TE OGH 1978/5/22 1Ob32/77

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Veröffentlicht am 22.05.1978
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Norm

ABGB §1295 Abs1
ABGB §1295

Kopf

SZ 51/66

Spruch

Wer eine Anlage ohne behördliche Bewilligung mangelhaft anlegte, haftet für den entstandenen Schaden nicht, wenn dieser auch ohne Errichtung der Anlage eingetreten wäre

OGH 22. Mai 1978, 1 Ob 32/77 (OLG Graz 5 R 160/77; LG Klagenfurt 22 Cg 308/74)

Text

Der Kläger verlangt vom Beklagten wegen Überflutung seines Anwesens während eines Unwetters am 4. Juli 1974 Schadenersatz in Höhe von 305 615.46 S samt Anhang mit der Behauptung, der Schadensfall sei darauf zurückzuführen, daß der vom Beklagten ohne wasserrechtliche Bewilligung und ausreichende technische Ausrüstung errichtete Löschteich bei diesem Wolkenbruch übergelaufen sei. Wegen der Gefahr eines Dammbruches habe die Feuerwehr die Schleusen geöffnet, und mangels einer Vorflutanlage habe sich das Wasser ein natürliches Gerinne gesucht und in der Folge den Gasthof des Klägers bis zu einem Meter unter Wasser gesetzt.

Der Beklagte wendete ein, die Ursache der Überschwemmung sei nicht seine Teichanlage gewesen, sondern sie sei darin gelegen, daß sich das Anwesen des Klägers am tiefsten Punkt einer großen fächerförmigen flachen Bodenmulde befinde. Bei starken wolkenbruchartigen Regenfällen könne die Sandschicht der Mulde das anfallende Wasser nicht aufnehmen, so daß dieses oberflächig dem natürlichen Gefälle folgend zur Gänze beim Haus des Klägers zusammenkomme.

Bevor der Beklagte vor etwa 20 Jahren in einer Entfernung von mehreren hundert Metern vom Haus des Klägers den gegenständlichen Löschteich errichtet habe, sei der jetzt in den Teich mundende Bach in diesem Bereich versickert. Bei starken Regenfällen sei er jedoch dem natürlichen Gefälle folgend über die Wiesen auch zum Haus des Klägers hinuntergeflossen. Dadurch, daß der Kläger kurz vor dem Schadensfall den bei seinem Haus befindlichen Weg aufgeschüttet und asphaltiert und eine Mulde vor dem Haus gebildet habe, habe das Wasser nicht wie bei früheren Regenfällen am Haus vorbei abfließen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusammengefaßt folgenden Sachverhalt fest: Das Anwesen des Klägers in R liegt im Tal an der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden W-Landesstraße. An der Rückseite (Westseite) des Hauses ist durch eine Geländeabgrabung ein rund 10 m breiter, gegenüber der asphaltierten Zufahrt tiefer gelegener ebener Platz vorhanden. Daran schließt sich westwärts eine zirka 2 m hohe steile abbruchartige Böschung und von dieser zieht sich muldenförmig und breit ausladend das aus Äckern und Wiesen bestehende Gelände bis zu dem rund 400 m entfernten, bergwärts gelegenen Anwesen des Beklagten mit dem gegenständlichen Teich.

