TE OGH 1977/12/13 5Ob695/77

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Veröffentlicht am 13.12.1977
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Norm

ABGB §1394
Wechselgesetz Art17
Wechselgesetz Art19 Abs2
ZPO §557

Kopf

SZ 50/162

Spruch

Die Übertragung eines Wechsels an den Gläubiger zur Besicherung einer Forderung kann sowohl auf wechselmäßige als auch auf rein zivilrechtliche Art geschehen. Wird der Wechsel zur Besicherung im Wege der Blankobegebung übertragen, handelt es sich im Zweifel um eine versteckte wechselmäßige Pfandindossierung. Es kann sich aber auch um eine wechselmäßige Sicherungsübereignung handeln. In diesen Fällen hat der Wechselinhaber den Schutz gegen Einwendungen der Wechselschuldner nach Art. 17 bzw. 19 Abs. 2 WG. Schließlich ist auch eine Sicherungsübereignung oder Verpfändung des nicht indossierten Wechsels nach allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen denkbar. In diesen beiden Fällen bestehen keine Beschränkungen für den Schuldner aus dem Wechsel bei Geltendmachung der Einwendungen, die sie gegen die Vormänner der außerwechselmäßigen Rechtswerber haben

Fälle der zulässigen Rückgriffnahme ohne Protesterhebung mangels Zahlung

OGH 13. Dezember 1977, 5 Ob 695/77 (OLG Linz, 5 R 102/77; KG Wels, 6 Cg 331/75)

Text

Die Klägerin hat mit ihrem am 10. Dezember 1973 beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrt, die beiden Beklagten als "Wechselannehmer" zur ungeteilten Hand zur Zahlung der Wechselsumme von 50 000 S samt 6% Zinsen seit 17. Juni 1971 sowie 1/3% Provision und der Kosten mittels Wechselzahlungsauftrages zu verhalten. Zur Begründung dieses Begehrens berief sie sich auf den im Original vorgelegten, vom Zweitbeklagten am 16. Dezember 1970 in W an eigene Order ausgestellten und blanko indossierten, am 16. Juni 1971 in W zahlbaren und vom bezogenen Erstbeklagten angenommenen Wechsel über 50 000 S, der keine Protesterlaßklausel aufweist und auch nicht mangels Zahlung protestiert worden ist. Sie behauptet in dem Antrag, während der Verfallszeit und der Protestfrist im Besitz des Wechsels gewesen zu sein, und leitet daraus ab, daß deshalb die Erhebung des Protestes zu entfallen gehabt habe.

In ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen brachten die Beklagten im wesentlichen vor:

Der Wechsel sei vom Zweitbeklagten ausgestellt und vom Erstbeklagten angenommen worden. Der Zweitbeklagte habe den Wechsel an den Rechtsanwalt Dr. N. N. weitergegeben und dafür die gesamte Wechselvaluta erhalten. Am 16. Juni 1971 habe der Erstbeklagte seine Schuld aus dem Wechsel an den Rechtsanwalt Dr. N. N. bezahlt, ohne von ihm den Wechsel zurückzubekommen; Dr. N. N. habe ihm erklärt, er werde den Wechsel vernichten. Die Klägerin sei keine durch ein ordnungsgemäßes Indossament ausgewiesene Wechsel und sei deshalb als schlechtgläubige Erwerberin des Wechsels anzusehen. Auf alle Fälle habe die Klägerin beim Wechselerwerb bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt und müsse sich deshalb die Einwendung der Zahlung der Wechselschuld an Dr. N. N. gefallen lassen. Sie habe gegenüber Dr. N. N. ausdrücklich auf die klageweise Geltendmachung der Wechselforderung gegen die Beklagten verzichtet und überdies angeblich mit diesem bei Erwerb des Wechsels vereinbart, daß die Wechselforderung nur mit seiner ausdrücklichen Zustimmung gegen die Beklagten geltend gemacht werden dürfe. Daraus gehe deutlich hervor, daß die Klägerin beim Erwerb des Wechsels unter keinen Umständen gutgläubig gewesen sein könne.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht aus im folgenden wiedergegebenen Feststellungen, es habe sich bei der Übergabe des Wechsels durch Dr. N. N. an die Klägerin um eine die materielle Wechselstrenge verhindernde Sondervereinbarung in Form der Zession gehandelt, derzufolge die Klägerin als Zessionarin die Rechtsstellung des Zedenten Dr. N. N. und nicht - wie ein Indossatar - selbständige Wechselrechte erlangt habe. Aus diesem Gründe müsse sich die Klägerin die Einwendung der Darlehensrückzahlung an Dr. N. N. gefallen lassen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte in Stattgebung der Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag mit der Maßgabe als aufrecht erklärte, es werde dem Erstbeklagten als Akzeptanten und dem Zweitbeklagten als Aussteller zur ungeteilten Hand die Zahlung der eingeklagten Wechselsumme von 50 000 S samt 6% Zinsen seit 17. Juni 1971 sowie 1/3% Provision aufgetragen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Geht man von den vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes aus, dann hat der nunmehrige Zweitbeklagte als Aussteller den vom nunmehrigen Erstbeklagten angenommenen Order-eigenen-Wechsel mittels eines Blankoindossaments an Rechtsanwalt Dr. N. N. übertragen, der ihn als Diskonteur erwarb. Ob das dadurch verwirklichte Rechtsgeschäft, das Kausalgeschäft der Diskontierung also, Kauf oder Darfehen war, ist nicht geklärt, ist aber für die Lösung des Falles bedeutungslos, weil auch die Beklagten in ihren Einwendungen, durch deren tatsächlichen Gehalt die sonst allseitige Rechtsprüfungspflicht des Revisionsgerichtes ihre Grenzen hat, von der sachlichen Berechtigung des durch das Blankoindossament des zweitbeklagten Ausstellers und Wechselnehmers legitimierten Wechseldiskonteurs Dr. N. N. ausgehen. Dieser gab - folgt man den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes, soweit sie vom Berufungsgericht übernommen wurden - den Wechsel blanko an die nunmehrige Klägerin, von der er ein Darlehen im Betrage von 60 000 S erhielt, "als Sicherstellung", wie er auf einer gleichzeitig der Klägerin ausgefolgten handschriftlichen Erklärung mit dem Beitritt der "Verbindlichkeit über 50 000 S als Bürge und Zahler" bestätigte. Dr. N. N. verpflichtete sich der nunmehrigen Klägerin gegenüber, das Darlehen in vier bis sechs Wochen gegen Ausfolgung des nun vorliegenden Wechsels zurückzubezahlen. Eine ausdrückliche Klarstellung zwischen der Klägerin und Dr. N. N., welche Bedeutung die Übergabe des Wechsels an die Klägerin haben soll, erfolgte nicht.

