TE OGH 1978/5/31 10Os62/78

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Veröffentlicht am 31.05.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Klumair als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dietmar A wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengerichts vom 20.Februar 1978, GZ. 23 Vr 61/78-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger und der Ausführungen des Verteidigers Rieger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Jänner 1960 geborene kaufmännische Lehrling Dietmar A von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in der Zeit vom 17. bis 23.September 1977 in Kitzbühel seinem Dienstgeber, der Firma B - C, D und E OHG., Bekleidungsstücke im Wert von ca. 20.000 S unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch die ihm aufgetragene Arbeit als kaufmännischer Lehrling geschaffen worden sei, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch diese Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4

StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte der in der Filiale der Firma B in Kitzbühel als kaufmännischer Lehrling beschäftigte (damals noch jugendliche) Angeklagte zwischen dem 17. und 23. September 1977 täglich verschiedene Kleidungsstücke (im Gesamtwert von 20.804 S) aus dem Geschäftslokal dieser Firma mitgenommen, um mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser Sachen eine geplante Italienreise zu finanzieren. Diese Sachen wollte er - zufolge der weiteren ausdrücklichen Urteilsannahme - seinem Dienstgeber später (nach seiner Rückkehr aus Italien) bezahlen. Tatsächlich verkaufte der Angeklagte auch einen Großteil davon auf seiner Reise nach Italien.

Den Freispruch begründete das Erstgericht unter Hinweis auf die bei der Firma B bestehende Übung, wonach die dort Beschäftigten, sohin auch der Angeklagte - erkennbar gemeint unter der Voraussetzung späterer Bezahlung - berechtigt waren, Kleidungsstücke für sich, ihre Familienangehörigen, aber auch für dritte Personen zu kaufen und gegen Ausstellung eines Lieferscheins oder auch nur unter Aufzeichnung der mitgenommenen Sachen zur Ansicht (aus dem Geschäft nach Hause) mitzunehmen, im wesentlichen damit, daß somit in Ansehung der vom Angeklagten mitgenommenen Bekleidungsgegenstände zwischen ihm und seinem Dienstgeber - wenn auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung, so doch stillschweigend durch konkludentes Verhalten - ein rechtsgültiger Kaufvertrag zustande gekommen sei.

Damit beurteilte es im Ergebnis die heimliche Mitnahme dieser Bekleidung im Hinblick auf das weiters festgestellte Vorhaben des Angeklagten, sie nach seiner Rückkehr aus Italien auch zu bezahlen (was notwendigerweise auch das Einbekenntnis, diese Sachen genommen zu haben, eingeschlossen hätte), nicht als 'wegnehmen' im Sinn des § 127 Abs. 1

StGB. und demnach als einen (rechtswidrigen) Bruch fremden Gewahrsams.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge gelangte allerdings nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil die Beschwerde hiebei entgegen den Urteilsannahmen von einer vom Bereicherungsvorsatz getragenen unerlaubten Mitnahme der Kleidungsstücke durch den Angeklagten ausgeht und sich vor allem über die Feststellung des Erstgerichts hinwegsetzt, daß der Angeklagte die von ihm aus dem Geschäft seines Dienstgebers mitgenommenen Sachen bezahlen wollte.

Hingegen ist die den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. relevierende Mängelrüge berechtigt;

denn das Erstgericht läßt für die einen entscheidenden Tatumstand betreffende Urteilsfeststellung, das Vorhaben des Angeklagten sei bei Mitnahme der Bekleidungsstücke darauf gerichtet gewesen, sie später auch zu bezahlen, jede Begründung vermissen. Diese Annahme findet auch - wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt -, weder in den - in der Hauptverhandlung zur Verlesung gebrachten (S. 26) -

Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie (S. 15 und 16), bei der er einen Diebstahl dieser Sachen noch vorbehaltslos eingestand, noch in seiner diese Angaben abschwächenden Verantwortung in der Hauptverhandlung (S. 25 und 26) noch in den sonstigen Verfahrensergebnissen Deckung.

