TE Vfgh Erkenntnis 2001/6/20 B2032/99

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Veröffentlicht am 20.06.2001
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
BAO §22
LiebhabereiV 1993 BGBl 33
UStG 1972 §2 Abs5 Z2

Leitsatz

Verfassungswidrige Gesetzesauslegung bei Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund Einstufung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Liebhaberei mit dem Ertragsteuerrecht entnommenen Argumenten; sachliche Notwendigkeit der unterschiedlichen Fassung des Liebhabereibegriffs im Ertragsteuer- und im Umsatzsteuerrecht; Wertschöpfung nicht Voraussetzung der Umsatzsteuerpflicht

Spruch

I. Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Umsatzsteuer 1985 bis 1992 betrifft, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien die mit 21.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Soweit sich die Beschwerde gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1986 bis 1991 wendet, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die angefochtene Berufungsentscheidung betrifft die Umsatzsteuer 1985 bis 1993 und die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1986 bis 1991 und beurteilt die auf Vermietung eines umzubauenden Hotels an eine Betriebsgesellschaft (die ihrerseits Nutzungsrechte an eine Gesellschaft vergibt, welche diese einer sogenannten Time-sharing-Gesellschaft für Beherbergungsverträge mit Interessenten überläßt) gerichtete Betätigung als Liebhaberei; nur der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1993 wird Folge gegeben. Die geltend gemachten Verluste seien durch den Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des §22 BAO aufgelaufen und sowohl nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnung 1990 wie auch nach dieser Verordnung (und übrigens auch nach der Liebhabereiverordnung 1993) sei das Vorliegen einer Einkunftsquelle zu verneinen. Ein Gesamteinnahmenüberschuß sei in einem angemessenen Zeitraum nicht erzielbar, die gesamte Betriebsführung sei objektiv nicht darauf angelegt und solle subjektiv (nur) dem Aufbau einer Wertanlage bzw. dem Erzielen steuerfreier Veräußerungsgewinne dienen. Demzufolge sei auch im Bereich der Umsatzsteuer von Liebhaberei auszugehen. Da die Betätigung allerdings nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als solche nach §1 Abs1 der Verordnung 1993 angesehen werden müsse, könne sie nach §6 dieser Verordnung nicht auch (für dieses Steuerjahr) als Liebhaberei im Sinne des §2 Abs5 Z2 UStG 1972 angesehen werden.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Gesellschaft, der Treuhandgesellschaft und der Treugeber rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums und die Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§2 Abs5 Z2 UStG 1972) bzw. einer gesetzwidrigen Verordnung (nämlich von Teilen der §§1 und 2 Liebhabereiverordnung 1990).

In ihrer Gegenschrift legt die belangte Behörde unter anderem - über diesbezügliche Anregung des Verfassungsgerichtshofs - näher dar, warum sie der in RdW 1993, S 385, veröffentlichten Rechtsmeinung des Bundesministers für Finanzen, daß die Anordnung des §6 Liebhabereiverordnung 1993, wonach Liebhaberei im Umsatzsteuerrecht nur bei Betätigungen im Sinne des §1 Abs2 der Verordnung anzunehmen sei, der Sache nach für alle nicht rechtskräftigen Veranlagungsfälle, also auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Verordnung Geltung habe, nicht folgen könne (Hervorhebungen im Original):

"Zu dieser Frage hat der VwGH (für Zeiträume vor 1990) wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der für das Einkommensteuerrecht entwickelte Begriff der Liebhaberei auch im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich von Bedeutung ist. Liebhaberei ist demgemäss anzunehmen, wenn aus einer Betätigung Einnahmenüberschüsse überhaupt nicht erwirtschaftet werden können (Kriterium:

Ertragsfähigkeit innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes - zB VwGH 9.5.1995, 95/14/0001). Zwar ist bei Tätigkeiten die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach (scheinbar) einen Gewerbebetrieb darstellen, nur in Ausnahmefällen Liebhaberei anzunehmen. Weisen aber Indizien darauf hin, dass ein Gesamtgewinn in einem überschaubaren Zeitraum nicht anzunehmen ist, so kann auch bei diesen Betrieben vom Vorliegen von Liebhaberei ausgegangen werden.

Für den Berufungssenat lagen keine Gründe vor, die es gerechtfertigt hätten, die ständige Rechtsprechung des VwGH (für die Jahre vor 1990) zu negieren. Umso mehr, als der gegenständliche Betrieb zwar (formal) nicht in die Kategorie der (in den späteren Liebhabereiverordnungen so bezeichneten) typischen Liebhabereibetriebe (§1 Abs2 der LVO) fällt, sich aber durch seine Ausgestaltung dermaßen einem solchen annähert, dass grundsätzlich vom Nichterreichen eines Gesamtüberschusses ausgegangen werden muss. Aus diesem Grund war bis 1989 und auch für 1990 bzw. 1991 von einem Liebhabereibetrieb im umsatzsteuerlichen Bereich auszugehen."

