Index
E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:C-498/03 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62003CJ0498 26. Mai 2005 * Fortgesetztes Verfahren im VwGH nach EuGH-Entscheidung: 2005/15/0070 E 23. September 2005Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. Juli 2000, GZ. RV 332/1-8/00, betreffend Umsatzsteuer für Februar bis Dezember 1998 und Jänner bis Juli 1999, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-498/03 (Kingscrest Associates Ltd und Montecello Ltd) ausgesetzt.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren zufolge als Einzelunternehmer eine "Hausnotrufzentrale" sowie ein Pflegeheim. Mit der "Notrufzentrale" verbunden sei der Vertrieb eines Notruftelefons, das aus einem am Armgelenk getragenen Sender und aus einem entsprechenden Notruftelefon bestehe, welches als Funksignal-Empfangsanlage und automatische Telefonwähleinrichtung als Zusatzeinrichtung zum Telefon betrieben werde und über eine Freisprechanlage verfüge. Im Notfall könne durch einen Tastendruck auf die Sendeeinrichtung ein Signal in der zentral betriebenen Notrufstelle ausgelöst werden. Das Bedienungspersonal in der Notrufzentrale nehme daraufhin mit dem Kunden Kontakt über die Freisprecheinrichtung oder auf sonstige Art auf und veranlasse im Notfall die erforderlichen und notwendigen Maßnahmen, wie etwa die telefonische Verständigung von Notarzt, Rettung, Hausarzt, Hauskrankenpflege, Vertrauenspersonen, Nachbarn, Verwandten, Polizei, Feuerwehr usw.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Umsatzsteuer für Februar bis Dezember 1998 und für Jänner bis Juli 1999 fest. Sie nahm sowohl im Verkauf der Notruftelefone wie auch in den im Zusammenhang mit der Notrufzentrale erbrachten Dienstleistungen und in den im Rahmen des Pflegeheims erbrachten Dienstleistungen steuerpflichtige Umsätze an. Weder hinsichtlich der Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Notrufzentrale sowie der entsprechenden Geräte noch hinsichtlich des Betriebes des Pflegeheims stünden dem Beschwerdeführer die Befreiungen von der Umsatzsteuer nach § 6 Abs. 1 Z 18 und 25 UStG 1994 zu. Danach seien nur Umsätze von Einrichtungen, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts oder von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, betrieben werden, als Dienstleistungen mit sozialem Charakter steuerbefreit. Andere Einrichtungen, die mit Gewinnerzielungsabsicht tätig würden, wie etwa auch die des Beschwerdeführers, seien von der Steuerbefreiung ausgeschlossen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. Juni 2001, B 1522/00-4, die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
Umsatzsteuerfrei sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 18 UStG 1994 u.a. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime, soweit sie von Körperschaften des öffentlichen Rechts bewirkt werden und es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Krankenbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen.
Die in § 6 Abs. 1 Z 18 UStG 1994 genannten Leistungen sind nach § 6 Abs. 1 Z 25 leg. cit. auch dann steuerfrei, sofern sie von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen bewirkt werden, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung). Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ausgeführt werden.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 (Sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie) befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden.
Weiters befreien die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.
Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die im Zusammenhang mit dem von ihm betriebenen Pflegeheim einerseits und mit dem Betrieb einer Notrufzentrale samt dem damit verbundenen Verleih und Verkauf der Notruftelefone andererseits erzielten Umsätze seien von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe b und g der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie erfasst und daher von der Umsatzsteuer zu befreien.
Dem EuGH liegen in der Rechtssache C-498/03 (Kingscrest Associates Ltd und Montecello Ltd) folgende Fragen des antragstellenden Gerichtes (VAT and Duties Tribunal, London Tribunal Centre) vor:
"1.
.....
2.
Sind Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben g und h der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977, wenn sie dahin auszulegen sind, dass sie auf eine Organisation anwendbar sind, der sozialer Charakter zuerkannt wird, auch dahin auszulegen, dass sie auf eine Personengesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht wie die Kingscrest Residential Care Homes anwendbar sind ?
3. Sind Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben g und h dahin auszulegen, dass sie einem Mitgliedstaat ein Ermessen einräumen, wenn er einer Organisation, die zwar nach dem Care Standards Act 2000 (oder dem Registered Homes Act 1984 oder dem Children Act 1989) eingetragen, aber keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist und nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats nicht den Status einer karitativen Organisation hat, für die Zwecke dieser Bestimmungen sozialen Charakter zuerkennt ?"
Die Beantwortung dieser Fragen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung auch auf eine Person(engesellschaft) mit Gewinnerzielungsabsicht anwendbar ist, und ob einem Mitgliedstaat bei der Auslegung der Bestimmung des Art. 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie bei der Zuerkennung des sozialen Charakters einer Einrichtung, die keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist und nach dem nationalen Recht nicht den Status einer karitativen Organisation hat, ein Ermessen eingeräumt ist, kann auch für die Beurteilung des gegenständlichen Beschwerdefalles maßgebend sein. Somit liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 62 Abs. 1 VwGG iVm § 38 AVG vor.
Wien, am 21. April 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001150163.X00Im RIS seit
05.08.2005Zuletzt aktualisiert am
26.03.2012