TE OGH 1978/6/6 9Os68/78

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Veröffentlicht am 06.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduard A wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB über die von dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.Jänner 1978, GZ 17 a Vr 1969/76- 25, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weingarten und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Monate erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Oktober 1950 geborene Koch Eduard A im zweiten Rechtsgang - abweichend von der auf das Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1

StGB lautenden Anklage - des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte mit der zur Tatzeit 16 1/2-jährigen Mittelschülerin Sonja B (intim) befreundet und wußte (von ihr), daß sie für das Gehaltskonto ihres Vaters Hubert B die Zeichnungsberechtigung besaß. Eduard A plante im Oktober 1976, sein gebrauchtes - noch mit einem offenen Kreditrest belastetes - Auto der Marke Alfa Romeo gegen ein solches der Marke BMW unter Leistung einer entsprechenden Aufzahlung zu tauschen; er erzählte Sonja B davon und erwähnte auch, daß er für die Abwicklung dieses Geschäfts mindestens 30.000,-- S benötige. Er forderte sie auf, das Geld vom Konto ihres Vaters abzuheben und versprach ihr, den Betrag binnen einer Woche zurückzuzahlen. Als sich Sonja B weigerte, diesem Verlangen nachzukommen, mißhandelte und bedrohte sie der Angeklagte jeweils anläßlich gemeinsamer Autofahrten und erreichte dadurch, daß das eingeschüchterte Mädchen am 7.Oktober 1976 30.000,- - S und am 8. Oktober 1976 weitere 8.000,-- S vom Gehaltskonto ihres Vaters abhob sowie dem Angeklagten übergab, der damit den erwähnten 'Autotausch' finanzierte. Bei einem späteren Zusammentreffen im Oktober versprach der Angeklagte der Zeugin neuerlich die Rückzahlung des Gesamtbetrages bis Mitte November 1976. Bereits anfangs November 1976 erfuhr aber Hubert B durch übersendung von Kontoauszügen von den Abhebungen, stellte darauf hin seine Tochter zur Rede, wurde durch diese vom Sachverhalt informiert und erstattete sodann die Anzeige.

Das Schöffengericht stützte diese Feststellungen unter Ablehnung der - solche Geldgeschäfte oder gar eine Erpressung -

leugnenden Verantwortung des Angeklagten (als unglaubhaft) auf die Aussagen der vernommenen Zeugen und die von ihm - trotz eines verhältnismäßig guten Einkommens des Angeklagten - als eher mißlich beurteilte finanzielle Situation desselben.

Es qualifizierte sein Verhalten aber nicht als Erpressung, sondern als Nötigung, weil es dem Angeklagten angesichts dessen, daß er die Rückzahlung des Betrages nicht nur ausdrücklich zugesagt hatte, sondern - wie es ferner aussprach (S 120) - noch vor Kenntnisnahme der Veränderungen des Kontostands durch Hubert B auch (wirklich) vornehmen wollte, zubilligte, er habe weder mit Schädigungs- noch mit Bereicherungsvorsatz gehandelt.

Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerden; Eduard A macht den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend, die Staatsanwaltschaft jenen der Z 10 dieser Gesetzesstelle.

