TE OGH 1978/2/24 13Os204/77

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Veröffentlicht am 24.02.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Feber 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred R*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26. September 1977, GZ. 8 b Vr 8027/76-62, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Neureiter und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre erhöht. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Manfred R*** des Vergehens (richtig: Verbrechens) der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 StGB. und des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit b WaffenG. schuldig erkannt, weil er in Wien 1.) am 12.Oktober 1976, indem er mit einem Fallmesser insgesamt achtzehnmal heftig auf Robert W*** einstach, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB.), nämlich eine Stichwunde vor dem linken Oberlid mit Durchtrennung der Schläfenarterie, Stichwunden an der Oberlippe, an der linken Schulter und am linken Arm, im Bereich der linken Brustkorbhälfte unter Eröffnung des Rippenfellraumes bei Ausbildung einer Blutung im Rippenfellraum, im Bereich des Bauches unter Verletzung von Darm, Leber, Milz und des großen Netzes sowie im Bereich des Zwerchfells und der Lendengegend links, verbunden mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, absichtlich zugefügt;

2.) von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 12. Oktober 1976 das unter Punkt 1 angeführte Fallmesser, sohin eine verbotene Waffe, unbefugt besessen hat.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Manfred R*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er sich jedoch nur gegen den Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung (Punkt 1 des Urteilssatzes) wendet, wogegen er den Schuldspruch wegen Vergehens nach dem Waffengesetz (Punkt 2 des Urteilssatzes) unangefochten läßt.

Als Begründungsmängel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes werden vom Beschwerdeführer der Sache nach Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen sowie Angabe nur offenbar unzureichender Gründe geltend gemacht.

Soweit der Beschwerdeführer darzutun sucht, im Zeitpunkt seiner telefonischen Verabredung mit Elfriede F*** habe er nicht wissen können, daß er am Abend noch Robert W*** treffen werde, setzt er sich über die zureichend begründeten und auch in der Beschwerde gar nicht angezweifelten Urteilsfeststellungen hinweg, denen zufolge er bereits am Nachmittag der Sybille H*** aufgetragen hatte, Robert W*** anzurufen und in den Prater zu bestellen, und er auch selbst eine entsprechende telefonische Aufforderung an W*** gerichtet hatte.

Daß der Angeklagte nach seiner Ankunft im Lokal 'Alpendorf' den Robert W***, als dieser ihn ansprach, vorerst zur Seite geschoben und zu ihm gesagt hat 'Mit dir rede ich noch später', wurde vom Erstgericht ohnehin festgestellt. Dies schließt jedoch keineswegs aus, daß der Angeklagte sich schon in der vorgefaßten Absicht in das Lokal begeben hatte, dort eine Auseinandersetzung mit Robert W*** zu suchen und dem Genannten durch Messerstiche schwere Verletzungen zuzufügen.

Rechtliche Beurteilung

Auch die weitere Urteilsannahme, daß der Angeklagte sein Fallmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimetern schon im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Tat griffbereit in der rechten äußeren Manteltasche behalten hatte, erscheint angesichts seines festgestellten Gesamtverhaltens und nach der Lebenserfahrung durchaus schlüssig.

Als unzutreffend erweist sich ferner das Beschwerdevorbringen, zur 'Eskalation' sei es erst ab dem Zeitpunkt gekommen, als der Angeklagte von dem wesentlich kräftigeren Robert W*** zur Tür gedrängt und dort angeklammert wurde. Denn entgegen seiner Verantwortung hat der Angeklagte nicht erst bei der Tür sein Messer gezogen, sondern schon während des Schlagabtausches auf der Tanzfläche auf Robert W*** einzustechen begonnen.

Schließlich hat das Erstgericht das vom Sachverständigen Primarius Dr. Heinrich Gross erstattete psychiatrische Gutachten keineswegs 'völlig übergangen', sondern gründet seine Sachverhaltsfeststellung ausdrücklich auch auf dieses Gutachten.

