TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/25 2002/17/0034

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Veröffentlicht am 25.04.2005
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Index

L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82303 Abwasser Kanalisation Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §30;
KanalG NÖ 1977 §10;
KanalG NÖ 1977 §12 Abs1 litb;
LAO NÖ 1977 §151;
LAO NÖ 1977 §76;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der MK in K, vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Rahlgasse 1, gegen den Bescheid des Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Jänner 2002, Zl. IVW3-BE-3240801/041-01, betreffend Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Klosterneuburg, Rathausplatz 1, 3400 Klosterneuburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die G. WohnbaugmbH (in der Folge G. GmbH) erstattete am 17. August 1999 (eingelangt bei der mitbeteiligte Stadtgemeinde am 27. August 1999) eine Fertigstellungsanzeige gemäß § 30 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200 (in der Folge: NÖ BauO 1996), in der sie bekannt gab, dass das Bauvorhaben einer Reihenhausanlage auf einem näher bezeichneten Grundstück in der Katastralgemeinde Klosterneuburg vollendet worden sei.

Das Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde forderte mit Schreiben vom 2. September 1999 die G. GmbH zur Ergänzung fehlender Bescheinigungen, nämlich der Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung sowie von Elektrobefund, Kanalbefund, Gasüberprüfungsbefund sowie Rauchfang- , Bau- und Eignungsbefund auf. Die G. GmbH werde "ersucht", diese Unterlagen innerhalb von vier Wochen nachzureichen. Wenn sie keine Bescheinigung des Bauführers (wenn nicht möglich, dann eines Baumeisters) über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauwerks vorlege, würde die Behörde "im Einvernehmen mit Ihnen eine Überprüfung an Ort und Stelle vornehmen".

Die Erledigung enthält weiters den Hinweis, dass gemäß § 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 eine Baubewilligung das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn eine Bescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z 3 leg. cit. vorgelegt werde, umfasse. Werde diese Bescheinigung nicht vorgelegt, dürfe die Benützung erst nach Überprüfung des Bauwerks durch die Baubehörde, bei der die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt werde, erfolgen.

1.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 24. November 1999 wurde der Beschwerdeführerin unter anderem auf Grund des Kaufvertrages vom 28. September 1999 die Einverleibung des Eigentumsrechts für 209/970 Anteile an der erwähnten Liegenschaft bewilligt. Diese Liegenschaft stand bis dahin im Alleineigentum der G. GmbH.

1.3. Das Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde forderte mit der (weiteren) Erledigung vom 1. Dezember 1999 von der G. GmbH die Ergänzung fehlender Bescheinigungen mit Bezug auf die Fertigstellungserklärung vom 27. August 1999; um das Verfahren abzuschließen, fehlten noch die Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung und der Kanalbefund. Die Unterlagen sollten innerhalb von vier Wochen nachgereicht werden. Weiters enthält diese Erledigung wiederum den Hinweis darauf, dass dann, wenn keine Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauwerks vorgelegt werde, im Einvernehmen eine Überprüfung an Ort und Stelle vorgenommen werde. Überdies wurde neuerlich auf § 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 verwiesen.

Am 10. Jänner 2000 langte schließlich die mit 7. Jänner 2000 datierte Bestätigung gemäß § 30 NÖ BauO 1996 durch einen Ziviltechniker bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein.

1.4. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde schrieb mit zwei Bescheiden, jeweils vom 3. April 2000, der G. GmbH (zugestellt durch Hinterlegung, Beginn der Abholfrist 8. April 2000) und der Beschwerdeführerin (dieser wurde der an sie gerichtete Bescheid jedoch erst am 5. Jänner 2001 zugestellt) die Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von insgesamt S 225.657,30 (inklusive 10 % Umsatzsteuer) vor. In beiden Bescheiden stützte sich die Behörde auf die §§ 2 und 3 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230 in der derzeit geltenden Fassung, (in der Folge: NÖ KanalG 1977) und die geltende Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde. In beiden Bescheiden ist im Spruch unter anderem noch enthalten, dass bei Vorliegen von Miteigentum mit der Zustellung dieser Bescheidausfertigung die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen gelte, wenn kein Zustellungsbevollmächtigter bekannt gegeben worden sei (Hinweis auf § 76 Abs. 1 NÖ AO 1977, LGBl. 3400 "in der derzeit geltenden Fassung").

