Norm
Freiwillige Gerichtsbarkeit - Gesetz §140Kopf
SZ 51/86
Spruch
§ 18 Abs. 2 HGB - Über Art und Umfang eines Bedeutungswandels des Begriffes "Markt". Derzeit kann nicht gesagt werden, daß sich dieser Begriff bereits eindeutig ganz allgemein in dem Sinne gewandelt hätte, daß darunter nicht mehr eine Vielzahl von Verkäufern, sondern eine Vielzahl der angebotenen Waren verstanden wird
OGH 8. Juni 1978, 6 Ob 5/78 (OLG Wien, 21 R 16/78; HG Wien, 7 HRB 17862)
Text
Die am 4. Juli 1975 unter HRB 17862 in das Handelsregister des Handelsgerichtes Wien eingetragene Firma "S Gesellschaft mit beschränkter Haftung" mit dem Sitz in Wien und dem Gegenstand des Unternehmens "Großhandel mit Blumen und artverwandten Artikeln und Zubehör" änderte in der außerordentlichen Generalversammlung vom 7. März 1977 ihre Firma auf"H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" und in der außerordentlichen Generalversammlung vom 15. Juli 1977 den Gegenstand ihres Unternehmens auf "Handel mit Waren aller Art, insbesondere der Groß- und Detailhandel mit Blumen und Zierpflanzen aus H, sowie artverwandter Artikel und Zubehör, die Ausübung des Gewerbes der Blumenbinderei sowie der Erwerb von Firmenanteilen und Beteiligungen an Unternehmen, die sich mit dem gleichen oder einem verwandten Geschäftszweig befassen".
Über Antrag des Geschäftsführers dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der die Änderungen des Gesellschaftsvertrages beim Erstgericht angemeldet hatte, verfügte das Erstgericht entgegen dem Gutachten der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 12. September 1977, ONr. 17, das die Verwendung des Ausdruckes "Markt" in der neuen Firma als gesetzwidrig bezeichnet hatte, unter anderem die begehrte Firmenänderung, die im Handelsregister am 19. Dezember 1977 eingetragen wurde.
Das Erstgericht begrundete seine Entscheidung damit, daß der Ausdruck "Markt" im Zusammenhang mit "H Blumen" nicht täuschungsfähig sei, weil sich im Marktbegriff ein Bedeutungswandel vollzogen habe, wonach unter Markt nicht mehr das Gegenüberstehen einer Mehrzahl von Verkäufern und Käufern, sondern eine Vielfalt der angebotenen Waren zu verstehen sei. Verstehe man aber unter Markt eine Vielfalt der angebotenen Waren, so finde der geänderte Firmenwortlaut in dem derzeitigen Betriebsgegenstand der Gesellschaft Deckung. Die Definition des Begriffes "Markt" im Sinne der Gewerbeordnung 1973 sei für die hier zu treffende Entscheidung unmaßgeblich.
Das Rekursgericht gab den gegen die Eintragungsverfügung des Erstgerichtes erhobenen Rekursen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien und der "H Blumen Import Gesellschaft m. b. H."
