TE OGH 1978/4/4 3Ob518/77

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Veröffentlicht am 04.04.1978
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Norm

ABGB §1395 Abs1
ABGB §§1412 ff Abs1
ABGB §§1438 ff Abs1
Handelsgesetzbuch §354 Abs1
Handelsgesetzbuch §354 Abs2
Handelsgesetzbuch §355

Kopf

SZ 51/38

Spruch

Abtretbarkeit und Aufrechenbarkeit künftiger Forderungen, Begriff des Vorschusses und der Kontokorrentverhältnisse

OGH 4. April 1978, 3 Ob 518/77 (OLG Wien 5 R 315/76; LGZ Wien 39 b Cg 651/75)

Text

Die Klägerin wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz als Handelsgericht vom 20. April 1973 zur Zahlung von 611 855.50 S samt Anhang an Josef A als Zessionar von 50% der dem Transportunternehmer Gilbert K gegen die Klägerin für Transportleistungen zustehenden Forderungen verurteilt. In diesem Rechtsstreit war die Klägerin in erster Instanz und bei Einbringung der Berufungsschrift durch den beklagten Rechtsanwalt vertreten. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 502 319 S samt Anhang, da er ihr durch schlechte Vertretung im Vorprozeß einen Schaden in dieser Höhe zugefügt habe.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens von "S 9912.56" zur Zahlung von 492 406.44 S samt 4% Zinsen seit 10. Juli 1975. Es stellte folgendes fest: Im Vorprozeß wählte das Erstgericht mangels einer Aufrechnungseinrede nicht die Urteilsform des § 545 Abs. 3 Geo. Es verwies in seiner rechtlichen Begründung lediglich auf die Auslegung der Forderungsabtretung. Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht führte in der Begründung seines bestätigenden Urteiles aus, daß die nunmehrige Klägerin weder eine außergerichtliche Aufrechnungserklärung behauptet noch eine prozessuale Aufrechnungserklärung abgegeben habe. Der OGH schloß sich dieser Rechtsansicht an und gab der Revision daher keine Folge. Gilbert K führte für die Klägerin Transporte durch. Die von beiden Seiten zu erbringenden Leistungen wurden vor der Auftragserteilung mündlich vereinbart. Gilbert K legte keine Rechnungen. Die vorher mündlich vereinbarten Frachtkosten wurden Gilbert K nach Vorlage des Frachtbriefes gutgeschrieben. Gilbert K war nicht in der Lage, seine Transportleistungen vorzufinanzieren. Die Klägerin mußte daher für Gilbert K Reparaturkosten bezahlen und ihm vor Antritt einer Fahrt einen Barbetrag zur Bestreitung der Spesen ausfolgen. Mit den von der Klägerin geleisteten Beträgen wurde das Konto von Gilbert K belastet. Es wurde getrachtet, monatlich abzurechnen; dies gelang nicht immer. Nach einer Abrechnung, die im Durchschnitt monatlich stattfand, erhielt K den Überhang mittels Schecks ausbezahlt. Manchmal wurde ein im Ausland ausbezahlter Vorschuß abgezogen, obwohl er, da nur ein telefonisches Aviso vorlag, aber der Beleg noch nicht eingetroffen war, nicht verbucht war. Während des vor dem Landesgericht Linz anhängigen Verfahrens erklärte die Klägerin dem Beklagten die Vorgangsweise der Abrechnung und übergab ihm eine Zusammenstellung der Zahlungen an und für Gilbert K. Die Verrechnung ergab einen Betrag von 352 392.37 S (gemeint ist der Saldo zu Lasten der Klägerin).