Begründend führte die Behörde aus, gemäß § 2 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 sei für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten. Die Höhe derselben ergebe sich gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. durch Multiplikation der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz. In der Folge ist jeweils näher dargelegt, wie sich unter Berücksichtigung der Berechnungsfläche und des Einheitssatzes sowie der Sätze für Regenwasser bzw. für Schmutzwasser die spruchgemäß festgesetzte Kanaleinmündungsabgabe errechne.

1.5. Gegen den an sie gerichteten und ihr am 5. Jänner 2001 zugestellten Abgabenbescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie sei grundbücherliche Eigentümerin von 209/970 Anteilen der gegenständlichen Liegenschaft, die sie mit Kaufvertrag vom 28. September 1999 von der G. GmbH erworben habe.

Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass die Käuferin von der Verkäuferin hinsichtlich der mit der Errichtung des Bauwerkes verbundenen Abgaben, also auch hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe schad- und klaglos gestellt werde. Die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe an die Beschwerdeführerin erfolge daher zu Unrecht, die Abgabenverpflichtung treffe zur Gänze die G. GmbH.

1.6. Mit Berufungsvorentscheidung vom 26. Jänner 2001 wies das Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe entstehe im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Gemeinde. Im Beschwerdefall sei erstmals die Fertigstellungsanzeige am 27. August 1999 "eingebracht" worden; weil diese jedoch unvollständig gewesen sei, sei am 1. Dezember 1999 eine Aufforderung ergangen, die fehlenden Bescheinigungen (Kanalbefund, Bescheinigung des Bauführers) nachzureichen. Nach (rechtzeitigem) Einlangen dieser Unterlagen im Jänner 2000 sei die Fertigstellungsanzeige als vollständig eingelangt anzusehen. Es sei mit Schreiben vom 19. Jänner 2000 mitgeteilt worden, dass die Bauwerke nunmehr benützt werden dürften. Mit der (vollständigen) Fertigstellungsanzeige sei auch der Abgabenanspruch auf die Kanaleinmündungsabgabe entstanden.

Am 3. April 2000 sei ein Bescheid betreffend die Kanaleinmündungsabgabe an die Mehrheitseigentümerin, die G. GmbH, "ausgestellt" worden. Es sei jedoch bisher vergeblich versucht worden, diese Abgabe hereinzubringen, weshalb "nunmehr der angefochtene Bescheid an die Einspruchswerberin, die 209/970 Anteile an der bezughabenden Liegenschaft" habe, als Miteigentümerin zustellt worden sei. Wenn sich die G. GmbH im Kaufvertrag zivilrechtlich verpflichtet habe, die Käuferin schad- und klaglos zu halten, so sei dies eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen der Käuferin und der Verkäuferin, die abgabenrechtlich keinerlei Bedeutung habe.

Die Abgabenbehörde habe nach dem Gesetz alle Grundeigentümer, die zum Zeitpunkt der Abgabenentstehung im Grundbuch intabuliert gewesen seien, zur ungeteilten Hand für die Abgabenschuldigkeiten heranzuziehen. Überdies werde darauf hingewiesen, dass den Bescheiden nach dem NÖ Kanalgesetz dingliche Wirkung zukomme, was bedeute, dass sie auch gegen Rechtsnachfolger im Grundeigentum geltend gemacht werden könnten.

1.7. Über Vorlageantrag der Beschwerdeführerin gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 20. Juni 2001 der Berufung keine Folge.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die Berufungsbehörde unter anderem aus, dem § 30 NÖ BauO 1996 könne entnommen werden, dass es sich bei der Fertigstellungsanzeige um eine Parteienerklärung handle, der unter anderem eine Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens angeschlossen sein müsse; diese Bescheinigung sei ein essentieller Bestandteil der Fertigstellungsanzeige. Liege sie der Fertigstellungsanzeige nicht bei, so könne von einem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung, wie dies § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 erfordere, nicht die Rede sein. Folglich könne auf Grund einer solcherart unvollständigen Fertigstellungsanzeige die Abgabenschuld auch nicht entstehen.

Die G. GmbH habe die von ihr erstattete Fertigstellungsanzeige erst am 10. Jänner 2000 durch Vorlage einer Bescheinigung des Bauführers vervollständigt. Damit sei mit diesem Datum die Kanaleinmündungsabgabenverpflichtung entstanden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin bereits als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen. Infolge des Eigentumserwerbes vor Abschluss des Verfahrens betreffend die Fertigstellungsanzeige sei die Beschwerdeführerin auch in die Rechtsstellung des Bauwerbers eingetreten, weshalb sie Abgabepflichtige im Sinne des § 9 NÖ KanalG 1977, LGBl. 8230-5, sei.

