Norm
ABGB §731Kopf
SZ 51/31
Spruch
Die Befristung des § 6 Abs. 1 AnerbenG gilt nur dort, wo von vornherein klar ist, daß der Nachlaß nach Anerbenrecht abgehandelt wird. Wird hingegen an das Bestehen eines Erbhofes zunächst überhaupt nicht gedacht oder ist die rechtliche Qualifikation eines landwirtschaftlichen Betriebes als Erbhof strittig, dann muß dem Miterben die Möglichkeit der Antragstellung nach § 6 Abs. 1 AnerbenG bis zu dem Zeitpunkt gewahrt bleiben, in dem die Erbhofeigenschaft rechtskräftig feststeht
OGH 16. März 1978, 6 Ob 19/77 (KG St Pölten R 482/77; BG Mank A 162/75).
Text
Der am 6. November 1975 verstorbene ledige Bauernpensionist Franz M hinterließ u. a. einen landwirtschaftlichen Betrieb in L Nr. 2 im Ausmaß von 25.4 ha. Im Nachlaß wurde lediglich ein Kodizil gefunden, in welchem der Erblasser seiner Wirtschafterin das Hälfteeigentum an einer einzelnen Liegenschaft vermachte. Als gesetzliche Erben kommen der Bruder des Erblassers, Josef M und sieben Kinder seiner vorverstorbenen Geschwister in Frage.
1. Dezember 1975 gaben der Bruder und die Nichten und Neffen des Erblassers auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen zum Nachlaß ab. Diese wurden vom Erstgericht mit Beschluß vom 11. Dezember 1975 zu Gericht angenommen und die Erbrechte der erbserklärten Erben für ausgewiesen erkannt, ohne daß allerdings im Beschluß die Erbquoten der einzelnen Erben angegeben wurden. Gegen die Annahme seiner bedingten Erbserklärungen erhob der Neffe des Erblassers Dipl.-Ing. Johann M Rekurs mit der Begründung, er werde durch die Annahme seiner Erbserklärung in seinem Recht, den landwirtschaftlichen Besitz des Erblassers nach dem Anerbengesetz zu übernehmen und insbesondere einen Antrag nach § 6 Abs. 1 AnerbenG zu stellen, beeinträchtigt. Der Rekurs wurde vom Rekursgericht mangels Beschwer zurückgewiesen. Der OGH bestätigte diesen Beschluß. Noch vor Erledigung des Rekurses durch die zweite Instanz vertrat der Gerichtskommissär in einer Eingabe an das Verlassenschaftsgericht die Ansicht, es liege kein behauster landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 1 AnerbenG vor, so daß die Abhandlung nicht nach Anerbenrecht durchzuführen sein werde.
Am 17. Feber 1976 stellte Dipl.-Ing. Johann M den Antrag auf Übernahme des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes nach dem Anerbengesetz und Zuweisung des Erbhofes an ihn als Anerben. Gleichzeitig stellte er den Antrag, daß gemäß § 6 Abs. 1 Anerbengesetz Anerben, die zur Zeit des Erbanfalles bereits Alleineigentümer eines Erbhofes oder Eigentümer eines Erbhofes von Ehegatten sind. Hinter Miterben derselben Linie in dem Recht, den Erbhof des Erblassers zu übernehmen, zurückzustehen haben. Im Antrag führte Dipl.-Ing. Johann M hinsichtlich sämtlicher anderer Miterben Gründe an, aus denen sie als Anerben ausgeschlossen seien.
Am 17. Feber 1976 erklärte auch der Bruder des Erblassers, Josef M, den Erbhof als Anerbe in Anspruch zu nehmen, und führte diesen Antrag in einer Eingabe vom 18. Feber 1976 näher aus. Die Miterben Maria S, Josefa St, Franz W und Hubert M bestritten dagegen die Erbhofeigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebes. Am 22. Juli 1976
stellten Hubert M und Franz W den Antrag festzustellen, daß es sich bei dem dem Erblasser gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb um keinen Erbhof handle.
Im anschließenden Verfahren stellte das Erstgericht mit Beschluß vom 13. September 1976 fest, daß der hinterlassene landwirtschaftliche Betrieb die Erbhofvoraussetzungen nach § 1 AnerbenG nicht erfülle.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Dipl.-Ing. Johann M gegen diesen Beschluß Folge und änderte ihn dahin ab, daß es feststellte, der zur Verlassenschaft gehörige 25.4 ha große landwirtschaftliche Betrieb in L Nr. 2 sei ein Erbhof im Sinne des § 1 Abs. 1 AnerbenG. Dieser Beschluß wurde vom OGH, welcher dem Revisionsrekurs des Hubert M und Franz W nicht Folge gab, mit Beschluß vom 2. Juni 1977 bestätigt.