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Beklagte durch die Erhebung der Aufrechnungseinrede im Vorprozeß die Verminderung der Forderung des Zessionars Josef A von 611 855.50 S auf 352 392.37 S erreicht hätte, da bei Abtretung künftiger Forderungen die Aufrechenbarkeit nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Forderung und nicht dem der Abtretung zu beurteilen sei. Der Beklagte habe nach § 1299 ABGB dafür einzustehen, daß er die Aufrechnungseinrede unterlassen habe. Er hafte jedoch nicht für die Zinsen, die durch eine von der Klägerin getroffene Ratenvereinbarung aufgelaufen seien. Zur Tilgung der Judikaturschuld sei daher nur der Betrag von 1 520 656.40 S (Gemeintist in Wahrheit 1 025 656.40 S) erforderlich gewesen. Bei erfolgreicher Aufrechnung hätte die Klägerin nur 533 249.56 S aufwenden müssen, so daß der Schaden 492 406.74 S betrage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten dahin Folge, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es führte aus, daß die von der Klägerin Gilbert K vor der Durchführung der Transporte übergebenen Beträge und die für ihn an Dritte erbrachten Geldleistungen mangels anderweitiger Vereinbarungen Vorauszahlungen auf die nach Beendigung der Transporte fälligen Frachtkosten darstellten. Diese Vorauszahlungen seien daher auf die von der Klägerin dem Gilbert K geschuldeten Frachtkosten anzurechnen und nicht als Gegenforderungen aufzurechnen. Abgesehen von diesen Vorauszahlungen seien als aufrechenbare Gegenforderungen zu beurteilende Ansprüche der Klägerin weder behauptet worden noch im Vorprozeß oder in diesem Rechtsstreit hervorgekommen. Eine diesbezügliche negative Feststellung sei daher nicht erforderlich, so daß der vom Beklagten unter dem- Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung geltend gemachte Feststellungsmangel nicht vorliege. Eine vom Beklagten im Vorprozeß dennoch erhobene materiellrechtliche oder prozessuale Aufrechnungseinrede wäre somit mangels aufrechenbarer Gegenforderungen der Klägerin erfolglos geblieben. Dies gelte auch für das am 2. April 1968, dem Zeitpunkt der Verständigung von der Abtretung, vorhandene Guthaben der Klägerin von 17 725.20 S, weil das Begehren des Josef A auch bei Berücksichtigung dieses Guthabens im halben Umsatz des Gilbert K für das Jahr 1970 bis zur Konkurseröffnung am 24. April 1970 bei weitem Deckung gefunden hätte. Bei den festgestellten Umständen könne auch nicht, gesagt werden, daß zwischen der Klägerin und Gilbert K eine Kontokorrentvereinbarung zustande gekommen sei. Die Einrede des Kontokorrentverhältnisses hätte daher zu keinem für die Klägerin günstigeren Prozeßausgang geführt. Das Klagebegehren sei aus den dargestellten Erwägungen zur Gänze abzuweisen. Die Parteienvernehmung des Beklagten, deren Unterbleiben als Verfahrensmangel geltend gemacht werde, sei entbehrlich gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin rügt als Rechtsirrtum, hilfsweise auch als Ergebnis eines mangelhaften Berufungsverfahrens, die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß sie im Vorprozeß weder mit dem Einwand der Kontokorrentabrede noch mit der Aufrechnungseinrede durchgedrungen wäre. Für die Begründung eines Kontokorrentverhältnisses genüge die Einigung der Parteien auf Abrechnungsperioden. Da getrachtet worden sei, monatlich abzurechnen und die Abrechnung im Durchschnitt auch monatlich stattgefunden habe, sei eine Kontokorrentabrede zumindest konkludent getroffen worden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Ein Kontokorrentverhältnis ist, wie der OGH wiederholt ausgesprochen hat, nur dann anzunehmen, wenn die Parteien übereinkamen, nach einer gewissen Zeitperiode alle aus ihrer Geschäftsverbindung entsprechenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen abzurechnen und für das sich daraus für einen von ihnen ergebende Guthaben eine von den einzelnen Posten unabhängige Forderung zu begrunden (JBl. 1970, 40; EvBl. 1975/7 u. a.). Zum Wesen des Kontokorrentverhältnisses gehört, daß die beiderseitigen Leistungen vereinbarungsgemäß bis zum Abschluß der abgemachten oder durch Gesetz oder durch Handelsbrauch bestimmten Abrechnungsperiode gestundet sein sollen, weshalb sie nicht früher geltend gemacht werden dürfen und nicht früher fällig werden (HS 1597). Das Buchen der beiderseitigen Leistungen ohne Vereinbarung einer solchen periodischen Gesamtabrechnung stellt nur eine sogenannte laufende (offene) Rechnung dar (JBl. 1970, 40 u, a.). Eine ausdrückliche Vereinbarung eines Kontokorrentverhältnisses wurde weder behauptet noch festgestellt. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß ein Kontokorrentverhältnis auch durch konkludente Handlungen, insbesondere durch wiederholte Übersendung von Kontoauszügen und Anerkennung der Salden, begrundet werden kann (HS 1600; EvBl. 1975/7; Schlegelberger - Hefermehl, HGB[5] IV, Anm. 14 und 17 zu § 355; Godin in RGR-Komm. zum HGB[2] III, 276 Anm. 12). Die Abrechnungen müssen regelmäßig zu bestimmten Zeiten stattfinden (Schlegelberger - Hefermehl, HGB[4] III, Anm. 11; RGZ 115, 396). Unter "regelmäßigen" Zeitabschnitten können nach dem allgemeinen Sprachgebrauch "eigentümliche Bedeutung der Worte" in § 6 ABGB) nur solche von gleicher Dauer verstanden werden. Von Regelmäßigkeit im Sinne des § 355 HGB kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gesprochen werden, wenn nicht in bestimmten durch (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung festgelegten Zeitabschnitten, sondern jeweils nach der Rückkehr des Frachtführers Gilbert K von den für die Klägerin unternommenen Fahrten, deren Zeitpunkt ungewiß war, abgerechnet wurde. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Klägerin im Vorprozeß mit der Einrede, daß ein Kontokorrentverhältnis bestehe, nicht durchgedrungen wäre.

