TE OGH 1978/6/27 11Os82/78

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Veröffentlicht am 27.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Holeschofsky als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. März 1978, GZ. 29 Vr 222/78-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Adam und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Juni 1957 geborene Maurer Rudolf A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202

Abs. 1 StGB., des Vergehens der versuchten Blutschande nach den § 15, 211 Abs. 3 StGB. und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1

und 2 StGB. schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Urteilsspruchs hat der Angeklagte am 28.Oktober 1977 in Althofen I.) versucht, Hannelore B mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, indem er sie aus ihrem Schlafzimmer in die Küche zerrte und sie auf sein Matratzenlager warf;

II.) durch die zu I.) bezeichneten Handlungen versucht, mit seiner Schwester Hannelore B den Beischlaf zu vollziehen;

III.) ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW. Fiat 1100 des Helmut B, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Eindringen in den PKW. mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, somit durch eine der im § 129

StGB. geschilderte Handlungen verschaffte.

Rudolf A ficht dieses Urteil im Schuldspruch mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 2, 3, 4, 5, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1

StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an. Der Strafausspruch wird sowohl von ihm als auch von der Staatsanwaltschaft mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Weder die Nichtigkeitsgründe der Z. 2 und 3, noch jene der Z. 4 (für dessen Geltendmachung es schon an der formellen Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, über den nicht oder nicht im Sinne des Beschwerdeführers entschieden worden wäre, mangelt) und Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. vermag der Beschwerdeführer aufzuzeigen, wenn er rügt, daß in der Hauptverhandlung die (ihn belastenden) Angaben der Zeugin Hannelore B vor der Gendarmerie (S. 7-9) verlesen wurden, wogegen deren vor dem erkennenden Gericht gemachte (ihn entlastende) Aussage (S. 34-36) angeblich unberücksichtigt blieb. Abgesehen davon, daß es sich bei der sicherheitsbehördlichen Vernehmung der erwähnten Zeugin nicht um einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungsoder Voruntersuchungsakt handelt, und daß sich der Beschwerdeführer inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls gegen die Verlesung der bezüglichen Niederschrift auch gar nicht im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 2 StPO. verwahrte, war nämlich das Gericht zu der gerügten Verlesung nach dem Gesetz (§ 252 Abs. 2 StPO.) nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (vgl. EvBl. 1975/156 u.a.), weswegen auch vom Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO. keine Rede sein kann.

Im übrigen trifft es nicht zu, daß die Aussage der Zeugin Hannelore B in der Hauptverhandlung unberücksichtigt geblieben wäre; sie wird vielmehr im Urteil ohnedies eingehend erörtert (vgl. S. 45, 46). Dabei verleiht das Erstgericht mit denkrichtiger und allgemeiner Lebenserfahrung entsprechender Begründung seiner in freier Beweiswürdigung gewonnenen Überzeugung Ausdruck, daß sich die Ereignisse nicht so zugetragen haben, wie sie von Hannelore B in der Hauptverhandlung, sondern so wie sie von ihr bei der Gendarmerie geschildert wurden. Der Beschwerdeführer unternimmt daher nach Inhalt und Zielsetzung seiner bezüglichen Ausführungen - ohne Begründungsmängel formaler Natur, wie sie zur Herstellung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. erforderlich wären, aufzeigen zu können - lediglich den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und somit unbeachtlichen Versuch, die gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO. erfolgte und gemäß dem § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse auch hinreichend begründete freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes zu bekämpfen.

Der Beschwerdeführer behauptet ferner - mit ziffernmäßiger Berufung auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9

(ohne nähere Differenzierung) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO - aber auch zu Unrecht, mangels einer Feststellung des Inhalts, daß er seine Schwester (Hannelore B) verletzte und daß er gegen sie eine Gewalt anwendete, die sie außerstande setzte, ihm Widerstand zu leisten, mangle es an einem Tatbestandsmerkmal des § 202 Abs. 1 StGB. Denn zur Herstellung des Tatbestands der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB. ist weder die Verletzung des Opfers noch dessen gewaltsame Versetzung in den Zustand der Widerstandsunfähigkeit erforderlich.

Selbst für eine Vollendung dieses Deliktes genügt es, wenn der Täter eine Frau (ohne die nur im § 201 Abs. 1 StGB. vorausgesetzte Widerstandsunfähigmachung) mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf nötigt. Da dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall überdies lediglich der Versuch der Nötigung zum Beischlaf zugerechnet wurde, bedurfte es zudem keiner gänzlichen Verwirklichung des bezüglichen Tatbildes, sondern es reichte schon die - vom Erstgericht mängelfrei festgestellte -

(den Tatausführungsbeginn darstellende) Betätigung seines Entschlusses, die gewaltsame Nötigung zum Beischlaf auszuführen, aus.