Die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung bestehe nicht:

"Zwar richtet sich dieses Postulat an jedes rechtsanwendende Organ und daher auch an die Abgabenbehörden. Voraussetzung für eine derartige Auslegung ist allerdings, dass ein Widerspruch in Bezug auf eine Verfassungsbestimmung vorliegt. Derartiges ist aber nicht zu erkennen. Die in den strittigen Jahren vorgeschriebene Umsatzsteuer kann durch einfache Korrektur der Rechnung (auch nachträglich) rückgängig gemacht werden. Der einzige 'Nachteil' der beschwerdeführenden Firma besteht somit darin, dass die Vorsteuern aus den Anfangsinvestitionen und den von den anderen Konzernfirmen verrechneten Leistungen nicht abzugsfähig sind. Dies ist aber kein 'Nachteil' der die Verfassungssphäre berührt. Zum einen wäre es in der Dispositionsmöglichkeit der Steuerpflichtigen gelegen gewesen, die Vermietung so zu gestalten, dass in absehbarer Zeit ein Gesamtüberschuss erkennbar war. Entschließt sich aber ein Steuerpflichtiger die Tätigkeit nach Art einer Liebhabereibetätigung zu entfalten, so muss er auch die Konsequenzen seines Entschlusses tragen. Zum anderen ist ein Unternehmer, der einkommensteuerlich zu Recht als Liebhabereibetrieb eingestuft wird, steuerlich ein anderer als jener, der seine Vermietung mit Überschusserzielungsabsicht führt. Der überschussorientierte Unternehmer weist regelmäßig eine Wertschöpfung aus, die zu einer Umsatzsteuerleistung führt, welche höher ist als die Vorsteuer. Beim Liebhabereibetrieb dagegen sind die Vorsteuern meist um ein Vielfaches höher, als die auf die Umsätze entfallenden Steuern. Wenn diese unterschiedlichen Unternehmensformen daher unterschiedlich behandelt werden, so liegt darin noch keine gegen Verfassungsgrundsätze verstoßende Ungleichheit.

§2 Abs5 Zi 2 UStG ist auch nicht verfassungswidrig. Schließlich hat selbst der Verwaltungsgerichtshof, der eine Aufhebung der Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit beantragen könnte, niemals deren Verfassungsmäßigkeit bezweifelt. Die belangte Behörde schließt sich der Rechtsansicht des VwGH an.

Was den Bezug auf §6 der Liebhabereiverordnung betrifft, so ist diese mit 1.1.1993 in Kraft getreten und im Anwendungsbereich der Umsatzsteuer auf Tatbestände ab 1.1.1993 anzuwenden (Klaus Hilber, Kurzkommentar zur Liebhabereiverordnung, Ergänzungsband 1998, Seite 81), die bezeichnete Regelung kann keine rückwirkende Bindungswirkung für vergangene Zeiträume entfalten. An entgegenstehende Rechtsmeinungen ist der erkennende Berufungssenat nicht gebunden. Gerade die Anwendung auf offene Fälle (und damit der Ausschluss der Regelung für alle bereits abgeschlossenen Verfahren) würde außerdem den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzen, würden doch Steuerpflichtige mit denselben Tatbeständen je nach Stand des Verfahrens unterschiedlich behandelt werden. Die Nichtanwendung der Begünstigung kann auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützt werden, da die Verordnung eine klare Regelung betreffend den Geltungszeitpunkt enthält und der Steuerpflichtige schon aus diesem Grund von einer rückwirkenden Geltung nicht ausgehen kann.

Im Übrigen kann auch der Auffassung nicht gefolgt werden, dass die Regelung des §6 LVO II schon in den Vorjahren aus den (jeweiligen) Gesetzestexten (in verfassungskonformer Interpretation) herausgelesen werden muss. Die belangte Behörde ist vielmehr der Auffassung, dass die in §6 LVO II geregelte Begünstigung nicht aus dem Gesetz hervorgeht sodass dessen Gesetzmäßigkeit zweifelhaft erscheint. Eine derartige (allgemeine) Begünstigung kann dem Wortlaut des §2 Abs5 Zi 2 UStG 1972 bzw. 1994 nämlich nicht entnommen werden. Zudem besteht ein Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach - zwar nicht generell - aber in Einzelfällen auch bei §1 Abs1 - Betrieben von Anfang an feststehen kann, dass diese in absehbarer Zeit niemals einen Gesamtüberschuss erzielen können. Zumindest in diesen Fällen müsste auch - jedenfalls wenn derartige Gestaltungen von vorneherein (wie im Beschwerdefall) - angestrebt werden, im Umsatzsteuerbereich von Liebhaberei ausgegangen werden. Die Gesetzmäßigkeit des §6 de LVO II erscheint daher zweifelhaft, weil er diese (vom VwGH wiederholt vertretene) ertragsteuerliche Differenzierung im Umsatzsteuerbereich nicht berücksichtigt und grundsätzlich für alle §1 Abs1 - Betriebe das Nichtvorliegen von Liebhaberei normiert. Nach dem vorab Gesagten müsste nach Ansicht der belangten Behörde im §6 LVO zumindest eine Zweiteilung geregelt sein."

