Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schertler als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 und 2 StGB. und anderer Delikte über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengerichtes vom 4.November 1977, GZ. 17 Vr 181/77-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Freisleben und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stäger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Dezember 1950 geborene, zuletzt als Pferdepfleger beschäftigt gewesene Werner A I./ des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 und 2 StGB., II./
des Verbrechens der Schändung nach dem § 205 Abs 1 StGB., III./ des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 1 und 4 StGB., IV./ des Vergehens des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1 und Abs 2 StGB. und V./ des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffenG. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Außerdem ordnete das Gericht gemäß dem § 23 Abs 1
StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche
Rückfallstäter an.
Ihm liegt inhaltlich des Schuldspruches zur Last, A/ am 7.Feber 1977 in Pättenau 1.) die Traude B durch Fesseln an Händen und Füßen sowie Anbinden an ein Bett mehrere Stunden widerrechtlich gefangen gehalten und ihr (dadurch) die persönliche Freiheit entzogen zu haben, wobei er die Freiheitsentziehung dadurch, daß er sie entkleidete, ihr die Augen verband, eine Schlinge um den Hals legte, die Hände auf den Rücken fesselte und einen Schuß aus einer Pistole abgab, auf solche Weise beging, daß sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete (Punkt I/ des Urteilssatzes); 2.) während des zu Pkt. 1) bezeichneten Geschehens Traude B, die sich infolge Fesselung in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht zu haben (Punkt II/ des Urteilssatzes); 3.) unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden war, und unter Ausnützung eines Zustandes (Fesselung), der Traude B hilflos machte, einen Personenkraftwagen, Marke Mercedes, im Wert von etwa 60.000 S seinen Auftraggebern Walter und Traude B mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt III/ des Urteilssatzes); ferner B/ am 7.Feber 1977 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte unter Vorlage gefälschter Schecks, somit unter Benützung falscher Urkunden, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, welche die im folgenden angeführten Geldinstitute an ihrem Vermögen schädigten, wobei der Schaden 5.000 S überstieg, und zwar 1.) in Böheimkirchen Angestellte der Raiffeisenkasse zur Übergabe von 24.000 S Bargeld,
2.) in St. Pölten Angestellte der Bank für Arbeit und Wirtschaft (C) zur Übergabe von 10.000 S Bargeld (Punkt IV/ des Urteilssatzes); und C/ in der Zeit vom 7. bis 26.Feber 1977 in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland eine Pistole, Marke Steyr, Kaliber 6,35 mm, unbefugt besessen und geführt zu haben (Punkt V/ des Urteilssatzes).
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen zum Faktum I/ (Freiheitsentziehung) fesselte der Angeklagte in den Morgenstunden des 7.Feber 1977 kurz nach 6 Uhr 15
(in durch Alkoholgenuß enthemmtem, aber keineswegs vollberauschtem Zustand) in Ausführung seines ursprünglichen Vorhabens, sich an seinen Dienstgebern, dem Ehepaar Walter und Traude B, in deren Pferdegestüt in Pättenau (Gemeinde Neulengbach) er damals beschäftigt war und von denen er sich ausgenützt fühlte, durch Erschießen der Pferde 'zu rächen', die zur Tatzeit allein im Hause anwesende Traude B, nachdem er sie unter Versetzen von Schlägen und unter Vorhalt einer Schrotflinte und einer (geladenen) Pistole von der Küche in das Schlafzimmer getrieben hatte, an Händen und Füßen. Er drohte der bäuchlings (mit den gefesselten Händen am Rücken) auf dem Bett des Schlafzimmers liegenden Frau zunächst an, er werde jetzt abrechnen und die Pferde erschießen.
