Norm
Wohnungseigentumsgesetz §1 Abs3Kopf
SZ 50/163
Spruch
Eine Widmungsänderung von der Gemeinschaftsnutzung dienenden Räumen in solche, die in die Sondernutzung eines Wohnungseigentümers übertragen werden, kann nicht durch Mehrheitsentscheidung beschlossen werden
Eine Neufestsetzung des Nutzwertes gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 WEG 1975 ist auch dann zulässig, wenn die Umwidmung eines Objektes nach § 1 Abs. 1 und 2 WEG in einen allgemeinen Teil der Liegenschaft (§ 1 Abs. 3) erfolgt
OGH 14. Dezember 1977, 8 Ob 542/77 (OLG Linz 3 R 71/77; LG Linz 8 Cg 439/74)
Text
Die beklagte Genossenschaft errichtete auf der Liegenschaft EZ 2615 KG W eine Wohnbauanlage mit zirka 90 Eigentumswohnungen, bestehend aus einem elfgeschossigen und einem sechsgeschossigen Haus mit einem zweigeschoßigen Verbindungstrakt, die später die Bezeichnung L-Straße 1, 3, 5 und 7 erhielten.
Die Kläger erwarben den als "Option" bezeichneten Vereinbarungen vom 12. Jänner 1970 und vom 2. Mai 1969 im Hause II (L-Straße 7) 2 Wohnungen samt den entsprechenden Miteigentumsanteilen an der Liegenschaft und traten der beklagten Genossenschaft als Mitglieder bei. 1972 bezogen sie die bezugsfertig gewordenen Wohnungen; ihr bücherliches Eigentum daran ist mangels Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrages noch nicht einverleibt.
Die Kläger behaupten, der Erwerb ihrer Anteile sei auf Grund eines Planes erfolgt, in dem ein von außen zugänglicher Abstellraum für Fahrräder und Mopeds vorgesehen gewesen sei; dieser sei auch im Parifizierungsbescheid enthalten und zur gemeinsamen Benutzung der Wohnungseigentümer bestimmt gewesen. Der Wohnungseigentümer T G habe den Raum ab 1973 versperrt, für sich benützt und baulich verändert; die Beklagte habe die Vorgangsweise Gs zunächst nicht sanktioniert, ihm aber später den Abstellraum verkauft. Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Raum in jener Form wiederherzustellen, wie er dem Bauplan vom 30. Juli 1968 unter Berücksichtigung der erfolgten Abtrennung eines Traforaumes entspreche und den Klägern die Mitbenützung dieses Abstellraumes zu ermöglichen.
Die Beklagte wendete die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und beantragte im übrigen Abweisung des Klagebegehrens. Punkt 5 der "Option" berechtige die Beklagte zur einseitigen Vornahme von Bauplanänderungen, die sich aus behördlichen Vorschreibungen ergäben oder während der Bauführung als zweckmäßig erwiesen. Dies sei der Fall, weil die ESG (Linzer Elektrizitäts- und Straßenbahngesellschaft) die strittigen Räume für eine Schalt- und Trafo-Station in Anspruch genommen habe. In der Folge habe sie zwar einen Teil der Räume nicht beansprucht, doch sei infolge der eingetretenen baulichen Veränderungen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht mehr ohne weiteres möglich gewesen. In dieser Situation hätte sich die Mehrheit der Mitglieder für eine Änderung des Verwendungszweckes dieses Raumes ausgesprochen. Der im Klagebegehren zitierte Parifizierungsbescheid sei durch den Bescheid vom 18. September 1974 ersetzt worden und nicht mehr aufrecht. Auf Grund des neuen Parifizierungsbescheides sei bereits eine große Anzahl von Miteigentumsanteilen bücherlich übertragen worden, so daß eine Unmöglichkeit der Leistung vorliege.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die von der Beklagten errichtete Wohnbauanlage geht auf eine Planung vom 30. Juli 1968 zurück, bei der im Erdgeschoß des Hauses L-Straße 7 zwei durch einen Eingang von außen zugängliche Räume (Kinderwagenraum und Mopedraum) im Gesamtausmaß von 44.88 m2 vorgesehen waren. Auf Grund dieses Planes und des Gutachtens des Sachverständigen Ing. F K stellte das Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 21. August 1970, GZ 01-6/4-1970, gemäß § 2 WEG 1948 die Jahresmietzinse 1914 fest. Das einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildende Gutachten des genannten Sachverständigen weist