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard A. Als 'aktenwidrig, unvollständig, widersprüchlich und unzureichend begründet' bezeichnet der Angeklagte das Urteil zunächst deshalb, weil es davon ausgehe, daß seine Vermögensverhältnisse zur Zeit des beabsichtigten Autotausches nicht allzugünstig gewesen seien; er und seine Lebensgefährtin Elisabeth D hätten, so führt der Beschwerdeführer hiezu aus, ihre Einkünfte damals in einen 'gemeinsamen Topf' eingebracht. Rechne man beider Einkommen für die Zeit von Juni bis Oktober 1976 zusammen, so ergebe sich, daß der Beschwerdeführer im Oktober 1976 jedenfalls die Mittel für den geplanten 'Autotausch' gehabt habe, ohne hiefür auf Zuwendungen von Seiten Sonja B angewiesen gewesen zu sein. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, daß eine Autorate von Elisabeth D bezahlt worden sei; diese habe das Geld hiefür eben der bereits erwähnten gemeinsamen Kasse entnommen. Das Verfahren habe - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes keine Anhaltspunkte für einen besonderen Aufwand des Beschwerdeführers durch hohe Ausgaben für zwei Frauen, Benützung teurer Autos und Gasthaus- sowie Barbesuche mit hohen Zechen ergeben. Das Erstgericht folge in seinen Feststellungen der Aussage der Zeugin B, ohne sich mit den Umständen, die gegen deren Glaubwürdigkeit sprächen, hinreichend auseinanderzusetzen. So lasse es unbeachtet, daß der Beschwerdeführer sich von Sonja B abgewendet habe und eine Lebensgemeinschaft mit einer anderen Frau (Elisabeth D) eingegangen sei, was 'zweifellos den Unwillen der ersteren hervorgerufen habe'. Der Zeugin B wäre es leicht möglich gewesen, die behaupteten Nötigungen zu unterbinden, indem sie bei der Abhebung der Beträge die Verständigung der Sicherheitsbehörden veranlaßt hätte; sie hätte aber nicht nur das versäumt, sondern bei der Geldbehebung 'keinen zerstörten Eindruck' gemacht, sondern vielmehr gelächelt und sei trotz der behaupteten Angriffe am 6. und 7. Oktober 1976 am 8.Oktober 1976 ohne zwingenden Grund wieder in das Fahrzeug des Beschwerdeführers eingestiegen. Die Feststellung des Erstgerichtes, Sonja B habe (vor und) nach den Geldabhebungen keine besonderen Ausgaben getätigt, sei ohne Begründung geblieben. Schließlich sei es unrichtig, daß Sonja B keine Erziehungsschwierigkeiten bereitet habe. Sie habe im Gegenteil wiederholt die Schule geschwänzt, sei in ihren Leistungen deutlich abgefallen und habe die Schule schließlich verlassen müssen. Besonders gravierend aber sei der Umstand, daß sich das Erstgericht nicht mit der Aussage der Zeugin Cornelia E, einer Schulkollegin der Sonja B, auseinandersetze, die außer über die vorbezeichneten Momente auch noch von wiederholten Lügen der Sonja B zu berichten vermocht habe.

Mit diesem Vorbringen wird in Wahrheit kein Begründungsmangel aufgezeigt. Der Beschwerdeführer nimmt nur auf Umstände Bezug, mit denen sich das Erstgericht ohnehin ausreichend befaßt hat. Indem er darzutun sucht, daß sich aus den im Urteil verwerteten Verfahrensergebnissen auch andere, für ihn günstigere Schlüsse ableiten ließen, bekämpft er im wesentlichen bloß unzulässig und damit unbeachtlich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Das Schöffengericht hat im übrigen seine Feststellungen über die Erzwingung eines 'Darlehens' durch den Beschwerdeführer zwar auf die Aussage der Zeugin B gestützt; es bezog sich dabei aber auch auf die widersprechenden Angaben, die der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens über die Herkunft der Geldmittel für den 'Autotausch' gemacht hat (S 116), setzte sich ebenso ausführlich mit der Frage allfälliger Ersparnisse des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin D auseinander und begründete, warum es solche verneint hat, wobei es darauf hinwies, daß Elisabeth D, welche sich bemüht hatte, die Darstellung des Angeklagten zu stützen, zugeben mußte, daß sie keine entsprechenden Aufzeichnungen geführt hat (S 116). Die Feststellung, wonach der Angeklagte um die Tatzeit einen gewissen aufwendigen Lebenswandel der beschriebenen Art führte, ist gleichfalls durch den Akteninhalt gedeckt (vgl. S 105, 107, 64 f). Daß Sonja B ungefähr bis zur Bekanntschaft mit dem Angeklagten keine außergewöhnlichen Erziehungsschwierigkeiten bereitete und auch keinen besonderen Aufwand trieb, konnte das Gericht auf Grund ihrer Aussage und den Bekundungen der Zeugen Cornelia E, und Hubert B - mängelfrei - als erwiesen annehmen. Der Umstand, daß Sonja B auf Fragen nach ihren persönlichen Problemen der Zeugin E lügnerische Antworten gegeben hat (S 103), spricht nicht gegen die vom Schöffengericht bejahte Glaubwürdigkeit ihrer unter Wahrheitspflicht vor Gericht gemachten (den Beschwerdeführer belastenden) zeugenschaftlichen Angaben; und dies umso weniger als selbst E einräumte, keine Wahrnehmungen über (sonstige) Unehrlichkeiten ihrer Schulkollegin B gemacht zu haben (S 103). Der Ausspruch des Urteils betreffend den keineswegs aufwendigen Lebenswandel der Zeugin B findet in den gesamten Verfahrensergebnissen eine zureichende Stütze. Daß aber diese Zeugin beim Abheben der Beträge niemandem von ihren Schwierigkeiten erzählte, hat das Erstgericht schlüssig mit dem Hinweis auf ihre Verängstigung und das Versprechen des Angeklagten auf (eheste) Rückzahlung der Beträge erklärt (S 113 d. A).

