TE OGH 1978/6/14 8Ob69/78

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Veröffentlicht am 14.06.1978
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Norm

ABGB §1295
ABGB §1325

Kopf

SZ 51/91

Spruch

Zur Beweislastverteilung beim Verdienstentgang nach § 1325 ABGB:

Erlangt der Verletzte seine frühere Erwerbsfähigkeit nur teilweise wieder, dann hat der Schädiger zu beweisen, daß der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ausgeschlagen hat

Erlangt der Verletzte seine Erwerbsfähigkeit im früheren Ausmaß wieder, dann muß er beweisen, daß er trotzdem eine gleichwertige zumutbare Beschäftigung nicht finden konnte

OGH 14. Juni 1978, 8 Ob 69/78 (OLG Linz 2 R 117/77; LG Salzburg 12 a Cg 316/76)

Text

Am 9. Juli 1973 wurde der Versicherte der Klägerin, J Sch, bei einem von S S in St. Martin/Tennengebirge verschuldeten Unfall als Insasse eines entgegenkommenden PKW schwer verletzt. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des von S S gelenkten PKW. Die Klägerin, die den Unfall gemäß § 175 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt hat, leistete an ihren Versicherten in der Zeit 1. August 1. April 1974 bis 31. Mai 1976 12 924.50 S an Versehrtenrente.

Sie begehrt als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten gemäß § 332 ASVG Ersatz der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen von 12 924.50 S sowie Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Pflichtleistungen an ihren Versicherten im Rahmen des Deckungsfonds mit der Beschränkung auf die Haftpflichtversicherungssumme. Ihr Versicherter habe schon vor dem gegenständlichen Unfall verschiedene Unfälle erlitten, die zur Zuerkennung einer 10%igen Versehrtenrente geführt hätten. Der gegenständliche Unfall habe für sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten von 10% zur Folge gehabt und deshalb ab 1. April 1974 zur Zuerkennung einer 10%igen Versehrtenrente geführt. Ab August 1975 werde dem Versicherte gemäß § 210 ASVG als Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen eine Gesamtrente gewährt, wobei der auf den gegenständlichen Unfall bezogene Kausalanteil 50% betrage. Dem Versicherten sei auch von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Invaliditätspension zuerkannt worden. Er habe durch den Unfall eine Verkürzung des linken Beines erlitten und könne wegen des Unfalles seine frühere Tätigkeit bei der Wildbach- und Lawinenverbauung nicht mehr ausüben.

Die Beklagte wendet ein, der Versicherte der Klägerin sei schon vor dem Unfall zufolge einer Kriegsverletzung und anderer Verletzungen in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt gewesen und habe nur leichte Arbeiten verrichten können. Seine verminderte Arbeitsfähigkeit, wie sie vor dem Unfall bestanden habe, sei ab 1. April 1974 wiederhergestellt. Er könne ab diesem Zeitpunkt wieder jene Arbeit verrichten, die er vor dem Unfall habe verrichten können. Es fehle daher für die Rückgriffsansprüche der Klägerin an einem kongruenten Deckungsfonds und mangels unfallskausaler Dauerfolgen an einem Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klage ab.