Wenn der Angeklagte jedoch aus der vom Sachverständigen aus der Tatsache der großen Anzahl der Messerstiche gefolgerten hochgradigen Affekterregung zumindest in Befolgung des Grundsatzes in dubio pro reo den Schluß gezogen haben will, er habe 'ohne dies genau zu bedenken oder gar zu wollen oder vielleicht gar zu wissen blindlings' bzw. 'wahllos und blindwütig' auf Robert W*** eingestochen, so setzt er sich mit diesem Vorbringen sowohl über die Bekundung des Sachverständigen, seine psychische Verfassung habe den Angeklagten zur Tatzeit trotz der hochgradigen Affekterregung nicht ausserstande gesetzt, das Unrechtmäßige seiner Vorgangsweise einzusehen und einsichtsgemäß zu handeln, als auch über den Umstand hinweg, daß das Erstgericht nicht nur aus der Anzahl der Stiche, sondern auch aus der Art der Stichführung und daraus, gegen welche Körperstellen die Stiche geführt worden sind, denkrichtig folgern konnte, daß es dem Angeklagten - seiner vorgefaßten Absicht entsprechend - auch im Tatzeitpunkt darauf angekommen ist, Robert W*** schwer zu verletzen.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Begründungsmängel sind daher nicht gegeben.

Ebensowenig halten die materiellrechtlichen Rügen einer Überprüfung stand.

Soweit der Angeklagte die tatsächlichen Grundlagen der Urteilsannahmen, daß er dem Robert W*** die schweren Verletzungen absichtlich zugefügt und an keine ernsthafte Gefährdung seiner Person durch W*** geglaubt habe, in Zweifel zieht, sind insbesondere die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit a, lit b und 10

des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Rechtsrügen nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil er dabei, statt den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt mit dem darauf anzuwendenden Strafgesetz zu vergleichen, von urteilsfremden Annahmen ausgeht.

Aber auch die vom Angeklagten unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO.

im Zusammenhang mit der von ihm geltend gemachten angeblichen Notwehrsituation behaupteten Feststellungsmängel liegen nicht vor. Auszugehen ist nämlich davon, daß eine Notwehrsituation im Rahmen eines 'Raufhandels', d.i. eines waffenlos ausgetragenen Handgemenges nur ausnahmsweise, also etwa dann in Betracht kommt, wenn der Angegriffene bereits wehrlos ist oder aufgegeben hat oder wenn eine unangemessene Eskalation, etwa durch Waffengebrauch, einseitig eintritt (vgl. ÖJZ-LSK 1976/37, RiZ. 1973/59, EvBl 1973/223), wogegen außer Fällen solcher Art nicht einmal derjenige Teilnehmer am Handgemenge, der mit einer Niederlage rechnen muß und davor Angst empfindet, berechtigt ist, Mittel anzuwenden, die eine schwere Verletzung des Gegners befürchten lassen (vgl. RiZ. 1968/191 und 12 0s 173/70 vom 20. Oktober 1970).

Überträgt man diese Grundsätze auf den gegenständlichen Fall, dann zeigt sich, daß die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen durchaus genügen, die vom Angeklagten behauptete Notwehrsituation mit Sicherheit ausschließen zu können. Denn nach den schöffengerichtlichen Konstatierungen wies die Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und W*** zunächst alle Merkmale eines 'Raufhandels' auf - W*** hatte, vom Angeklagten beiseitegeschoben, diesem mit der flachen Hand eine Ohrfeige versetzt, worauf dann beide mit den Händen aufeinander einschlugen - und erfolgte eine Eskalation erst dadurch, daß der Angeklagte plätzlich und noch auf der Tanzfläche begann, auf W*** einzustechen, ohne daß dieser Drohungen ausgestoßen oder Anstalten getroffen hätte, sein (hinten im Hosenbund steckendes) Messer zu ziehen.

Da somit dem angefochtenen Urteil auch keine Nichtigkeit begründende Feststellungsmängel anhaften, war die im Ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 87 Abs 1 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die besondere Brutalität, als mildernd hingegen das Tatsachengeständnis und den Umstand, daß sich der Verletzte auf die Auseinandersetzung eingelassen und diese mit einer Ohrfeige eröffnet habe. Die Berufung der Staatsanwaltschaft strebt eine Erhöhung des Strafmaßes, jene des Angeklagten eine Herabsetzung desselben an. Lediglich die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt. Das Erstgericht hat zwar die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig angeführt, den erschwerenden Umständen aber zu wenig Gewicht beigelegt, weshalb die Strafe in Stattgebung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels auf das im Spruch ersichtliche Maß zu erhöhen war.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00204.77.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19780224_OGH0002_0130OS00204_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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