Norm
Vertragsbedtenstetengesetz §4Kopf
SZ 50/95
Spruch
Auch dem nicht vollbeschäftigten Vertragsbediensteten steht gemäß § 35 VBG ein Anspruch auf Abfertigung zu. § 36 VBG soll nur jene Fälle erfassen, die infolge ihrer besonderen Lage den zwingenden Normen des Vertragsbedienstetengesetz nicht ohne weiters eingeordnet werden können und daher einer abweichenden Sonderregelung bedürfen; er schafft aber keineswegs eine allgemeine Möglichkeit, zwingende Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetengesetzes durch den Abschluß von Sonderverträgen hinfällig zu machen
OGH 28. Juni 1977, 4 Ob 88/77 (LG Eisenstadt 13 Cg 2/77; ArbG Eisenstadt Cr 14/76)
Text
Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 42 892.40 S als Abfertigung und brachte vor, er sei seit 1. April 1946 als Polizeiarzt Vertragsbediensteter der Republik Österreich gewesen. Mit Schreiben vom 16. Juli 1975 habe die Bundespolizeidirektion Eisenstadt sein Dienstverhältnis gemäß § 32 Abs. 2 lit. i VBG 1948 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Wirkung vom 31. Dezember 1975 gekundigt, ihm aber unter Berufung auf Punkt 15 des Sondervertrages vom 25. April 1968 die Abfertigung verweigert. Sie stehe ihm in der Höhe von 12 Monatsbezügen (von zuletzt 3565.20 S) zu.
Die beklagte Republik Österreich bestritt das Klagsvorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und bestritt, daß der Kläger seit 1. April 1946 Vertragsbediensteter der Republik Österreich gewesen sei. Sein Dienstverhältnis habe auf Grund eines Sondervertrages nach § 36 VBG 1948 erst am 1. April 1968 begonnen. Der Kläger habe auf die Abfertigung verzichtet, denn der rechtsgültige Sondervertrag sehe in Punkt 15 vor, daß "eine Abfertigung anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses außer Betracht bleibt".
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht stellte nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG - im wesentlichen übereinstimmend mit dem Erstgericht - fest:
Der Kläger trat am 1. April 1946 seinen Dienst als Polizeiarzt des Polizeikommissariates Eisenstadt an, ohne einen schriftlichen Vertrag erhalten zu haben. Am 9. März 1955 wurde das Dienstverhältnis des Klägers durch einen Vertrag, abgeschlossen zwischen dem Bund, vertreten durch den Leiter des Bundespolizeikommissariates Eisenstadt, und dem Kläger schriftlich fixiert. Nach dem Inhalt dieses Vertrages war der Kläger ab 1. Jänner 1955 verpflichtet, nach den jeweils geltenden Vorschriften während 10 Monaten eines Kalenderjahres an 15 oder 16 Tagen je nach Monatsdauer, außerdem während eines Monates eines jeden Kalenderjahres an allen Tagen zur Vertretung des zweiten Polizeiarztes und während dessen Erkrankung den im einzelnen umschriebenen polizeiärztlichen Dienst zu versehen.
Anläßlich des Ausscheidens des zweiten Polizeiarztes wurde mit dem Kläger ein Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 geschlossen. In den Sonderbestimmungen des Punktes 15 dieses Vertrages vom 25. April 1968 verpflichtete sich der Kläger, an einem Arbeitstag pro Kalenderwoche, an jedem 4. Wochenende und darüber hinaus an 30 Tagen pro Kalenderjahr amtsärztlichen Dienst bei der Bundespolizeidirektion Eisenstadt allein zu leisten. Die Entlohnung wurde in einem Prozentsatz des Entgeltes eines vollbeschäftigten Vertragsbediensteten nach § 11 VBG 1948 festgesetzt. Bezüglich des Urlaubsanspruches und der Kündigungsfrist wurden die Bestimmungen des VBG für maßgeblich erklärt und festgestellt, daß eine Abfertigung anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses außer Betracht bleibt". Gemäß Punkt 27 wurde dieser Sondervertrag durch das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Finanzen genehmigt.
