Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduard A und andere wegen des Vergehens der Begünstigung nach dem § 299 Abs. 1 StGB beziehungsweise des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Eduard A und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Ernst B und Friedrich C gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16.Jänner 1978, GZ. 20 b Vr 6123/77-52, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Eduard Wegrostek, Dr. Rudolf Harramach und Dr. Herbert Eichenseder sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Staatsanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard A wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen und das darauf beruhende Urteil, soweit sie diesen Angeklagten betreffen, aufgehoben und die Sache im Umfange der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über die Angeklagten Ernst B und Friedrich C verhängten Freiheitsstrafen auf je 2 (zwei) Jahre erhöht werden. Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.
Der Angeklagte Eduard A wird mit seiner Berufung auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Ernst B und Friedrich C auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 13.November 1957 geborene Ernst B und der am 7.Dezember 1958 geborene Friedrich C des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB sowie der am 29.November 1949 geborene Eduard A des Vergehens der Begünstigung nach dem § 299 (Abs. 1) StGB schuldig erkannt. Die drei Angeklagten sind von Beruf Kellner.
Das Urteil gründet sich auf den Wahrspruch der Geschwornen, welche bezüglich Ernst B und Friedrich C die jeweils auf das Verbrechen des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB gerichteten Hauptfragen II (B) und III (C) einstimmig - mit der Beschränkung (§ 330 Abs. 2 StPO), daß die Tat nicht in Gesellschaft auch des Eduard
A als Beteiligten begangen wurde - bejahten. In Ansehung des Eduard
A verneinten die Geschwornen die ebenfalls in Richtung des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB - begangen in Gesellschaft der beiden vorgenannten Mitangeklagten als Beteiligte - gestellte Hauptfrage I einstimmig und die für den Fall der Verneinung dieser Hauptfrage gestellte Eventualfrage IV nach dem Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 286 StGB im Stimmenverhältnis von 7 :
1. Sie bejahten jedoch die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I wie auch der Eventualfrage IV gestellte weitere Eventualfrage V, lautend auf das Vergehen der Begünstigung nach dem § 299 StGB, mit demselben Stimmenverhältnis. Eine zu dieser Eventualfrage gestellte Zusatzfrage, ob Eduard A die Anzeige nur deshalb nicht erstattet habe, um nicht selbst wegen Beteiligung am Raub des Ernst B und Friedrich C verfolgt zu werden, verneinten die Geschwornen mit sieben Stimmen zu einer. Sonstige Fragen waren nicht gestellt worden.
Dieses Urteil wird im Schuldspruch (nur) vom Angeklagten Eduard A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6
und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützen Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Den Strafausspruch fechten einerseits die Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten B und C und anderseits der Angeklagte A mit Berufung an.
I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO erachtet sich der Angeklagte Eduard A dadurch beschwert, daß der Schwurgerichtshof unter Verletzung der Vorschrift des § 314 StPO weder eine Zusatzfrage in Richtung des Vorliegens eines entschuldigenden Notstandes im Sinne des § 10 StGB, noch eine 'Eventualfrage' (richtig ebenfalls: Zusatzfrage) in Richtung der allfälligen irrtümlichen Annahme einer Notstandssituation gestellt habe, obwohl diese Fragen durch die Verfahrensergebnisse, insbesondere seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, indiziert gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu. Denn wie sie zutreffend ausführt, verantwortete sich der Angeklagte A in der Hauptverhandlung wiederholt damit, er habe die Mitangeklagten Ernst B und Friedrich C, die unmittelbar vorher einen schweren Raub begangen hatten, indem sie in Gesellschaft als Beteiligte Rudolf D durch das Versetzen von Faustschlägen zu Boden schlugen und ihm sodann seine Herrenhandtasche im Wert von 600 S mit Bargeldbeträgen von 2.000 S und DM 60,-- entrissen, nur deshalb in Kenntnis der begangenen Tat samt dem geraubten Gut mit seinem PKW vom Tatort weggebracht, weil er Angst gehabt habe, die beiden könnten - zumal sie betrunken gewesen seien - auch ihn niederschlagen. Dem Vorhalt, es habe sich bei den Mitangeklagten doch um Arbeitskollegen gehandelt, begegnete er mit dem Hinweis, daß auch D angeblich ein Arbeitskollege (Kellner) gewesen sei und die beiden ihn dennoch niedergeschlagen hätten (S 226-229, 231).
