Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 1978
unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fahrensteiner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich A wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß vom 28. Dezember l977, GZ. U 786/
77-6, sowie gegen die Strafverfügung vom l6. Jänner l978, GZ. U 786/77-7, je des Bezirksgerichtes Allentsteig, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren AZ. U 786/77 des Bezirksgerichtes Allentsteig wurde durch den Beschluß vom 28. Dezember l977, GZ. U 786/77-6, mit dem die in gerichtliche Verwahrung genommene Schreckschuß'pistole' (richtig: der Schreckschußrevolver) Marke Röhm RG. 6, Nr. 040037, ohne Lauf, eingezogen ('und zugunsten des Bundesschatzes für verfallen' erklärt) wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 443 Abs. 1 StPO verletzt.
Gemäß dem § 292 StPO wird dieser Beschluß des Bezirksgerichtes Allentsteig aufgehoben und dem genannten Gericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über den vom öffentlichen Ankläger am 22. Dezember l977
gestellten Antrag auf Einziehung der Waffe (gemäß dem § 26 StGB) aufgetragen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Aus dem angeschlossenen Akt U 786/77 des Bezirksgerichtes
Allentsteig ergibt sich folgender Sachverhalt:
Beim Bezirksgericht Allentsteig langte am 24. ll.
l977 eine Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Allentsteig ein, laut welcher Heinrich A vor ca. einem Jahr bei einem von ihm gekauften Schreckschußrevolver der Marke Röhm RG 6, Nr. 040037, ein Patronenlager der Trommel, wahrscheinlich auch den Lauf, zur Abfeuerung von Kleinkaliberpatronen aufgebohrt, dadurch den Revolver zu einer Faustfeuerwaffe 'umfunktioniert' und diese (dann am l8. ll. l977 bei ihm sichergestellte und in der Folge dem Bezirksgericht Allentsteig übermittelte Waffe) unbefugt besessen hat. Heinrich A gab diesen Sachverhalt zu (S. 9 d. A).
Am 22. l2. l977 beantragte der beim Bezirksgericht Allentsteig die Aufgaben der öffentlichen Anklage verrichtende staatsanwaltschaftliche Funktionär, Heinrich A wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 (lit. a) WaffenG zu bestrafen und gemäß dem § 26 StGB die Waffe einzuziehen (S. l und verso d. A). Diesen Anträgen entsprach das Bezirksgericht Allentsteig in der Form, daß es zunächst mit Beschluß vom 28. l2. l977, GZ. U 786/77-6, die in gerichtliche Verwahrung genommene 'Schreckschußpistole' Marke Böhm RG 6, Nr. 040037, ohne Lauf, unter Berufung auf § 26 Abs. 1 StGB einzog 'und zu Gunsten des Bundesschatzes für verfallen erklärte' sowie außerdem anordnete, daß die Waffe nach Rechtskraft dieses Beschlusses an die Bundespolizeidirektion Wien abzuführen ist.
Dieser dem Heinrich A und dem staatsanwaltschaftlichen Funktionär zugestellte Beschluß blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. Hierauf verhängte das Bezirksgericht Allentsteig mit Strafverfügung vom l6. l. l978, GZ. U 786/77-7, über Heinrich A wegen der von ihm durch den unbefugten Besitz des in Rede stehenden (aufgebohrten) Schreckschußrevolvers verwirklichten 'übertretung' (richtig: des Vergehens) nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG eine Geldstrafe von 24 Tagessätzen in der Höhe von je l20 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zwölf Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Dagegen erhob der mit den staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen beim Bezirksgericht Allentsteig betraute Beamte (rechtzeitig) Einspruch (S. l a d. A); das zufolge dieses Einspruches gemäß dem § 460 Abs. 2 Schlußsatz StPO einzuleitende ordentliche Verfahren wurde bisher nicht durchgeführt.
Die Generalprokuratur bekämpft mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Allentsteig, l. zunächst mit Beschluß vom 28. l2. l977, GZ. U 786/77-6, die in gerichtliche Verwahrung genommene Schreckschuß-'pistole' (richtig: den Schreckschußrevolver) Marke Röhm RG 6, Nr. 040037, ohne Lauf einzuziehen ('und zugunsten des Bundesschatzes für verfallen' zu erklären) sowie 2. nach Rechtskraft dieses Beschlusses ohne vorausgehendes Verfahren mit Strafverfügung vom l6. l. l978, GZ. U 786/77-7, über Heinrich A wegen der 'übertretung' des unbefugten Waffenbesitzes nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG eine Strafe zu verhängen.