unter den der gemeinschaftlichen Nutzung der Wohnungseigentümer gewidmeten Räumen "Abstellräume für Kinderwagen und Moped" aus. Dieser Bauplan stand den Wohnungswerbern zur Verfügung, als sich die Kläger1969 (der Erstkläger richtig: 1970) um eine Eigentumswohnung im Haus 11 bewarben. Der Plan vom 2. Oktober 1969 lag für die Wohnungswerber nicht auf. Die Kläger nahmen in den Plan vom 30. Juli 1968 Einsicht und stellten fest, daß im Haus L-Straße Nr. 7 die oben beschriebenen Abstellräume geplant wurden. Der Erstkläger entschied sich für die Wohnung Nr. 7, der Zweitkläger für die Wohnung Nr. 12. Sie lasen den Inhalt der als "Option" bezeichneten Urkunde durch und fertigten sie. Diese "Optionen" enthalten u. a. folgende Bestimmungen:
"5 ... Abänderungen, die sich aus behördlichen Vorschreibungen ergeben oder während der Bauführung sich als zweckmäßig erweisen, werden vom Kaufanwärter anerkannt."
Mit Schreiben vom 8. Juli 1970 teilte die Beklagte dem Zweitkläger mit, daß eine Überarbeitung des Gutachtens über die Jahresmietzinse 1914 notwendig geworden sei, die jedoch die Preisgestaltung nicht beeinflußt habe. Die erste Etappe des gegenständlichen Projektes werde genau im Sinn der Pläne und des Elaborates, auf Grund dessen sich der Zweitkläger für den Kauf entschlossen habe, ausgeführt werden. Auf Grund des weiteren Gutachtens des Sachverständigen Ing. F K vom 12. Oktober 1970 setzte das Bezirksverwaltungsamt des Magistrates Linz mit Bescheid vom 27. Oktober 1970 gemäß § 2 WEG 1948 die Jahresmietwerte 1914 neu fest und stellte fest, daß durch diesen Bescheid der Vorbescheid vom 21. August 1970 gegenstandslos geworden sei. Hinsichtlich des klagsgegenständlichen Raumes änderte sich durch diese zweite Parifizierung nichts. Da die ESG von der Beklagten, die sich dagegen allerdings von Anfang an aussprach, die Einrichtung einer Trafo- und Schaltstelle im Haus II verlangte, wurde von Architekt Ing. P ein neuer Plan (vom 2. Oktober 1969) ausgearbeitet, der vorsah, daß im Kinderwagen- und Mopedabstellraum sowie in einem Parteienkellerraum diese Anlagen untergebracht werden sollten. Zu diesem Zwecke mußte auch die Höhe der betreffenden Räume durch Tieferverlegung des Fußbodens verändert und ein sogenannter Installationsgang vorgesehen werden. Auf Grund dieses geänderten Planes wurde das Haus L-Straße 7 errichtet und - mit Ausnahme des streitgegenständlichen Abstellraumes - im Sommer 1972 fertiggestellt. Erst im März 1973 erfuhr die Beklagte, daß im Haus L-Straße 7 nur die als Provisorium bereits bestehende Trafo-Station untergebracht würde. Erst dann verständigte sie die Wohnungseigentümer von dieser endgültigen Situation. Die Kläger waren mit der Errichtung der Trafostation einverstanden. Schon vor dem 6. März 1973 fragte der Wohnungseigentümer T G bei der Beklagten an, ob er denn nicht den im Plan Beilage III als Schaltraum vorgesehenen Raum für Wohnzwecke erwerben könne. Die Beklagte vertröstete G auf einen späteren Zeitpunkt, da sie noch nicht wußte, ob die ESG den Raum in Anspruch nehmen würde. Als G nach dem 6. März 1973 neuerlich wegen des Erwerbes anfragte, teilte ihm die Beklagte mit, daß er die Räumlichkeiten nicht erwerben könne. Dennoch begann G diesen Raum umzubauen. Er ließ die angebrachte Eisentür durch eine Glastür ersetzen, zog eine Trennwand ein, ließ Licht, Wasser und sanitäre Anlagen einschließlich der Heizung installieren und ein anderes Türschloß einsetzen, so daß der Raum für die übrigen Wohnungseigentümer nicht mehr zugänglich war. Die Kläger und die weiteren Wohnungseigentümer H, Ing. Sch. und W teilten der Beklagten mit, daß sie mit einem allfälligen Verkauf des Raumes an T G nicht einverstanden seien. Sie forderten, daß der Abstellraum für alle Wohnungseigentümer benützbar gemacht werde. T G grundete mit den übrigen Wohnungseigentümern eine sogenannte Interessensgemeinschaft, die die Interessen der Wohnungseigentümer gegenüber der Beklagten wahrnehmen sollte.