Nicht zielführend sind schließlich auch jene Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er seinen Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 136 Abs. 1

und 2 StGB. (Punkt III./ des Urteilssatzes) bekämpft. Soweit er unter Bezugnahme auf die Aussage seiner Schwester in der Hauptverhandlung behauptet, es sei aktenwidrig festgestellt worden, daß er den PKW. seines Schwagers Helmut B ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nahm, stellt dies nur einen neuerlichen (unzulässigen) Angriff auf die freie Beweiswürdigung des Erstgerichtes dar, das auch in dieser Beziehung den Angaben der Hannelore B vor der Gendarmerie folgte, aus denen sich (im Gegensatz zu ihrer - als unglaubwürdig abgelehnten - Darstellung in der Hauptverhandlung) ergibt, daß der Beschwerdeführer von niemandem die Erlaubnis erhielt, den PKW. des Helmut B zu benützen. Soweit der Beschwerdeführer (neben dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5) - ziffernmäßig auch die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. a, 9 lit. b und 10 (sachlich nur 9 lit. a und 9 lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO. geltend machend -

des weiteren das Vorliegen des Strafausschließungsgrundes des § 136 Abs. 4 StGB. und - im Hinblick darauf, daß der PKW. des Helmut B ohne Kennzeichen abgestellt war -

auch den angeblichen Mangel einer Tatbestandsvoraussetzung des § 136 Abs. 1 StGB. behauptet, ist ihm folgendes zu erwidern:

Die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung, daß an dem von ihm in Gebrauch genommenen PKW. keine Kennzeichentafeln angebracht waren, ist im angefochtenen Urteil ohnedies enthalten (vgl. S. 44). Damit fehlt aber keineswegs eine der Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 StGB., weil ja dieser Tatbestand den unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen unabhängig von deren Zulassung zum Verkehr und der damit verbundenen Ausstattung mit polizeilichen Kennzeichen pönalisiert. Ebensowenig ist der Beschwerdeführer nach dem § 136 Abs. 4 StGB. straffrei. Die Berechtigung, über den von ihm in Gebrauch genommenen PKW. zu verfügen, stand nach den Urteilsannahmen und nach der Aktenlage nicht der Schwester des Angeklagten, sondern seinem Schwager Helmut B zu.

Dieser ist zwar als Angehöriger (§ 72 StGB.) zu betrachten, lebte aber - was in diesem Fall Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 136 Abs. 4 StGB. wäre - mit dem in Stobersdorf wohnhaften (vgl. S. 19) Angeklagten nicht in Hausgemeinschaft (vgl. S. 3 und 37). Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28

StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten, den verhältnismäßig raschen Rückfall und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, als mildernd hingegen eine gewisse Enthemmung des Angeklagten durch Alkoholeinfluß sowie den Umstand, daß es in einem Deliktsfall beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe auf 6 Monate und die bedingte Nachsicht derselben an, während die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung eine angemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe begehrt.

Beide Berufungen sind nicht gerechtfertigt.

Dem Angeklagten ist zuzugeben, daß den vom Erstgericht angeführten Milderungsgründen auch noch die Umstände zuzurechnen sind, daß er zur Tatzeit noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte (§ 34 Z. 1 StGB.) und daß er das unbefugt in Betrieb genommene Fahrzeug an den Entziehungsort zurückbrachte, bevor noch der Eigentümer desselben von der Entwendung Kenntnis erlangt hatte. Hingegen ist seine Behauptung, er habe gegenüber Hannelore B keine Gewalt angewendet, aktenwidrig, denn das Erstgericht stellte fest, der Angeklagte habe seine Schwester vom Schlafzimmer in die Küche gezerrt und sie dort auf sein Matratzenlager geworfen (S. 43 d.A.). Die Tatsachen, daß die Zeugin B unverletzt blieb und daß das vom Angeklagten in Betrieb genommene Fahrzeug nicht mehr zum Verkehr zugelassen war, stellen - entgegen der Auffassung des Angeklagten - keine weiteren Milderungsgründe dar.

Selbst unter Berücksichtigung zweier weiterer vom Erstgericht nicht beachteter Milderungsgründe kam insbesonders mit Rücksicht auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und den raschen Rückfall weder eine Herabsetzung der ausgesprochenen Strafe noch eine bedingte Strafnachsicht in Betracht. Letzteres vor allem deshalb nicht, weil infolge des raschen Rückfalls trotz empfindlicher Vorstrafe nicht anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, um den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten. Es erweist sich aber auch die Berufung der Staatsanwaltschaft als nicht gerechtfertigt, weil mit der vom Erstgericht verhängten Strafe die Schuld des Täters ausreichend berücksichtigt ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01357

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00082.78.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19780627_OGH0002_0110OS00082_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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