte Forderung ist, muß von dem in der Forderungsanmeldung angegebenen Anspruchsgrund ausgegangen werden. Die Klägerin hatte ihre Forderungsanmeldung damit begrundet, daß der nunmehrige Gemeinschuldner als seinerzeitiger Lehrherr der beiden Lehrlinge, die während des Besuches der Landesberufsschule F in dem dort angeschlossenen Schülerheim untergebracht gewesen seien, zur Weiterzahlung der Lehrlingsentschädigung verpflichtet gewesen sei und die damals aufgelaufenen Heimgebühren seiner ehemaligen Lehrlinge "aus dem Titel der Lehrlingsentschädigung zahlen hätte müssen".

Es handelt sich daher um eine Forderung auf Bezahlung einer Lehrlingsentschädigung nach dem Berufsausbildungsgesetz 1969, die ursprünglich den beiden damaligen Lehrlingen des nunmehrigen Gemeinschuldners zustand, aber nun in die Rechtszuständigkeit der Klägerin gehört. Da der originäre Erwerb dieser Forderung durch die Klägerin rechtlich nicht möglich ist, kann es sich nur um einen abgeleiteten Rechtserwerb gehandelt haben. Ein solcher vermag aber die Rechtsnatur des übergegangenen Anspruches nicht zu verändern. Handelte es sich daher bei der Forderung auf Bezahlung der Lehrlingsentschädigung gemäß § 51 Abs. 1 Z. 2 lit. a KO um eine solche, die unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen als Konkursforderung 1. Klasse anzusehen ist, dann bleibt ihr diese Forderungsqualität auch in der Rechtszuständigkeit der Klägerin erhalten.

Es besteht in der Lehre (Adler - Höller in Klang[2] V, 157; Mayer - Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 64; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 1971, 24, 26 f.) und in der Rechtsprechung (Arb. 5863, 9083 u. a.) Einigkeit darüber, daß das Lehrverhältnis ungeachtet seines Ausbildungszweckes als Dienstverhältnis anzusehen ist. Lehrlingen kommt dabei die Eigenschaft von Dienstnehmern zu (Berger - Rohringer, Berufsausbildungsgesetz, 3 f.). Die ihnen gemäß § 17 Abs. 1 des Berufsausbildungsgesetzes gebührende Lehrlingsentschädigung, zu deren Bezahlung der Lehrherr als Dienstgeber verpflichtet ist, ist Entgelt im arbeitsrechtlichen Sinne, wie sich schon aus der Verwendung dieses Begriffes in den Abs. 1, 3, 4 und 6 des § 17a leg. cit. ergibt und auch vom OGH (SozM I C, 71) sowie vom Verwaltungsgerichtshof (SozM I D, 350) anerkannt wurde. Es besteht demnach kein Zweifel daran, daß Forderungen auf Bezahlung der Lehrlingsentschädigung als Dienstnehmerforderungen auf laufende Dienstbezuge im Sinne des § 51 Abs. 1 Z. 2 lit. a KO anzusehen sind, wenn sie im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung über das Vermögen des gemeinschuldnerischen Lehrherrn oder vor seinem Ableben entstanden sind und nicht gemäß § 46 KO Masseforderungen sind oder als solche gelten.

Da diese Voraussetzungen hier gegeben sind, ist das Klagebegehren berechtigt, weshalb in Stattgebung der Revision der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen ist.

Anmerkung

Z50092

Schlagworte

Lehrlingsentschädigung, Begriff der -, Lehrverhältnis als Dienstverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00308.77.0621.000

Dokumentnummer

JJT_19770621_OGH0002_0050OB00308_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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