TE OGH 1978/3/9 13Os35/78

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Veröffentlicht am 09.03.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 30.September 1977, GZ. 6 c Vr 1986/77-26, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der neben seinem Beruf auch als Boxer tätige Monteur Robert A der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1

und 84 Abs. 1 StGB. und der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB. schuldig erkannt, weil er in Wien am 20.Februar 1977 Harald B durch Faustschläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper eine an sich schwere, mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbundene Verletzung zufügte und am 19. Februar 1977 zwei Glasscheiben der Wohnungsfenster der Johanna C im Wert von 160 S vorsätzlich einschlug.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10

des § 281 Abs. 1 StPO. anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde. Als offenbar unzureichende und undeutliche Urteilsbegründung im Sinne des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer, es sei unerörtert geblieben, auf welche der aufgenommenen Beweise das Erstgericht die Annahme seiner Täterschaft beim Körperverletzungsdelikt stütze, ja daß es nach einem Passus der Urteilsgründe seine Täterschaft hiezu sogar überhaupt für zweifelhaft halte.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Vorwurf ist unberechtigt.

Denn die Feststellung über die Täterschaft gründet das Gericht ersichtlich auf die 'spätere Verantwortung' des Angeklagten (vor dem erkennenden Gericht, wonach er erklärte, 'im Rauschzustand den Harald B geschlagen' zu haben und sich /sogar/ 'im Sinne der Anklage' schuldig bekannte /S. 121 d.A. in Verbindung mit S. 153 d. A./);

durch diese Verantwortung sah der Schöffensenat ebenso wie auch durch die Aussagen der Identifikationszeugen Christa D, Gertrude E und Harald B die zunächst selbst eine Anwesenheit am Tatort ableugnende Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei als widerlegt an (S. 175 d.A.).

Daß der Verletzte in seiner letzten Darstellung (in der Hauptverhandlung am 30.September 1977), es sei 'auf keinen Fall der Angeklagte gewesen, der ihn geschlagen habe' (S. 160 d.A.), die Täterschaft des Angeklagten wieder 'geradezu zweifelhaft werden ließ' (S. 177 d.A.), nachdem er ihn zuvor zweifelsfrei als Täter agnosziert hatte, wurde in den Urteilsgründen - wenn auch in unglücklicher Formulierung - bloß zur Charakterisierung des 'allgemeinen Bestrebens' der Zeugen erwähnt, den Angeklagten 'möglichst wenig zu belasten, wenn nicht gar tatsachenwidrig zu entlasten' (S. 177 d.A.), ist aber - auch nach der systematischen Gliederung der Urteilsgründe - nicht als eine gegen die Annahme der Täterschaft des Angeklagten gerichtete Tatsachenfeststellung zu werten. Daß diese vielmehr für das Erstgericht unzweifelhaft feststeht, ergibt sich unter anderem auch daraus, daß es der Aussage des Zeugen Hans F, der den Angeklagten - nach Ansicht des Gerichtes tatsachenwidrig - entlastete, rundweg den Glauben versagte (S. 177 d. A.).

Der Beschwerde kann auch darin nicht beigepflichtet werden, daß in - übrigens ohne Berücksichtigung der gesamten Aussage und daher mißverständlich aus dem Zusammenhang gelösten - Bekundungen des Zeugen Nikolaus G, wonach Harald B auf den Angeklagten, der ihn aus einem Lokal bis in einen Park verfolgt hatte, hingeschlagen hat und mit den Füßen 'zurückschlagen wollte' (S. 128 d.A. in Verbindung mit S. 165 d.A.), der vom Erstgericht zu Unrecht ignorierte Hinweis auf eine Notwehrsituation gefunden werden könne. Eine solche hat der Angeklagte in seiner Verantwortung niemals für sich in Anspruch genommen, weshalb das Erstgericht auch nicht verhalten war, in Ablehnung einer Notwehrsituation auf die - in ihrer Gesamtheit betrachtet - 'keinen Hinweis' auf eine solche bietende, den Angeklagten eher als Aggressor belastende Aussage des Zeugen Nikolaus G einzugehen, sodaß der hiezu erhobene Vorwurf einer unvollständigen Urteilsbegründung gleichfalls nicht standhält. Zum Schuldspruch wegen der Sachbeschädigung erblickt die Beschwerde eine Unvollständigkeit im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. darin, daß die Aussage der Zeugin Johanna C, sie glaube nicht, daß der damals sehr betrunken gewesene Angeklagte die Fensterscheiben mit Absicht zusammenschlagen wollte, in den Urteilsgründen unerörtert geblieben sei. Das Schöffengericht hat diesfalls das vorsätzliche Handeln des Angeklagten aus dem von der Zeugin Johanna C geschilderten Tatgeschehen - der Angeklagte war in Zorn geraten, hatte von einer nahegelegenen Parkanlage einen stockartigen Gegenstand geholt und damit die Fensterscheiben 'regelrecht' zerschlagen - abgeleitet und brauchte sich nicht eigenes mit der als Grundlage für eine Tatsachenfeststellung an sich ungeeigneten bloßen Vermutung der Zeugin über die Absichten des Täters auseinanderzusetzen, wozu noch kommt, daß absichtliches Handeln zur Erfüllung des Tatbestandes nach dem § 125 StGB. gar nicht erforderlich ist.

