TE OGH 1978/3/8 1Ob534/78

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Veröffentlicht am 08.03.1978
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Norm

ABGB §1152 Abs1
Rechtsanwaltsordnung §17 Abs1
Rechtsanwaltsordnung §37 Abs1 Z4

Kopf

SZ 51/27

Spruch

Den von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien kommt kein normativer Charakter zu; ihre Ansätze können aber als angemessenes Entgelt des Rechtsanwaltes für Leistungen in einem offiziosen Strafverfahren, aber auch vor Einleitung eines solchen anerkannt werden

OGH 8. März 1978, 1 Ob 534/78 (LGZ Graz 4 R 348/77; BGZ Graz 3 C 1266/76)

Text

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Bezahlung eines Betrages von 10 063.89 S samt Anhang für Kosten rechtsfreundlicher Beratung.

Die Beklagten bestritten das Klagsvorbringen und wendeten ein, daß der geforderte Betrag überhöht sei, weil die Besprechung mit dem Kläger, für die das eingeklagte Honorar gefordert werde, lediglich von 17.55 Uhr bis 19.06 Uhr gedauert habe; die Zweitbeklagte sei nur als Begleiterin des Erstbeklagten erschienen, sie habe weder Auskünfte eingeholt, noch sich an der Besprechung beteiligt und hafte daher auch nicht für die Honoraransprüche des Klägers.

Der Erstrichter erkannte den Erstbeklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von 5275.80 S samt Anhang zu bezahlen; das gegen den Erstbeklagten gerichtete weitere Begehren auf Zuspruch von 4788.09 S samt Anhang sowie das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Klagebegehren wies er ab. Er traf im wesentlichen folgende Feststellungen: Heinrich P, der Sohn des Erstbeklagten und Bruder der Zweitbeklagten, war verdächtig, im Feber 1976 einen Raubüberfall verübt zu haben. Der Tatverdacht richtete sich gegen Heinrich P, weil bei der Tat eine Kassa durch Nachsperre geöffnet worden war und die bei der Firma D als Kassierin tätige Zweitbeklagte angegeben hatte, daß ihr der Kassaschlüssel gestohlen worden sei. Der Erstbeklagte suchte für seinen Sohn einen Verteidiger und vereinbarte mit dem Kläger über eine Mittelsperson eine Besprechung für den 12. Feber 1976 16.30 Uhr. Zu dieser Zeit erschien der Erstbeklagte in Begleitung der Zweitbeklagten. Die Aussprache mit dem Kläger, die zunächst durch einen Anruf eines Klienten des Klägers unterbrochen worden war, dauerte bis 20.30 Uhr. Die Beklagten ersuchten den Kläger, Heinrich P zu verteidigen und alles zu unternehmen, damit der Genannte die ihm drohende Strafe nicht im vollen Ausmaß erhalte und auch der gegen die Zweitbeklagte bestehende Verdacht der Mitwisserschaft am deliktischen Geschehen entkräftet, werde. Die Beklagten schilderten dem Kläger eingehend den Sachverhalt; im Hinblick auf den Umstand, daß Heinrich P mehrfach vorbestraft ist und sich sein Bruder in Strafhaft befand, war eine umfangreiche Vorbesprechung erforderlich. Es wurden alle Erörterungen gepflogen, die für die Vorbereitung der Verteidigung des Verdächtigen erforderlich waren. In der Folge gab der Erstbeklagte dem Kläger telefonisch bekannt, daß im Hinblick auf die Höhe der Strafdrohung Rechtsanwalt Dr. S, mit der Verteidigung betraut werde und er keinen Wert auf die Verteidigung durch den Kläger lege. Bei einem zweiten Telefongespräch teilte der Erstbeklagte mit, daß wegen der Höhe der Kosten nicht Rechtsanwalt Dr. S, sondern Dr. K mit der Verteidigung beauftragt worden sei. Gleichzeitig ersuchte der Erstbeklagte um Übersendung der Honorarnote, welchem Begehren der Kläger entsprach. Der Erstbeklagte hatte anläßlich des Telefonates ausdrücklich ersucht, die Honorarnote nur an ihn zu übersenden und hatte sich zur Tragung der gesamten Kosten bereit erklärt.