Der zur Stellungnahme auch insbesondere hiezu eingeladene Bundesminister für Finanzen hält der belangten Behörde entgegen:

"§2 Abs1 Z2 UStG 1972 war nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen für Zeiträume vor Wirksamkeit des §6 der L-VO II verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass von der genannten Norm nur Betätigungen erfasst waren, die im Sinne der Typologie der Liebhabereiverordnung solche im Sinne des §1 Abs2 darstellen. Diese Beurteilung wird insbesondere von den von Ruppe, UStG2, §2, Tz 241ff, dargestellten Argumenten getragen, wonach ein rein erfolgsabhängiger Liebhabereibegriff mit der gesetzlichen Umschreibung in §2 Abs1 letzter Satz UStG nicht in Einklang zu bringen ist.

Das Bundesministerium für Finanzen hat seine - an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientierte - noch in AÖF 187/1990 vertretene Auffassung, wonach der im Einkommensteuerrecht entwickelte Begriff 'Liebhaberei' grundsätzlich auch im Umsatzsteuerrecht gültig sei, im (zur L-VO II ergangenen) Erlass AÖF 178/1993 nicht mehr aufrecht erhalten.

Den von der belangten Behörde zur Stützung ihres Standpunktes vorgebrachten Argumenten ist entgegenzuhalten, dass es bei Konzeption der Umsatzsteuer als Einkommensverwendungssteuer nicht sachgerecht ist, die Erfolgssituation des leistenden Unternehmers zum Kriterium der Steuerbelastung zu machen (vgl. Ruppe, aaO, §2, Tz 245 mwH). Vor diesem Hintergrund stellt die aus einem erfolgsabhängigen umsatzsteuerrechtlichen Liebhabereibegriff resultierende Ungleichbehandlung von Unternehmern, je nachdem ob die unternehmerische Tätigkeit einen Gewinn abwirft oder nicht, jedenfalls und damit ungeachtet des Umstandes, in welcher Weise und auf welchen Zeithorizont hin der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit unter Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung anlegt, eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar, sodass die von der belangten Behörde zur Stützung ihres Standpunktes vorgebrachten Argumente, die auf eine rechtfertigende Differenzierung zwischen Liebhabereitätigkeiten und 'Nichtliebhabereitätigkeiten' hinausläuft, von vornherein nicht tragkräftig sind. Aus demselben Grund kann es auch nicht von Bedeutung sein, ob der keine Liebhaberei entfaltende Unternehmer 'regelmäßig eine Wertschöpfung ausweist, die zu einer Umsatzsteuerleistung führt'.

Der richtige Kern der Vorschrift des §2 Abs5 UStG ist die Ausklammerung von Tätigkeiten, die - wirtschaftlich gesehen - der Konsumsphäre (dem Endverbrauch von Leistungen) zuzuordnen sind, aus dem Unternehmerbegriff (Ruppe, aaO, §2, Tz 248), wie das - klarstellend - §6 der L-VO II vorsieht. Da diese - die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Teil korrigierende - Sichtweise des §2 Abs5 UStG aus den genannten Gründen bereits vor Inkrafttreten der L-VO II im Wege verfassungskonformer Interpretation gewonnen werden kann und - zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse - auch gewonnen werden muss, erübrigt es sich mangels Relevanz, auf die unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Grundsatz von Treu und Glauben gemachten Ausführungen der belangten Behörde einzugehen."

Die Beschwerdeführer haben auf die Gegenschrift repliziert.

Die belangte Behörde ist der Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen in einer Ergänzung der Gegenschrift entgegengetreten.

II. Was die ertragsteuerrechtliche Seite des angefochtenen Bescheides anlangt, wären die behaupteten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes oder der darauf gestützten Verordnungen. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen. Soweit aber die Gesetzwidrigkeit der Liebhabereiverordnungen gerügt (und die Aufhebung der Liebhabereiverordnung 1990 angeregt) wird, läßt das Vorbringen vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs angesichts der Möglichkeit einer am unbenklichen Gesetzeszweck orientierten Auslegung die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausgenommen ist, lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde insoweit ab (Art144 Abs2 B-VG).