Gemäß § 4 Abs. 1 NÖ AO 1977 hätten mehrere Personen, die in ein abgabenrechtliches Gesamtschuldverhältnis einbezogen seien, für das Ganze einzustehen; der Abgabengläubiger sei berechtigt, den ganzen Anspruch bei jeden Mitschuldner geltend zu machen, insgesamt aber nur in seiner ganzen Summe einmal einzufordern. Auf einer anderen Ebene liege das Innenverhältnis, das, entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, allein für die zivilrechtliche Auseinandersetzung bedeutsam sei und dem Abgabengläubiger gegenüber nicht verbindlich zu wirken vermöge. Durch eine privatrechtliche Vereinbarung könne das abgabenrechtliche Gesamtschuldverhältnis nicht ausgeschlossen werden.

Die G. GmbH habe trotz Fälligkeit der Abgabenschuld den aushaftenden Abgabenbetrag nicht eingezahlt. Zwei an die im Grundbuch bzw. Firmenbuch aufscheinende Zustelladresse gerichtete Mahnungen hätten der Abgabenschuldnerin (G. GmbH) nicht zugestellt werden können. Darüber hinaus seien nach dem Grundbuchsauszug vom 19. Dezember 2000 betreffend den dort im Eigentumsblatt angeführten Anteil der G. GmbH Pfandrechte im Höchstbetrag von S 24,050.000,--, S 1,950.000,-- bzw. S 48.300,-- eingetragen, weshalb die "nachträgliche Heranziehung" der Beschwerdeführerin als Abgabenschuldnerin zu Recht erfolge.

1.8. In ihrer dagegen an die belangte Behörde gerichteten Vorstellung wendet sich die Beschwerdeführerin (nur) gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Fertigstellungsanzeige sei nicht mit dem Datum vom 27. August 1999 als solche zu qualifizieren, weil ihr die Bescheinigung des Bauführers nicht beigelegt gewesen sei. Das dem Bauführer gesetzlich obliegende Verhalten, die Fertigstellung eines Bauvorhabens anzuzeigen, könne durch den Umstand, dass Beilagen fehlten, nicht "rechtsunerheblich" werden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Einbringung einer Fertigstellungsanzeige ein Anbringen im Sinne des § 13 AVG sei, weshalb die Behörde gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. nicht ermächtigt sei, dieses wegen Formgebrechen zurückzuweisen. Dem gesetzlichen Verbesserungsauftrag sei die Behörde auch tatsächlich nachgekommen. Letztlich habe die G. GmbH die fehlende Bescheinigung beigebracht, weshalb das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht anzusehen sei. Die bescheiderlassende Behörde missachte das eindeutige gesetzliche Gebot des § 13 Abs. 3 letzter Satz AVG.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre daher davon auszugehen gewesen, dass durch die im Jänner 2000 erfolgte Nachreichung der Unterlagen das Anbringen vom 27. August 1999 (die Fertigstellungsanzeige) als saniert und ursprünglich richtig eingebracht anzusehen sei. Daraus folge aber auch, dass allein die G. GmbH, weil zu diesem Zeitpunkt das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin noch nicht begründet gewesen sei, "ausschließlich und einzig" für die gegenständliche Kanaleinmündungsabgabe "hafte".

1.9. Die belangte Behörde wies mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2002 die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der als maßgebend erachteten rechtlichen Grundlagen führte die belangte Behörde begründend aus, die Rechtmäßigkeit einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung setze den Bestand einer Abgabenschuld beim Verpflichteten voraus. Dies bedeute im Beschwerdefall, dass der Tatbestand des Vorliegens "der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" erfüllt sein müsse. Von einer den Tatbestand des § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 erfüllenden "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" sei dann auszugehen, wenn eine Parteienerklärung alle Erfordernisse des § 30 Abs. 1 und 2 NÖ BauO 1996 erfülle oder eine nach § 30 Abs. 3 leg. cit. erforderliche Überprüfung die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauwerks ergebe.

Davon ausgehend sei die am 27. August 1999 als "Fertigstellungsanzeige" bezeichnete Eingabe der G. GmbH nicht als eine "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" anzusehen. Dem § 30 NÖ BauO 1996 könne - auf die Stelle werde durch § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 verwiesen - entnommen werden, dass es sich bei der Fertigstellungsanzeige um eine Parteienerklärung handle, der unter anderem eine Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens angeschlossen sein müsse. Diese Bescheinigung sei demnach ein essentieller Bestandteil der Fertigstellungsanzeige. Liege sie dieser nicht bei, so könne vom "Einlagen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" nicht die Rede sein und auch die Abgabenschuld nicht entstehen.