In rechtlicher Hinsicht ging der Erstrichter davon aus, daß zwar beide Beklagte die Tätigkeit des Klägers in Anspruch genommen hätten, der Kläger jedoch mit dem Erstbeklagten einen privativen Schuldübernahmsvertrag abgeschlossen habe, so daß die Zweitbeklagte für die aufgelaufenen Kosten nicht zu haften habe. Was die Höhe des Anspruches betreffe, so könne diese nicht nach den Autonomen Honorar-Richtlinien bestimmt werden, weil deren Anwendung nicht vereinbart worden sei. Es sei daher unter Bedachtnahme auf die im Rechtsanwaltstarif für Privatanklagen in Vergehensfällen vorgesehene Bemessungsgrundlage von 20 000 S eine Bemessung des Honoraranspruches unter Zugrundelegung eines Ansatzes von 120 000 S angemessen, wobei in analoger Anwendung von Bestimmungen des Notariatstarifs für die in der Zeit nach 19 Uhr erbrachten Leistungen das doppelte Honorar zuzuerkennen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Erstbeklagten keine Folge. Über Berufung des Klägers änderte es das Ersturteil dahin ab, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, dem Kläger den Betrag von 10 063.89 S samt Anhang zu bezahlen. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß beide Beklagten für den Honoraranspruch des Klägers zu haften hätten, zumal ein Schuldübernahmsvertrag mit dem Kläger nicht festgestellt, ja nicht einmal behauptet worden sei. Die Erklärung des Erstbeklagten, er werde die gesamten Kosten tragen, sei als Schuldbeitritt zu qualifizieren. Was die Höhe des Anspruches betreffe, sei er nach den Ansätzen der Autonomen Honorar-Richtlinien zu bemessen (§ 1152 ABGB).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist zunächst davon, daß nach den getroffenen Feststellungen beide Beklagten Leistungen des Klägers in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt in Anspruch genommen haben; daran ändert auch der Umstand nichts, daß die mit dem Kläger abgehaltene Besprechung dazu dienen sollte, die Grundlagen für die Verteidigung des eines Verbrechens verdächtigen Heinrich P zu schaffen. Eine Vereinbarung in der Richtung, daß der Vorgenannte - mit seiner Zustimmung - Honorarschuldner sein sollte, wurde nicht einmal behauptet. Leistungen des Klägers hat nun aber nicht nur der Erstbeklagte, sondern auch die Zweitbeklagte in Anspruch genommen; bei ihr lag sogar ein eigenes Interesse vor, sollte doch das Einschreiten des Klägers nach den getroffenen Feststellungen auch den allenfalls auf ihr lastenden Verdacht einer Mitwisserschaft am Verbrechen des Heinrich P entkräften.