Dieser Urteilsnichtigkeit im Sinn der obzitierten Gesetzesstelle bewirkende Begründungsmangel macht die Urteilsaufhebung und Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich. Im erneuerten Verfahren wird vor allem zu prüfen sein, ob tatsächlich eine - durch die bisherigen Verfahrensergebnisse allerdings nicht indizierte - mängelfrei begründete Feststellung getroffen werden kann, daß der Angeklagte die Ansichnahme der Kleidungsstücke in der Folge seinem Dienstgeber auch bekannt gegeben und sie in einer für solche Fälle bei der Firma B üblichen, auch dem Angeklagten bekannten Zahlungsfrist oder - sollte sich dies nicht klären lassen - innerhalb einer sonst den Regeln des redlichen Verkehrs entsprechenden angemessenen Frist bezahlen wollte. Da nach den bisherigen Urteilsannahmen die Firma B die Mitnahme von Kleidungsstücken aus ihrem Geschäftslokal durch die bei ihr beschäftigten Personen, wenn ihr dieser Umstand nicht sogleich (durch Veranlassung der Ausstellung eines Lieferscheins oder durch übergabe einer sonstigen Aufzeichnung) bekannt gegeben, sondern erst später gemeldet wurde, wohl stillschweigend nur unter der Voraussetzung der späteren Bezahlung oder Rückstellung dieser Sachen duldete, könnte von einem berechtigten Verbringen der (in der Folge zum Großteil verkauften) Bekleidungsgegenstände durch den Angeklagten aus dem Geschäftslokal, sollte bei ihm in diesem Zeitpunkt kein Zahlungswille vorhanden gewesen sein, nicht gesprochen werden.

überdies wäre noch zu beachten, daß nach der Aktenlage (vgl. S. 12) die Verfehlung des Angeklagten erst anläßlich seiner Einvernahme durch die Gendarmerie am 5.November 1977 hervorkam und somit erst zu diesem Zeitpunkt die einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde gleichgestellten Gendarmeriebeamten als öffentliche Sicherheitsorgane von seinem Verschulden Kenntnis erlangten (§ 167, 151

Abs. 3 StGB.). Wie vor allem aus der Darstellung des Angeklagten vor der Gendarmerie (S. 16) hervorgeht (der damals Schadensgutmachung versprach), erfolgte die im erstgerichtlichen Urteil festgestellte Schadensgutmachung erst später.

Das Erstgericht stellte allerdings, gestützt auf die Aussage des Zeugen Alois F in der Hauptverhandlung (S. 26) fest, daß die Eltern des Angeklagten nach dessen Verschwinden (am 23.September 1977) dem Arbeitgeber (der Firma B) erklärt hatten, für den aus der Mitnahme der Kleidungsstücke entstandenen Schaden aufzukommen (S. 32). Feststellungen darüber, wann die Eltern des Angeklagten diese Erklärung abgaben, lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.

Falls sie tatsächlich rechtzeitig, somit vor der Vernehmung des Angeklagten durch die Gendarmerie am 5.November 1977, ehe eine zur Strafverfolgung berufene Behörde bzw. die ihr gemäß dem § 153 Abs. 3 StGB. in dieser ihrer Eigenschaft gleichgestellten Sicherheitsorgane (Gendarmeriebeamten) von seinem Verschulden erfuhren, unter der weiteren Voraussetzung, daß sich auch der Angeklagte um die Schadensgutmachung ernstlich bemühte, den gesamten Schaden in seinem Namen in der unter der Z. 2 des § 167 Abs. 2 StGB. umschriebenen Weise (durch vertragliche Verpflichtung gegenüber der Firma B auf vollständige Schadensgutmachung binnen einer bestimmten Zeit) ersetzt haben sollten, käme bei dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 Abs. 1 und 4

StGB. (in Verbindung mit dem Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle) in Betracht. Auch hiezu wären im erneuerten Verfahren die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E01328

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00062.78.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19780531_OGH0002_0100OS00062_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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