Norm
ABGB §904 Abs1Kopf
SZ 51/103
Spruch
Treten die für einen Terminverlust vereinbarten Voraussetzungen ein, hat nur der Gläubiger das Recht, die sofortige Entrichtung aller noch aushaftenden Teilleistungen zu fordern; ohne solche Forderung darf der Schuldner hingegen nicht den gesamten Betrag vorzeitig zurückzahlen
OGH 28. Juni 1978, 1 Ob 658/78 (LGZ Wien 45 R 66/771 BG Hietzing 4 C 253/77)
Text
Mit Kaufvertrag vom 14. Juli 1973 verkauften die Kläger den Beklagten ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 682 KG N. Der Kaufpreis von 400 000 S zuzüglich Zinsen sollte in 143 Monatsraten von je 2777 S an Kapital und je 1022 S an Zinsen, zusammen sohin 3799 S monatlich, und in einer Rate von 3943 S bezahlt werden. Die Kaufpreis- und Zinsenraten waren wertgesichert, so daß die Rate für Juni 1977 4949.79 S beträgt. Punkt V des Kaufvertrages lautete: "Für den Fall, daß die Käufer mit der Bezahlung eines Rückstandes an Kapital und Zinsen von mehr als 10 000 S (zehntausend Schilling) länger als 6 Wochen ab einem diesbezüglichen eingeschriebenen Mahnbrief auch nur eines der beiden Verkäufer im Rückstande sind, tritt Terminverlust ein und es ist der ganze dann etwa noch aushaftende Kapital- und Zinsenbetrag zur Gänze auf einmal fällig, wobei auf Grund einer etwaigen früheren Gesamtabstattung des Kaufpreises eine Reduktion der oben angeführten Zinsen nicht einzutreten hat." Im April 1977 waren die Beklagten mit den Ratenzahlungen für Feber, März und April 1977 von mehr als 10 000 S länger als sechs Wochen ab einem entweder von den Klägern oder vom Klagevertreter zugesandten eingeschriebenen Mahnbrief im Rückstand. In der Folge bezahlten die Beklagten den Rückstand und darüber hinaus noch den gesamten aushaftenden Kaufpreis einschließlich Zinsen von 480 318.54 S. Die Zahlung erfolgte, wie im Revisionsverfahren nicht strittig ist, auf das Konto 047/13627 der Kläger bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse.
Die Kläger behaupten, sie hätten den Betrag von 480 318.54 S nicht angenommen, da sie Terminverlust nicht geltend gemacht hätten und dieser nicht ipso iure eingetreten sei. Von den Klägern werde vom Terminsverlust nicht Gebrauch gemacht. Wirtschaftlicher Hintergrund für die Abstattung des Kaufpreises in Raten sei eine zusätzliche Altersversorgung der Kläger gewesen, denen die Ratenzahlungen zur Aufbesserung der monatlichen Pension dienen sollte; dies sei bei Vertragsabschluß besprochen worden. Die Kläger machen mit dem Betrag von 4949.79 S die Junirate 1977 geltend. Die Beklagten behaupten, Terminverlust sei vertragsgemäß eingetreten. Die Kläger seien nicht berechtigt gewesen, die von den Beklagten vorgenommene Zahlung zurückzuweisen.