Die Revision ist auch mit der Ansicht, daß es sich bei den dem Frachtführer gewährten "Barvorschüssen" nicht um Vorauszahlungen gehandelt habe, nicht im Recht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch können unter Vorschuß alle Vorausleistungen verstanden werden. Unter den Begriff des Vorschusses fällt insbesondere die antizipierte Leistung in Erwartung einer Gegenleistung (Schey, Die Obligationsverhältnisse des Österr. Allgemeinen Privatrechts, 48 f.; vgl. auch Schlegelberger - Hefermehl, HGB[5] IV, Anm. 17 zu § 354). Einen Vorschuß kann der Gläubiger vor Fälligkeit, ja selbst vor Entstehung der Schuld gewähren (Schey a. a. O.; Ehrenzweig, System[2] II/1, 401 f.). Er tilgt damit einen entsprechenden Teil der Schuld im voraus (Ehrenzweig a. a. O.). Der hier entwickelte und auch vom Berufungsgericht verwendete Begriff des Vorschusses ist nicht dem § 354 Abs. 2 HGB entnommen, er wurde mit Hilfe des allgemeinen Sprachgebrauches gewonnen, auf den auch die Entscheidung SZ 28/166 bei der Auslegung dieser Bestimmung zurückgreifen mußte, da das Handelsgesetzbuch selbst den Begriff des Vorschusses nicht umschreibt. Der Vorschuß ist nach der Absicht der Parteien weder Darlehen (Ehrenzweig a. a. O.) noch Sicherheitsleistung. Die Klägerin bringt in der Revision selbst sinngemäß vor, daß sie Gilbert K die "Barvorschüsse" in Erwartung der Verrechnung auf die künftigen Frachtforderungen gewährt habe. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei diesen Vorschüssen um Vorauszahlungen auf die Erfüllung der Frachtverträge gehandelt habe. Der Vorschuß wird, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, von der Forderung abgerechnet und nicht gegen sie aufgerechnet (Ehrenzweig a. a. O.; vgl. auch Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau, EO[4], 2102). Das Ergebnis ist allerdings in beiden Fällen dasselbe. Für die Revision ist damit aus Gründen, die noch darzulegen sein werden, nichts gewonnen.