teilweise, und zwar dahin Folge, daß es dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach den §§ 142 bis 144 FGG auftrug. Hingegen gab das Rekursgericht den Rekursen nicht Folge, soweit in ihnen a) von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses hinsichtlich des Firmenwortlautes "H Blumenmarkt Gesellschaft mit beschränkter Haftung", b) von der "H Blumen Import Gesellschaft m. b. H." die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses dahin, daß die beantragte Änderung des Firmenwortlautes der "S Gesellschaft mit beschränkter Haftung" in "H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" nicht bewilligt werde, in eventu die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und dessen Abänderung dahin, daß die Firma von Amts wegen gelöscht oder der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Änderung des Firmenwortlautes durch Ordnungsstrafen verhalten werde, beantragt wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der "H Blumen Markt Gesellschaft m. b. H." nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich nach den gemäß Art. 9 Abs. 1 EVHGB auf Eintragungsverfügungen des Registergerichtes anzuwendenden Bestimmungen der §§ 1 bis 19 AußStrG (SZ 48/43 = EvBl. 1976, S. 158, Nr. 84; EvBl. 1977, S. 665, Nr. 269). Der Umstand, daß eine bereits im Handelsregister vollzogene Eintragungsverfügung (insbesondere eine solche, durch die eine Gesellschaft entstanden ist), wenn ihre Überprüfung auf Grund eines nach den genannten Bestimmungen erhobenen Rechtsmittels ihre Unzulässigkeit ergibt, wegen des zu beachtenden Grundsatzes der Erhaltung der Eintragung nicht mehr im Sinne einer Abweisung des ihr zugrunde gelegenen Antrages abgeändert werden kann, sondern dem Registergericht aufzutragen ist, je nach der Lage des Falles von den im Handelsgesetzbuch und in den dazugehörigen Vorschriften des 7. Abschnittes des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit geschaffenen Möglichkeiten der Anhaltung zur Unterlassung des Gebrauches einer nicht zustehenden Firma (§ 37 Abs. 1 HGB, § 140 FGG) oder der Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach den §§ 142 bis 144 FGG Gebrauch zu machen (EvBl. 1977, S. 665, Nr. 269; RZ 1978, S. 13, Nr. 5), vermag daran nichts zu ändern. Der in der hier angefochtenen Entscheidung des Rekursgerichtes enthaltene Auftrag an das Registergericht, das Amtslöschungsverfahren nach den §§ 142 bis 144 FGG einzuleiten, hat also nicht zur Folge, daß die Anfechtbarkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung (auch) nach den zuletzt genannten Bestimmungen zu beurteilen wäre; diese beziehen sich vielmehr nur auf das eigentliche Amtslöschungsverfahren, das erst mit der Benachrichtigung des Betroffenen von der beabsichtigten amtswegigen Löschung im Sinne des § 142 Abs. 2 FGG beginnt. Der gegenständliche Revisionsrekurs ist daher nach § 14 AußStrG zulässig.
In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß für die Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung neben § 5 GmbHG auch die firmenrechtlichen Vorschriften der §§ 17 ff. HGB gelten (Gellis, Kommentar zum GmbHG, 28; Hachenburg, Großkommentar zum GmbHG[7], Anm. 1 zu § 4 dGmbHG; ÖBl. 1971, 18; NZ 1977, 13 u. a.). Der Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung darf daher kein Zusatz beigefügt werden, der geeignet ist, eine Täuschung über die Art und über den Umfang des Geschäftes herbeizuführen (§ 18 Abs. 2 HGB). Auch jede neue Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muß sich demnach von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden (§ 30 Abs. 1 HGB).
