TE OGH 1978/3/16 7Ob11/78

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Veröffentlicht am 16.03.1978
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Norm

Allgemeine Haftpflichtbedingungen 1965 Art20 Abs1 lita
Versicherungsvertragsgesetz §61
Versicherungsvertragsgesetz §152

Kopf

SZ 51/33

Spruch

Eine Gefahr des täglichen Lebens wird durch den Mangel der gebotenen Sorgfalt nicht zu eine "gefährlichen Beschäftigung"; der Haftpflichtversicherer hat daraus entstandene Schäden zu decken OGH 16. März 1978, 7 Ob 11/78 (OLG Graz, 5 R 208/77; LG Klagenfurt, 25 Cg 220/77)

Text

Der Kläger hat mit der Erstbeklagten zu Polizze-Nr. 956/10, 115/10 eine Haftpflichtversicherung mit einem Höchstbetrag von 300 000 S für jede getötete Person nach den AHVB und den EHVG abgeschlossen. Ferner hat er mit der Zweitbeklagten zu Polizze-Nr. 92069240 eine Wohnhaus-Bundelversicherung abgeschlossen, zu der auch eine Haushaltsversicherung mit einer Versicherungssumme von 150 000 S gehört. Am 15. April 1976 lebte der am 16. Juni 1961 geborene minderjährige Karl W, der Sohn des Klägers, mit diesem im gemeinsamen Haushalt.

Nach den den beiden Versicherungen zugrunde gelegten allgemeinen Bedingungen (AHVB, EHVB und ABH) erstreckt sich der Versicherungsschutz auf die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens, mit Ausnahme der Gefahr eines Betriebes, Berufes oder einer gefährlichen Beschäftigung. Er erstreckt sich auch auf die gleichartige Haftpflicht der mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder.

Am 15. April 1976 verbrannte der minderjährige Karl W im Garten des Klägers einen Reisighaufen. Um ihn leichter in Brand setzen zu können, schüttete er aus einem Gefäß Benzin auf den Haufen. Da jedoch noch von früher Glutreste vorhanden waren, bewirkte das Benzin sofort eine Stichflamme, die das von Karl W noch in der Hand gehaltene Gefäß mit restlichem Benzin in Brand setzte. Karl W warf dieses Gefäß weg, traf damit jedoch den sechsjährigen Anselm S, der hiedurch schwere Verbrennungen erlitt.

Die Beklagten lehnten die Gewährung des Versicherungsschutzes für den geschilderten Vorfall mit der Begründung ab, die Tätigkeit des Karl W jun. sei als gefährliche Beschäftigung anzusehen und die mit ihr verbundenen Gefahren seien nicht solche des täglichen Lebens.

Beide Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab, wobei das Berufungsgericht aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteigt. Rechtlich gingen sie davon aus, daß von einer gefährlichen Beschäftigung keine Rede sein könne. Es sei lediglich zu prüfen, ob die Tätigkeit des Karl W junior den Gefahren des täglichen Lebens zuzuordnen sei. Grundsätzlich gehörten die mit dem Verbrennen eines Reisighaufens verbundenen Gefahren zu denen des täglichen Lebens, doch seien die Gefahren, die durch das Inbrandsetzen eines solchen Haufens mittels Benzin hervorgerufen werden, nicht mehr unter diesen Begriff zu subsumieren. Aus diesem Gründe sei Versicherungsschutz für den gegenständlichen Vorfall auszuschließen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und änderte die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht ist vorerst der Einwand der Beklagten in der Klagebeantwortung, ihre Deckungspflicht sei schon deshalb nicht 6 OGH Zivilsachen gegeben, weil das Benzin dem Tank eines Motorfahrrades entnommen worden sei und der Unfall daher im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug stehe, völlig haltlos. Lediglich die Frage ob ein Unfall aus der Haltung oder Benützung von Kraftfahrzeugen entsteht, könnte nach Art. 16 Abs. 1 lit. c ABH von Bedeutung sein. Mit der Haltung und Benützung eines Kraftfahrzeuges hat der vorliegende Unfall überhaupt nichts zu tun. Die Tatsache, daß jener Brennstoff, der die Explosion bewirkt hat, dem Tank eines Kraftfahrzeuges entnommen worden ist, kann keinesfalls dazu führen, daß man den Unfall als einen solchen ansieht, der aus der Haltung oder Benützung eines Kraftfahrzeuges entstanden ist.

Zutreffend haben die Untergerichte auch erkannt, daß von einer gefährlichen Beschäftigung im Sinne der in Frage stehenden Versicherungsbedingungen hier keine Rede sein kann. Aus der Gegenüberstellung mit den übrigen, in diesen Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz für die Gefahren des täglichen Lebens ausgenommenen Gefahren eines Betriebes und Berufes ist abzuleiten, daß nicht schlechthin jede gefährliche Tätigkeit vom Versicherungsschutz ausgenommen ist.

Haftpflichtansprüche entstehen ja in der Regel aus objektiv gefährlichen Tätigkeiten. Der Begriff der Beschäftigung muß deshalb einschränkend im Sinne einer gewissen Regelmäßigkeit oder aber doch wenigstens längerer Dauer verstanden werden (7 Ob 25/77, VersR 1956, 283 u. a.). Beim Abbrennen des Reisighaufens handelte es sich nur um eine gelegentliche und vorübergehende Tätigkeit des Sohnes des Klägers, weshalb von einer gefährlichen Beschäftigung im Sinne der Versicherungsbedingungen keine Rede sein kann.