Im fortgesetzten Verfahren wies das Erstgericht mit Beschluß vom 7. September 1977 den Antrag des Dipl.-Ing. Johann M, daß Miterben derselben Linie in dem Recht, den Erbhof des Erblassers zu übernehmen, zurückzustehen hätten, sofern sie zur Zeit des Erbanfalls bereits Alleineigentümer eines Erbhofs oder Eigentümer eines Erbhofs von Ehegatten sind, als verspätet zurück. Es vertrat die Auffassung, der Antrag hätte gemäß § 6 Abs. 1 AnerbenG bereits spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden müssen, was nicht geschehen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Dipl.-Ing. Johann M Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß dieser aufgehoben wurde. Es vertrat die Ansicht, die Regelung des § 6 Abs. 1 AnerbenG habe offenbar nur den Zweck, Verzögerungen bei der Abhandlung einer Verlassenschaft nach dem Anerbengesetz soweit als möglich zu verhindern.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Miterben Hubert M und Franz W nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entscheidend ist allein die Frage, ob in allen Fällen einer (späteren) Abhandlung nach dem Anerbengesetz der Antrag nach § 6 Abs. 1 AnerbenG bei sonstigem Ausschluß spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden muß. Das ist zu verneinen:
Gemäß § 6 Abs. 1 AnerbenG hat der Anerbe, der zur Zeit des Erbanfalles bereits Alleineigentümer eines Erbhofs oder Eigentümer eines Erbhofs von Ehegatten ist, auf Antrag eines Miterben derselben Linie (§ 731 ABGB) in dem Recht, den Erbhof des Erblassers zu übernehmen, hinter seinen Miterben zurückzustehen. Der Antrag muß spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden. Der Erbhof fällt dem nach diesem Bundesgesetz Nächstberufenen zu. Für diesen und alle nach diesem Bundesgesetz nach ihm als Anerbe berufenen Miterben gilt das gleiche, wenn sie schon Alleineigentümer eines Erbhofs oder Miteigentümer eines Erbhofs von Ehegatten sind.
Die Bestimmung, wonach der Antrag spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden muß, scheint auf den ersten Blick völlig eindeutig. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist. Zunächst fällt auf, daß der Antrag spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden muß. Dies ließe darauf schließen, daß er auch früher gestellt werden kann. Die Rechtsprechung hat jedoch den Standpunkt vertreten, daß dem Erbanwärter grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der Erbserklärung an Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren zukommt (SZ 47/65; EvBl. 1974/300 u. v. a.). Nur ausnahmsweise wurde dem noch nicht erbserklärten Erben auch schon vor diesem Zeitpunkt Parteistellung eingeräumt, so etwa, wenn noch nicht klar war, ob die Liegenschaft unter das Kärntner Erbhofgesetz fällt (RZ 1976, 96 u. a.). Bei wörtlicher Auslegung würde § 6 Abs. 1 AnerbenG allerdings bedeuten, daß ein in Frage kommender Miterbe, welcher die Abgabe einer Erbserklärung gar nicht beabsichtigt, dennoch einen solchen Antrag stellen und damit Einfluß auf die Person des Anerben nehmen könnte. Nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes kann auch jeder Miterbe (nicht nur der Nächstberufene) einen solchen Antrag stellen. Der Antrag muß sich auf den nach dein Gesetz bestimmten Anerben beziehen "ist der Anerbe ..., so hat er auf Antrag eines Miterben ... zurückzustehen"). Der Erbhof fällt dann dem Nächstberufenen zu. Für diesen und alle nach ihm als Anerben berufenen Miterben gilt jedoch dieselbe Beschränkung wie für den ersten Anerben, d. h. auch sie müssen auf Antrag eines Miterben hinter den anderen Miterben zurückstehen, wenn sie bereits Eigentümer eines Erbhofes sind. Da aber bei wörtlicher Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AnerbenG auch bezüglich dieser weiteren allenfalls berufenen Anerben bereits der diesbezügliche Antrag spätestens mit der Erbserklärung gestellt werden muß, müßten andere Miterben, wenn sie verhindern wollen, daß ein erst in der Folge möglicherweise zum Zug kommender Anerbe den Erbhof erhält, bereits mit ihrer Erbserklärung bedingte Anträge nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AnerbenG hinsichtlich aller weiteren in Frage kommenden Anerben stellen, obgleich von diesen im Zeitpunkt der Antragstellung noch keineswegs sicher ist, ob sie jemals als Anerben in Frage kommen. Denn jeder der berufenen Anerben hat nach § 6 Abs. 1 AnerbenG die Möglichkeit, seinen eigenen Erbhof seinen Miterben anzubieten und damit den Antrag unwirksam zu machen. Auch kann bei den weiteren Anerben ein Ausschlußgrund nach § 5 AnerbenG vorliegen, der erst zu prüfen wäre, wenn sie zufolge Ausfalls des zunächst berufenen Anerben in Frage kämen. Schließlich müßte auch bei wörtlicher Auslegung dieser Bestimmung der Ausschluß eines Miterben bereits in einem Zeitpunkt verlangt werden, in dem dieser unter Umständen noch gar keine Erbserklärung abgegeben hat und noch gar nicht feststeht, ob er dies auch tun wird. Schon diese nur beiläufige Aufzählung von Auslegungsfragen, die sich bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AnerbenG ergeben können, zeigt, daß die scheinbar so klar gefaßte Bestimmung eine Fülle von Fragen aufwirft. Es muß daher bei Entscheidung der hier strittigen Frage zunächst geprüft werden, welchem Zweck diese Bestimmung dienen sollte.