Soweit folgte das Berufungsgericht den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes in mangelfreiem Verfahren, so daß nur in diesem Umfang eine rechtliche Beurteilung der Sache möglich ist.

Diesem Sachverhalt zufolge muß angenommen werden, daß die Übergabe des Wechsels durch Dr. N. N. an die Klägerin nur zur Besicherung ihrer Forderung auf Zurückzahlung des ihm zugezählten Darlehens erfolgt ist, so daß die Klägerin nur im Falle der Säumigkeit des Darlehensnehmers Dr. N. N. mit der Darlehenszurückzahlung berechtigt war, zur Verwertung des Wechsels zu schreiten.

Die Übertragung eines Wechsels zur Besicherung einer Forderung an den Gläubiger kann nun aber sowohl auf wechselmäßige als auch auf rein zivilrechtliche Art geschehen (Stranz, WG[14], 151 f.; Baumbach - Hefermehl, WG[11], 183). Von der Art der Besicherung hängt es jedoch entscheidend ab, ob der durch den Wechsel besicherte Gläubiger im Deckungsfall die Forderung aus dem Papier mit dem durch Art. 17, 19 Abs. 2 WG gewährleisteten Schutz gegen die dem Schuldner gegenüber einem Wechselvormann zustehenden Einwendungen geltend machen kann oder nur die Rechte, die demjenigen gegen den Wechselschuldner zukommen, der ihm den Wechsel zur Besicherung einer anderen Forderung übergeben hatte. Die Klärung der Besicherungsart ist für den zur Entscheidung stehenden Fall deshalb unentbehrlich, weil es darauf ankommt, ob die hier beklagten Wechselschuldner - der erstbeklagte Wechselannehmer als Hauptschuldner und der zweitbeklagte Aussteller und Wechselnehmer als Rückgriffsschuldner - der Klägerin mit Erfolg die Einwendung der Zahlung der Wechselforderung an Rechtsanwalt Dr. N. N. entgegensetzen können oder ob die Klägerin gegen diese Einwendung im Rahmen der Art. 17, 19 Abs. 2 WG geschützt ist.