Auf den durch Inanspruchnahme der Leistungen des Klägers zustandegekommenen Vertrag finden in erster Linie die Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung, hilfsweise die Bestimmungen des ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag Anwendung (Stanzl in Klang[2] IV/1, 794; EvBl. 1972/124 u. a.). Da nach den getroffenen Feststellungen der Untergerichte davon auszugehen ist, daß keineswegs Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers vereinbart war, hat er für seine den Beklagten erbrachten Leistungen Anspruch auf Entgelt. In erster Linie gebührt ihm das vereinbarte Entgelt (§ 17 Abs. 1 RAO). Da eine ausdrückliche Honorarvereinbarung nicht getroffen wurde, hat der Kläger Anspruch auf angemessene Entlohnung (EvBl. 1972/124; NZ 1973, 156 u. a.). Bei Ansprüchen, für die ein Tarifsatz besteht, ist in der Regel der entsprechende Tarifsatz als angemessenes Entgelt anzusehen.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Rechtsanwaltstarif (BGBl. 189/1969) haben die Rechtsanwälte im zivilgerichtlichen Verfahren, im schiedsgerichtlichen Verfahren nach den §§ 577 ff. ZPO, in Strafverfahren über eine Privatanklage und für die Vertretung von Privatbeteiligten Anspruch auf Entlohnung nach Maßgabe der Bestimmungen des einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Rechtsanwaltstarifs (RAT). Der Kläger war - wie nicht strittig ist - im vorliegenden Fall in Vorbereitung einer voraussichtlich in die Kompetenz des Geschwornengerichtes fallenden Strafsache tätig. Es kommen daher die Bestimmungen des Rechtsanwaltstarifsgesetzes und des Rechtsanwaltstarifs unmittelbar nicht zur Anwendung. Das Berufungsgericht legte dann aber bei Beurteilung der Frage, welches Honorar als angemessen erachtet werden kann, zutreffend die von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages gemäß § 37 Z. 4 RAO beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien (AHR 1976) zugrunde. Diesen Richtlinien kommt allerdings normativer Charakter nicht zu; sie stellen aber doch ein kodifiziertes Sachverständigengutachten für jene anwaltlichen Leistungen dar, die im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht geregelt werden, insbesondere für Leistungen des Rechtsanwalts in offiziosen Strafverfahren (Orator in ÖJZ 1975, 364). Gemäß § 10 der am 10. Oktober 1975 kundgemachten AHR 1976 sind für Leistungen des Rechtsanwalts in offiziosen Strafsachen vor den Gerichten, die nicht im § 9 AHR erwähnt sind, die Honoraransätze der TP 1 bis 3 und der TP 5 bis 9 RAT, im Falle einer Leistung gemäß § 9 Abs. 1 Z. 4 AHR, also im geschworenengerichtlichen Verfahren, unter Zugrundelegung eines Ansatzes von 300 000 S, angemessen. Bei Bedachtnahme auf die Bedeutung einer in die Kompetenz des Geschworenengerichtes fallenden Strafsache bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken, diese Ansätze der Ermittlung des angemessenen Entgelts zugrundezulegen (vgl. auch SZ 35/33). Die §§ 9 Abs. 1 Z. 4 und 10 AHR regeln allerdings ihrem Wortlaut nach nur Leistungen des Rechtsanwalts im geschwornen gerichtlichen Verfahren, doch besteht kein erkennbarer Grund, ein gleich hohes Honorar nicht auch für gleichartige Leistungen anzuerkennen, die ein Rechtsanwalt in einer Sache erbringt, die nach Angaben des Klienten eine offiziose, in die Kompetenz des Geschworenengerichtes fallende Strafsache werden dürfte. Es kann nämlich für die Wertung der Leistungen, wie sie Gegenstand dieses Verfahrens sind (Besprechungen und Telefonate im Sinne des § 8 RAT) keine entscheidende Rolle spielen, ob sie vor einem erwarteten oder während eines eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens erbracht wurden. Die ziffernmäßige Richtigkeit des Honorars wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Die Zweitbeklagte lehnt eine Verpflichtung unter Hinweis auf einen zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten abgeschlossenen privativen Schuldübernahmsvertrag ab. Hiezu ist zunächst darauf zu verweisen, daß sich die Zweitbeklagte im Verfahren vor dem Erstrichter auf eine solche schuldbefreiende Übernahme ihrer Verbindlichkeit nicht berufen hat. Darüber hinaus rechtfertigt aber ohnehin der Umstand allein, daß der Erstbeklagte den Kläger ersuchte, ihm die Honorarnote zuübersenden und zudem erklärte, er werde den gesamten Honorarbetrag bezahlen, bei Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) nicht die Annahme, der Kläger hätte damit die Zweitbeklagte aus ihrer Haftung entlassen. Hiefür bestand nach der gesamten Sachlage überhaupt kein vernünftiger Grund. Bezweckt war mit dem Ersuchen des Erstbeklagten wohl nur eine Vereinfachung der Manipulation für den Kläger, nicht aber eine Änderung des begrundeten Schuldverhältnisses. Zumindest mußte der Kläger keinen anderen Zweck erkennen. Demnach haftet aber auch die Zweitbeklagte - nach der Verkehrssitte solidarisch mit dem Erstbeklagten (SZ 39/211 u. a.) - für den Honoraranspruch des Klägers.

Anmerkung

Z51027

Schlagworte

Autonome Honorar-Richtlinien, Charakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00534.78.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19780308_OGH0002_0010OB00534_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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