Das Erstgericht stellte fest, daß die Kläger den Betrag von 480 318.54 S nicht angenommen hätten und wies das Zahlungsbegehren ab. Ohne daß es einer näheren Interpretation oder Auslegung bedürfe, ergebe sich eindeutig aus dem Text des Kaufvertrages, daß die Fälligkeit des vollen Kaufpreises eingetreten sei, ohne daß es einer Geltendmachung der Fälligkeit bedurft hätte. Die Beklagten seien berechtigt gewesen, den gesamten Kaufpreis und Zinsenbetrag auf einmal zu zahlen. Die Kläger hätten die Übernahme des gesamten Betrages sohin zu Unrecht abgelehnt.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Zahlungsbegehren stattgab. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hätten die Kläger den von den Beklagten bezahlten gesamten Kaufpreis nicht angenommen. Der bloße Annahmeverzug bewirkte die Befreiung des Schuldners nicht. Da die Kläger die Annahme des von den Beklagten überwiesenen Betrages verweigerten, sei die Verpflichtung der Beklagten aus dem Vertrag nicht zum Erlöschen gebracht worden. Mangels gerichtlicher Hinterlegung des Betrages sei die Schuld der Beklagten nicht zum Erlöschen gekommen, sondern bestehe nach wie vor aufrecht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten berufen sich vor allem darauf, daß sie, wie sie schon im Verfahren vor dem Erstgericht behaupteten, den vollen Kaufpreis auf ein ihnen von den Klägern bekanntgegebenes Konto bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse überwiesen und damit ihre Zahlungsverbindlichkeiten erfüllten; eine Annahmeverweigerung durch die Kläger habe damit nicht stattfinden können. Der Inhaber eines Kontos hat seiner Bank gegenüber den vertragsgemäßen Anspruch, daß die bei der kontoführenden Stelle eingehenden Beträge entgegengenommen werden (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] I, 98), was die Verpflichtung des Kontoinhabers zur Folge haben muß, eingelangte Zahlungen Dritter als für sich erfolgt anzusehen. Sobald die geschuldete Leistung bei der vom Gläubiger bezeichneten Bank einlangt, ist sie demgemäß nach herrschender Auffassung als an den Gläubiger selbst erbracht anzusehen, so daß ein Verzug des Schuldners damit beendet ist; ab diesem Zeitpunkt besteht auch jene Verfügungsmöglichkeit des Gläubigers, die für die Beendigung des Verzuges maßgeblich ist (SZ 46/6 u. a.). Waren die Beklagten also berechtigt, Zahlungen aus dem Kaufvertrag mit den Klägern auf das von ihnen bezeichnete Konto zu leisten, wäre damit wirksame Zahlung erfolgt und die Kläger hätte gar keine Möglichkeit gehabt, die bereits erfolgte Zahlung nicht mehr anzunehmen. Die Kläger waren nur berechtigt, Zahlungen, die vertragswidrig geleistet wurden, nicht anzuerkennen, weil nicht nur der Gläubiger nicht früher fordern, sondern auch der Schuldner nicht früher zahlen darf (§ 1413 ABGB; Koziol - Welser[4]I, 181); die Kläger durften die Zahlung als ohne Rechtsgrund erfolgt an die Beklagten rücküberweisen; die Zahlung konnte dann trotz der Annahme durch die Bank nicht die Wirkung der Erfüllung haben. Erfolgte allerdings die Rücküberweisung ohne Rechtsgrund, weil die Beklagten vertragsgemäß bezahlten, war damit andererseits die Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten nicht aufgehoben, sondern es steht nur den Klägern das Recht zu, den rücküberwiesenen Betrag wiederum zu verlangen. Die Rücküberweisung eines rechtmäßig bezahlten Betrages hätte aber an der Tatsache, daß die Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag durch Zahlung bereits endgültig erloschen war, nichts geändert. Der Revision ist also beizupflichten, daß eine gemäß §§ 1412, 1413 ABGB durch Zahlung endgültig und gänzlich erloschene Verbindlichkeit auch nicht dadurch wieder ins Leben gerufen werden kann, daß der Gläubiger über jenen Betrag dadurch disponiert, daß er ihn ohne Rechtsgrund dem Schuldner rücküberweist. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Beklagten auch bei vertragsgemäßer Zahlung auf das ihnen von den Klägern bekanntgegebene Konto bei vertragswidriger Rücküberweisung des Betrages durch den Kläger verpflichtet gewesen wären, ihn bei Gericht zu erlegen, um die Vertragserfüllungswirkung herbeizuführen, kann demnach nicht beigepflichtet werden.