In der Folge verband er ihr mit einem Tuch die Augen, drehte einen Radiowecker auf hohe Lautstärke und erklärte, er werde ihr mit einer mitgeführten Spritze eine tödliche Injektion verabreichen, falls sie sich nicht ruhig verhalte. Überdies feuerte er mit der Pistole einen Schuß gegen den Schlafzimmerspiegel und gab Traude B, die infolge der verbundenen Augen nichts sehen konnte, auf ihre Frage zur Antwort, er habe das Funktionieren der Waffe erprobt. Nachdem es der Gefesselten während einer kurzen Abwesenheit des Angeklagten gelungen war, die Handfesseln zu lockern und die Augenbinde zu entfernen, zog A nach seiner Rückkehr ins Schlafzimmer ihre Fesseln wieder straff und band ihr erneut das Tuch vor die Augen. Er vollzog sodann an der gefesselten und wehrlosen Frau, nachdem er ihr vorher mit einem Küchenmesser sämtliche Kleider vom Leib geschnitten (und lediglich die Fußfesseln gelöst) hatte, mehrmals den Geschlechtsverkehr. Danach fesselte er unter der Ankündigung, er nehme sich jetzt die Pferde und dann ihren Ehegatten Walter B vor, erneut ihre Füße und band Traude B schließlich mit zwei Reitleinen solcherart an das Bett fest, daß er eine Schleife der Longe um ihren Hals führte.
In der Folge verließ der Angeklagte unter der Androhung, er werde, falls sich Traude B zu befreien versuche, die Pferde erschießen, das Haus, begab sich zum Postamt Ollersbach, holte von dort die für das Ehepaar B bestimmte Post ab, um der Zustellung durch den Briefträger zuvorzukommen, und verübte dann nach einem weiteren (relativ kurzen) Aufenthalt im Anwesen des Ehepaars B die unter Punkt IV/ des Urteilssatzes angeführten Betrugshandlungen in Böheimkirchen und in St. Pölten. Nach seiner abermaligen Rückkehr erneuerte er die inzwischen gelockerte Fesselung, sodaß Traude B wieder völlig bewegungsunfähig war, und ergriff letztlich mit dem (von ihm gestohlenen) Personenkraftwagen des Ehepaares B die Flucht. Traude B gelang es erst gegen 11 Uhr 45, ihre Fesseln zu lösen, und vom nahegelegenen Kirchstetten aus die Gendarmerie zu verständigen; vorher warnte sie noch telefonisch ihren in Wien befindlichen Ehegatten, weil sie auf Grund der (auch gegen ihn gerichteten) Drohungen um sein Leben bangte.
Durch die geschilderte Handlungsweise des Angeklagten erlitt Traude B dem Grad nach leichte Verletzungen, und zwar Blutunterlaufungen an beiden Hand- und Fußgelenken mit Stauungsödemen, insbesondere an den Handund Fußrücken, sowie Druckstellen an Stirn und Wange, am Nasenrücken und vor allem am Hals (S. 117 d.A.).
Rechtliche Beurteilung
A) Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 10 und 11
des § 281 Abs 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich nur gegen die Annahme der Qualifikation nach dem § 99 Abs 2 StGB. (zweiter Fall) im Rahmen seines Schuldspruches wegen Freiheitsentziehung (Punkt I/ des Urteilssatzes) und gegen seine vom Erstgericht nach dem § 23 Abs 1 StGB. angeordnete Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter.
Mit Beziehung auf den erstangeführten Nichtigkeitsgrund behauptet der Beschwerdeführer, er hätte der Traude B weder durch Fesselung an Händen und Füßen noch durch Niederbinden auf das Bett mit einer über ihren Hals hinweg verlaufenden Longe besondere Qualen bereitet, denn solche kämen nur bei einem ganz besonders schmerzhaften, über längere Zeit andauernden Zustand in Betracht;
vor allem aber habe für sein Opfer nach Art der Fesselung am Hals
keine Erstickungsgefahr bestanden.
Diese Rüge versagt.