Hingegen wendet sich die Revision mit Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß es sich auch bei den Zahlungen der Klägerin an die Gläubiger des Gilbert K um Vorauszahlungen an diesen gehandelt habe, die von den Forderungen des Frachtführers abzurechnen seien. Unter Zahlung ist nach §§ 1412 ff. ABGB die an den Gläubiger selbst oder dessen zum Empfang geeigneten Machthaber geleistete Zahlung zu verstehen. Dasselbe muß auch für Vorauszahlungen gelten. Allfällige Ansprüche der Klägerin gegen den Zedenten Gilbert K auf Ersatz der von ihr zur Befriedigung seiner Gläubiger aufgewendeten Beträge, auf welchem Rechtsgrund sie auch immer beruhen mögen (in Betracht kämen beispielsweise die Rechtsgrunde der §§ 1014, 1035 ff., 1422 f. ABGB), wären daher als Gegenforderungen anzusehen, mit denen die Klägerin unter den Voraussetzungen der §§ 1438 ff. ABGB gegen die Forderungen des Zessionars hätte aufrechnen können.

Das gegenseitige Zusammentreffen aufrechenbarer Gegenforderungen führt nicht schon deren Aufhebung herbei, sondern gibt erst das Recht, durch Hinweis auf eine bereits vollzogene Aufrechnung (Schuldtilgungseinwand) oder durch Aufrechnungseinrede auf Aufrechnung zu dringen (RZ 1973/85; EvBl. 1972/187 u. v. a.). Der Beklagte hat im Vorprozeß als Vertreter der nunmehrigen Klägerin lediglich vorgebracht (9 Cg 69/72 des Landesgerichtes Linz), daß nach dem Inhalt der Vereinbarung die 50%ige abzuführende Quote "von den Rechnungsbeträgen... aus dem Erlös" zu errechnen gewesen sei und daß infolge der zahlreichen Vorschüsse für Reparaturen und Fahrtkosten und wegen des Eintrittes Fälligkeit erst nach Rechnungslegung sich somit selbst für den Fall der Richtigkeit der Zession ein Anspruch der Firma Josef A von höchstens 200 000 S ergebe. In diesem Vorbringen konnte, wie der OGH bereits in seiner im Vorprozeß gefällten Entscheidung 2 Ob 217/73 ausgeführt hat, weder die Behauptung einer bereits vollzogenen Aufrechnung noch eine prozessuale Aufrechnung mit der Gegenforderung erblickt werden. Wenn auch für die prozessuale Aufrechnungseinrede eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist, so muß sie doch eindeutig erkennbar sein. Es müßte jedenfalls die Gegenforderung, die zur Aufrechnung verwendet werden soll, auch der Höhe nach klar bezeichnet werden.