Die Untergerichte gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Versicherte der Klägerin, J Sch, erlitt beim Unfall vom 9. Juli 1973 im Bereich der von einer Kriegsverletzung herrührenden Arthrodese des linken Kniegelenkes (knöcherne Versteifung dieses Gelenkes) einen offenen Bruch. Er wurde im Krankenhaus Schwarzach bis 14. August 1973 stationär und bis 4. Jänner 1974 ambulant behandelt. Vom 15. Jänner bis 19. März 1974 befand er sich im Rehabilitationszentrum Bad Häring, wo er wegen der Beinverkürzung orthopädische Schuhe bekam, und vom 29. April bis 27. Mai 1974 im Thermalbad Heviz in Ungarn. Er war seit 1950 bei der Wildbachverbauung als Steinmaurer beschäftigt. Sein Gesundheitszustand war schon vor diesem Unfall beeinträchtigt. Die Knieversteifung bildete im Beruf eines Steinmaurers eine arge Behinderung. Die an sich schweren Arbeiten - bei Hangneigungen bis zu 45 Grad - konnte Sch deshalb leisten, weil sich seine Arbeitskollegen sehr kameradschaftlich verhielten. Eine andere leichte Arbeit war ihm nicht angeboten worden. Mit 6 Jahren erlitt er einen Bruch des linken Oberschenkels. 1944 wurde ihm infolge einer Granatsplitterverletzung die linke Kniescheibe entfernt, wodurch es zu einer Versteifung des linken Knies kam. Wegen dieser Verletzung erhält er eine 40%ige Kriegsinvalidenrente. 1957 erlitt er bei einem Arbeitsunfall einen Sprung durch die Kniegelenksarthrodese, 1960 einen Bruch des linken Innenknöchels, 1964 eine Verletzung des rechten Kleinfingers, 1966 einen Bruch des linken Ellenschaftes und 1970 neuerlich einen Bruch durch die Kniegelenksarthrodese. Er hatte schon vor dem Unfall vom 9. Juli 1973 eine beträchtliche Muskelschwäche des linken Beines, das auch verkürzt war. Er bezog schon vor dem Unfall von der Klägerin eine 10%ige Versehrtenrente. Durch den Unfall wurde das Bein um weitere 2 cm (auf 3 cm) verkürzt. Die Verkürzung des Beines bildet unter der Voraussetzung, daß Sch orthopädische Schuhe trägt, keine wesentliche zusätzliche Arbeitserschwernis. Die Dauerfolgen sind nach dem gegenständlichen Unfall mit weniger als 10%, praktisch mit 0% anzunehmen. Der derzeitige Zustand des Versicherten der Klägerin entspricht der schon vorher infolge der Kriegsverletzung bestandenen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40%. Seine Gesamtinvalidität könnte auch 45 bis 50% betragen. Nach der Rückkehr aus dem Thermalbad Heviz war Sch wieder in dem Maße arbeitsfähig, wie vor dem Unfall. Er nahm aber nach dem Unfall seine Arbeit nicht wieder auf, sondern suchte schon im September 1973 um die Frührente an. Hätte er den Unfall nicht erlitten, wäre er bis zu seiner Pensionierung bei seiner Dienstgeberin verblieben. Am 4. September 1974 teilte die Gebietsbauleitung für Wildbach- und Lawinenverbauung der Klägerin mit, daß J Sch nach ihrer Ansicht nicht mehr für schwere Arbeit einsatzfähig sei, eine Möglichkeit für leichte Arbeiten nicht bestehe und sie auch nicht bereit sei, Sch nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit mit gleichen Bezügen wie vor dem Unfall einzustellen, weil er schon vorher wegen der Folgen früherer Verletzungen nicht mehr voll einsatzfähig gewesen und ihm ein zu hoher Lohn gewährt worden sei. Sch bezog einen monatlichen Nettolohn von 6884 S und jährliche Sonderzahlungen von 13 000 S. Diese Bezüge hätten sich bis 20. Jänner 1976 auf einen monatlichen Nettolohn von 8184 S und auf jährliche Sonderzahlungen von 16 000 S erhöht.

Das Erstgericht gelangte zum Ergebnis, daß beim Versicherten der Klägerin keine auf den Unfall vom 9. Juli 1973 zurückzuführende Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit zurückgeblieben sei, da er ab 1. April 1974 seine herabgeminderte Erwerbsfähigkeit, wie sie vor dem Unfall bestanden habe, wiedererlangt habe. Ihm stunden daher gegen die Beklagte keine den Deckungsfonds für die Klägerin bildenden Ansprüche auf Ersatz von Verdienstentgang zu. Mangels unfallskausaler Dauerfolgen seien auch künftige Schäden ausgeschlossen, so daß es auch am rechtlichen Interesse für das Feststellungsbegehren fehle.