Besondere Qualen im Sinn des § 99 Abs 2 StGB. können dem Opfer nicht nur durch Zufügung physischer Schmerzen (körperliche Mißhandlungen), sondern auch durch psychische Einwirkung bereitet werden. Es kommt demnach bei der Beurteilung dieses (strafsatzändernden) Qualifikationsumstandes auch der psychischen Verfassung und den Erwartungen des festgehaltenen Opfers in der gegebenen Situation entscheidende Bedeutung zu. Die rechtliche Annahme dieser Qualifikation erfordert, daß die durch eine Freiheitsentziehung hervorgerufenen (körperlichen oder psychischen) Qualen entweder schon wegen ihrer außergewÄhnlichen Intensität das Opfer schwer treffen oder zumindest einen für eine gewisse Zeitspanne fortdauernden Zustand einer erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigung bewirken (sh. 10 Os 139/77 = ÖJZ-LSK 1978/44).
So gesehen, unterlief aber dem Erstgericht kein Rechtsirrtum, wenn es bei dem festgestellten Tatverhalten des Angeklagten diese Voraussetzungen mit den zutreffenden Hinweisen für erfüllt erachtete, die mehr als fünf Stunden, davon einen Teil dieser Zeit nackt und mit verbundenen Augen, an das Bett gefesselte und dadurch bewegungsunfähige Traude B habe vor allem angesichts der vom Angeklagten (teils direkt, teils indirekt) geäußerten Todesdrohungen, die nicht nur ihr, sondern auch ihrem (abwesenden) Ehegatten galten, und denen der Täter durch Abgabe eines Pistolenschusses besonderes Gewicht verlieh, arge (vom Vorsatz des Angeklagten umfaßte) psychische Qualen gelitten, weil sie in diesem, sich über eine längere Zeitspanne erstreckenden Zustand der Angst und des Schreckens - der auch durch wiederholten geschlechtlichen Mißbrauch und körperliche Mißhandlung mitverursacht wurde - jederzeit das Ärgste für sich, aber auch für ihren Ehegatten (und angesichts der Drohungen, die Pferde zu erschießen, auch für das gemeinsame Vermögen) befürchten mußte. Ganz abgesehen von der Art der Fesselung, die eine Strangulierung besorgen ließ, bewirkten somit die vom Erstgericht festgestellten Tatumstände bei der solcherart Festgehaltenen einen sich über mehrere Stunden erstreckenden Zustand einer psychischen, aber auch physischen Beeinträchtigung von ganz außergewÄhnlicher Intensität, der die Rechtsrichtigkeit der Annahme besonderer Qualen des Opfers im Sinn des § 99 Abs 2 (zweiter Fall) StGB. außer Frage stellt. Es erweist sich aber auch das auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. gestützte Beschwerdevorbringen, mit dem der Angeklagte das Vorliegen der (u.a.) in der Z. 1 des § 23 Abs 1 StGB. genannten Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter bestreitet, als nicht stichhältig:
Zunächst ist zu bemerken, daß der (im Inland) insgesamt siebenmal, davon fünfmal wegen Vermögensdelikten vorbestrafte Angeklagte allein zu den unter Punkt 4.) und 6.) der vorliegenden Strafregisterauskunft (S. 11 d.A.) angeführten, überwiegend wegen Vermögensdelikten ausgesprochenen Verurteilungen zu jeweils sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafen (nämlich von achtzehn Monaten bzw. drei Jahren) nach Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres insgesamt (allein auf Grund dieser beiden Verurteilungen) über dreieinhalb Jahre - also wesentlich mehr als das gesetzliche Mindestmaß von achtzehn Monaten - in Strafhaft zubrachte, sodaß hier - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - im Zeitpunkt des Ausspruchs der im vorliegenden Verfahren verhängten Freiheitsstrafe (in der Dauer von viereinhalb Jahren) die Voraussetzungen der Z. 2 des § 23 Abs 1 StGB. jedenfalls zutrafen.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß es trotzdem an den objektiven - gemeint ersichtlich: materiellrechtlichen - Voraussetzungen des § 23 Abs 1 StGB. fehle und daher eine Nichtigkeit im Sinn der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. vorliege, weil die Vorverurteilungen Straftaten wider fremdes Vermögen betreffen, bei der vorliegenden, den Anlaß zum Ausspruch über die Anstaltsunterbringung bildenden Verurteilung die ihr zugrunde liegenden Straftaten gegen fremdes Vermögen gegenüber den anderen von diesem Urteil erfaßten Delikten (insbesondere gegenüber der Freiheitsentziehung und Schändung) aber in den Hintergrund treten, hält die Generalprokuratur entgegen:
'Wohl erfordert die Anordnung einer vorbeugenden Maßnahme nach dem § 23 StGB. bei einem Hangtäter im Sinne der Z. 3 dieser Gesetzesstelle u. a., daß sowohl die den Vorverurteilungen des von dieser Maßnahme Betroffenen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen - aus deren Bestrafung sich das Vorliegen der Voraussetzungen der Z. 2 dieser Gesetzesstelle ergibt - als auch jene von der in der Z. 1 des § 23 Abs 1 StGB. umschriebenen Anlaßverurteilung erfaßten Delikte spezifisch dem jeweiligen (gleichen) Hang des Täters und seiner sich daraus ergebenden besonderen Gefährlichkeit entsprechen. Dies ergibt sich primär aus einer als Auslegungsgrundlage heranzuziehenden Gesamtschau der die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter regelnden Vorschriften des § 23 StGB., die eine isolierte Betrachtung der in den Z. 1, 2 und 3 dieser Gesetzesstelle bezeichneten Voraussetzungen verbietet. Wie schon die Überschrift des § 23 StGB. ('Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter') zeigt, aber auch den EBzRV. unmißverständlich zu entnehmen ist, soll nach den Intentionen des Gesetzgebers diese vorbeugende Maßnahme nur bei Rückfallstätern in Betracht kommen, denn 'erste Grundvoraussetzung für die Unterbringung ... ist der wiederholte Rückfall' (Dokumentation zum Strafgesetzbuch, 78). Unter dem Gesichtspunkt der Frage der Einstufung eines Angeklagten als 'gefährlicher Rückfallstäter' kann aber von einem solchen Rückfall insbesondere dann, wenn er Ausfluß einer 'Hangtäterschaft' ist, wie sie die Z. 3
des § 23 Abs 1 StGB. u.a. im Auge hat, nur dann gesprochen werden, wenn es immer wieder zur Begehung von Straftaten bestimmter Art kommt, die regelmäßig auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen werden (vgl. §§ 33, Z. 2, 39, 71 StGB. und 9 Os 165/77). Daraus folgt, daß die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme nach dem § 23 StGB z. B. dann unzulässig wäre, wenn der Betroffene die Voraussetzungen der Z. 2 dieser Gesetzesstelle etwa nur in Ansehung seiner Vorverurteilungen wegen Vermögensdelikten erfüllt und nunmehr über ihn wegen einer schweren vorsätzlichen Straftat gegen Leib und Leben eine zweijährige oder höhere Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, wobei bei ihm (auch) eine Prognose in Richtung der Wiederholung strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben mit schweren Folgen vorliegt.
Im vorliegenden Fall besteht den Urteilsannahmen zufolge (vgl. S. 397 d.A.) nach dem sich aus dem Inhalt der angeschlossenen (und in der Hauptverhandlung auch zur Verlesung gebrachten) Vorstrafakten und aus dem Gutachten des in der Hauptverhandlung beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Dr. Erhart E (vgl. S. 363 bis 370 d.A.) abzeichnenden (äußerst negativen) Persönlichkeitsbild des Werner A bei ihm neben einem Hang zu Aggressionsdelikten vor allem ein solcher zu Vermögensdelikten. Allerdings erfüllt der Beschwerdeführer - wie bereits dargelegt - die Voraussetzungen der Z. 2
des § 23 Abs 1 StGB. nur in Ansehung seiner Vorverurteilungen wegen Vermögensdelikten, sodaß auch nur diese als spezifische Anlaßtat im Sinne des § 23 Abs 1 Z. 1 StGB in Betracht kommen.