T G erhielt die schriftliche Zustimmung von 22 Wohnungseigentümern (des Hauses II) zum Verkauf des gegenständlichen Abstellraumes an ihn. Im Zuge mehrerer Besprechungen zwischen den Wohnungseigentümern und dem Vorstand der Beklagten vertrat dieser zunächst die Auffassung, daß G kein Recht habe, den Raum zu benützen, und daß ihm dieser nicht verkauft würde. Es kam zu einer vorübergehenden Sperre des Abstellraumes, so daß er auch für T G durch etwa 2 Monate nicht zugänglich war. Nach diesem Zeitraum wurde er weiterhin von T G benützt. Bei der Besprechung am 20. Dezember 1973 sagten die Mitglieder des Vorstandes den Klägern sowie H und Ing. Sch. zu, daß der Raum nicht verkauft, sondern als Abstellraum benützt werde und T
G zur Wiederherstellung des früheren Zustandes und zur Räumung des Raumes aufgefordert werde. Schließlich entschloß sich aber die Beklagte, nachdem sie vergeblich versucht hatte, die Kläger und die weiteren gegen einen Verkauf eingestellten Wohnungseigentümer für den Verkauf des Abstellraumes an G zu gewinnen, den Raum an T G zu verkaufen. Bei der Besprechung am 15. Juli 1974 teilten der Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten allen Wohnungseigentümern mit, daß sie den Beschluß gefaßt hätten, sich der Ansicht der Mehrheit der Wohnungseigentümer im Hause L-Straße 7 anzuschließen und den Abstellraum an T G zu verkaufen. Der Sachverständige Ing. F K erstattete am 16. Juli 1974 ein neues Gutachten über die Jahresmietwerte 1914, auf Grund dessen vom Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz die Jahresmietwerte 1914 neu festgesetzt und festgestellt wurde, daß der Bescheid vom 27. Oktober 1970 gegenstandslos sei. In diesem Gutachten ist der klagsgegenständliche Raum unter den in Gemeinschaftsnutzung befindlichen Teilen des Hauses nicht mehr erwähnt. Zu der dem T G gehörigen Wohneinheit 78 mit den Wohnungen 19 und 20 wurde der "Abstellraum Haus 11" mit einem Ausmaß von 51.22 m2 und einem Mietwert von 179 Friedenskronen zugeschlagen. Dieser Abstellraum beinhaltet den im Plan 11 vorgesehenen Kinderwagen- und Mopedabstellraum im Ausmaß von 44.88 m2. Die Differenz auf das Ausmaß von 51.22 m2 ist darauf zurückzuführen, daß G ein weiteres Stück von dem an den Kinderwagenabstellraum nördlich angrenzenden Parteienkellerraum von der beklagten Partei dazuerworben hatte. Nach dieser Neuparifizierung wurden zwischen den jeweiligen Wohnungswerbern und der Beklagten die Wohnungseigentumsverträge abgeschlossen (siehe Wohnungseigentumsvertrag D-S), die u. a. folgende Bestimmungen enthalten:
... V. ...
Für eine Abänderung der Widmung von gemeinsam benutzten Räumen oder Anlagen ist die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer der Gesamtanlage erforderlich.
