Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Klumair als Schriftführerin in der Strafsache gegen Irene A wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 3 StGB. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 23. Jänner 1978, GZ. 24 Vr 2377/77-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Eichenseder, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Irene A wird (auch) von der wider sie erhobenen Anklage, das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 StGB. dadurch begangen zu haben, daß sie in der Zeit vom 15. bis 24. September 1977
in Linz fremde bewegliche Sachen, und zwar 1. einen Bargeldbetrag von 100,-- S 2. einen Fußspray im Werte von 29,-- S unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, zum Nachteil ihrer Dienstgeberin Doris B (dieser) mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, zu 1. gemäß dem § 259 Z. 3 StPO., zu 2. gemäß dem § 259 Z. 4 StPO., freigesprochen.
Irene A wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27.Juli 1960 geborene - mithin noch jugendliche - Hilfsarbeiterin Irene A des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 StGB. schuldig erkannt, weil sie im September 1977 in Linz während der Zeit ihrer Beschäftigung als Verkäuferin im Geschäft der Doris B (Kinderschuhhaus und Orthopädie) eine 100 SBanknote sowie eine Fußspraydose im Werte von 29 S zum Nachteil ihrer Dienstgeberin gestohlen hat.
Vom weiteren Anklagevorwurf, während desselben Zeitraumes ihrer Dienstgeberin noch einen Geldbetrag von 235 S und einer Arbeitskollegin aus deren Handtasche einen Bargeldbetrag von 950 S gestohlen zu haben, wurde die Angeklagte (rechtskräftig) freigesprochen.
Irene A bekämpft das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Eines Eingehens auf das die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. relevierende Beschwerdevorbringen bedarf es jedoch vorliegend nicht;
vielmehr war vom Obersten Gerichtshof gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. schon von Amts wegen wahrzunehmen, daß der Schuldspruch der Angeklagten wegen des Vergehens des (Dienst-) Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 StGB. hinsichtlich beider Fakten mit dem von ihr nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet ist.
1. In Ansehung des Diebstahls der 100 S-Banknote (die nach den Urteilsfeststellungen als Diebsfalle im Verkaufsraum unter der Kasse ausgelegt worden war und die Irene A anläßlich der Verrichtung von Aufräumearbeiten an sich genommen und in die Tasche ihrer Bluse gesteckt hatte) kommt der Angeklagten - und zwar gleichgültig, ob man nun die Zueignung der Banknote (auch in subjektiver Richtung) als Diebstahl wertet (vgl. Leukauf-Steininger, 640) oder aber der Verantwortung der Angeklagten (s. S. 14 und 37 d.A.), sie sei der Meinung gewesen, die Banknote sei von einem Kunden im Geschäft verloren worden, unter dem Gesichtspunkt einer Beurteilung der Tat (bloß) als (Fund-) Unterschlagung nach dem § 134 Abs. 1 erster Fall StGB. Bedeutung zuerkennt (vgl. SSt. 37/38) - nach Lage des Falls strafaufhebende tätige Reue im Sinne des § 167 Abs. 2 Z. 1 StGB. zugute.
Nach der dem erstgerichtlichen Schuldspruch ersichtlich zugrundeliegenden Zeugenaussage der Geschäftsinhaberin Doris B (S. 38/39 d.A.) und inhaltlich der Anzeige (S. 11/12 d.A.) hat die Angeklagte nämlich die 100 S-Banknote, die sie sich (jedenfalls widerrechtlich) zugeeignet hatte, ihrer Dienstgeberin, wenngleich auf deren Andringen, herausgegeben, ehe noch die (am 27.September 1977 erstattete) Anzeige wegen des Gelddiebstahls erfolgte. Da eine sofortige Leibesvisitation der Angeklagten unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht kam und sie sich nach Vorhalt des gegen sie (konkret) bestehenden Diebstahlsverdachtes zur Sachherausgabe bereit fand, ohne daß ihr eine (Persons-) Durchsuchung oder die unverzügliche Herbeiholung der Polizei in Aussicht gestellt worden wäre - die Angeklagte daher noch damit rechnen konnte, sich samt der Beute in Sicherheit zu bringen -, ist die Herausgabe der Banknote als freiwillige Schadensgutmachung im Sinne des § 167 Abs. 2 Z. 1 StGB. zu beurteilen, zumal diese Restitution auch vollständig war und rechtzeitig erfolgte.
Damit war aber die Strafbarkeit der Angeklagten wegen Diebstahls (bzw. Unterschlagung) der 100 S-Banknote aufgehoben (§ 167 Abs. 1 StGB.), was zum Freispruch der Angeklagten vom bezüglichen Anklagevorwurf führen muß (§ 259 Z. 3 StPO.).
2. Hinsichtlich des Diebstahls einer Fußspraydose im Werte von 29 S kommt der Angeklagten unter dem Gesichtspunkt mangelnder Strafwürdigkeit der Tat der sachliche Strafausschließungsgrund des § 42 Abs. 1 StGB. zugute:
Für diese Tat ist nämlich unter der Annahme der Qualifikation des § 127 Abs. 2 Z. 3 StGB. und bei Ausschluß von Unbesonnenheit als Tatmotiv (§ 141 StGB.) im Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr angedroht.
Die Schuld der Angeklagten ist unter Berücksichtigung ihres jugendlichen Alters (vgl. LSK. 1976/379) als gering zu beurteilen, die Tatfolgen waren angesichts des Wertes der Spraydose von (nur) 29 S unbedeutend und eine Bestrafung der nach der Aktenlage (vgl. S. 9 und ON. 6 d.A.) bisher einen ordentlichen Lebenswandel führenden (noch jugendlichen) Angeklagten ist insbesonders mit Rücksicht auf den noch unter der (für eine Bestrafung gebotenen) Norm liegenden Störwert der Tat weder aus general- noch spezialpräventiven Erwägungen geboten.
Mithin liegen die im § 42 Abs. 1 Z. 1 bis 3 StGB.
kumulativ geforderten Voraussetzungen für eine Verfahrensbeendigung
durch Freispruch gemäß dem § 259 Z. 4
StPO. vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E01314European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00046.78.0531.000Dokumentnummer
JJT_19780531_OGH0002_0100OS00046_7800000_000