Mit Schreiben vom 16. Juli 1975 der Bundespolizeidirektion Eisenstadt wurde das Dienstverhältnis des Klägers altersbedingt gemäß § 32 Abs. 2 lit. i VBG 1948 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit 1. August 1975 gekundigt, so daß er mit Ablauf des 31. Dezember 1975 aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist. In diesem Kündigungsschreiben wurde der Kläger auch daran erinnert, daß ihm laut Sondervertrag eine Abfertigung nicht zustehe. Das Dienstverhältnis des Klägers als Polizeiarzt war vom 1. April 1946 bis 31. Dezember 1975 ohne Unterbrechung aufrecht. Im Dezember 1975 erhielt der Kläger für seine polizeiliche Tätigkeit 3565.20 S netto ausgezahlt.
Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger bis zum Abschluß des Sondervertrages im Jahre 1968 bereits 22 Jahre als Vertragsbediensteter bei der beklagten Partei tätig war und hinsichtlich eines Abfertigungsanspruches die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes galten. Durch den Sondervertrag seien Arbeitszeit und Entlohnung neu geregelt, aber kein "Sonderfall" geschaffen worden, der eine Sonderregelung zu Ungunsten des Dienstnehmers in der Frage der Abfertigung gerechtfertigt hätte. Es wäre unbillig und widerspräche den Grundsätzen des Arbeitsrechtes, den wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmer während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses durch die Unterfertigung eines neuen Vertrages zu einem Verzicht auf die bereits erworbene Anwartschaft auf Abfertigung zu bestimmen. Für einen solchen Verzicht habe der Kläger keinen Anlaß gehabt. Die Bestimmung des § 40 AngG, wonach der Abfertigungsanspruch eines Angestellten durch Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden könne, sei zwar entgegen der Meinung des Erstgerichtes nicht unmittelbar, aber doch sinngemäß auch für Vertragsbedienstete anzuwenden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Kläger nicht hauptberuflich, sondern nebenberuflich bei der beklagten Partei beschäftigt gewesen sei; dies wirke sich lediglich auf die Höhe des Entgeltes und damit auch auf die Höhe der Abfertigung aus. Für ein weiteres Abgehen von den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes zu Ungunsten des Klägers habe § 36 VBG keine Grundlage geboten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die beklagte Partei macht im wesentlichen geltend, daß die Bestimmung des Sondervertrages vom 25. April 1968: "Eine Abfertigung anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses bleibt außer Betracht", die Vereinbarung eines Ausschusses einer Abfertigung auch im Fall einer Kündigung durch den Dienstgeber darstelle und diese Vereinbarung gemäß § 36 VBG wirksam gewesen sei, weil Ausmaß und Art der Beschäftigung des Klägers vom Normalfall des Vertragsbedienstetengesetzes so sehr abwichen, daß ein ausreichender Grund gegeben gewesen sei, von der Regelung des § 35 VBG über den Abfertigungsanspruch abzugehen.
Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden.
Der OGH hat bereits in der schon vom Erstgericht bezogenen Entscheidung Arb. 8160 (später auch in Arb. 9062) unter Hinweis insbesondere auf den Motivenbericht zu § 36 VBG (544 BlgNR, V. GP) dargelegt, daß diese Gesetzesstelle zwar die Möglichkeit des Abgehens von Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 eröffne, aber diese Möglichkeit nur für einen Ausnahmefall gegeben sei. Diese Gesetzesstelle schaffe keineswegs eine Generalklausel dafür, zwingende Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetengesetzes hinfällig zu machen, sondern die Möglichkeit, den Fällen gerecht zu werden, in denen die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes den besonderen Umständen des Falles nicht entsprechen können, wobei in erster Linie die Vereinbarung eines besonderen Entgeltes in Frage komme. Es wurde betont, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 36 VBG nach dessen Wortlaut und den Ausführungen des Motivenberichtes dazu bloß jene Fälle erfassen wollte, die infolge der besonderen Lage im Einzelfall den zwingenden Normen des Vertragsbedienstetengesetzes nicht ohne weiters eingeordnet werden können und daher einer abweichenden Sonderregelung bedürfen; es dürfe aber in einem an und für sich normalen Fall, in welchem die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 entsprechen und die Entlohnungsvorschriften angemessen sind, ein dem Vertragsbediensteten bereits erwachsener Anspruch nicht auf den Umweg über einen "Sondervertrag" ganz oder teilweise beseitigt werden. Dieser Grundsatz muß nicht nur dafür gelten, ob in einem bestimmten Fall ein Sondervertrag überhaupt zulässig ist, sondern auch dafür, wie weit dieser von den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 abgehen kann. Auch die Abweichung muß durch die Besonderheit des bestimmten Falles begrundet sein und wird durch diese begrenzt.