Nach § 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 umfasse eine Baubewilligung auch das Recht zur Benützung eines Bauwerks nach dessen Fertigstellung, wenn eine Bauführerbescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z 3 leg. cit. vorgelegt werde. Werde diese Bescheinigung nicht vorgelegt, dürfe die Benützung erst nach Überprüfung des Bauwerks durch die Baubehörde, bei der die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt werde, erfolgen. Dem gemäß regle auch § 30 Abs. 3 leg. cit., dass die Baubehörde eine Überprüfung des Bauwerks durchzuführen habe, wenn eine Bauführerbescheinigung nicht vorgelegt werde. Die NÖ BauO 1996 enthalte also eine spezielle Regelung des behördlichen Verfahrens für den Fall, dass eine Bauführerbescheinigung nicht vorgelegt werde. Eine Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung sei daher nur eine solche Parteienerklärung, auf Grund derer das in der Baubewilligung begründete Recht zur Benützung des Bauwerks wirksam werde, somit nur eine solche Parteienerklärung, der eine Bauführerbescheinigung angeschlossen sei.

Sei einem als "Fertigstellungsanzeige" bezeichneten Schreiben keine Bauführeranzeige angeschlossen, so handle es sich nicht um eine mangelhafte Fertigstellungsanzeige, sondern überhaupt nicht um eine Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung. Es dürfe nämlich auf Grund dieses Anbringens eine Benützung des Bauwerks nicht erfolgen. Das Fehlen der Bauführerbescheinigung sei kein durch die Partei verbesserungsfähiger inhaltlicher Mangel der Anzeige, weil die Bauordnung für diesen Fall ausdrücklich ein ganz spezielles Verfahren vorsehe, welches die behördliche Überprüfung des Bauwerks zur Folge habe. Die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sei (in diesem Fall) weder zwingend noch könnten die in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechtsfolgen eintreten, sei doch das Fehlen der Bauführerbescheinigung kein verbesserungsfähiger Mangel. Vielmehr habe die Baubehörde, wenn die Bauführerbescheinigung nicht vorgelegt werde, zufolge § 30 Abs. 3 NÖ BauO 1996 eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung durchzuführen; werde dabei die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt, so ersetze die Überprüfung die Bescheinigung des Bauführers.

Es knüpfe also das Baurecht an das Vorliegen einer unvollständigen Fertigstellungsanzeige in Verbindung mit dem anstandslosen behördlichen Überprüfungsergebnis des Bauwerks keine anderen Rechtsfolgen als an das Vorliegen einer vollständigen Fertigstellungsanzeige. In Beachtung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung müsse daher auch in beiden Fällen die gleiche abgabenrechtliche Rechtsfolge der Erfüllung des Tatbestandes des Vorliegens "der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" eintreten. Eine unvollständige "Fertigstellungsanzeige" für sich allein könne diese Rechtsfolge nicht auslösen. Dem zufolge sei von einer dem Tatbestand des § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 erfüllenden "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" erst dann auszugehen, wenn die Parteienerklärung alle Erfordernisse des § 30 Abs. 1 und 2 NÖ BauO 1996 erfülle oder die nach § 30 Abs. 3 NÖ BauO 1996 erforderliche behördliche Überprüfung die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauwerks ergebe.

Für den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass erst durch das Einlangen der Bauführerbescheinigung am 10. Jänner 2000 vom Vorliegen einer (vollständigen) "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" ausgegangen werden könne und erst zu diesem Zeitpunkt die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe entstanden sei.

Gemäß § 9 NÖ KanalG 1977 sei die Kanaleinmündungsabgabe von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, wofür zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben als Abgabenschuldner nur der Liegenschaftseigentümer zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld in Betracht komme. Sei die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 mit dem erstmaligen Vorliegen einer vollständigen Fertigstellungsanzeige am 10. Jänner 2000 entstanden, sei die Kanaleinmündungsabgabe daher demjenigen, der zu diesem Zeitpunkt grundbücherlicher Liegenschaftseigentümer gewesen sei, bescheidmäßig vorzuschreiben. Die Beschwerdeführerin sei im Jänner 2000 unbestritten bereits bücherliche Miteigentümerin der Liegenschaft und daher auch Abgabenschuldnerin der Kanaleinmündungsabgabe gewesen. (Allenfalls - so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - hafte - bei anderer Sicht - die Beschwerdeführerin auf Grund der "dinglichen Wirkung" der Abgabenvorschreibung.)

