Norm
EO §200 Z1Kopf
SZ 50/117
Spruch
Auch der betreibende Gläubiger, der selbst einen Übernahmsantrag nach § 200 Z. 1 EO stellte, ist berechtigt, einem anderen Übernahmsantrag mit günstigerem Anbot, der jedoch seine Ansprüche nicht unzweifelhaft vollständig deckt, nicht zuzustimmen
OGH 13. September 1977, 3 Ob 86/77 (KG St. Pölten R 299/77; BG Amstetten E 12/76)
Text
Die betreibende Partei brachte am 7. April 1977 einen Übernahmsantrag (§ 200 Z. 1 EO) ein. Ein weiterer Übernahmsantrag wurde am folgenden Tag beim Erstgericht von Josef und Gisela E eingebracht. In letzterem Antrag wurde um 5000 S mehr geboten als im Antrag der betreibenden Partei.
Bei der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die beiden Übernahmsanträge erklärte die betreibende Partei, dem Übernahmsantrag des Josef und der Gisela E zu widersprechen, die mit einem wesentlichen Teil ihrer Forderung durch den Übernahmspreis nicht gedeckt sei; im übrigen beabsichtige sie, bei der Versteigerung der Liegenschaft selbst mitzubieten und dabei ein Anbot bis zu 700 000 S abzugeben, um die eigene Forderung "zu retten". Die betreibende Partei wäre darüber hinaus auch bereit, ihren Übernahmsantrag, vorbehaltlich der gesetzlichen Zulässigkeit, entsprechend zu erhöhen. Im übrigen vertrat die betreibende Partei die Auffassung, daß ihr Übernahmsantrag zu bewilligen sei, weil sie gegen den Übernahmsantrag des Josef und der Gisela E Widerspruch erhoben hätte.
Das Erstgericht wies den Übernahmsantrag der betreibenden Partei ab und genehmigte den Übernahmsantrag des Josef und der Gisela E. Das Erstgericht vertrat hiezu im wesentlichen die Ansicht, der Widerspruch der betreibenden Partei gegen den Übernahmsantrag des Josef und der Gisela E sei unbeachtlich, weil die betreibende Partei selbst einen Übernahmsantrag gestellt habe.
Infolge Rekurses der betreibenden Partei änderte das Rekursgericht den dem Übernahmsantrag bewilligenden Teil des Beschlusses des Erstgerichtes dahin ab, daß auch der Übernahmsantrag des Josef und der Gisela E abgewiesen wurde, weil durch den von ihnen gebotenen Übernahmspreis der vollstreckbare Gesamtanspruch des betreibenden Gläubigers unzweifelhaft nicht gedeckt sei und dieser betreibende Gläubiger dem Übernahmsantrag nicht zugestimmt habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem als zulässig erkannten (EvBl. 1977/74) Revisionsrekurs des Josef und der Gisela E nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Frage wie vorzugehen ist, wenn mehrere rechtzeitige und zulässige Übernahmsanträge nach § 200 Z. 1 EO gestellt werden, und insbesondere welche Bedeutung es hat, wenn sich unter den Übernahmswerbern auch eine auf das Meistbot gewiesene Person befindet, deren Gesamtanspruch durch keinen der von den anderen gebotenen Übernahmspreise unzweifelhaft vollständig gedeckt ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (Mat. I, 523) enthält die im § 200 Z. 1 EO festgelegte Vorgangsweise (Übernahmsantrag) "den Charakter eines Vergleiches, gegen dessen Zulassung wohl kaum Einwendungen erhoben werden können; es werde zugleich damit dem vorgebeugt, daß einzelne der Beteiligten durch einen solchen während des Versteigerungsverfahrens sozusagen aus freier Hand vorgenommenen Verkauf benachteiligt würden". Es ist daher die oben gestellte Frage dahin zu beantworten, daß auch bei Vorliegen mehrerer an sich dem Gesetz entsprechender Übernahmsanträge jede Benachteiligung eines Beteiligten, zu welchen zweifellos auch der Verpflichtete gehört, ausgeschaltet werden muß. Bei Vorliegen mehrerer Übernahmsanträge wird daher derjenige zu genehmigen sein, der das günstigste Anbot enthält. Dieses wird in der Regel das höchste sein (Czoernig, Vorlesungen über die Exekutionsordnung, 189; Pollak, System[2], 992; vgl. auch Heller - Berger - Stix, 1779 zum gleichgelagerten Fall des § 271 EO). Es ist allerdings nicht der Meinung Pollaks (a. a. O.) beizupflichten, auf die sich der Revisionsrekurs ausdrücklich beruft, daß bei einer Mehrheit von Übernahmsanträgen die Zustimmung der "Interessenten" ohne Bedeutung sei. Diese Auffassung läßt außer acht, daß nach § 200 Abs. 1 EO jeder auf das Meistbot gewiesenen Person, die zur Verhandlung über den Übernahmsantrag erschienen ist und deren Ansprüche durch den Übernahmspreis nicht unzweifelhaft vollständig gedeckt sind, das Recht zusteht, das Anerbieten abzulehnen, wobei es auf den Grund der Ablehnung nicht ankommt. Dieses Recht muß auch bei Vorliegen mehrerer Übernahmsanträge gewahrt bleiben. Es darf demnach kein Übernahmsantrag genehmigt werden, der von einem nach den Bestimmungen des § 200 Z. 1 EO hiezu Berechtigten abgelehnt wurde.
Es kann aber auch nicht der im Revisionsrekurs vertretenen Rechtsansicht beigepflichtet werden, daß die Stellung eines Übernahmsantrages durch einen auf das Meistbot gewiesenen Zustimmungsberechtigten als Zustimmung zu anderen Übernahmsanträgen aufzufassen sei. Es bleibt vielmehr auch nach Stellung eines eigenen Übernahmsantrages Sache des Zustimmungsberechtigten, im Sinne des § 200 Z. 1 EO zu entscheiden, ob er einem anderen günstigeren Übernahmsantrag, der die Genehmigung des eigenen Antrages ausschließt, zustimmt oder nicht, was dazu führt, daß bei Ablehnung des anderen Übernahmsantrages keiner der beiden Übernahmsanträge genehmigt werden darf, wie dies auch im vorliegenden Fall zutreffend geschehen ist.
Anmerkung
Z50117Schlagworte
Übernahmsanträge, mehrere nach § 200 Abs. 1 EOEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00086.77.0913.000Dokumentnummer
JJT_19770913_OGH0002_0030OB00086_7700000_000