Die Antragstellerin erblickt in dieser Vorgangsweise Verletzungen des Gesetzes in den Bestimmungen der § 443 Abs. 1 sowie 460 Abs. 1 StPO und beantragt daher, den erstbezeichneten Beschluß vom 28. l2. l977
und die darauf beruhenden Verfügungen aufzuheben und dem Bezirksgericht Allentsteig die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über die vom öffentlichen Ankläger am 22. l2. l977 gestellten Anträge auf Bestrafung des Heinrich A wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 WaffenG und auf Einziehung der Waffe gemäß dem § 26 StGB aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist nur teilweise, und zwar insofern berechtigt, als sie den Beschluß vom 28. l2. l977
bekämpft.
Dieser Beschluß über den Einziehungsauftrag des öffentlichen Anklägers verstößt, wie zutreffend geltend gemacht wird, gegen § 443 Abs. 1 StPO, weil nach dieser Bestimmung über die Einziehung von Gegenständen (§ 26 StGB) - mit Ausnahme der hier (bisher) nicht in Betracht zu ziehenden Fälle der § 445, 446 StPO - im ordentlichen Verfahren im Strafurteil zu entscheiden ist (EvBl. l976/
l46; vgl. auch SSt. 45/l7). Der Sinn dieser Gesetzesstelle ist es, dem Beschuldigten in der Hauptverhandlung die Möglichkeit einzuräumen, zum Einziehungsantrag des öffentlichen Anklägers Stellung zu nehmen und allfällige Einwendungen dagegen vorzubringen. Dies ergibt sich auch aus der Bestimmung des § 444 Abs. 1 StPO, wonach Personen (die nicht Beschuldigte sind), die ein Recht auf von der Einziehung bedrohte Sachen haben oder ein solches geltend machen, die Rechte eines Beschuldigten zukommen. Der vom Bezirksgericht Allentsteig unter Mißachtung zwingender Verfahrensvorschriften sowie unter Vorwegnahme des Sachausganges in der Hauptsache erlassene gesetzwidrige Beschluß war daher aufzuheben und dem Bezirksgericht Allentsteig aufzutragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen, d.h. nach dem Außerkrafttreten der erwähnten Strafverfügung im ordentlichen Verfahren mit Urteil außer über den vorliegenden Bestrafungsantrag des öffentlichen Anklägers auch über die beantragte Einziehung der in Rede stehenden Waffe (samt Zubehör) zu entscheiden. Eine zusätzliche 'Verfallserklärung' wird hiebei allerdings ebensowenig in Betracht kommen wie die Aufnahme einer Verfügung in das Einziehungserkenntnis, an welche polizeiliche Dienststelle die eingezogene Waffe abzuführen ist (vgl. demgegenüber die Spruchformulierung in ON 6).
Der Beschluß vom 28. l2. l977, ON 6, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufzuheben; eine von der Generalprokuratur ebenfalls begehrte Aufhebung von auf diesem Beschluß beruhenden Verfügungen hatte hingegen nicht zu erfolgen, weil das Bezirksgericht Allentsteig nach der Aktenlage keine gesonderten, auf diesem Beschluß beruhende Verfügungen getroffen hat.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht vermag der Oberste Gerichtshof jedoch in der Erlassung der Strafverfügung vom l6. l. l978, ON 7, keine Verletzung der Bestimmung des § 460 Abs. 1 StPO zu erblicken.
Es ist der Generalprokuratur zwar darin beizupflichten, daß die vom Erstgericht gewählte Vorgangsweise, über die am 22. l2. l977 gleichzeitig gestellten Anträge des öffentlichen Anklägers auf Bestrafung des Heinrich A und Einziehung der Waffe nicht nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemeinsam abzusprechen, sondern zunächst durch Fassung eines Einziehungsbeschlusses und dann durch die spätere Erlassung einer Strafverfügung getrennt zu entscheiden, unstatthaft war und den einschlägigen Verfahrensvorschriften widersprach. Dieser Verstoß gegen die Prozeßgesetze ändert aber nichts daran, daß das Bezirksgericht Allentsteig in die Strafverfügung kein Einziehungserkenntnis aufgenommen hat und der Strafverfügung an sich demnach keine Gesetzesverletzung anhaftet. Dem Begehren der Generalprokuratur, eine Verletzung des Gesetzes auch in der Bestimmung des § 460 Abs. 1 StPO durch die dargestellte Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Allentsteig im Zusammenhang mit der erlassenen Strafverfügung festzustellen, konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
In diesem Umfang war die Beschwerde somit zu verwerfen.
Anmerkung
E01058European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00037.78.0321.000Dokumentnummer
JJT_19780321_OGH0002_0110OS00037_7800000_000