Die Rechtsmittelwerberin wendet sich zunächst gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, die Firma "H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" gebe durch die Verwendung des Zusatzes "Markt" zur Täuschung über die Art des Geschäftes im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB Anlaß. Sie führt unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH vom 29. Juli 1964, 8 Ob 225/64, ÖBl. 1964, 122 aus, in Österreich sei bereits vor 12 Jahren ein Bedeutungswandel des Begriffes "Markt" in der Richtung eingetreten, daß die Konsumenten damit nicht mehr die Vorstellung einer Vielzahl von Verkäufern und Käufern, sondern die Erwartung einer besonderen Vielfalt der angebotenen Waren verbänden.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß der OGH in der genannten Entscheidung die Ansicht zum Ausdruck brachte, es habe sich eine Wandlung des Begriffes "Markt" angebahnt und schon weitgehend durchgesetzt, wonach das Kennzeichen des Marktes nicht mehr der Umstand sei, daß dem Käufer die Auswahl unter mehreren Verkäufern ermöglicht wird, sondern es vielmehr auf die Vielfalt der angebotenen Waren ankomme. Das Rekursgericht wies jedoch zutreffend darauf hin, daß diese Ansicht, aus einer von Amerika und dem Begriff "Supermarkt" ausgehenden Entwicklung abgeleitet und im Rahmen der Beurteilung der Täuschungseignung des Firmenzusatzes "Abholgroßmarkt" für ein Unternehmen ausgesprochen wurde, das ein vielfältiges Warensortiment zum Verkauf "im Großen" anbot, sowie daß sich die Rechtsprechung des OGH in der Folge nur mehr mit den Ausdrücken "Supermarkt" (ÖBl. 1966, 88; ÖBl. 1966, 113) und "Konsumgroßmarkt" (ÖBl. 1972, 96), nicht aber mit dem Marktbegriff als solchem befaßte (Walter, Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes "Supermarkt", ÖBl. 1967, 73 ff. (74 Fußnote 17) läßt es dahingestellt, ob sich der Marktbegriff als solcher - losgelöst von der Wortzusammensetzung "Supermarkt" oder anderen an sie anklingenden Wortverbindungen - tatsächlich gewandelt hat, und macht darauf aufmerksam, daß die deutsche Rechtsprechung (s. nunmehr Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, Bd. I:
Wettbewerbsrecht 11, S. 917, Anm. 350 zu § 3 dUWG) daran festhält, daß ein Markt begrifflich die Zusammenkunft einer Vielzahl von Verkäufern und Käufern an einem bestimmten Ort voraussetze). Der erkennende Senat pflichtet daher dem Rekursgericht auch darin bei, daß sich derzeit keine Anhaltspunkte dafür bieten, der Bedeutungswandel des Marktbegriffes habe den Bereich des Supermarktes, des Abholgroßmarktes und des Konsumgroßmarktes überschritten und insbesondere auch schon den Verkauf von Blumen erfaßt. Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß sich der Begriff "Markt" - losgelöst von den vorgenannten Verbindungen - bereits eindeutig in dem Sinn gewandelt hätte daß darunter nicht mehr eine Vielzahl von Verkäufern, sondern eine angebotenen Waren verstanden wird. Mehrdeutige Ausdrücke gehen aber zu Lasten dessen, der sich ihrer bedient, auch wenn er sich der Mehrdeutigkeit nicht bewußt war (vgl. die in der MGA des Wettbewerbsrechtes[4] auf S. 236 unter Nr. 3. 22 zu § 2 UWG abgedruckten Entscheidungen). Daraus folgt, daß der in der Firma "H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" enthaltene Zusatz "Markt" geeignet ist, einen nicht unbeachtlichen Teil der durch diese Firma angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Kunden, die Lieferanten, aber auch die Kaufleute desselben Geschäftszweiges gehören (Baumbach - Duden, HGB[22], 108 Anm. 2 B zu §§ 18 f. HGB; vgl. auch Schlegelberger, HGB[5], Bd. I, S. 199 f., Anm. 9 zu § 18 HGB; Großkommentar zum HGB[3], Bd. I, S. 300, Anm. 17 zu § 18 HGB), über die Art des Geschäftes zu täuschen (vgl. hiezu das Rekursvorbringen der Handelskammer AS 149, wonach in Händlerkreisen seit etwa 30 Jahren ein "H Blumen Markt" in A bekannt sei). Darauf, ob die Bezeichnung "Supermarkt" nur für den Handel mit Waren des täglichen Einkaufsbedarfes verwendet werden darf oder auch für den Handel mit anderen Waren täuschungsfrei verwendet werden kann, wenn dieser in der spezifischen Vertriebsform eines Supermarktes stattfindet, und ob letzteres im gegenständlichen Falle zutrifft, kommt es nicht an, weil die Rechtsmittelwerberin nicht den Firmenzusatz "Supermarkt" gewählt hat.
