TE OGH 1978/6/13 11Os66/78

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Veröffentlicht am 13.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am l3. Juni l978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ l46, l47 Abs 2 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems/Donau als Schöffengericht vom 22. Februar l978, GZ ll Vr 565/77-3l, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wilhelm Schuster und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am l7. August l922 geborene Maschinist Karl A abweichend von der auf Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ l46, l47 Abs 2 StGB lautenden Anklage des Vergehens nach § 48 KreditwesenG schuldig erkannt, weil er am 20. Dezember l976 in Krems an der Donau vorsätzlich Angestellte der Wien-Kredit-Teilzahlungsbank Ges.m.b.H., Zweigstelle Krems a.d. Donau, zur Erlangung eines Kredits dadurch getäuscht habe, daß er ihnen gegenüber wissentlich falsche Erklärungen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abgab, indem er absichtlich seine Sorgepflicht für fünf Kinder verschwieg, wodurch es zur Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 22.400 S kam.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft in ihrer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und l0 des § 28l Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie eine Verurteilung des Angeklagten wegen Vergehens des schweren Betruges nach den §§ l46, l47

Abs 2 StGB und in eventu eine Zurückverweisung an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung anstrebt. Den Strafausspruch ficht die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist gerechtfertigt.

Zwar kommt der auf den Nichtigkeitsgrund des § 28l Abs 1 Z l0 StPO gestützten Rechtsrüge keine Berechtigung zu. Das Wissen des Angeklagten nämlich, den Kreditgeber über seine finanzielle Leistungsfähigkeit und über die Belastbarkeit seines Einkommens zu täuschen, weil durch die ihm bekannte Tatsache von Unterhaltsrückständen der Erfolg einer Exekution sehr eingeschränkt, wenn nicht unmöglich sein konnte (S l3l d. A), muß nicht zwangsläufig zu dem Schluß führen, der Angeklagte habe die Schädigung des Darlehensgebers ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB). Bedingter Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Täter sich zur Tat entschließt, obwohl er die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes als naheliegend ansieht, weil er auch einen solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist (EvBl l975/l92; ÖJZ-LSK l976/l89).

Handelt der Täter jedoch im - wenn auch leichtfertigen - Vertrauen darauf, den verpönten Erfolg nicht herbeizuführen, so fällt ihm nur bewußte Fahrlässigkeit zur Last (EvBl l975/282). In beiden Fällen entschließt sich der Täter zu seinem Verhalten im Bewußtsein, daß es möglicherweise ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen werde; bedingter Vorsatz ist ihm aber nur dann anzulasten, wenn er sich mit diesem tatbildmäßigen Unrecht auch abgefunden hat.

Letzteres trifft jedoch gemäß den Urteilsfeststellungen auf den Angeklagten, dem das Erstgericht auch zubilligt, im Zeitpunkt der Kreditgewährung mit einer Erhöhung seines Einkommens durch Leistung von überstunden gerechnet zu haben, nicht zu (vgl. Seiten l32-l33 d. A).

Hingegen kommt der Mängelrüge Berechtigung zu.

Die Beschwerdeführerin bringt unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 28l Abs 1 StPO u.a. auch vor, das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Angeklagte, selbst wenn er wirklich glaubte, einen Rückstand von lediglich l5.000 S abtragen zu müssen, damit rechnen durfte, über einen das Existenzminimum übersteigenden Betrag verfügen zu können. Dieser Einwand gegen das Urteil ist begründet. Denn das Erstgericht stellte zwar fest, daß die Unterhaltsrückstände des Angeklagten für alle seine fünf Kinder insgesamt ca. l80.000 S betrugen (S l28 d. A), geht aber in der Folge davon aus, daß der Angeklagte selbst im Zeitpunkt des Autokaufs und der damit verbundenen Kreditaufnahme mit Alimentationsrückständen im Ausmaß von (nur) ca. l5.000 S gerechnet habe, womit seine Zahlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt gewesen seien (S l29 d. A), ohne zu begründen, weshalb es der Verantwortung des Angeklagten über die Höhe seiner Unterhaltsschulden im Hinblick auf die krasse Divergenz zu den tatsächlich bestehenden Unterhaltsrückständen Glauben schenkt. Zutreffend wird von der Beschwerdeführerin auch darauf hingewiesen, daß Erörterungen im erstgerichtlichen Urteil darüber fehlen, inwieweit der Angeklagte damit zu rechnen hatte, daß das Bezirksjugendamt (die Bezirksjugendämter) eine Pfändung seines Arbeitseinkommens bis auf das Existenzminimum veranlassen würden, um den Rückstand hereinzubringen (S l48 d. A), da ja derartige Exekutionsschritte bei solchen Unterhaltsrückständen im allgemeinen erwartet werden müssen, d.h. ihre Vornahme der Lebenserfahrung entspricht.

Schließlich verweist die Staatsanwaltschaft aber auch zutreffend auf das Fehlen von Erwägungen des Erstgerichts zu dessen Annahme, der Angeklagte hätte durch Leistung von überstunden leicht 7.000 S netto verdienen können, ohne die Tatsache zu berücksichtigen, daß er während des Krankenstands überhaupt keine überstunden machen konnte. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch der Widerspruch zwischen der Annahme des Schöffengerichts, es sei nicht sicher, daß der Angeklagte ein Einkommen von 7.000 S netto erwarten konnte (S l30 d. A) und der weiteren Annahme, ein Verdienst in dieser Höhe sei sicherlich durch Leistung von überstunden leicht möglich gewesen, weshalb es nicht ausgeschlossen scheine, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der Kreditgewährung trotz damaligen Krankenstandes damit rechnete, er könne durch Leistung von überstunden sein Einkommen auf eine Höhe von 7.000 S netto monatlich steigern (S l33 d.A), erörterungsbedürftig, und damit auch die Frage, inwieweit der Angeklagte bei der Kreditaufnahme auch die Dauer seines voraussichtlichen Krankenstandes in Rechnung stellte. So gesehen liegt ein Begründungsmangel des Urteils in der Bedeutung des § 28l Abs 1 Z 5 StPO vor, weshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen war, ohne daß auf das weitere Vorbringen zu diesem Nichtigkeitsgrund einzugehen notwendig ist.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01296

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00066.78.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19780613_OGH0002_0110OS00066_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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