Das Berufungsgericht führte aus, der Feststellung, ob der Versicherte der Klägerin auch eine Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter beziehe, bedürfe es nicht, da die Frage der Erwerbsfähigkeit des Verletzten unabhängig von der Annahme des Sozialversicherungsträgers festzustellen sei, und diesem es verwehrt sei, das Ausmaß des auf ihn übergegangenen Rentenanspruches auf den Inhalt seiner Rentenbescheide abzustellen. Die Beklagte habe auch nicht bestritten, daß Sch Leistungen von der Klägerin erhalte. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Verletzte zum Erwerbe ganz oder teilweise unfähig sei, sei nicht von der medizinisch-physiologischen Arbeitsfähigkeit, sondern von der wirtschaftlichen Erwerbsfähigkeit auszugehen. Der Begriff der medizinischen Arbeitsfähigkeit decke sich nicht mit dem der wirtschaftlichen Erwerbsfähigkeit. Wenn Personen nahe der Erreichung des Pensionsalters durch einen Arbeitsunfall aus dem Arbeitsleben geworfen würden, sei ihnen eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben häufig auch nach der Genesung nicht mehr möglich, selbst wenn ihre medizinische Arbeitsfähigkeit in dem Ausmaß wiederhergestellt sei, wie sie vor dem Unfall bestanden habe. Der Versicherte der Klägerin sei in diesem Sinne als erwerbsunfähig anzusehen. Ohne den Unfall wäre er aller Voraussicht nach trotz der schon vorher bestandenen Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Pensionierung bei seiner Arbeitgeberin geblieben. Diese habe eine Wiedereinstellung nach dem Unfall abgelehnt. Da es nur um die Frage der Ausnutzung einer verbliebenen Teilerwerbsfähigkeit gehe, treffe den Schädiger die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine voraussichtlich zu einer solchen führende Umschulung ohne zureichende Gründe ausgeschlagen habe. Da die Beklagte eine Verletzung der Rettungspflicht durch den Geschädigten in diesem Sinne nicht behauptet habe, sei sie verpflichtet, dem Legalzessionar den wegen Erwerbsunfähigkeit entgangenen und auch künftig entgehenden Verdienst zu ersetzen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Teilzuspruch von 1 184.10 S samt Anhang, hob die Entscheidungen der Vorinstanzen im übrigen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In ihrer Rechtsrüge macht die Beklagte geltend, ein Anspruch auf Verdienstentgang, der als Deckung für die Regreßforderung der Klägerin dienen könnte, setze eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraus. Auch die wirtschaftliche Erwerbsfähigkeit könne nur beeinträchtigt sein, wenn eine Minderung der medizinischphysiologischen Arbeitsfähigkeit vorliege. Daran fehle es aber, weil J Sch nach dem 27. Mai 1974 wieder im selben Ausmaß wie vor dem Unfall arbeitsfähig sei.

Nach § 332 ASVG kann der Ersatzpflichtige stets nur insoweit zur Leistung an den Sozialversicherungsträger herangezogen werden, als dem Versicherten Schadenersatzansprüche zustehen. Deren Voraussetzungen hat das Gericht hinsichtlich Grund und Höhe zu prüfen. Dies gilt auch hinsichtlich des Verdienstentganges, der den Deckungsfonds für eine Rente des Sozialversicherungsträgers bilden soll. Daher hat das Gericht die Frage, ob und in welchem Ausmaß eine Minderung der Erwerbsfähigkeit als Folge der Unfallsverletzung besteht, unabhängig von der Annahme des Sozialversicherungsträgers zu prüfen und festzustellen (vgl. JBl 1959, 31; 2 Ob 19/62; 2 Ob 226/77). Ob und in welchem Grade eine Minderung oder Aufhebung der Erwerbsfähigkeit besteht, ist eine vom Gericht zu lösende Tatfrage (vgl. JBl 1956, 180; ZVR 1960, 238; 2 Ob 226/77). Es ist daher von der Feststellung der Untergerichte auszugehen, daß die - zufolge einer Kriegsverletzung und weiterer Verletzungen bei Verkehrs- und Arbeitsunfällen schon vor dem gegenständlichen Unfall verminderte - Arbeitsfähigkeit des Versicherten der Klägerin nach dessen Rückkehr aus dem Thermalbad Heviz am 27. Mai 1974 in demselben Ausmaße wiederhergestellt war, wie sie vor dem Unfall bestanden hat.

Daraus ergibt sich zunächst hinsichtlich der für die Zeit vom 1. April 1974 bis 27. April 1974 von der Klägerin geltend gemachten Regreßansprüche, daß die Erwerbsfähigkeit ihres Versicherten, der sich sogar noch vom 29. April 1974 bis 27. Mai 1974 zur Heilbehandlung im Thermalbad befand, jedenfalls für den Zeitraum vom 1. April 1974 bis 27. Mai 1974 noch nicht wiederhergestellt war. Da die Beklagte die Deckung der Versicherungsleistungen ab 1. April 1974 durch den Verdienstausfall des Versicherten der Klägerin außer Streit gestellt (AS 116) und die Höhe der zeitlich kongruenten Versicherungsleistungen von 1184.10 S für diesen Zeitraum (April und Mai 1974 je 394.70 S und Sonderzahlung für Mai 1974 von 394.70 S) in der Revision nicht bekämpft hat, hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz dieser Versicherungsleistungen und ist das Urteil des Berufungsgerichtes in diesem Umfange jedenfalls zu bestätigen.