Im vorliegenden Fall lag die Besonderheit allein darin, daß der Kläger nicht voll beschäftigt war. Daß der Kläger als Amtsarzt und nicht als Verwaltungsbeamter tätig war, rechtfertigt ebensowenig eine unterschiedliche Behandlung in dienstrechtlicher Hinsicht wie der Umstand, daß diese Tätigkeit nicht sein Hauptberuf war. Die Art der Tätigkeit hat Auswirkungen auf die im vorliegenden Fall unstrittige Einstufung, nicht aber auf die Entlohnungsansprüche (einschließlich der Abfertigungsansprüche) auf der Grundlage dieser Einstufung. Ob ein nicht voll beschäftigter Vertragsbediensteter noch eine andere Tätigkeit ausübt, ist für die ihm auf Grund seiner Tätigkeit als Vertragsbediensteter gegenüber dem Dienstgeber aus dem Dienstverhältnis zustehenden Rechte belanglos.
Der Möglichkeit, daß ein Vertragsbediensteter nicht voll beschäftigt ist, hat das Vertragsbedienstetengesetz bereits gedacht. So bestimmt § 4 Abs. 2 lit. e VBG 1948, daß der Dienstvertrag eine Bestimmung darüber zu enthalten hat, ob der Vertragsbedienstete während der vollen täglichen Arbeitszeit oder nur während eines Teiles derselben beschäftigt werden soll. In § 21 dieses Gesetzes wird bestimmt, daß der nicht vollbeschäftigte Vertragsbedienstete den der Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgeltes und der Haushaltszulage erhält. Nach § 32 dieses Gesetzes verlängert sich die Dauer des Dienstverhältnisses, nach deren Ablauf dem Vertragsbediensteten nur mehr schriftlich und mit Angabe eines Gründes gekundigt werden kann, von einem auf zwei Jahre, wenn die Wochenarbeitszeit weniger als die Hälfte der für einen vollbeschäftigten Vertragsbediensteten vorgeschriebenen Arbeitszeit beträgt. Dennoch bestimmt § 35 VBG 1948, daß "dem Vertragsbediensteten" beim Ende des Dienstverhältnisses nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Abfertigung "gebührt". Die Abfertigung steht mangels einer Einschränkung dieser Bestimmung auf vollbeschäftigte Vertragsbedienstete und mangels einer Anführung der nicht vollbeschäftigten Vertragsbediensteten bei den Ausnahmebestimmungen grundsätzlich auch den nicht vollbeschäftigten Vertragsbediensteten zu. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber keinen Grund sah, die nicht vollbeschäftigten Vertragsbediensteten hinsichtlich des Abfertigungsanspruches schlechter zu behandeln als die vollbeschäftigten Vertragsbediensteten, sondern die sich aus der Höhe des monatlichen Entgeltes, das die Grundlage für die Berechnung der Höhe der Abfertigung darstellt (§ 35 Abs. 4 VBG 1948), ergebende Verringerung der Abfertigung als ausreichend ansah, der Tatsache, daß der Vertragsbedienstete nicht vollbeschäftigt war, Rechnung zu tragen. Daraus folgt aber auch, daß eine Sonderregelung eines Vertrages nach § 36 VBG, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nur wegen des geringeren Beschäftigungsumfanges notwendig wurde, hinsichtlich des Abfertigungsanspruches nur bezüglich des Monatsentgeltes gerechtfertigt ist, den Abfertigungsanspruch an sich aber weder beseitigen noch beschränken darf. Die Bestimmung des Sondervertrages, daß eine Abfertigung anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses außer Betracht bleibe, verletzt daher zwingendes Recht des Vertragsbedienstetengesetzes und ist durch § 36 VBG nicht gedeckt und somit ungültig.
Anmerkung
Z50095Schlagworte
Abfertigungsanspruch gemäß § 35 VBG auch für nicht vollbeschäftigte VBEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00088.77.0628.000Dokumentnummer
JJT_19770628_OGH0002_0040OB00088_7700000_000