Die Regelung des § 6 AnerbenG, wonach derjenige, der bereits einen Erbhof besitzt, gegenüber dem nächstberufenen Miterben zurückstehen soll, ist § 17 Z. 5 Tiroler Höfegesetz und § 7 Z. 5 Kärntner Erbhöfegesetz nachgebildet. Beide Gesetze sehen jedoch keine Befristung eines allfälligen Antrages von Miterben vor. Hinsichtlich der in § 6 AnerbenG festgelegten Befristung des Antrages ist weder den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (abgedruckt bei Edlbacher, Anerbengesetz, 38 f.), noch den Kommentaren von Edlbacher (a. a. O.) und Mayer (Das Anerbengesetz, Juridica-Kurzkommentar, 30) etwas zu entnehmen. Auch in den zahlreichen Aufsätzen zum Anerbengesetz (vor allem in der NZ 1959), wurde dazu nichts gesagt. Lediglich Webhofer verweist in zwei Aufsätzen (Das neue Bundesanerbengesetz, JBl. 1958, 481; Gedanken über unser kommendes Bauernerbrecht, JBl. 1954, 265) darauf, daß u. a. auch die zeitliche Bindung des Antrages eine reibungslose Abwicklung bewirken solle. Dem Rekursgericht ist daher zunächst beizupflichten, wenn es die Ansicht vertreten hat, diese Bestimmung diene ausschließlich der Hintanhaltung von Verzögerungen des Verfahrens.
Bei der Auslegung dieser Vorschrift muß aber vor allem berücksichtigt werden, daß die Anwendung sämtlicher Bestimmungen des Anerbengesetzes voraussetzt, daß überhaupt ein Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG in den Nachlaß fällt. Solange diese Frage nicht klargestellt ist - sei es, daß die Parteien und das Gericht überhaupt nicht daran denken, es liege ein Erbhof vor, sei es, daß diese Frage strittig ist -, besteht für keinen der Miterben ein Anlaß, einen Antrag nach § 6 Abs. 1 AnerbenG zu stellen. Denn in einem derartigen Fall könnte ein solcher Antrag wieder nur bedingt für den Fall gestellt werden, als sich in der Folge herausstellen sollte, daß der landwirtschaftliche Betrieb ein Erbhof ist. Berücksichtigt man nun, daß die Befristung in § 6 Abs. 1 AnerbenG offenbar nur dem Zweck dient, das Verfahren zu beschleunigen, dann muß diese Bestimmung einschränkend dahin ausgelegt werden, daß sie nur zur Anwendung gelangt, wenn von vornherein klar ist, daß der Nachlaß nach Anerbenrecht abgehandelt wird, nicht aber auch dann, wenn entweder an das Bestehen eines Erbhofes überhaupt nicht gedacht wurde oder über die rechtliche Qualifikation des landwirtschaftlichen Betriebes als Erbhof Streit besteht. Denn schon die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage sagen (Edlbacher a. a. O., 16), daß das Verlassenschaftsgericht in jedem Einzelfall zunächst zu untersuchen haben werde, ob der im Nachlaß vorhandene Bauernhof Erbhofeigenschaft besitzt, meinen jedoch, daß sich in der großen Mehrzahl der Fälle Schwierigkeiten nicht ergeben würden, weil die Beteiligten und Behörden in der Regel genau wüßten, ob ein Hof ein Erbhof sei oder nicht. Ist dies entgegen dieser Meinung des Gesetzgebers aber doch nicht der Fall, so muß dem Miterben die Möglichkeit zur Antragstellung nach § 6 Abs. 1 AnergebenG bis zu dem Zeitpunkt gewahrt bleiben, zu welchem die Erbhofeigenschaft rechtskräftig feststeht. Denn erst mit dieser rechtskräftigen Entscheidung ist klargestellt, daß nach den Bestimmungen des Anergebengesetztes abzuhandeln ist. Allerdings wird entsprechend den Intentionen des Gesetzgebers verlangt werden müssen, daß in einem solchen Fall die Erklärung sodann ohne unnötige Verzögerung abgegeben wird, wobei die Frage, ob auch bedingte Anträge bezüglich der allenfalls nach Ausfall des zunächst berufenen Anerben in Frage kommenden nachfolgenden Anerben unverzüglich abgegeben werden müßten, im vorliegenden Fall nicht behandelt zu werden braucht. Dipl.-Ing. Johann M hat nämlich in seinem Antrag Ausschließungsgrunde hinsichtlich sämtlicher anderen Miterben geltend gemacht. Da der Antrag des Dipl.-Ing. Johann M lange vor der rechtskräftigen Feststellung, daß es sich um einen Erbhof handelt, gestellt wurde, war er rechtzeitig und ist daher bei der Abhandlung zu berücksichtigen.
Anmerkung
Z51031Schlagworte
Anerbenrecht, Befristung im Anerbenrecht, ErbhofqualifikationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0060OB00019.77.0316.000Dokumentnummer
JJT_19780316_OGH0002_0060OB00019_7700000_000