TE OGH 1978/2/24 13Os200/77

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Veröffentlicht am 24.02.1978
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Feber 1978 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Schneider und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführers in der Strafsache gegen Talät A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 20.Oktober 1977, GZ. 11 Vr 110/77-52, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Puchner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der türkische Staatsangehärige Talät A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB., des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105, 106 Abs 1 Z. 1 StGB. sowie des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffenG. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde macht nur den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 345 Abs 1 StPO. geltend, mit dem sie die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen-Gutachtens rügt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Der Schwurgerichtshof begründete sein abweisliches Zwischenerkenntnis - sinngemäß - insbesonders damit, daß der dem Verfahren beigezogene 'erfahrene' psychiatrische Sachverständige Dr. Herbert B - entgegen dem nicht näher konkretisierten Beweisantrag - nach eingehender persönlicher Vernehmung (des Angeklagten) unter Berücksichtigung der gesamten Verfahrensergebnisse einen erschöpfenden sowie unmißverständlichen Befund und, darauf gegründet, ein schlüssiges und widerspruchsfreies Gutachten über den Geisteszustand und die seelische Verfassung des Angeklagten zur Tatzeit erstattet habe und daher die Zuziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen entbehrlich sei.

Diesen Erwägungen ist im Ergebnis zuzustimmen.

Die Strafprozeßordnung schreibt die Einholung eines zweiten Sachverständigen-Gutachtens nur unter den Voraussetzungen der §§ 118 oder 125, 126 StPO. vor, die hier nicht gegeben sind. Gemäß dem § 118 Abs 1 StPO. ist vom Gericht grundsätzlich nur ein einziger Sachverständiger zu bestellen.

Der Beiziehung von zwei Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn dies wegen der (besonderen) Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich ist (§ 118 Abs 2 StPO.). Ansonsten ist ein zweiter Sachverständiger nur dann zu bestellen, wenn der Befund des ersten Sachverständigen dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen steht oder das Gutachten Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, und wenn die daraus resultierenden Bedenken sich auch durch die nochmalige Vernehmung des (ersten) Sachverständigen nicht beseitigen lassen (§§ 125, 126 Abs 1 StPO.).

Solche Umstände vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Der Sachverständige hatte sein schriftliches Gutachten vom 18.April 1977 (ON. 27) lediglich auf das Ergebnis seiner persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den ihm im damaligen Zeitpunkt vorliegenden Akteninhalt gestützt.

In der Hauptverhandlung vom 20.Oktober 1977 nahm er im Zuge der Erstattung seines mündlichen Gutachtens vorerst zwar auf seine schriftliche Expertise Bezug, betonte jedoch - dem Sinn nach - ausdrücklich, daß er bei seinen nunmehrigen Ausführungen zusätzlich auch die Ergebnisse der unmittelbaren Beweisaufnahmen durch das erkennende Gericht (Zeugenaussagen etc.) berücksichtige (vgl. S. 490).

Angesichts dieser teilweise geänderten bzw. ergänzten Beurteilungsgrundlage liegt es auf der Hand, daß er sein schriftliches Gutachten nicht in allen Teilen unverändert aufrechterhielt, sondern in einzelnen - für die Entscheidung der Schuldfrage im übrigen unwesentlichen - Punkten Modifikationen seiner ursprünglichen psychiatrischen Konklusionen zu Gunsten des Beschwerdeführers vornahm und zum Beispiel zu einer - von der Beschwerde relevierten - anderen Gewichtung des im Tatzeitpunkt beim Angeklagten gegebenen Verhältnisses zwischen sthenischen und asthenischen Affekten gelangte oder sich mit dem Drohbrief des Getäteten in der Hauptverhandlung konkreter auseinandersetzte als im Vorverfahren. Das in Gegenwart der Geschwornen vorgetragene, in sich geschlossene und im Gesamtergebnis gegenüber dem im Vorverfahren erstatteten unveränderte Gutachten des Sachverständigen Dr. Herbert B weist sohin in Wahrheit Widersprüche oder Mängel der in den §§ 125, 126

StPO. bezeichneten Art gar nicht auf und nimmt auch - entgegen dem abgewiesenen Beweisantrag - auf das Schreiben des Oberlandesgerichtsrates Dr. C (Beilage 1) hinlänglich Bezug. Dem Verteidiger und dem Angeklagten wäre es im übrigen freigestanden, die erstmals in der Beschwerde konkret dargestellten angeblichen Mängel des Gutachtens bereits in der Hauptverhandlung unter Ausnützung des ihnen zustehenden Fragerechtes aufzuzeigen und so einer ihnen notwendig erscheinenden näheren Erörterung zuzuführen.

Eine besondere Schwierigkeit der Begutachtung, welche die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen erfordert hätte, lag nicht vor und wurde auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Durch das gerügte Zwischenerkenntnis wurden darum weder Gesetze noch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Strafverfahrens geboten wäre.

Der Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 345 Abs 1 StPO. haftet sohin dem Ersturteil nicht an.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von drei strafbaren Handlungen und die Abgabe von drei Schüssen, wovon zwei tödlich waren, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit und das Teilgeständnis des Angeklagten, seine zur Zeit der Haupttat eingeschränkte Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie den Umstand, daß es beim Versuch der Nötigung geblieben war. Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafmaßes unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Ausgehend von den vom Erstgericht im wesentlichen vollständig erfaßten Strafzumessungsgründen erscheint dem Obersten Gerichtshof die verhängte, dem gesetzlichen Mindestmaß entsprechende Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen. Vor allem in Hinblick auf die Modalitäten der Tatausführung kann entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht gesagt werden, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände (inhaltlich) beträchtlich überwiegen, weshalb das Erstgericht die Anwendbarkeit des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 41 StGB. zutreffend verneinte. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00200.77.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19780224_OGH0002_0130OS00200_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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