Damit ist aber für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen. Der OGH tritt nämlich der Rechtsauffassung der Beklagten nicht bei, sie wären auf Grund des Punktes V des Kaufvertrages berechtigt gewesen, auch gegen den Willen der Kläger den gesamten Kaufpreis einfach dadurch fällig werden zu lassen, daß sie einen Rückstand von mehr als 10 000 S anerlaufen ließen und damit um mehr als sechs Wochen ab Mahnung im Rückstand waren. Mit Recht bezeichnen Koziol - Welser[4] I, 170 den Terminverlust als eine Art Verwirkungsabrede, die wiederum bedeutet, daß (nur) der vertragstreue Teil ein Rücktrittsrecht erhält. Gschnitzer (Schuldrecht, Allgemeiner Teil 28) lehrt in diesem Sinne ebenfalls, die Abrede des Terminverlustes bedeute, daß Verzug (nur) dem anderen das Recht gibt, die sofortige Entrichtung aller noch aushaftenden Teilleistungen zu fordern. Stanzl (in Klang[2] IV/1, 698) legt zum Terminsverlust beim Darlehensvertrag dar, daß (nur) der Gläubiger das ganze Darlehen rückfordern darf, wenn die Zinsen und allfällige Kapitalsrückzahlungsraten nicht pünktlich berichtigt werden. Ehrenzweig[2] II/1, 195 definiert allerdings den Terminsverlust als die für den Fall der Nichterfüllung gewisser Verbindlichkeiten vereinbarte vorzeitige Fälligkeit oder Kundbarkeit einer betagten Forderung, was dahin zu verstehen ist, daß auch die Fälligkeit ohne ausdrückliche Geltendmachung durch den Gläubiger vereinbart sein kann. Daß aber auch Ehrenzweig nur an ein Recht des Gläubigers und nicht an ein solches des Schuldners dachte, ergibt sich nicht nur aus seinen dann behandelten Beispielen, sondern auch aus der Anführung des § 195 Abs. 1 AußStrG, wonach bei einer Schuldverschreibung über das Kapital eines Minderjährigen bedungen werden muß, daß dem minderjährigen Gläubiger freistehe, unter bestimmten Voraussetzungen das gesamte Kapital sogleich zurückzufordern. Der Auffassung des Erstgerichtes und der Beklagten, daß die Vernachlässigung ihrer vertraglichen Pflichten zur pünktlichen Bezahlung der vereinbarten Raten den Beklagten Rechte einräumen könnte, widerspricht nicht nur dem wohlverstandenen Sinn einer kassatorischen Klausel, sondern überhaupt dem vom Grundsatz der Redlichkeit beherrschten Vertragsrecht, das es ausschließt, daß aus Vertragsverletzungen Rechte abgeleitet werden könnten. Dem entspricht die Judikatur, daß eine Bedingung nicht als eingetreten zu gelten hat, wenn derjenige, zu dessen Vorteil sie wirkt, den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben herbeigeführt hat (EvBl. 1977/230; JBl. 1973, 470 u. a.; Koziol - Welser[4] I, 129; Gschnitzer in Klang[2] III 672). Dasselbe muß für die Herbeiführung der Fälligkeit durch eine Vertragsverletzung gelten und insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, Wertsicherung vereinbart war. Es war damit klar, daß die Kläger durchaus ein Interesse daran haben konnten, daß nicht die Kapitalsrückzahlung erfolgt, sondern die jeweils aufzuwertenden laufenden Raten weiter bezahlt werden. Der erkennbare Vertragszweck war es jedenfalls auch, den Klägern ein wertgesichertes Einkommen zu verschaffen, das bei anderweitiger Kapitalanlage nicht unter allen Umständen gesichert werden könnte. Es kann hingegen nicht Zweck des Punktes V des Vertrages gewesen sein, auch den Beklagten die Möglichkeit zu verschaffen, durch Anerlaufenlassen von Rückständen bei der Ratenzahlung sich selbst die Möglichkeit zu geben, die gesamte Schuld fällig zu stellen und sich damit die jeweilige Aufwertung der Raten zu ersparen. Bei der Beurteilung, was der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, kommt es aber entscheidend auf den Vertragszweck an. Der rechtsgeschäftliche Verkehr darf nicht dazu mißbraucht werden, einen anderen hineinzulegen, sondern soll sich ehrlich abspielen (SZ 47/104; HS 2398/69 u. a.). Auch die Erfüllung von Verträgen hat nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu geschehen EvBl. 1976/224 u. a.; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 31). Der Zweck des Vertrages hat über seinen Wortlaut zu triumphieren (JBl. 1971, 620; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 405). Die Beklagten können dann aber auch nichts daraus für sich ableiten, daß der Punkt V des Kaufvertrages sich nach seinem bloßen Wortlaut auch so verstehen ließe, wie es der Erstrichter meinte. Bei dieser Rechtslage waren die Kläger berechtigt, die Zahlung der Beklagten als nicht schuldtilgend anzusehen und die von ihnen nicht geforderte Zahlung des gesamten Kaufpreises als ohne Rechtsgrund erfolgt an die Beklagten rückzuüberweisen. Dann schuldeten diese aber den Klägern die Junirate 1977, so daß das Berufungsgericht dem Begehren auf Zahlung dieser Rate im Ergebnis mit Recht stattgegeben hat.
Anmerkung
Z51103 1Ob658.78European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00658.78.0628.000Dokumentnummer
JJT_19780628_OGH0002_0010OB00658_7800000_000