Norm
ABGB §26Kopf
SZ 51/3
Spruch
Die Bestimmung des § 155 Abs. 1 ZPO findet sinngemäß auch auf den Fall des Untergangs einer juristischen Person Anwendung
Die mangelnde Parteifähigkeit einer Arbeitsgemeinschaft kann dadurch beseitigt werden, daß die einzelnen Mitglieder einer solchen Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Parteien in den Prozeß eintreten
Hat sich das Erstgericht mit der Frage der Vertretungsmacht des einschreitenden Rechtsanwaltes überhaupt nicht auseinandergesetzt und das Berufungsgericht die Vertretungsmacht nur für ein Mitglied der ARGE angenommen, liegt eine das Revisionsgericht bindende, den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses bejahende Entscheidung beider Instanzen nicht vor
Die Vertretungsmacht des Einschreiters ist absolute Prozeßvoraussetzung. Wenn sie fehlt und die Prozeßführung nicht nachträglich genehmigt wird ist das Verfahren für nichtig zu erklären
OGH 11. Jänner 1978, 8 Ob 555/77 (OLG Innsbruck 5 R 175/77; LG Innsbruck 6 Cg 571/76)
Text
Die Firma E S E AG, Zweigniederlassung S begehrt mit der gegen die "Arbeitsgemeinschaft Brückenbauten im Raume Wörgl ST-U" eingebrachten Klage nach Modifizierung des Klagebegehrens auf Grund verschiedener Lieferungen Zahlung von 168 199.36 S. Die Empfangnahme der der bezeichneten Arbeitsgemeinschaft zugestellten Klage samt Ladung zur ersten Tagsatzung wurde auf dem Zustellausweis mit der Unterschrift "R W" unter dem Firmenaufdruck "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung Tirol und Vorarlberg" bestätigt.
Die beklagte Arbeitsgemeinschaft wurde bei der ersten Tagsatzung und im folgenden Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. H Sch auf Grund einer Vollmacht vertreten, die unter dem Aufdruck "Arbeitsgemeinschaft Brückenbauten im Raume Wörgl ST-U, 6021 Innsbruck, B-Straße 3" die Unterschrift "Sch" und darunter den mit Maschine geschriebenen Beisatz "Für die geschäftsführende ST" trägt. Sie bestritt das Klagebegehren aus sachlichen Gründen, insbesondere wegen Zahlung und Verjährung, und wendete in formeller Hinsicht mangelnde Parteifähigkeit der Beklagten ein, da sie als Arbeitsgemeinschaft keine Rechtspersönlichkeit besitze.
Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich des Teilbetrages von 167 791.12 S statt und wies das Mehrbegehren von 408.24 S ab. Zur Einwendung der mangelnden Parteifähigkeit führte es in den Entscheidungsgründen aus, bei der Beklagten handle es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, die an sich nicht parteifähig sei. Aus der Anführung der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft, nämlich der Firmen ST und U, sei aber deutlich zu entnehmen, daß die Klägerin diese einzelnen Mitglieder in Anspruch nehmen wolle. In diesem Falle sei die Klagsführung gegen die Arbeitsgemeinschaft zulässig und die Einwendung der mangelnden Parteifähigkeit nicht begrundet.
Infolge Berufung der beklagten Arbeitsgemeinschaft berichtigte das Berufungsgericht mit dem in sein Urteil aufgenommenen Beschluß die Bezeichnung der Beklagten von "Arbeitsgemeinschaft Brückenbauten im Raume Wörgl ST-U" in "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg" und änderte das Urteil des Erstgerichtes im stattgebenden Teil im Sinne der Abweisung des Teilbegehrens von 167 791.12 S wegen Verjährung der Forderung ab. Zur Frage der Parteifähigkeit der beklagten Arbeitsgemeinschaft führte es aus, eine Arbeitsgemeinschaft sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes und als solche nicht parteifähig. Zulässig sei aber die Klagsführung gegen die einzelnen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft. Die gegen die Arbeitsgemeinschaft gerichtete Klage sei von einem Postbevollmächtigten der "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg" übernommen worden. Die dem Beklagtenvertreter erteilte Prozeßvollmacht trage unter dem Aufdruck der Arbeitsgemeinschaft die Unterschrift des Dipl.-Ing. W Sch, der Prokurist der Firma ST sei, und außerdem den Beisatz,"Für die geschäftsführende Firma ST". Daraus ergebe sich, daß mit der vorliegenden Klage allein die Firma "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg" als Beklagte in Anspruch genommen werde. Diese sei im bisherigen Verfahren dem Gesetze entsprechend vertreten gewesen. Nicht vertreten sei der zweite Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft, die Firma U. Da diese Firma von der Klägerin nicht dem Gesetze entsprechend bezeichnet sei, sei eine Zustellung der Klage an sie auf Grund der Angaben der Klägerin auch nicht möglich. Es sei daher die Bezeichnung der Beklagten von Amts wegen in "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg", zu berichtigen.