Die Untergerichte haben auch den Begriff, der "Gefahren des täglichen Lebens" richtig dargestellt. Dieser Begriff ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, daß der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren umfaßt, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muß. Es ist nicht notwendig, daß derartige Gefahren wirklich täglich auftreten, vielmehr muß es sich um solche handeln, die erfahrungsgemäß im normalen Lebensablauf immer wieder häufiger oder seltener vorkommen (7 Ob 36/77, JBl. 1971, 527 u. a.). Das Verbrennen von Reisig in einem Garten ist eine für den Gartenbesitzer oder seine Angehörigen periodisch auftretende Tätigkeit, die demnach dem täglichen Leben zuzurechnen ist, weshalb die daraus entspringenden Gefahren solche des täglichen Lebens sind. Auch in diesem Punkte ist daher den Untergerichten beizupflichten.

Nicht beigetragen werden kann dagegen der Auffassung der Untergerichte, daß durch die Art, wie der Sohn des Klägers das Verbrennen des Reisigs vorgenommen hat, diese Tätigkeit zu einer solchen geworden sei, die dem täglichen Leben nicht mehr zugeordnet werden könne. Grundsätzlich gehört nämlich eine Tätigkeit in den erwähnten Bereich oder nicht. Selbstverständlich wird das Verbrennen von Reisig unter bestimmten Umständen über die Tätigkeiten des täglichen Lebens hinausgehen, z. B. dann, wenn es an einem Platz erfolgt, der hiefür absolut ungeeignet ist (beispielsweise unmittelbar neben einer Scheune oder in einer Garage). Ist jedoch ein derartiges Abbrennen in den Rahmen des täglichen Lebens einzuordnen, so bleibt es dabei auch dann, wenn der mit dieser Tätigkeit Befaßte die gebotene Sorgfalt vermissen läßt. Das Verabsäumen der gebotenen Sorgfalt bei Verrichtung einer Tätigkeit begrundet im allgemeinen eine Fahrlässigkeit. Daß hiedurch die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren größer werden als im Falle der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt, ändert an der Beurteilung der Tätigkeit als solcher nichts. Das Gesetz verpönt die Fahrlässigkeit gerade deshalb, weil sie gegenüber dem Normalfall zu einer Erhöhung der Gefahren führt. Die Erhöhung der Gefahr als solche ist demnach nur ein Indiz für die Fahrlässigkeit einer Handlung, nicht aber ein Umstand, der für sich schon zu einer anderen Beurteilung der ausgeführten Tätigkeit führt.

Im vorliegenden Fall hat der Sohn des Klägers im elterlichen Garten Reisig verbrannt, somit eine Tätigkeit verrichtet, die, wie bereits dargestellt wurde, zu den Tätigkeiten des täglichen Lebens gehört. Hiebei hat er allerdings nicht jene Sorgfalt angewandt, die für diese Tätigkeit geboten wäre, sondern eine grobe Sorglosigkeit an den Tag gelegt. Sein Vorgehen beim Abbrennen des Holzes war demnach fahrlässig, wobei ohne weiteres von einer groben Fahrlässigkeit gesprochen werden kann. Da jedoch infolge der Sonderbestimmung des § 152 VersVG im Bereiche der Haftpflichtversicherung die Bestimmung des § 61 VersVG nicht anwendbar ist und Leistungsfreiheit des Versicherers nur eintritt, wenn der Versicherungsnehmer den Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt hat (7 Ob 59/76; EvBl. 1970/262; VersR 1961, 526 u. a.), können die Beklagten aus der groben Fahrlässigkeit des Sohnes des Klägers ihre Leistungsfreiheit nicht ableiten. Die Rechtsansicht der Untergerichte würde dazu führen, daß eine dem täglichen Leben zuzurechnende Tätigkeit dadurch aus diesem Rahmen fällt, daß sich der Handelnde einer Fahrlässigkeit schuldig macht. Auf diesem Umweg käme man dann zu dem vom Gesetz nicht gewollten Ergebnis, daß auch im Bereich der Haftpflichtversicherung die Fahrlässigkeit des Versicherten zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt.

Aus den aufgezeigten Erwägungen ergibt sich aber auch, daß einer Klärung der Frage, ob der Sohn des Klägers vor seiner Handlung das Glosen des Reisighaufens bemerkt hat oder nicht, keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Gefährlichkeit des Benzins besteht einmal in seiner leichten Entzundbarkeit und zum anderen darin, daß es bei Berührung mit offenem Feuer zur Explosion führen kann. Letzten Endes ist diese Gefahr auch gegeben, wenn ein mit Benzin übergossenes Material angezundet wird. Sohin wäre auch das vom Sohn des Klägers nach dessen Behauptung beabsichtigte Vorgehen gefährlich gewesen. Sollte, entgegen den Behauptungen des Klägers, sein Sohn das Glosen des Holzes bereits vorher bemerkt haben, so würde dies höchstens dazu führen, daß seine an sich schon grobe Fahrlässigkeit noch schwerer bewertet werden müßte. Selbst die gröbste Fahrlässigkeit könnte jedoch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, weil hiefür vorsätzliche Herbeiführung des Schadens erforderlich wäre und die Beklagten einen solchen Vorsatz nicht einmal behauptet haben. Aus diesem Gründe bedurfte es auch keiner Erörterung der Frage, ob der Sohn des Klägers beim Wegschleudern des brennenden Gefäßes nicht vorsichtiger hätte vorgehen können, weil auch diesbezüglich nur Fahrlässigkeit gegeben sein könnte.

Anmerkung

Z51033

Schlagworte

Gefahr des täglichen Lebens, gefährliche Beschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0070OB00011.78.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19780316_OGH0002_0070OB00011_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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