III. Was hingegen die Umsatzsteuer betrifft, ist die Beschwerde im Recht.

1. Der Umsatzsteuer unterliegen Umsätze von Unternehmern (§1 UStG). Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, wobei gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ist, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§2 Abs1 UStG). Nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gilt unter anderem eine Tätigkeit, die "auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (Liebhaberei)" (§2 Abs5 Z2 UStG). Der Begriff der Liebhaberei grenzt somit im Umsatzsteuerrecht nicht wie im Ertragsteuerrecht Einkunftsquellen von anderen Betätigungen, sondern die unternehmerische Tätigkeit von der Konsumsphäre (dem Endverbrauch) ab.

Wenngleich also einer Tätigkeit, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse erzielt, auch der Charakter einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit nicht abgesprochen werden kann, ist doch das (vorhersehbare) Fehlen oder Ausbleiben solcher Ergebnisse nach Sinn und Zweck der Umsatzsteuer nicht als solches, sondern nur als Anhaltspunkt für das Vorherrschen persönlicher Interessen und Neigungen unter dem bloßen Schein einer unternehmerischen Betätigung von Bedeutung, wie dies eben "bei einer gepachteten Jagd, bei einem Rennstall und ähnlichen Einrichtungen" (so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 60 BlgNR 16. GP, S 6) leicht der Fall sein kann. Wo hingegen nicht das Überwiegen der Konsumsphäre in Rede steht, ist der Grund für das Fehlen des Gewinnstrebens gleichgültig (§2 Abs1 UStG). Andernfalls würden gleiche - nicht zu Gewinnen führende - Betätigungen steuerlich unterschiedlich behandelt. Es ist daher sachlich notwendig, den Begriff der Liebhaberei im Umsatzsteuerrecht anders zu fassen als im Ertragsteuerrecht, und es wäre unsachlich, für die Abgrenzung zwischen unternehmerischer Tätigkeit und Konsumverhalten auf die Erfordernisse der Einkommensbesteuerung abzustellen. Der Versuch der belangten Behörde, einen Zusammenhang zwischen der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung und dem Fehlen einer Wertschöpfung herzustellen, die zu einem Überschuß der abgeführten Umsatzsteuer über die Vorsteuern führe, scheitert daran, daß eine solche Wertschöpfung - anders als der Gewinn bei der Einkommensbesteuerung - nicht Voraussetzung der Umsatzsteuerpflicht ist.

Der Verfassungsgerichtshof teilt somit die auf näher angeführte Meinungen im Schrifttum gestützte Auffassung des Bundesministers für Finanzen im mehrfach bezogenen Erlaß und seiner Stellungnahme in diesem Verfahren, daß die in §6 der Liebhabereiverordnung 1993 enthaltene Klarstellung, Liebhaberei sei im Umsatzsteuerrecht nur bei Betätigung im Sinne des §1 Abs2 anzunehmen (wenn also die Verluste aus der Bewirtschaftung von Gütern entstehen, die sich nach der Verkehrsauffassung im besonderen Maß für die Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen oder aber aus Tätigkeiten folgen, die typischerweise auf eine solche Neigung zurückzuführen sind), nur ausdrückt und konkretisiert, was §2 Abs5 Z2 UStG in verfassungskonformer Auslegung schon immer zu entnehmen war.

Daß die in Rede stehende Tätigkeit §1 Abs1 der Liebhabereiverordnung 1993 unterfällt und eine unternehmerische Betätigung darstellt, räumt die Behörde selbst ein. Wenn sie daher die Anwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes (unter Berufung auf §2 Abs5 Z2 UStG 1972) für die Zeit vor dessen Inkrafttreten mit Argumenten verneint, die dem Ertragsteuerrecht entnommen und das Ergebnis mehrjähriger Beobachtung des Geschehens sind, verletzt sie die beschwerdeführenden Parteien in den geltend gemachten Grundrechten. Daran vermag weder ihr Hinweis auf die Möglichkeit, durch anderes Vorgehen einen Gesamtüberschuß zu erzielen, noch der Vergleich mit rechtskräftig (aber eben falsch) entschiedenen Fällen etwas zu ändern.

Der angefochtene Bescheid ist daher in Ansehung der Umsatzsteuer für 1985 bis 1992 aufzuheben.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 Satz 1 VerfGG).

IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG und trägt dem nur teilweisen Erfolg der Beschwerde Rechnung. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.375 S enthalten.

Schlagworte

Einkommensteuer, Finanzverfahren, Umsatzsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B2032.1999

Dokumentnummer

JFT_09989380_99B02032_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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