Der Teich wird durch ein von Westen her aus einem muldenförmigen Wiesengelände kommenden Gerinne mit einer Wasserführung von 8 l pro Sekunde gespeist. Ein Teil dieses Wassers stammt aus einem Drainagesystem. Der Teich ist gegen Osten und Süden durch einen zirka 1 m hohen Damm abgeschlossen. Die Wasserfläche hat ein Ausmaß von zirka 170 x 25 cm, die Tiefe beträgt bis zu einem Meter. Sowohl am Nordals auch am Südende des ostseitigen Dammes befinden sich Entlastungen (Ausflüsse) aus Beton. Daran schließen sich flache Gräben, in welchen das abfließende Wasser schon bald im Boden versickert. Der Löschteich wurde 1959 vom Beklagten ohne wasserrechtliche Bewilligung angelegt; die Anlage ist wegen der nicht richtig dimensionierten und ausgeführten Entlastungen bzw. Fehlen eines Vorfluters mangelhaft. Am 4. Juli 1974 kam es zu einem schweren Unwetter. Das Wasser konnte vom Boden nicht mehr aufgenommen werden und floß die vorbeschriebenen Geländemulden dem natürlichen Gefälle folgend zu Tal und so zwangsläufig zur Rückseite des Hauses des Klägers und in weiterer Folge auf dem zwei Jahre zuvor asphaltierten Zufahrtsweg zur jenseits der Landesstraße vorbeifließenden W. Während das Wasser bei früheren Unwettern zwischen dem Haus des Klägers und dem Nachbarhaus Nr. 21 einen tiefen Graben im sandigen Boden gerissen hatte, ohne die Keller des klägerischen Gebäudes zu überfluten, konnte es infolge der Asphaltierung der Zufahrt diesmal keine solche Abflußrinne bilden und drang in das Haus des Klägers ein. Durch den Teich ist aber nicht mehr Wasser zum Anwesen des Klägers gelangt als ohne ihn, zumal der Teich eine große Retentionswirkung hat. Es wurde zwar während des Wolkenbruches von der Feuerwehr aus der nördlichen Entlastung ein Staubrett entfernt, wodurch der Abfluß vom Teich um 550 Liter pro Sekunde erhöht wurde, doch zeigte dies bis zum rund 400 m entfernten Anwesen des Klägers keine Wirkung mehr. Die Einleitung von Wasser aus dem R-Bach, einem ganz kleinen Gerinne, in den Teich durch den Beklagten war wegen der auf diese Weise zugeführten geringen Wassermenge unerheblich für die Wasserabführung beim Anwesen des Klägers. Infolge der Teichanlage, die beim Unwetter unbeschädigt geblieben ist, ist kein zusätzliches Wasser, das nicht auch ohne Teich zu Tal geflossen wäre, zum Gasthof des Klägers gelangt. Durch die Existenz des Teiches ist somit beim Anwesen des Klägers kein Schaden eingetreten; dieser wäre vielmehr im selben Ausmaß auch dann eingetreten, wenn der Teich nicht vorhanden gewesen wäre.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Beklagte durch die Errichtung des Löschteiches ohne wasserrechtliche Bewilligung zwar eine Schutznorm übertreten habe, doch sei nachgewiesen, daß zwischen der Errichtung der Teichanlage und der Ableitung des R-Baches in den Teich einerseits und dem Überschwemmungsschaden beim Kläger anderseits kein Kausalzusammenhang bestehe, weshalb der Klagsanspruch nicht gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist von der Feststellung, daß die Teichanlage keinen Einfluß auf den natürlichen Ablauf des Wassers beim Unwetter am 4. Juli 1974 im Bereich des Hauses des Klägers hatte. Weder die auf die teilweise Einleitung des R-Baches in den Teich zurückzuführende geringe Wassermenge bewirkte im Bereich des Hauses des Klägers eine Veränderung des sonst gegebenen Wasserablaufes zu Ungunsten des Klägers noch die Entfernung eines Staubrettes aus einer der Entlastungen des Teichdammes gegen Ende des Unwetters. Der Schaden am klägerischen Anwesen wäre vielmehr im selben Ausmaß auch dann eingetreten, wenn der Teich nicht vorhanden gewesen wäre.

Demnach war die Errichtung der wenn auch vorschriftswidrigen und mangelhaften Teichanlage des Beklagten für das klagsgegenständliche Schadensereignis ohne Einfluß, also nicht kausal. Ursächlich im Sinne der natürlichen Kausalität ist für ein bestimmtes Ereignis jede Bedingung, d. h, jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Geschehensablauf ein anderer gewesen wäre (Theorie der conditio sine qua non; vgl. Larenz, Schuldrecht[11] I, 352; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht I 41; Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, 7 ff.). Der natürliche Kausalzusammenhang ist notwendig, wenn auch nicht immer ausreichende Voraussetzung der Zurechnung der Folgen eines Ereignisses zum Verantwortungsbereich des in Anspruch genommenen. Ob er gegeben ist, ist eine reine Tatsachenfrage (Fasching IV, 338; ZVR 1959/74; ZVR 1960/56; SZ 25/303). Hier wurde die Ursächlichkeit der Teichanlage für den Schadenseintritt beim Kläger verneint, weil der Schaden auch ohne diese Anlage in gleicher Weise eingetreten wäre. Damit fehlt die primäre Voraussetzung für die rechtliche Zurechnung des Schadens zum Verantwortungsbereich des Beklagten. Nur wenn die Teichanlage als natürliche und darüber hinaus adäquate Ursache für den Schadenseintritt feststunde, ergäbe sich die weitere Frage nach der Haftung des Beklagten für die technisch unvollkommene und normwidrige Ausführung der Anlage (vgl. Welser, Der Oberste Gerichtshof und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 1 ff., insbesondere 44). Diesbezüglich ist von den Vorinstanzen mit Recht auf § 1311 ABGB verwiesen worden (vgl. EvBl.1953/86). Danach hätte der Beklagte unter der Voraussetzung, daß die Teichanlage schadenskausal war, für den Schaden nur dann nicht zu haften, wenn er nachweisen könnte, daß der Schaden auch bei Beachtung der einschlägigen Schutzvorschriften entstanden wäre (EvBl. 1977/246; ZVR 1976/301 u. a.). Diesen Beweis braucht aber der Beklagte im vorliegenden Falle gar nicht anzutreten, weil feststeht, daß seine Teichanlage keine Schadensursache war.

Anmerkung

Z51066

Schlagworte

Anlage ohne behördliche Bewilligung, Folgeschaden, Conditio sine qua non, Mangelhafte Anlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00032.77.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19780522_OGH0002_0010OB00032_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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