... VII.
Mit dem Bescheide des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt vom 18. September 1974, GZ 01-6/4-74 ... wurden die Jahresmietzinse 1914 für den vorstehenden Wohnungseigentumsvertrag festgesetzt. Sämtliche Parteien erklären sich mit diesem Bescheide zufrieden.
Auch die Miteigentumsanteile des T G wurden verbüchert. Die Kläger schlossen mit der Beklagten keinen Wohnungseigentumsvertrag ab.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe den Klägern schriftlich das Recht eingeräumt, sich unter bestimmten Bedingungen um eine Eigentumswohnung zu bewerben; diese im voraus festgelegte Vereinbarung hätten die Kläger durch einseitige Erklärung in Kraft gesetzt, so daß zwischen den Streitteilen ein Vertrag über die Übertragung von Miteigentumsanteilen der EZ 2615 KG W an die Kläger zustande gekommen sei. Gegenstand der Vereinbarung der Streitteile sei auch die Schaffung eines Moped- und Kinderwagenabstellraumes laut Plan vom 30. Juli 1968 gewesen, der von allen Miteigentümern des Hauses gemeinschaftlich benützt werden sollte. Punkt 5 der "Option" berechtige die Beklagte nur zu solchen Abänderungen der gewählten Bauausführung, die sich aus behördlichen Vorschreibungen ergeben oder während der Bauführung als zweckmäßig erwiesen. Infolge des Einbaues einer Trafostation sei zwar eine Planänderung erfolgt, mit der die Kläger auch einverstanden gewesen seien. Die Umwidmung der streitgegenständlichen Räume sei jedoch weder auf Grund einer behördlichen Vorschreibung noch aus Zweckmäßigkeitsgrunden während der Bauführung erfolgt, sondern ausschließlich deshalb, weil diese gegen den Willen der Kläger nach Ende der Bauführung - wenn auch mit Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer dieses Hauses - an T G verkauft wurden. Eine solche Mehrheitsentscheidung könne Punkt 5 der Option nicht außer Kraft setzen.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht bestätigte die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte im Ergebnis auch dessen rechtliche Beurteilung. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, die als "Option" bezeichnete Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei als Punktation im Sinne des § 885 ABGB aufzufassen. Im vorliegenden Fall seien gemäß § 29 Abs. 2 WEG 1975 die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Die Kläger seien Wohnungseigentümer im Sinne dieses Gesetzes, weil ihnen von einem Wohnungseigentumsorganisator die Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes an einer bestimmt bezeichneten selbständigen Wohnung zugesagt worden sei (§ 23 Abs. 1 WEG 1975). Als Wohnungseigentumsbewerber hätten die Kläger Anspruch darauf, daß die von ihnen erworbene Wohnung und die Teile der Liegenschaft, die der allgemeinen Benützung dienen (§ 1 Abs. 3 WEG 1975), gemäß dem der Vereinbarung zugrunde liegenden Plan hergestellt und ihnen übergeben werden (§ 23 Abs. 2 Z. 1 WEG). Die vertraglich vereinbarten Gründe, aus denen sich die Beklagte die Planänderung nach Vertragsabschluß vorbehalten habe, seien nicht eingetreten: Der Verkauf der als Moped- und Kinderwagenabstellraum gewidmeten Teile der Liegenschaft an einen Wohnungseigentümer beruhe nicht auf einer behördlichen Vorschreibung, sondern sei gerade deshalb zustande gekommen, weil die Linzer Elektrizitäts- und Straßenbahngesellschaft (ESG) diese Räume nicht für eine Schalt- und Transformatorenstation benötigt habe. Es könne aber auch nicht gesagt werden, daß es sich hiebei um eine Planänderung gehandelt habe, die sich während der Bauführung als zweckmäßig erwiesen habe. Bei Auslegung der getroffenen Vereinbarung im Sinne redlicher Verkehrsübung könne darunter nur eine nach objektiven Gesichtspunkten technisch notwendige oder zweckmäßige Planänderung, die sich während der Bauführung herausstellte, verstanden werden, nicht aber eine Planänderung, die dem Wohnungseigentumsorganisator wirtschaftliche Vorteile bringe. Eine Vereinbarung, nach der der Wohnungseigentumsbewerber die vom Wohnungseigentumsorganisator nach dessen Willkür als zweckmäßig erachteten Planänderungen von vornherein als verbindlich anerkennen müßte, wäre überdies unwirksam. Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 4 WEG 1975 seien nämlich Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumswerber zustehenden Nutzungsrechte aufzuheben oder zu beschränken, unwirksam, insbesondere Vereinbarungen über Beschränkungen der nach den §§ 918 bis 921 ABGB zustehenden Rechte. Durch die im voraus erfolgende Anerkennung von Planänderungen durch den Wohnungseigentumsbewerber würde ihm nämlich auch die Möglichkeit des Rücktrittes vom Vertrage bei gravierenden Planänderungen genommen werden, weil sich der Wohnungseigentumsorganisator ja darauf berufen könnte, daß er den Vertrag im Hinblick auf den vereinbarten Vorbehalt ohnehin vertragsmäßig erfülle. Die vertragswidrig erfolgten Beschränkungen der Nutzungsrechte der Kläger an den der allgemeinen Benützung dienenden Teilen der Liegenschaft seien aber auch nicht dadurch sanktioniert worden, daß die Mehrheit der Wohnungseigentümer der Umwandlung der strittigen Räume in Wohnungseigentum zugestimmt habe. Eine Schmälerung der Nutzung an den der allgemeinen Benützung dienenden Teilen der Liegenschaft könne nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer und Wohnungseigentumsbewerber erfolgen. Widmungsänderungen dieser Art bedürften der Einstimmigkeit, weil sie auf eine Schmälerung des bestehenden bzw. zugesagten Miteigentumsanteiles hinauslaufen; es handle sich bei derartigen Widmungsänderungen nicht darum, daß anstelle einer vorgesehenen allgemeinen Zweckbestimmung eine andere allgemeine Zweckbestimmung tritt, sondern daß diese Teile in die Sondernutzung eines Wohnungseigentümers übergehen. Abgesehen davon bedürften Widmungsänderungen, die sich als außerordentliche, nicht unter § 14 Abs. 1 WEG 1975 fallende Verwaltungsmaßnahmen darstellen, der Einstimmigkeit. § 2 Abs. 2 WEG bestimme, daß ein Miteigentümer, der bereits Wohnungseigentümer ist, seine Zustimmung zum Erwerb von Wohnungseigentum nur dann verweigern dürfe, wenn durch das Wohnungseigentum, das neu eingeräumt werden soll, die ihm auf Grund des bestehenden Wohnungseigentums zustehenden Rechte aufgehoben oder eingeschränkt werden sollen. Diese Bestimmung beziehe sich zwar nur auf den bereits bücherlich eingetragenen Wohnungseigentümer; aus ihr ergebe sich jedoch, daß die Beklagte die schuldrechtliche Verpflichtung getroffen habe, anderen Wohnungseigentumsbewerbern nur so viel Wohnungseigentumsrechte einzuräumen, daß dadurch die den Klägern zugestandenen Rechte nicht eingeschränkt würden. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auch darauf, daß das Begehren der Kläger in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer eingreife und ihm die Rechtskraft des von der Beklagten erwirkten Parifizierungsbescheides entgegenstehe. Die Rechtskraftwirkung des Parifizierungsbescheides stehe einer neuerlichen Antragstellung gemäß § 3 Abs. 2 WEG bei nachträglicher Änderung des Sachverhaltes nicht entgegen. Mit dem Parifizierungsbescheid werde lediglich das Verhältnis des Nutzwertes der einzelnen im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen oder sonstigen Räumlichkeiten zum Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft festgestellt (§ 3 Abs. 1 WEG 1975). Für die Frage, wem Rechte an den Räumen zustehen, sei der Parifizierungsbescheid ohne Bedeutung; der Gesetzgeber sei nämlich davon ausgegangen, daß die Parifizierung regelmäßig schon vor der Bauführung und vor dem Verkauf der Wohnungen stattfindet. Mit dem Argument, daß das Begehren der Kläger in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer eingreife, mache die Beklagte sinngemäß Unmöglichkeit der Leistung geltend. Auf diese könne sich jedoch ein Vertragsteil, der in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich gemacht habe, so lange nicht berufen, als die Möglichkeit der Wiederbeschaffung gegeben und zumutbar sei. Daß die Beklagte die Erfüllung durch ihr Verschulden vereitelt habe, stehe außer Zweifel: Obwohl ihr klar sein mußte, daß sich T G die Benützung der streitgegenständlichen Räume widerrechtlich angeeignet hatte und der den Besprechungen dieses Streitfalles zugezogene Vertragsverfasser die Meinung äußerte, daß zum Verkauf der streitgegenständlichen Räume die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich sei, habe sie eine gerichtliche Entscheidung nicht abgewartet, sondern T G, wie sich aus dem Datum des maßgeblichen Parifizierungsbescheides vom 18. September 1974 ergebe, nach Prozeßbeginn (9. August 1974) an diesen Räumen Wohnungseigentum eingeräumt. Es könne auch nicht von vornherein gesagt werden, daß eine Wiederbeschaffung des den Klägern entzogenen Mitbenützungsrechtes unmöglich sei. Selbst bei Doppelveräußerung könne nämlich das Recht desjenigen, der früher um die Einverleibung angesucht habe (§ 440 ABGB), bei Arglist angefochten werden. Daß T G arglistig gehandelt habe, könne nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Rechtsrüge vertritt die Beklagte zunächst die Ansicht, daß die zwischen den Klägern und der Beklagten abgeschlossenen, als "Option" bezeichneten Vereinbarungen keine Punktationen darstellten, weil darin weder bestimmte Miteigentumsanteile noch ein genauer Kaufpreis für den Kaufgegenstand festgesetzt worden sei.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß ungeachtet der Bezeichnung der Vereinbarungen zwischen den Klägern und der Beklagten als "Option" deren Inhalt kein Gestaltungsrecht eines der Vertragsteile, durch einseitige Erklärung ohne neuerlichen Vertragsabschluß das Schuldverhältnis zum Entstehen zu bringen, erkennen läßt. Dem Berufungsgericht ist vielmehr beizupflichten, daß diese Vereinbarungen als Punktationen im Sinn des § 885 ABGB, also als schriftliche Fixierung der Hauptpunkte eines damit abgeschlossenen Vertrages zu qualifizieren sind, der die Parteien bereits zur Erfüllung verpflichtet und wobei lediglich zusätzlich eine förmliche, alle Einzelheiten enthaltende Urkunde - hier der Wohnungseigentumsvertrag - errichtet werden soll (vgl. HS 7380 u. a.). Die genannten Vereinbarungen enthalten nämlich im Zusammenhalt mit den einen integrierenden Bestandteil bildenden Anlagen 1 bis 8 nicht nur eine hinreichend genaue Bezeichnung des Kaufgegenstandes (top-Nr. der Wohnung und Bezeichnung des Hauses in der Wohnanlage) sowie der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft, sondern auch die vom Kaufanwärter zu entrichtenden Grund- und Baukostenanteile.
Die Beklagte gesteht in der Revision zwar zu, daß die Kläger zufolge § 29 Abs. 2 WEG 1975 als Wohnungseigentumswerber im Sinne des § 23 Abs. 1 WEG 1975 anzusehen sind, bestreitet aber mangels Leistung der Beträge für die Grund-, Bau- und sonstigen Kosten durch die Kläger deren Anspruch auf Übergabe der zugesagten Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975.