Die Rechtsmittelwerberin bekämpft ferner die Auffassung des Rekursgerichtes, die Firma "H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" sei auch gemäß § 30 Abs. 1 HGB unzulässig, weil der Zusatz "Markt" keine deutliche Unterscheidung von der bereits bestehenden und in das Handelsregister Wien eingetragenen Firma "H Blumen Import Gesellschaft m. b. H." bewirke, sondern eine im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB unzulässige Täuschung über geschäftliche Verhältnisse des Geschäftsinhabers erlaube. Sie macht geltend, daß eine Firma nicht nach § 30 Abs. 1 HGB unzulässig sein könne, weil sie § 18 Abs. 2 HGB widerspreche. Die Verwechslungsgefahr, der § 30 Abs. 1 HGB vorbeugen solle, werde aber gerade dadurch vermieden, daß dem Außenstehenden - wie das Rekursgericht selbst meine - die Annahme aufgedrängt werde, das eine Unternehmen befasse sich mit dem Blumenimport und das andere mit der Vermarktung der importierten Produkte. Die von der Rechtsmittelwerberin gewählte Firma führe also zur Annahme der vom Gesetz geforderten Unterschiedlichkeit und nicht zur Annahme der vom Gesetz verpönten Identität. Außerdem könne eine Täuschung im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB bei einer Sachfirma nicht schon dann angenommen werden, wenn sich zwei Unternehmungen mit dem Vertrieb der gleichen Produkte beschäftigten. Es bestehe mangels Vorliegens besonderer Umstände kein Grund, aus der Gleichartigkeit der vertriebenen Produkte, die dem Firmenkern zu entnehmen sei, auf die Identität der Gesellschafter der beiden Gesellschaften zu schließen.
Auch dieser Argumentation kann nicht beigetreten werden. Das Rekursgericht hat in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt, daß der Firma "H Blumen Markt Gesellschaft mit beschränkter Haftung" gegenüber der Firma "H Blumen Import Gesellschaft m. b. H." die eine Verwechslungsgefahr ausschließende, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu beurteilende Unterscheidungskraft fehlt. Wie der OGH in der Entscheidung vom 25. November 1971, 1 Ob 315/71, NZ 1972, 121 = GesRZ 1972, 50 unter Berufung auf Vorjudikatur und Lehre ausgesprochen hat, ist bei der Prüfung der ausreichenden Unterscheidbarkeit einer neu in das Handelsregister einzutragenden Firma ein strengerer Maßstab anzulegen, wenn es sich um eine Sachfirma desselben Geschäftszweiges der bereits eingetragenen Firma handelt. Geschieht dies, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Verschiedenheit des Firmenzusatzes ("Markt" einerseits und "Import" andererseits) bei sonst gleichlautenden Sachfirmen im Geschäftszweig des Blumenhandels nicht als ausreichend beurteilt werden kann, um die neue Firma von der bereits eingetragenen deutlich zu unterscheiden, zumal beide Zusätze auf den Bereich des Handels hinweisen. Bei dieser Sachlage kommt es darauf, ob die gegenständliche Firmenwahl Außenstehenden auch die unrichtige Annahme einer Verbindung zwischen den beiden Unternehmungen nahelegen und daher nach § 18 Abs. 2 HGB unzulässig sein könnte (nur mit dieser Frage und nicht mit der Firmenzulässigkeit nach § 30 Abs. 1 HGB hatte sich die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 6 Ob 3/77, EvBl. 1977, S. 665, Nr. 269 zu befassen), nicht mehr entscheidend an. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dadurch nämlich entgegen der Meinung der Rekurswerberin nichts daran geändert, daß zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die beiden Firmen verwechseln könnte.
Anmerkung
Z51086Schlagworte
Amtslöschungsverfahren, §§ 142 ff. FGG, Firmenzusatz "Markt", Markt, Bedeutungswandel des BegriffesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0060OB00005.78.0608.000Dokumentnummer
JJT_19780608_OGH0002_0060OB00005_7800000_000