Was die Zeit ab Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten der Klägerin im früheren Ausmaße betrifft, ist der Beklagten zuzugeben, daß die in den Entscheidungen SZ 44/169 und ZVR 1976, 8 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, auf die das Berufungsgericht seine Annahme stützt, der Versicherte der Klägerin sei im Sinne der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Erwerbsfähigkeit als erwerbsunfähig anzusehen, auf den vorliegenden Fall mangels eines gleichartigen Sachverhaltes nicht anwendbar ist. Der Entscheidung ZVR 1976, 8 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Kläger auf Grund einer unfallsbedingten Hirnverletzung seine frühere Berufstätigkeit als Maler nicht mehr ausüben konnte und seine Arbeitsfähigkeit nicht im früheren Ausmaß wiederhergestellt war. Im Falle der Entscheidung, SZ 44/169 war der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalles bereits 59 Jahre und im Zeitpunkt der dort zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit bereits 61 Jahre alt, so daß die Möglichkeit seiner Wiedereingliederung in das Erwerbsleben schon im Hinblick auf das nahe Pensionsalter und das durch den Unfall zufolge eines Antrages auf Gewährung der Invaliditätspension ausgelöste Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nach allgemeiner Erfahrung äußerst gering war. Abgesehen davon, daß im vorliegenden Falle zwar behauptet, bisher aber nicht festgestellt wurde, daß der Versicherte der Klägerin eine Invaliditätspension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter zuerkannt erhalten hat, liegt ein ganz anderer Sachverhalt vor. Der Versicherte der Klägerin war im Zeitpunkte des Unfalles erst 49 Jahre alt. Es steht fest, daß bereits ungefähr ein Jahr später seine Arbeitsfähigkeit im früheren Ausmaß wiederhergestellt war. Er war daher keinesfalls nahe dem Pensionsalter. Es steht weiter fest, daß der Versicherte schon zwei Mal vorher, und zwar im Jahre 1957 und 1970 gleichartige Verletzungen wie beim gegenständlichen Unfall erlitten hat, die ihn nach seiner Genesung nicht daran gehindert haben, seine Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Es könnte daher selbst unter der Annahme - was bisher allerdings nicht festgestellt wurde -, daß der Versicherte eine Invaliditätspension bezieht, daraus allein noch nicht gefolgert werden, daß er auf Grund des Unfalles völlig erwerbsunfähig sei (2 Ob 236/71; 2 Ob 226/77). Andererseits kann auch der Auffassung der Beklagten, daß es mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit schlechthin an einer Grundlage für den Verdienstentgang fehle, nicht gefolgt werden. Wie der OGH schon in seiner Entscheidung ZVR 3977, 43 ausgesprochen hat, muß mit der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit im früheren Ausmaß nicht bereits die Wiedererlangung des früheren Einkommens Hand in Hand gehen, so daß damit der Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges keinesfalls schlechthin entfällt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn es dem wiederhergestellten Verletzten, sei es vorübergehend, sei es dauernd, insbesondere bei Dienstnehmern im fortgeschrittenen Alter oder bei schon vor dem Unfall erheblich verminderter Erwerbsfähigkeit nicht gelingt, eine gleichwertige, zumutbare Beschäftigung zu finden. Es gilt aber auch der aus der Schadensminderungspflicht abgeleitete Grundsatz, daß sich der Verletzte nach seiner Genesung auf seinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges anrechnen lassen muß, was er aus einem ihm zumutbaren, von ihm aber ausgeschlagenen Erwerb zu ziehen schuldhaft unterlassen hat (vgl. ZVR 1961, 177; ZVR 1973, 92; ZVR 1977, 43). Was dem Geschädigten im Einzelfall im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (vgl. ZVR 1973, 92 u. a.). Was die Beweislast hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeit betrifft, so hat der OGH schon in der Entscheidung ZVR 1977, 43 ausgeführt, daß zwischen dem Fall der verbliebenen teilweisen Erwerbsfähigkeit und dem der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im früheren Ausmaße zu unterscheiden ist. Im ersteren Falle müßte im Sinne der ständigen Rechtsprechung, um eine Verletzung der Schadensminderungspflicht annehmen zu können, der Schädiger den Nachweis erbringen, daß der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich, führende Umschulung ohne zureichende Gründe ausgeschlagen hat (vgl. ZVR 1973, 92 u. a.). Im zweiten Falle hingegen ist dem wiederhergestellten Verletzten zuzumuten, daß er nach erfolgter Wiederherstellung seiner früheren Arbeitsfähigkeit sich um die Wiedererlangung des früheren oder eines gleichwertigen zumutbaren Arbeitsplatzes bemüht hat. In diesem Falle der Wiedererlangung der früheren Arbeitsfähigkeit wäre es unbillig, vom Schädiger zu verlangen, daß er dem Geschädigten auf die allfällige Möglichkeit der Wiedererlangung des entsprechenden Arbeitsplatzes besonders hinweist, weil der Schädiger wohl kaum in der Lage ist, die Wiederherstellung der früheren Erwerbsfähigkeit des Verletzten außerhalb eines Prozesses festzustellen. Dieser Grundsatz ist auch auf die Rückgriffsansprüche des Sozialversicherungsträgers entsprechend anzuwenden. Es ist daher Sache der Klägerin, zu behaupten und zu beweisen, daß ihr Versicherter trotz Wiedererlangung der früheren Erwerbsfähigkeit nicht in der Lage war bzw. ist, eine gleichwertige, ihm zumutbare Beschäftigung zu finden.