Dagegen richtet sich die Revision der V-A Stahlhandels-AG, Zweigniederlassung S als Klägerin, die sich als Gesamtnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin, Firma E S E AG, bezeichnete. Sie macht den Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO geltend und stellt den Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.
Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß dieser Revision das Verfahren in Ansehung des Teilbegehrens von 167 791, 12 S samt Anhang als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Ferner wurden die Kosten des nichtigen Verfahrens gegenseitig aufgehoben und die von Dr. H Sch namens der "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG" erteilte Revisionsbeantwortung zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung
Es stellt sich zunächst im Zusammenhang mit der Gesamtrechtsnachfolge in der Person der Klägerin die Frage, ob dadurch eine Unterbrechung des Verfahrens im Sinne des § 155 ZPO eingetreten ist. Auf Grund der von der Revisionswerberin vorgelegten Amtsbestätigung des Landesgerichtes Salzburg vom 6. Dezember 1977 ist die ursprüngliche Klägerin "E S E AG, Zweigniederlassung S" durch Verschmelzung auf die "V-A Stahlhandels-AG mit dem Sitze in L und der Zweigniederlassung in S" übergegangen. Im Falle eines Gesamtrechtsüberganges tritt der Untergang einer juristischen Person ein. Nach Lehre (Fasching II, S. 761; Sperl, Lehrbuch, S. 197) und Rechtsprechung (EvBl. 1963, 93) finden die Bestimmungen des § 155 Abs. 1 ZPO, wonach durch den Tod einer Partei das Verfahren nur dann unterbrochen wird, wenn die verstorbene Partei weder durch einen Rechtsanwalt noch durch eine andere von ihr mit Prozeßvollmacht ausgestattete Person vertreten war, sinngemäß auch auf den Fall des Unterganges einer juristischen Person Anwendung. Im vorliegenden Falle hat die Firma E S E AG, Zweigniederlassung S dem Klagevertreter Prozeßvollmacht erteilt. Gemäß § 155 Abs. 1 ZPO hat daher der Untergang dieser Aktiengesellschaft im Wege der Verschmelzung mit der V-A Stahlhandels-AG keinen Einfluß auf den Fortgang des Verfahrens. Die Bezeichnung der Klägerin war auf Grund der vorgelegten Amtsbestätigung über die Gesamtrechtsnachfolge von Amts wegen zu berichtigen.
Aus Anlaß der zulässigen Revision der Klägerin war die Frage der Vertretungsmacht des auf Seiten der Beklagten einschreitenden Rechtsanwaltes von Amts wegen zu prüfen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist die Arbeitsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht parteifähig (vgl. Fasching II, S. 118; EvBl. 1962, 514; EvBl. 1973, 30). Die Parteiunfähigkeit einer solchen Gesellschaft kann jedoch dadurch beseitigt werden, daß ihre einzelnen Mitglieder als Parteien in den Prozeß eintreten, was durch Erteilung ihrer Vollmacht an denjenigen, der für die Gemeinschaft im Prozeß bisher eingeschritten ist, geschehen kann (vgl. EvBl. 1962, 514; EvBl. 1973, 30; 8 Ob 204/72; 1 Ob 28, 29/76). Beide Untergerichte gingen davon aus, daß die beklagte Arbeitsgemeinschaft nicht parteifähig ist. Das Erstgericht hielt aber die von der Beklagten erhobene Einwendung der mangelnden Parteifähigkeit für nicht begrundet, weil aus der Bezeichnung der beklagten Arbeitsgemeinschaft zu entnehmen sei, daß die Firmen ST und U als Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft in Anspruch genommen werden. Mit der Frage der Vertretungsmacht des einschreitenden Rechtsanwaltes für die seiner Ansicht nach beklagten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft setzte sich das Erstgericht überhaupt nicht auseinander. Das Berufungsgericht war der Ansicht, mit der Klage sei nur die "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg" als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft in Anspruch genommen worden. Diese sei auf Grund der dem auf der Beklagtenseite einschreitenden Rechtsanwalt erteilten Vollmacht dem Gesetze entsprechend im Verfahren vertreten. Eine im Sinne des § 528 ZPO rechtskräftige, das Revisionsgericht bindende, den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses bejahende Entscheidung beider Vorinstanzen liegt demnach nicht vor, so daß die amtswegige Wahrnehmung des Mangels der Vertretungsmacht durch das Revisionsgericht nicht ausgeschlossen ist. Gemäß § 30 Abs. 1 ZPO haben Rechtsanwälte und e Bevollmächtigte bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlung ihre Bevollmächtigung seitens der Prozeßpartei durch eine Urkunde (Vollmacht) darzutun. Ihren Mangel hat das Gericht in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 37 ZPO). Die damit vorgeschriebene Prüfung der Vollmacht hat sich allerdings auf den im § 30 ZPO enthaltenen Vollmachtsnachweis zu beschränken (vgl. Fasching II, 293). Hiezu gehört auch die Beurteilung, ob die vorliegende Vollmacht nach Inhalt und Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht (vgl. Neumann, 4. Aufl., S. 516; JBl. 1976, 96). Nach § 72 AktienG hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft in der Weise zu zeichnen, daß die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Namensunterschrift hinzufügen (vgl. Hämmerle, Handelsrecht, 2. Aufl., II. Bd., S. 106). Ebenso haben gemäß § 51 HGB Prokuristen in der Weise zu zeichnen, daß sie der Firma ihren Namen mit dem die Prokura andeutenden Zusatz beifügen. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die dem Beklagtenvertreter erteilte Prozeßvollmacht nach Inhalt und Form den genannten gesetzlichen Vorschriften für die Erteilung einer Vollmacht durch die Aktiengesellschaft "ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg" entsprochen habe, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß die Vollmachtszeichnung nicht den Aufdruck der Firma der Aktiengesellschaft, sondern die Bezeichnung der Arbeitsgemeinschaft, auch nicht die Zeichnung der nach den Satzungen der genannten Aktiengesellschaft nur kollektiv vertretungsbefugten Organe, sondern nur die Unterschrift eines bloß kollektiv zeichnungsberechtigten Prokuristen der Aktiengesellschaft enthält, ergibt sich aus der Vollmachtszeichnung unter dem Aufdruck "Arbeitsgemeinschaft Brückenbauten im Raume Wörgl, ST-U" mit dem Beisatz "Für die geschäftsführende Firma ST", daß damit eine Vollmacht für die Arbeitsgemeinschaft erteilt wurde und die Zeichnung der Vollmacht im Rahmen der vertraglichen Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (§ 1190 ABGB) für die Arbeitsgemeinschaft erfolgte. Dem für die beklagte Arbeitsgemeinschaft einschreitenden Rechtsanwalt Dr. Sch fehlt somit eine wirksame Prozeßvollmacht zur Vertretung der Firma ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg. Ebensowenig wurde damit für das weitere - wie das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat - nicht einmal nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 75 Z. 1 ZPO) entsprechend bezeichnete Mitglied der Arbeitsgemeinschaft "U" eine dem Gesetz gemäß gezeichnete Vollmacht vorgelegt und dessen Eintritt in den Prozeß erklärt. Die Vertretungsmacht des Einschreiters ist aber absolute Prozeßvoraussetzung. Wenn sie fehlt und die Prozeßführung des Einschreiters nicht nachträglich genehmigt wird, sind die Prozeßhandlungen des Einschreiters unbeachtlich und das Verfahren ist für nichtig zu erklären (vgl. Fasching II, S. 293 ff. Anm. 1 und 2; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht, 2, Aufl., S. 100; SZ 26/274; JBl. 1976, 96; 1 Ob 111/75). Da die vom Erstgericht im Auftrage des Revisionsgerichtes zur Vorlage einer Vollmacht der Firma ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG, Zweigniederlassung für Tirol und Vorarlberg und zur nachträglichen Genehmigung der Prozeßführung des Einschreiters gesetzte Frist (§ 38 Abs. 2 ZPO) fruchtlos abgelaufen ist, fehlt es mangels Sanierung des Mangels der Vertretungsmacht des auf Seiten der Beklagten einschreitenden Rechtsanwaltes an einer absoluten Prozeßvoraussetzung. Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren ab der ersten Tagsatzung gemäß den §§ 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO, 478 Abs. 1 und 513 ZPO als nichtig aufzuheben und die von Dr. Sch namens der Firma ST Straßen- und Tiefbauunternehmung AG erstattete Revisionsbeantwortung zurückzuweisen. Sind aber die Entscheidungen der Vorinstanzen infolge des Mangels der Vertretungsmacht des auf Seiten der Beklagten einschreitenden Rechtsanwaltes als nichtig aufzuheben, stellt sich auch nicht mehr die Frage der Bindungswirkung der die Parteifähigkeit der Beklagten bejahenden Vorentscheidungen der beiden Untergerichte. Da - wie bereits oben dargelegt wurde - die Parteiunfähigkeit der beklagten Arbeitsgemeinschaft nur dadurch hätte beseitigt werden können, daß ihre einzelnen Mitglieder als Parteien in den Prozeß eintreten und dem Einschreiter, der für die Gemeinschaft bisher gehandelt hat, Vollmacht erteilten, solche Erklärungen aber trotz der an den einschreitenden Rechtsanwalt Dr. Sch im Auftrage des Revisionsgerichtes gerichteten Aufforderung des Erstgerichts nicht abgegeben worden sind, war zugleich die Klage wegen des Mangels der Parteifähigkeit der beklagten Arbeitsgemeinschaft zurückzuweisen.
Anmerkung
Z51003 8Ob555.77European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0080OB00555.77.0111.000Dokumentnummer
JJT_19780111_OGH0002_0080OB00555_7700000_000