Seien mehrere Person grundbücherliche Eigentümer derselben Liegenschaft, liege somit Miteigentum (nach ideellen Anteilen) vor, dann schuldeten die Miteigentümer der Liegenschaft die Kanaleinmündungsabgabe gemeinsam. Die Miteigentümer seien dann Gesamtschuldner der Kanaleinmündungsabgabe. In welchem Maße die einzelnen Miteigentümer die Lasten aus allfälligen Abgabenvorschreibungen zu tragen hätten, sei Sache des Innenverhältnisses zwischen den Miteigentümern (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 1984, B 72/80, Slg. Nr. 9954). Die bescheidmäßige Geltendmachung des Abgabenanspruches der Gemeinde nur gegenüber einem der Gesamtschuldner stelle keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des herangezogenen Gesamtschuldners dar.

1.9. Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und erachtet sich - gleichfalls erkennbar - durch die Auferlegung der Kanaleinmündungsabgabe in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

2.1. Wie in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, wurden die beiden erstinstanzlichen Bescheide einerseits an die G. GmbH und andererseits an die Beschwerdeführerin adressiert und ihnen beigefügt, dass mit der Zustellung des Bescheides auch die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen gelte.

Die belangte Behörde leitete daraus ab, dass (zusammen mit der so genannten "dinglichen Wirkung" des Abgabenbescheides) die rechtskräftige Abgabenfestsetzung gegenüber der G. GmbH auch Wirkungen der Beschwerdeführerin gegenüber entfalte. Dies trifft jedoch nicht zu:

Gemäß § 10 NÖ KanalG 1977, LGBl. Nr. 8230-0, wirken die nach diesem Gesetz an Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber erlassenen Bescheide, mit Ausnahme jener nach § 15 (Strafen), auch gegen alle späteren Eigentümer. Diese "dingliche Wirkung von Bescheiden" (vgl. hiezu die Überschrift vor § 10 leg. cit. sowie näher das hg. Erkenntnis vom 12. August 2002, Zl. 2001/17/0104) erstreckt sich jedoch - wie schon dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist - nur auf alle späteren Eigentümer. Die Beschwerdeführerin hat jedoch ihren Miteigentumsanteil durch die grundbücherliche Einverleibung mit 24. November 1999 erworben, war daher zum Zeitpunkt der Vorschreibung der gegenständlichen Kanaleinmündungsabgabe an die G. GmbH mit Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 3. April 2000 bereits (Mit)Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft, sodass schon deshalb die "dingliche Wirkung" des gegen die G. GmbH ergangenen Abgabenbescheides nicht in Betracht kommt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof aber bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1998, Zl. 94/17/0413, mwN), ist auch im Anwendungsbereich des § 76 NÖ AO 1977 die Behörde nicht der Aufgabe enthoben, die Adressaten ihres Bescheides namentlich zu nennen. Auch die §§ 76 und 151 NÖ AO 1977 normieren keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Bescheidadressat aus dem Bescheid zumindest erkennbar sein muss. Erfolgt keine namentliche Nennung weiterer Bescheidadressaten, bewirkt auch eine Berufung auf § 76 leg. cit. nicht, dass der Bescheid gegenüber anderen Personen als dem ausdrücklich genannten Adressaten gegenüber erlassen wird. Daher ist im vorliegenden Fall der der G. GmbH gegenüber erlassene Bescheid (mangels Anführung der Beschwerdeführerin als Bescheidadressatin) nur dieser Gesellschaft gegenüber erlassen worden, der der Beschwerdeführerin gegenüber erlassene Bescheid aus demselben Grund hingegen nur ihr gegenüber (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 23. März 1998).

Der der G. GmbH gegenüber erlassene Abgabenbescheid entwickelt somit - entgegen der Ansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und auch in der Gegenschrift - keine Auswirkungen auf die Rechtsposition der Beschwerdeführerin.

2.2. Das Niederösterreichische Kanalgesetz 1977 (Wiederverlautbarung) LGBl. 8230-0, in der hier anzuwendenden Fassung durch die 5. Novelle LGBl. 8230-5 (LGBl. Nr. 130/96), regelt unter anderem die Kanalerrichtungsabgaben. Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. ist für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich gemäß § 3 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 aus dem Produkt der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz.