Insgesamt zeigt sich sohin, daß von einem Begründungsmangel des Urteils keine Rede sein kann; die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A war daher zu verwerfen.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Unter Anrufung der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde ausschließlich gegen die Annahme des Schöffengerichtes, dem Angeklagten habe ein Bereicherungsvorsatz gefehlt.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als nicht berechtigt. Für das Verbrechen der Erpressung nach § 144 StGB ist die (mit Gewalt oder mit gefährlicher Drohung erfolgende) Nötigung einer anderen Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, welche diese oder einen anderen am Vermögen schädigt und das Handeln des Täters mit dem (erweiterten) Vorsatz charakteristisch, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern.

Sein Vorsatz muß also sowohl eine Vermögensschädigung (auf Seiten des Genötigten oder eines anderen) als auch eine eigene oder fremde Bereicherung erfassen.

Das Erstgericht hat das Vorliegen beider subjektiven Tatbestandsmerkmale verneint. Da die Annahme des Mangels eines Schädigungsvorsatzes seitens des Erstgerichts von der Rechtsrüge nicht bekämpft, jedoch schon durch das unangefochten angenommene Fehlen dieses Tatbestandsmerkmals eine Beurteilung der Handlungsweise des Angeklagten als Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB im vorliegenden Fall ausgeschlossen wird, ist aus der Anfechtung des Urteils mit Bezug auf die Frage eines Bereicherungsvorsatzes - zumal es dem Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1, erster Satz, StPO versagt war, über diesen allein geltend gemachten Beschwerdepunkt hinauszugehen - für die Staatsanwaltschaft nichts zu gewinnen. Es muß sohin vielmehr bei dem Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB sein Bewenden haben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde war deshalb - ohne

sachliches Eingehen auf ihre Rechtsausführungen -

ebenfalls zu verwerfen.

III./ Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 105 Abs 1 StGB sieben Monate Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen und die Wiederholung der Drohungen, als mildernd hingegen keinen Umstand an.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung strebt die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte demgegenüber eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft erweist sich als begründet. Der Angeklagte ist in den Jahren 1969 bis 1975

einmal wegen Erpressung und fünfmal wegen des Verbrechens des Diebstahls zu Freiheitsstrafen bis zu sieben Monaten (im Einzelfall) verurteilt worden, ohne daß diese Abstrafungen bei ihm einen entsprechenden Resozialisierungserfolg bewirkten.

Wenn auch entgegen dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft von einem raschen Rückfall nicht gesprochen werden kann, weil der Angeklagte die letzte (sechsmonatige) Freiheitsstrafe bereits etwa zehn Monate vor der neuerlichen Tatbegehung verbüßt gehabt hatte, wird bei dem Vorleben des Angeklagten und der Wiederholung der Tathandlungen, welche nach Lage des Falles einen - von der Schuld des Angeklagten umfaßten - bedeutenden Unrechtsgehalt aufweisen, die vom Erstgericht verhängte Strafe weder der Täterpersönlichkeit des Angeklagten noch dessen Verschulden gerecht.

Es war daher in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Berufung die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu erhöhen (welches auch auf das Verschlimmerungsverbot des § 290 Abs 2 StPO in Beziehung auf die im ersten Rechtsgang - vom Staatsanwalt unbekämpft - über den Angeklagten verhängte Strafe Bedacht nimmt). Mit seiner Berufung, die keine Gesichtspunkte aufzeigt, welche die Tathandlungen weniger gravierend erscheinen liessen, war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01341

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00068.78.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19780606_OGH0002_0090OS00068_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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