Überdies betrifft die vorliegende Verurteilung des Beschwerdeführers sowohl (vorsätzlich begangene) Delikte gegen die Freiheit und Sittlichkeit als auch solche gegen fremdes Vermögen, wobei ihm einzuräumen ist, daß für das Erstgericht bei der Bemessung der Strafhöhe (von viereinhalb Jahren) die unter Punkt I/ und II/ des Urteilssatzes beschriebenen Delikte (Freiheitsentziehung und Schändung) letztlich mehr im Vordergrund standen, zumal die Strafe nach dem Abs 2 des § 99 StGB.
bestimmt wurde, so daß bei einem Vergleich dieser Straftaten nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung mit den dem Beschwerdeführer in diesem Urteil gleichzeitig zur Last liegenden Vermögensdelikten (Punkt III/ und IV/ des Urteilssatzes) von einem Überwiegen der Vermögensdelikte wohl nicht gesprochen werden könnte. Angesichts dieser besonderen Fallgestaltung ist jedoch zu dem weiteren in der Z. 1 des § 23 Abs 1 StGB.
angeführten Erfordernis, daß die Verurteilung ausschließlich oder überwiegend wegen der dort bezeichneten Deliktsgattungen erfolgen muß, zu bemerken:
Nach dem in Rede stehenden Sinngehalt des § 23 StGB. kann die Bestimmung der Z. 1 dieser Gesetzesstelle im gegebenen Zusammenhang nur so verstanden werden, daß die (vorsätzlich begangenen) strafbaren Handlungen gegen die dort (taxativ) aufgezählten Rechtsgüter, soweit sie nach dem Vorgesagten als (spezifische) Anlaßtat in Betracht kommen, nur gegenüber allenfalls weiteren von derselben Verurteilung gleichfalls erfaßten Delikten gegen andere - dort nicht genannte - Rechtsgüter überwiegen müssen. Die Richtigkeit dieser Auslegung des § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. ergibt sich schon daraus, daß etwa gegen einen (nur) in Ansehung von Vermögensdelikten gefährlichen Rückfallstäter, der insoweit sämtliche Voraussetzungen zur Anordnung der vorbeugenden Maßnahme nach dem § 23 StGB. erfüllt, - würde man den gegenteiligen Rechtsstandpunkt teilen -
diese Maßnahme nicht angeordnet werden könnte, wenn er neben Vermögensdelikten gleichzeitig auch noch z.B. wegen einer schweren Straftat gegen Leib und Leben (so etwa wegen Mordes) verurteilt wird, weil dann der Mord gegenüber den Vermögensdelikten überwiegt. Daß der Gesetzgeber eine solche, sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung des schwereren Übeltäters beabsichtigt haben könnte, kann ihm nicht ernstlich unterstellt werden.
Daß aber - von diesen rechtlichen Erwägungen ausgehend - die im vorliegenden Urteil dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vermögensdelikte im Vergleich zu dem einzigen, nicht unter die in der Z. 1 des § 23 Abs 1 StGB.