In Lehre und Rechtsprechung wird anerkannt, daß künftige Forderungen abgetreten werden können, wenn sie nach dem Rechtsgrund und der Person des Schuldners hinlänglich bestimmt sind (Ehrenzweig, System[2] II/1, 257; SZ 41/57 u. a.). Die Abtretung ist dann durch die Entstehung der Forderung bedingt (SZ 44/108). Solange die Forderung nicht entstanden ist, kann ihre Tilgung durch Aufrechnung nicht erfolgen. In den Sonderfällen der Abtretung künftiger Forderungen ist daher, wie der OGH in der Entscheidung RZ 1961, 103 = HS 683, ausgesprochen hat, die Aufrechenbarkeit von Gegenforderungen nicht auf den Zeitpunkt der Abtretung bzw. der Verständigung von der Abtretung, sondern auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung abzustellen, da sonst durch die Zession eine vom Gesetz nicht gewollte Schlechterstellung des Schuldners eintreten würde. Dieser könnte nämlich auch gegenüber dem Zedenten jedenfalls die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gegenforderungen aufrechnen (ebenso die nicht veröffentlichte Entscheidung 5 Ob 321/63). Die Klägerin hätte somit ihre Forderungen auf Ersatz jener Beträge, die sie zur Befriedigung von Gläubigern des Gilbert K aufgewendet hat, gegen die abgetretenen, aber erst später entstandenen Frachtforderungen des Zedenten aufrechnen können. Die Erhebung der Aufrechnungseinrede im Vorprozeß hätte also zur teilweisen Abweisung des Zahlungsbegehrens der Zessionarin geführt und in diesem Umfange die eingetretene Schädigung der Klägerin verhindert. Dennoch besteht aus nachstehenden Erwägungen keine Schadenersatzpflicht des Beklagten. Ein Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger Lehre und Rechtsprechung (Fenzl in ÖJZ 1951, 400; EvBl. 1963/336; JBl. 1972, 426; JBl. 1973, 38), aber nicht für jede unrichtige Auslegung (EvBl. 1972/124) und nicht für den Mangel außergewöhnlicher Kenntnisse und außergewöhnlichen Fleißes (Feil - Langer, Die Berufshaftung der Rechtsanwälte und Notare nach österr. Recht, 16; SZ 34/153). Auch von einem Rechtsanwalt können nur Fleiß und Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben (Feil - Langer a. a. O., NotZ 1969, 43). Nach den Bestimmungen der §§ 1438, 1441, 1442 in Verbindung mit § 1395 ABGB kann mit Forderungen des Schuldners gegen den Zedenten, die nach der Verständigung von der Abtretung entstanden sind, nicht aufgerechnet werden (vgl. Gschnitzer in Klang, ABGB[2] VI,523; SZ 36/40 u. a.). Der Sonderfall der Aufrechnung bei Abtretung künftiger Forderungen ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt und wird in den Standardwerken zum österreichischen Privatrecht nicht erörtert. Der OGH konnte sich für die in den erwähnten Entscheidungen vertretene Auffassung weder auf eine Lehrmeinung berufen noch auf Präjudikate stützen. Die in RZ 1961, 103, veröffentlichte Entscheidung ist im übrigen in der Großen Manz- Ausgabe des ABGB von Kapfer nicht bei den §§ 1438, 1441, 1442 ABGB, die die Gegenseitigkeit als Voraussetzung der Aufrechnung regeln, sondern zu § 1439 zitiert. Ein weiterer Hinweis findet sich bei § 1395 ABGB. Die Frage der Aufrechnung bei Vorauszession ist also eine Auslegungsfrage, zu der es weder eine einhellige Lehre noch eine gesicherte Judikatur gab. Bei diesen Umständen kann einem Rechtsanwalt die Fehlbeurteilung dieser Frage infolge unrichtiger Gesetzesauslegung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Haftung des Beklagten für den durch die Unterlassung der prozessualen Aufrechnungseinrede im Vorprozeß verursachten Schaden ist daher, da auch ein Rechtsanwalt, wie bereits erwähnt, nur für den Mangel an Kenntnissen und Fleiß einzustehen hat, zu verneinen. Die zur Frage der Aufrechnung der Vorauszession angestellten Erwägungen gelten auch für die Beurteilung des Problems der Anrechnung von Vorauszahlungen auf die künftigen Forderungen. Auch dazu fehlt eine ausdrückliche Regelung im ABGB. Dieses bestimmt im § 1396 ABGB, daß der Schuldner nach Verständigung von der Zession nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Zedenten zahlen kann. Dieses Problem wurde, soweit übersehbar, bisher in den Kommentaren und Lehrbüchern zum ABGB nicht behandelt. Rechtsprechung zu diesem Problem fehlt überhaupt. Zusammenfassend ist daher zu wiederholen, daß eine Schadenersatzpflicht des Beklagten zu verneinen ist, da ihm Unkenntnis der Gesetze sowie einer einhelligen Lehre und Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden kann.

Anmerkung

Z51038

Schlagworte

Kontokorrentverhältnis, Begriff, künftige Forderungen, Vorschuß, Begriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0030OB00518.77.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19780404_OGH0002_0030OB00518_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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