Der Revision ist zuzugeben, daß im bisherigen Verfahren keine Feststellungen bezüglich der in der Klage behaupteten, von der Beklagten aber nicht zugestandenen Bezahlung der verlangten Grund- und Baukostenanteile durch die Kläger getroffen wurden. Derartiger Feststellungen bedurfte es aber nicht, weil die Heranziehung der Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 zur Stützung der Berechtigung des Klagebegehrens nicht erforderlich ist. Die Vereinbarungen wurden nämlich unter Zugrundelegung des Bauplanes vom 30. Juli 1968 abgeschlossen, der je einen Abstellraum für Kinderwagen und für Mopeds enthielt, Räume, die somit nach dem übereinstimmenden Parteiwillen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen zweifellos der allgemeinen Benützung (§ 1 Abs. 3 WEG 1975) dienen sollten. Da die Kläger ihre Ansprüche auf die genannten Vereinbarungen stützten, war zunächst zu untersuchen, ob die Beklagte auf Grund dieser Vereinbarungen berechtigt war, gegen den erklärten Willen der Kläger diese Räume dem Wohnungseigentümer G zur ausschließlichen Nutzung und alleinigen Verfügung zu überlassen und ihm daran Wohnungseigentum einzuräumen. Gemäß Punkt 5 der Vereinbarungen werden vom Kaufwerber Abänderungen der zum Zeitpunkt des Abschlusses geplanten Ausführung anerkannt, die sich aus behördlichen Vorschreibungen ergeben oder sich während der Bauführung als zweckmäßig erweisen.
Zutreffend hat hiezu das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß der Verkauf der als Abstellräume für Kinderwagen und Mopeds der allgemeinen Benützung der Wohnungseigentümer dienenden Räume an einen Wohnungseigentümer nicht auf einer behördlichen Vorschreibung beruhte, sondern im Gegenteil der Beklagten erst deshalb möglich wurde, weil die ESG diese zunächst für die Errichtung einer Schalt- und Transformatorenstation beanspruchten Räume später doch nicht benötigte. Auch die zweite Voraussetzung, daß es sich um eine Abänderung der geplanten Ausführung handelte, die sich während der Bauführung als zweckmäßig erwies, wird durch den nach Beendigung der Bauführung durchgeführten Verkauf der beiden Abstellräume an den Wohnungseigentümer G, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nicht erfüllt. Aus den Vereinbarungen mit den Klägern konnte die Beklagte daher eine Berechtigung zum Verkauf der Abstellräume an den Wohnungseigentümer G nicht ableiten. Punkt 5 der Vereinbarungen bietet entgegen der Auffassung der Revision auch keinerlei Anhaltspunkte für eine seitens der Kläger der Beklagten in dieser Richtung etwa erteilte Ermächtigung.
Da gemäß § 29 Abs. 2 WEG 1975 auf die zwischen den Klägern als Wohnungseigentumsbewerbern und der Beklagten als Wohnungseigentumsorganisator abgeschlossenen Vereinbarungen die Bestimmungen des WEG 1975 anzuwenden sind, war weiters zu prüfen, ob die Beklagte auf Grund zwingender Vorschriften dieses Gesetzes oder anderer etwa zwingender gesetzlicher Vorschriften ohne Rücksicht auf die von ihr gegenüber den Klägern vertraglich übernommenen Verpflichtungen zur Umwidmung der der allgemeinen Benützung dienenden Abstellräume (§ 1 Abs. 3 WEG 1975) in solche, die einem Wohnungseigentümer zur ausschließlichen Nutzung und alleinigen Verfügung übertragen werden, berechtigt war.