aufgezählten Deliktsgruppen fallenden Vergehen nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffenG. (Punkt V/ des Urteilssatzes) ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach eindeutig überwiegen, liegt auf der Hand, sodaß der Ausspruch des Erstgerichtes über die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß dem § 23 StGB. im Ergebnis frei von Rechtsirrtum ist.' Dieser Rechtsmeinung der Generalprokuratur zu § 23
StGB., die übrigens ihren eigenen Standpunkt über die Spezifität von Vor- und Anlaßtaten nicht konsequent durchzieht, vermag der Oberste Gerichtshof nur im Ergebnis beizutreten:
Der klare Wortlaut der - für Fälle überschwerer Kriminalität geschaffenen - Norm des § 23 StGB. über die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter (vgl. ÖJZ-LSK 1975/134, 1977/20) läßt die Auslegung, daß Unterbringungsvoraussetzung ein Hang zu strafbaren Handlungen gegen ein ganz bestimmtes Rechtsgut (etwa fremdes Vermögen oder Sittlichkeit) sei, keinesfalls zu. § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. nennt - abschließend - eine Reihe von vorsätzlichen strafbaren Handlungen (gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit, gegen fremdes Vermögen, gegen die Sittlichkeit, nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG., gemeingefährliche Delikte), § 23 Abs 1 Z. 2 StGB. bezieht sich auf diese Deliktsgruppe ('Handlungen der in Z. 1 genannten Art') und § 23 Abs 1 Z. 3 StGB. spricht nur vom 'Hang zu strafbaren Handlungen der in Z. 1 genannten Art', ohne zwischen den durch § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. erfaßten Delikten in wie immer gearteter Weise zu differenzieren. Schon daraus ergibt sich, daß die - Unterbringungsbedingung bildenden - früheren Verurteilungen des Unterzubringenden zwar (ausschließlich oder überwiegend) wegen der in § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. genannten Straftaten ergangen sein müssen; sie brauchen jedoch nicht speziell von der jetzt zur Aburteilung stehenden Kategorie - innerhalb der in § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. aufgezählten Delikte - gewesen zu sein. In Richtung des Ergebnisses der Wortinterpretation weisen auch die Gesetzesmaterialien (Justizausschußbericht), die besagen: 'Der Justizausschuß ist - ausgehend davon, daß absolut politische Delikte nicht zu dieser Maßnahme (gemeint: Unterbringung nach dem § 23 StGB.) führen dürfen - der Ansicht, daß die Maßnahme ihrer Schwere wegen darüber hinaus so einzuschränken sei, daß sie nur zum Schutz von Rechtsgütern, die besonders wichtig sind und gegen die sich die Taten von Hang- und Berufsverbrechern typischerweise richten, zulässig sein soll. Danach führt die vorgeschlagene Aufzählung der in Betracht kommenden Angriffsrichtungen zu einer sinnvollen Beschränkung der Unterbringungsmöglichkeit, ohne die Erfüllung der rechtspolitischen Bedürfnisse, denen die Maßnahme dienen soll, in Frage zu stellen' (Dokumentation, S. 79). Zutreffend legt Bertel (Die Prognose im StGB., S. 31) dar, das Gesetz wolle durch die Bezeichnung des Unterzubringenden als Hang- oder Berufsverbrecher nur ausdrücken, es komme nicht darauf an, daß er sich einem bestimmten kriminologischen Tätertyp zuordnen lasse; entscheidend seien vielmehr das in Z. 1 und 2 (des § 23 Abs 1 StGB.) umschriebene Quantum an Vorverurteilungen und Vorstrafen und der Umstand, daß auch in Hinkunft Taten mit schweren Folgen zu besorgen seien (sh. auch Foregger-Serini, 1978, S. 61, II/1; Mayerhofer-Rieder, S. 105, Anm. 4). Im übrigen sprach der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 12 Os 47/76 (im gleichen Sinn: EvBl 1977 Nr. 9) aus, gemäß dem § 23 Abs 1 Z. 2 StGB. setze eine Unterbringungsanordnung u.a. voraus, daß der Täter bereits zweimal ausschließlich oder überwiegend wegen nicht notwendigerweise derselben Deliktsgruppe wie die Anlaßtat zuzuordnender Handlungen der in Z. 1 genannten Art - so etwa wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen fremdes Vermögen - verurteilt worden sei (auch die Entscheidung EvBl 1977 Nr. 10 spricht von 'einschlägigen Verurteilungen im Sinn der Z. 1'; die von der Generalprokuratur bezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15.November 1977, 9 Os 165/77, hingegen handelt bei Prüfung des Hanges im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose konkret von einem durch Gewähnung an Vermögensdelikte charakterisierten Täter und nimmt zu der hier zu lösenden Rechtsfrage nicht ausdrücklich Stellung).