Soweit die Beklagte unter dem Revisionsgrunde der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit geltend macht, das Berufungsgericht sei unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und ohne Deckung in der Aktenlage davon ausgegangen, daß der Dienstgeber des Versicherten der Klägerin dessen Wiedereinstellung nach dem Unfall abgelehnt habe, trifft dies nicht zu. Die Feststellung, daß der Dienstgeber eine solche Erklärung gegenüber dem Versicherten abgegeben habe, wurde zwar nicht getroffen. Die Annahme des Berufungsgerichtes deckt sich jedoch mit dem festgestellten Inhalt des an die Klägerin gerichteten Schreibens des Dienstgebers, daß für den Versicherten die Möglichkeit für leichtere Arbeiten nicht bestehe und er auch bei Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit nicht mit den gleichen Bezügen eingestellt werden könne, was der Ablehnung der Wiedereinstellung zu den früheren Bezügen selbst im Falle der Wiederherstellung der früheren Arbeitsfähigkeit gleich kommt.

Nun hat die Klägerin ihre Behauptung, ihr Versicherter könne seine frühere berufliche Tätigkeit unfallsbedingt nicht mehr ausüben, in diesem Prozeß noch aufrecht erhalten, als das eingeholte ärztliche Gutachten diese Behauptung als widerlegt erscheinen ließ. Es hätte daher für das Erstgericht Anlaß bestanden, im Sinne des § 182 ZPO darauf hinzuwirken, daß die nunmehr für die Entscheidung erheblich gewordenen tatsächlichen Angaben gemacht und das Beweisanbot entsprechend ergänzt wird. Für den Fall, daß der Klägerin der Beweis gelingen sollte, daß ihrem Versicherten die Erlangung einer zumutbaren, gleichwertigen Beschäftigung nicht möglich ist, hätte die Beklagte trotz der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten der Klägerin im früheren Ausmaße für dessen durch den Unfall ausgelösten Verdienstausfall einzustehen. Sollte der Klägerin der Beweis nicht gelingen, wäre auch noch festzustellen, welchen allenfalls geringeren Lohn der Versicherte der Klägerin bei Annahme einer zumutbaren Beschäftigung hätte erzielen können; denn auch in diesem Falle könnte sich allenfalls ein von der Beklagten zu ersetzender Verdienstausfall in der Differenz zwischen dem vom Versicherten beim früheren Dienstgeber bezogenen Durchschnittslohn und einem allfälligen geringeren Lohn, den er bei Annahme einer zumutbaren Beschäftigung hätte erzielen können, ergeben (2 Ob 236/71).

Es war daher der Revision der Beklagten nur teilweise Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Teilzuspruches von 1184, 10 S als Teilurteil zu bestätigen und nur im übrigen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z51091

Schlagworte

Verdienstentgang, Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0080OB00069.78.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19780614_OGH0002_0080OB00069_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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