Insoweit sich der Angeklagte - ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützt - gegen die Urteilsannahme wendet, er habe die ihm vorgeworfenen Taten - entgegen seiner Verantwortung -

nicht im Zustand voller Berauschung begangen, erweist sich seine Rüge allerdings als berechtigt: denn mit dem Ausspruch, daß sich das Gericht 'nicht überzeugen' konnte, 'daß die alkoholische Beeinträchtigung des Angeklagten so weit gediehen war, daß seine Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit ausgeschlossen war' (S. 178 d.A.), wird im Ersturteil bloß zum Ausdruck gebracht, daß eine Volltrunkenheit des Angeklagten und damit seine Zurechnungsunfähigkeit zur jeweiligen Tatzeit nicht mit der gebotenen Sicherheit angenommen werden könne. über eine für den angefochtenen Schuldspruch vorausgesetzte (positive) überzeugung des Gerichtes, daß der Angeklagte damals zurechnungsfähig war, ist damit allerdings noch nichts ausgesagt. Für eine solche Annahme reicht auch die Begründung des Erstgerichtes zu dieser Frage (S. 376 d.A.) nicht aus, weil auch sie im Ergebnis nur darauf hinausläuft, daß sich das Gericht von der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten nicht überzeugen konnte, damit aber die Frage nach seiner Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit als Zweifelsfall an sich offen ließ.

Da sich das angefochtene Urteil sohin im Ausspruch über entscheidende Tatsachen mit einem Feststellungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. behaftet erweist, der eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung der Sache nicht zuläßt und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich macht, war - mit Zustimmung der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß dem § 285 c StPO. wie im Spruche zu entscheiden, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf das die Frage der Zurechnungsfähigkeit betreffende Vorbringen in der Mängelrüge einzugehen.

Sollte das Erstgericht im erneuerten Verfahren abermals zur Annahme der Täterschaft des Angeklagten gelangen, so wird es - wenn es nicht überhaupt zu einem Schuldspruch wegen Vergehens einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 StGB. (in einem oder beiden Fakten) kommen sollte - von einer richtigen Auffassung über die Beweislast ausgehend, für jede Tatzeit gesondert die formal zureichend begründete Feststellung zu treffen haben, daß es nicht nur auf Grund einer erhaltenen Diskretionsfähigkeit des Angeklagten (für welche das angefochtene Urteil Belege aus dessen Verhalten anführt), sondern auch auf Grund seiner Dispositionsfähigkeit (ÖJZ-LSK. 1976/81) von seiner Zurechnungsfähigkeit überzeugt sei. Anders als bei fehlender überzeugung des Gerichtes von der Zurechnungsfähigkeit des Täters, die sohin im Zweifel - bei gegebenen sonstigen Voraussetzungen - als für den Angeklagten günstiger zu einer Unterstellung seines Tatverhaltens unter die Norm des § 287 StGB. statt unter die des Grunddeliktes führen müßte, reicht nämlich die mangelnde Überzeugung des Gerichtes von der Zurechnungsunfähigkeit des Täters als Grundlage für die (zur subjektiven Tatseite gebotene) Feststellung seiner Zurechnungsfähigkeit (als den Angeklagten im Zweifelsfall ohne zureichenden Beweis belastend) nicht aus.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00035.78.0309.000

Dokumentnummer

JJT_19780309_OGH0002_0130OS00035_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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