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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Antrags einer Gemeinde auf Aufhebung der Verordnung der Tiroler Landesregierung LGBl 22/1992 betr ein allgemeines Entwicklungsprogramm für Einkaufszentren insbesondere der im §1 enthaltenen Bestimmung, dass die Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren nur in den dort genannten Orten erfolgen darf. Die angefochtene Verordnung ist keine Verordnung gemäß Art119a Abs6 B-VG, mit der die Landesregierung als Aufsichtsbehörde eine von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnung aufgehoben hätte, vielmehr wurde durch sie gemäß §4 und §16b Tir RaumOG 1984 "ein allgemeines Entwicklungsprogramm für Einkaufszentren erlassen". Auch bei allfälliger Deutung des "Antrags gemäß Art139 B-VG" als Individualantrag würde er sich als unzulässig erweisen. Die Antragstellerin behauptet keine unmittelbare Verletzung in ihren Rechten durch die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung, sondern, dass sie "durch den angefochtenen Bescheid in ihrem autonomen Wirkungsbereich und in ihrem Recht auf Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung verletzt" werde. Zurückweisung des Individualantrags der Gemeinde auf Aufhebung der "Anlage zu den §§10 und 49" Tir RaumOG 1997. Das angefochtene Gesetz ist für die einschreitende Gemeinde nach ihrem eigenen Vorbringen nicht "ohne Erlassung eines Bescheides" wirksam geworden. Ablehnung der Beschwerdebehandlung.Spruch
I. Der Antrag, "die Verordnung der Tiroler Landesregierung LGBl. Nr. 22/1992 allgemeines Entwicklungsprogramm für Einkaufszentren insbesonders die im §1 enthaltene(n) Bestimmung, dass die Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren nur in den dort genannten Orten erfolgen darf, für gesetz(es)widrig zu erklären und aufzuheben", wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag, "die Anlage zu den §§10 und 49 TROG 1997 aufzuheben", wird zurückgewiesen.
III. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung:
I. 1. In ihrer in der Rubrik als "Antrag gemäß Art139 B-VG" bezeichneten Eingabe stellt die Gemeinde Zirl insbesondere folgende Anträge:
"1. Die Anlage zu den §§10 und 49 TROG 1997 sowie die Verordnung der Tiroler Landesregierung LGBl. Nr. 22/1992 allgemeines Entwicklungsprogramm für Einkaufszentren insbesonders die im §1 enthaltene(n) Bestimmung, dass die Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren nur in den dort genannten Orten erfolgen darf, für gesetz(es)widrig zu erklären und aufzuheben
2. den angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19.2.2001 in seinem gesamten Umfang aufzuheben (...)"
2. Durch den der Eingabe beiliegenden Bescheid ZVe1-547-267/1-10 vom 19. Februar 2001 der Tiroler Landesregierung, die "als Aufsichtsbehörde nach Durchführung eines Bescheidaufhebungsverfahrens betreffend die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes auf dem Gst. 594/2 KG Zirl" entschied, wurde "gemäß der Bestimmung des §113 Absatz 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966), LGBl. Nr. 4 idF des Gesetzes LGBl. Nr. 2/1998, in Verbindung mit §68 Absatz 4 Ziff. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz(t)es 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idF des Gesetzes BGBl. Nr. 158/1998, und §51 litc der Tiroler Bauordnung (TBO 1998), LGBl. Nr. 15 idF des Gesetzes LGBl. Nr. 79/2000 (...) der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Zirl vom 02.11.2000, Zl. BAU-28/01-2000, aufgehoben."
3. Zur Begründung der "Zulässigkeit des Antrages" führt die Marktgemeinde Zirl aus:
"Gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19.2.2001 ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr zulässig. Der Instanzenzug ist somit ausgeschöpft.
Der angefochtene Bescheid wurde der Marktgemeinde Zirl am 2.3.2001 zugestellt.
Gemäß Artikel 139 B-VG kann der Verfassungsgerichtshof auf Antrag einer betroffenen Gemeinde über die Gesetzwidrigkeiten von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Artikel 119 a Abs6 erkennen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Ihre Legitimation zum Antrag auf Aufhebung von §1 der Verordnung der Tiroler Landesregierung LGBl. Nr. 22/1992 stützt die Gemeinde Zirl gemäß Art139 B-VG offenbar darauf, dass gemäß dem
2. Satz des Abs1 dieser Bestimmung der Verfassungsgerichtshof "über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art119a Abs6 auch auf Antrag einer Gemeinde" erkennt. Die angefochtene Verordnung ist jedoch keine Verordnung gemäß Art119a Abs6, mit der die Landesregierung als Aufsichtsbehörde eine von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnung aufgehoben hätte, vielmehr wurde durch sie gemäß §§4 und 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4, in der Fassung der Gesetze LGBl. Nr. 38/1984 und 76/1990 "ein allgemeines Entwicklungsprogramm für Einkaufszentren erlassen". Der auf diesen Tatbestand des Art139 Abs1 zweiter Satz B-VG bezogene Antrag ist daher unzulässig.
1.2. Auch bei allfälliger Deutung des vorliegenden "Antrags gemäß Art139 B-VG" als Individualantrag gemäß dem letzten Satz des Abs1 dieser Bestimmung würde er sich als unzulässig erweisen:
Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).
Die Antragstellerin behauptet keine unmittelbare Verletzung in ihren Rechten durch die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung, sondern, dass sie "durch den angefochtenen Bescheid in ihrem autonomen Wirkungsbereich und in ihrem Recht auf Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung verletzt" werde und dass "die Aufhebung des Baubescheides (...) aufgrund der Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzen und Verordnungen" erfolgt sei.
2. Des Weiteren wird in der vorliegenden, als "Antrag gemäß Art139 B-VG" bezeichneten Eingabe der Antrag gestellt, "die Anlage zu den §§10 und 49 TROG 1997" - und damit gesetzliche Bestimmungen - "für gesetzeswidrig zu erklären und aufzuheben".
Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen im gegebenen Fall nicht vor: Das angefochtene Gesetz ist für die einschreitende Gemeinde nach ihrem eigenen Vorbringen nicht "ohne Erlassung eines Bescheides" wirksam geworden. Die Eingabe ist somit, wenn (und soweit) sie trotz Fehlzitierung des Art139 B-VG und ihrer sonstigen Unklarheit als (Individual-)Antrag iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gewertet wird, mangels Legitimation der einschreitenden Gemeinde zurückzuweisen.
3.1. Die Eingabe, die den Antrag, "den angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. Februar 2001 in seinem gesamten Umfang aufzuheben" enthält, ist auch als Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG zu deuten.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gemeindeautonomie sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen.
Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber teils nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche \berlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen tatsächlich berührt, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 11.626/1988) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z1 bzw. Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B623.2001Dokumentnummer
JFT_09989380_01B00623_00