Nach § 9 erster Satz NÖ KanalG 1977 ist (unter anderem) die Kanalerrichtungsabgabe unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde.

Gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 entsteht die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde.

Die Kanaleinmündungsabgaben sind gemäß § 14 Abs. 1 lit. a leg. cit. den Abgabepflichtigen durch einen besonderen Abgabenbescheid vorzuschreiben.

Die NÖ BauO 1996, LGBl. 8200-5, regelt in ihrem § 30 die Fertigstellungsanzeige wie folgt (auszugsweise):

"(1) Ist ein bewilligtes Bauvorhaben (§ 23) fertig gestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen. Anzeigepflichtige Abweichungen (§ 15) sind in dieser Anzeige anzuführen. Die Fertigstellung eines Teiles eines bewilligten Bauvorhabens darf dann angezeigt werden, wenn dieser Teil für sich allein dem bewilligten Verwendungszweck, den Vorschriften dieses Gesetzes und der NÖ Bautechnikverordnung 1997, LGBl. 8200-7, und dem Bebauungsplan entspricht.

(2) Der Anzeige nach Abs. 1 sind anzuschließen:

1. bei einem Neu- oder Zubau eines Gebäudes (ausgenommen Aufstockung und Dachausbau) ein Lageplan mit der Bescheinigung des Bauführers oder der Eintragung der Vermessungsergebnisse über die lagerichtige Ausführung (§ 21 Abs. 6) des Bauvorhabens (2-fach),

2. bei anzeigepflichtigen Abweichungen (§ 15) ein Bestandsplan (2-fach),

3. eine Bescheinigung des Bauführers (§ 25 Abs. 2) über die bewilligungsgemäße Ausführung (auch Eigenleistung) des Bauwerks,

4. die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Befunde und Bescheinigungen.

(3) Wird keine Bescheinigung nach Abs. 2 Z. 3 vorgelegt, hat die Baubehörde eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung durchzuführen. § 33 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.

..."

Gemäß § 23 Abs. 1 fünfter und sechster Satz NÖ BauO 1996 umfasst die Baubewilligung das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn eine Bescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z 3 leg. cit. vorgelegt wird. Wird diese Bescheinigung nicht vorgelegt, darf die Benützung erst nach Überprüfung des Bauwerks durch die Baubehörde, bei der die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt wird, erfolgen.

2.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - wie dargelegt - die Ansicht vertreten, eine "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" liege erst dann vor, wenn (insbesondere) die Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens angeschlossen sei. Sie hat dies aus § 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 abgeleitet; erst eine Fertigstellungsanzeige unter Anschluss der Bauführeranzeige berechtige zur Benützung des Bauwerks, daraus folge aber, dass eine "Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung" (nach dem System dieses Gesetzes) erst dann vorliegen könne, wenn die "Bauführeranzeige" vorgelegt worden sei.

2.4. Bis zur 5. Novelle des NÖ KanalG 1977 trat die Abgabenschuld mit der Rechtskraft des Benützungsbewilligungsbescheides nach der Bauordnung ein (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2003, Zl. 2002/17/0353). An die Stelle des Benützungsbewilligungsbescheides setzte die NÖ BauO 1996 systematisch die Fertigstellungsanzeige. Diese hat inhaltlich die in § 30 leg. cit. aufgezählten Urkunden zu enthalten; vorher liegt eine (vollständige) Fertigstellungsanzeige nicht vor. Wenn der Gesetzgeber mit § 12 Abs. 1 lit. b NÖ KanalG 1977 an diese Fertigstellungsanzeige mit dem Entstehen der Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe anknüpft, geht er damit von der (vollständigen) Fertigstellungsanzeige aus.

Im Beschwerdefall lag die Fertigstellungsanzeige in diesem Sinn jedenfalls erst mit Vorlage der Bauführerbescheinigung vor. Wie sich aus § 23 Abs. 1 fünfter und sechster Satz NÖ BauO 1996 ergibt, ist diese Vorlage für das Recht, das Bauwerk zu benutzen, konstitutiv. Schon deshalb kann es dahingestellt bleiben, ob § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 (sohin nach der 5. Novelle des NÖ KanalG 1977) überhaupt anwendbar ist, ist doch jedenfalls erst mit der Vorlage der Bauführerbescheinigung das (wesentliche) Recht zur Benützung des Bauwerkes und damit ein wesentliches Ziel der Fertigstellungsanzeige gegeben.

2.5. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 25. April 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002170034.X00

Im RIS seit

15.07.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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