Verfehlt ist im gegebenen Zusammenhang die Meinung der Generalprokuratur, aus der Verwendung des Wortes 'Rückfall' in der Überschrift zu § 23 StGB. sei abzuleiten, daß dieser Paragraph einen eingeengten - spezifischen -
Rückfallsbegriff (Rückfall in Delikte derselben Art) im Auge habe. Daß der Gesetzgeber hier in offensichtlicher Anlehnung an die Begriffsbestimmung des § 48 dStGB. bloß des Rückfalls in das Verbrechen überhaupt, freilich innerhalb der durch § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. gezogenen Grenzen, gedenkt, folgt allein schon aus der Systematik des Strafgesetzbuches, das dann, wenn es um spezifischen Rückfall geht, ausdrücklich den Begriff der gleichen schädlichen Neigung heranzieht (vgl. § 33 Z. 2 StGB. im Vergleich mit § 33 Z. 1 StGB., § 39 StGB. in Verbindung mit § 71 StGB., § 58 Abs 2 StGB.). Da das Erstgericht den Beschwerdeführer unbestrittenermaßen überwiegend wegen Straftaten der in § 23 Abs 1 Z. 1 StGB. aufgezählten Art schuldig erkannte, haftet dem angefochtenen Urteil - die oben entwickelte Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes zugrundegelegt - der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 11
(§ 435) StPO. - der nur die Verletzung materiellrechtlicher Vorschriften ohne Spielraum für richterliches Ermessen (§ 23 Abs 1 Z. 1 und 2 StGB.) erfaßt (sh. ÖJZ-LSK 1975/162) - nicht an. Die Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 23 Abs 1 Z. 3 StGB. selbst - für die allerdings (im ersten Fall) die Annahme eines inhaltlich näher gekennzeichneten und in den Symptomtaten (Z. 1 und 2 des § 23 Abs 1 StGB.) wirksam gewordenen Hanges (vgl. Nowakowski in Broda, FS S. 206 und FN 44) die Grundlage abgibt - oblag letztlich allein dem pflichtgemäßen richterlichen Ermessen; der diesbezügliche Urteilsausspruch kann darum nur mit dem Rechtsmittel der Berufung bekämpft werden, das jedoch vorliegend in dieser Richtung nicht ergriffen wurde.
Die gänzlich unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war mithin zu verwerfen.
B) Zur Berufung:
Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten nach dem Strafsatz des § 99 Abs 2 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. sowie unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 15.März 1977, AZ. 18 Js 77.268/77, gemäß den §§ 31, 40 StGB. zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art, ferner fünf einschlägige Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen wider fremdes Vermögen und zwei einschlägige Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen gegen die Körperintegrität (§ 98 und § 411 StG.), mildernd hingegen das - allerdings Schuldeinsicht vermissenlassende - Geständnis des Angeklagten, ferner der Umstand, daß ein PKW. zustandegebracht werden konnte.
Der Angeklagte bekämpft mit seiner Berufung lediglich das Strafausmaß.
Die Berufung ist unbegründet.
Die gegebenen Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz nicht nur im wesentlichen vollzählig und richtig festgestellt, sondern auch zutreffend gewürdigt. Die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren ist auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes - unter besonderer Berücksichtigung des hohen Verschuldensgrades des Angeklagten und des außerordentlich gravierenden Unrechtsgehaltes einzelner Verfehlungen - keineswegs überhöht, sodaß der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01300European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00013.78.0530.000Dokumentnummer
JJT_19780530_OGH0002_0130OS00013_7800000_000