Zunächst und in erster Linie ist die Verpfändung des Wechsels durch den durch das Blankoindossament des zweitbeklagten Wechselausstellers und -nehmers legitimierten Rechtsanwalt Dr. N. N. im Wege der Blankobegebung an die nunmehrige Klägerin in Erwägung zu ziehen. Dieser versteckten Pfandindossierung wäre, obwohl grundsätzlich die Art der Besicherungsübertragung Tatfrage ist, im Zweifelsfall der Vorzug zu geben, da sie als Regelfall angesehen werden kann und dem Sicherungszweck am besten gerecht wird, weil der der Übertragung zugrunde liegende Verpfändungszweck verdeckt wird und dem Pfandgläubiger in bezug auf den Schutz gegen die Einwendungen der Wechselschuldner gemäß Art. 19 Abs. 2 WG die gleiche Rechtsstellung wie dem Wechseleigentümer nach Art. 17 WG zukommt, macht doch auch er wie ein Vollindossatar und Wechseleigentümer eigene Rechte aus dem Papier geltend (Stranz a. a. O., 151 f.; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 63; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 183, 186 f.). Da es in einem solchen Fall auf die Gutgläubigkeit der nunmehrigen Klägerin als Pfandindossatarin im Zeitpunkt ihres Wechselerwerbs ankommt, der am 29. Jänner 1971 stattfand, während die Zahlung der Wechselsumme durch die nun Beklagten an den zu dieser Zeit aus dem Wechsel nicht mehr legitimierten Rechtsanwalt Dr. N. N. erst am 26. April und 16. Juli 1971 erfolgte, könnten die Beklagten schon nach dem Gesetz der Kausalität der Klägerin nicht die Kenntnis der späteren Zahlungen zu dem zeitlich davor liegendem Zeitpunkt des Wechselerwerbs und also bewußtes Handeln zum Nachteil der Schuldner vorwerfen, so daß ihre Einwendungen ohne Erfolg bleiben müßten. Auch an der sachlichen Berechtigung der durch das Blankoindossament des zweitbeklagten Wechselausstellers und -nehmers formell legitimierten Klägerin als der Wechselinhaberin bestunde in diesem Fall kein Zweifel.

Als zweite Möglichkeit ist die Sicherungsübereignung des Wechsels durch Dr. N. N. an die nunmehrige Klägerin zu erwägen, die durch Ausnützung des auf dem Wechsel vorhandenen Blankoindossaments des ausstellenden Wechselnehmers (Zweitbeklagten) im Wege der Blankobegebung möglich war, um der nunmehrigen Klägerin unter treuhänderischer Bindung an den Sicherungszweck die Verwertung des Wechsels wie einer Eigentümerin und damit auch den Schutz gegen Einwendungen der Wechselschuldner im Sinne und mit den Schranken des Art. 17 WG zu ermöglichen (Stranz a. a. O., 152; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 183, 187 ff.). In einem solchen Fall wären die Einwendungen der Beklagten ebenso unberechtigt wie im erstgenannten Fall.

Denkbar ist freilich auch - und darauf zielen die Einwendungen der Beklagten - die Sicherungsübereignung oder die Verpfändung des Wechsels nach allgemein privatrechtlichen Grundsätzen durch Willensübereinstimmung der Beteiligten und Übergabe des nicht indossierten Papieres (Stranz a. a. O., 152; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 183, 187 f.; Stanzl a. a. O., 63). In diesen beiden Fällen der außerwechselmäßigen Rechtsübertragung stehen den Schuldnern aus dem Wechsel für die Geltendmachung ihrer Einwendungen, die sie gegen die Vormänner der außerwechselmäßigen Rechtserwerber haben, keine Beschränkungen entgegen. Wäre einer dieser beiden Fälle in dieser Streitsache erweislich, dann müßte in Stattgebung der Zahlungseinwendung der beiden Beklagten der gegen sie erlassene Wechselzahlungsauftrag aufgehoben und die Wechselklage abgewiesen werden.

Zur rechtlichen Beurteilung der Sache nach den eben aufgezeigten Möglichkeiten fehlt es indessen an den dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen, die der OGH einer abschließenden Sachentscheidung zugrunde legen dürfte.

Mit Recht haben die Revisionswerber als Verfahrensmangel gerügt, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes durch Umwürdigung der vorliegenden Beweisergebnisse abgegangen ist.

Infolge der das Wechselmandatsverfahren beherrschenden Eventualmaxime kann auf das von dem zweitbeklagten Rückgriffsschuldner nicht gerügte Fehlen eines Protestes mangels Zahlung, also einer tatsächlichen Voraussetzung für die Ausübung des Rückgriffsanspruches der Klägerin, nicht mehr Bedacht genommen werden. Entgegen der von der Klägerin in ihrem Antrag auf Erlassung des Wechselzahlungsauftrages geäußerten Rechtsansicht, die in keiner gesetzlichen Vorschrift eine Grundlage hat, kann ohne Protest Rückgriff mangels Zahlung nur bei Vorhandensein einer Protesterlaßklausel auf dem Wechsel (Art. 46 WG), in den Unsicherheitsfällen Konkurs und Ausgleich des Bezogenen (Art. 44 Abs. 6 WG) sowie im Falle der die Vorlegung des Wechsels oder der Erhebung des Protestes hindernden höheren Gewalt nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von 30 Tagen (Art. 54 Abs. 4 WG) genommen werden; keiner der Ausnahmefälle liegt hier vor, so daß der Wechselzahlungsauftrag vom Erstgericht zu Unrecht gegen den Zweitbeklagten erlassen worden war.

Anmerkung

Z50162

Schlagworte

Blankobegebung eines Wechsels, Pfandindossierung, wechselmäßige -, Rückgriffnahme ohne Protest mangels Zahlung, Sicherungsübereignung, wechselmäßige, wechselmäßige Pfandindossierung, wechselmäßige Sicherungsübereignung, Wechselübertragung, Wechsel zur Besicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00695.77.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19771213_OGH0002_0050OB00695_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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