Was zunächst die Frage anlangt, ob die vertragswidrig vorgenommene Umwidmung der Abstellräume und deren Verkauf an den Wohnungseigentümer G infolge der mit Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer erteilten Zustimmung gerechtfertigt waren, kann der Umstand, daß laut den mit anderen Miteigentümern abgeschlossenen Wohnungseigentumsverträgen für eine Abänderung von gemeinsam genutzten Räumen oder Anlagen die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer der Gesamtanlage erforderlich ist (vgl. Wohnungseigentumsvertrag, Punkt V), schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Kläger derartige Wohnungseigentumsverträge nicht abgeschlossen haben. In diesem Zusammenhang kann daher auch dahingestellt bleiben, ob diese Vertragsbestimmung mit der Schutznorm des § 24 Abs. 1 WEG 1975 in Einklang zu bringen ist. Gerade aus der letztgenannten Bestimmung, die auch die Wohnungseigentumsbewerber einschließt, ist zu schließen, daß eine derartige Widmungsänderung von der Gemeinschaftsnutzung dienenden Räumen in solche, die in die Sondernutzung eines Wohnungseigentümers übertragen werden, jedenfalls nicht durch Mehrheitsentscheidung beschlossen werden kann, weil damit eine Einschränkung der den überstimmten Wohnungseigentumsbewerbern bzw. Wohnungseigentümern zustehenden Nutzungsrechte an den der allgemeinen Benützung dienenden oder nach ihrer Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung nicht zugänglichen (§ 1 Abs. 3 WEG 1975) Räumen verbunden wäre. Für diese Ansicht spricht auch, daß gemäß § 2 Abs. 2 WEG 1975 ein Miteigentümer, der bereits Wohnungseigentümer ist, in einem solchen Fall berechtigt ist, seine Zustimmung zur Vereinbarung der Neueinräumung von Wohnungseigentum zu verweigern (vgl. Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum WEG 1975, 86 f., Anm. 40 zu § 2 WEG). Auch aus § 14 WEG 1975 ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, selbst wenn man annehmen wollte, daß diese Vorschrift auch auf Wohnungseigentumsbewerber, deren Miteigentumsanteile noch nicht verbüchert sind, anzuwenden ist (vgl. hiezu Faistenberger - Barta - Call a. a. O., 350 ff. Anm. 14 bis 18 zu § 14 WEG), da im gegenständlichen Fall jedenfalls keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung vorliegt, die mit Mehrheit entschieden werden könnte. Das den Klägern gegenüber vertragswidrige Verhalten der Beklagten kann daher auch nicht durch zwingende gesetzliche Bestimmungen gerechtfertigt werden.
Auch die von der Beklagten eingewendete Unmöglichkeit der Leistung liegt nicht vor. Zutreffend hat hiezu das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß ein Vertragsteil, der in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich gemacht hat, sich so lange auf die Unmöglichkeit der Leistung nicht berufen kann, als eine ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit der Wiederbeschaffung besteht. Daß die Beklagte an der Widmungsänderung bezüglich der Abstellräume und deren Verkauf an den Wohnungseigentümer G ein Verschulden trifft, ergibt sich schon daraus, daß sie erst nach Einbringung der vorliegenden Klage, nämlich am 3. September 1974, die durch diese Widmungsänderung bewirkte Neuparifizierung beim Bezirksverwaltungsamt Linz beantragte und, wie sich aus dem in den betreffenden Verwaltungsakt GZ 01-6/4- 1974 ergibt, den Vorschlag der Mietzinsschlichtungsstelle, mit der Neuparifizierung bis zum Abschluß des gegenständlichen Prozesses zuzuwarten, weil bei einem für die Beklagte negativen Prozeßausgang und damit bei Rückführung auf den ursprünglichen Bauzustand eine neuerliche Parifizierung sowie eine Berichtigung des Grundbuchsstandes erforderlich würden, ablehnte.
Daß aber eine ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit der Wiederbeschaffung nicht besteht, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Der Ansicht der Revision, die Beklagte, habe keine Möglichkeit mehr, gemäß § 3 Abs. 2 WEG 1975 einen Antrag auf Neufestsetzung des Nutzwertes zu stellen, ist entgegenzuhalten, daß eine Neufestsetzung des Nutzwertes gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 WEG 1975 auch dann zulässig ist, wenn die Umwidmung (bzw. die Rückwidmung) eines Objektes nach § 1 Abs. 1 und 2 WEG in einen allgemeinen Teil der Liegenschaft (§ 1 Abs. 3) erfolgt. Das Kriterium des räumlich unmittelbaren Aneinandergrenzens gilt hier nicht (vgl. Faistenberger - Barta - Call a. a. O., 119 Anm. 23 zu § 3). Dem Klagebegehren kann daher die Einrede der Unmöglichkeit der Leistung nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden.
In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das auf Zuhaltung der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarungen gerichtete Klagebegehren, dem auch das Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden kann, gerechtfertigt ist, kann daher keine zum Nachteil der Beklagten unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
Anmerkung
Z50163Schlagworte
Nutzwertneufestsetzung, Unzulässigkeit, Widmungsänderung von GemeinschaftsräumenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1977:0080OB00542.77.1214.000Dokumentnummer
JJT_19771214_OGH0002_0080OB00542_7700000_000