Gemäß dem § 313 StPO ist, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden, eine entsprechende Frage nach dem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund (Zusatzfrage) zu stellen. Hiebei liegt ein solches 'Vorbringen' im Sinne der genannten Gesetzesstelle immer dann vor, wenn im Beweisverfahren Umstände hervorgekommen sind, welche die Annahme entsprechender Tatsachen als zutreffend in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken (vgl. u.a. 11 Os 186/77 = ÖJZ-LSK 1978/139). Ausgehend vom vorzitierten Vorbringen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung wäre daher - auch unter Bedachtnahme darauf, daß sich das ihm als strafbar angelastete Verhalten darin erschöpfte, die beiden Mitangeklagten bei seiner Heimfahrt teils zur Gänze (B wohnt im gleichen Haus), teils eine gewisse Wegstrecke (C) mitzunehmen - den Geschwornen durch Stellung von Zusatzfragen in Richtung des Vorliegens des Schuldausschließungsgrundes des entschuldigenden Notstandes (§ 10 Abs.1
StGB), in eventu aber auch der irrtümlichen Annahme einer solchen Notstandssituation die Möglichkeit zu geben gewesen, den aus den Ergebnissen der Hauptverhandlung hervorgehenden Sachverhalt auch in Richtung des Vorliegens eines entschuldigenden Notstandes oder eines solchen Putativ-Notstandes einer Prüfung und Beurteilung zu unterziehen.
Mit Rücksicht darauf, daß die bloß fahrlässige Verwirklichung des Tatbildes des § 299 StGB nicht mit Strafe bedroht ist, wäre gemäß dem § 10 Abs. 2 StGB der Beschwerdeführer selbst dann exculpiert, wenn sein zur Annahme eines Notstandes führender Irrtum auf Fahrlässigkeit beruhte. Der vorstehend zitierten Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe B und C nur aus Angst, von den beiden (gleich dem Raubopfer) niedergeschlagen zu werden, samt Beute vom Tatort weggebracht, wurde mithin durch die Stellung der (auf dem Abs. 4 des § 299 StGB basierenden) Zusatzfrage VI zur (auf Begünstigung nach dem § 299 Abs. 1
StGB lautenden) Eventualfrage V nicht Rechnung getragen. Erfolgte nämlich die Begünstigung deshalb, weil der Begünstigende vom Begünstigten dazu genötigt wurde bzw. sich irrtümlich genötigt wähnte, so kann der Begünstigende nicht nach dem § 299 Abs. 4 StGB, sondern nur zufolge § 10 (Abs. 1 bzw. 2, zweiter Satz) StGB straffrei sein, stellt doch der Fall einer drohenden Gefahr u.a. für den Begünstigenden im Sinne des § 299 Abs. 4 StGB im Verhältnis zu § 10 StGB einen besonderen Entschuldigungsgrund (als Sonderfall der Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens) dar. (Vgl. dazu Leukauf-Steininger, Komm., 102 und 1180.) Der Beschwerde kommt daher schon aus all diesen Erwägungen Berechtigung zu, weshalb es einer Auseinandersetzung mit dem weiteren, unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO ausgeführten Beschwerdevorbringen nicht bedarf.
Mithin war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A Folge zu geben und in Ansehung seiner Person wie im Spruch zu entscheiden. Die Rückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung erfolgt im Hinblick darauf, daß die diesem Angeklagten im Ersturteil angelastete einzige Straftat nach Lösung der Konnexität in bezug auf seine beiden Mitangeklagten nicht in die Zuständigkeit des Geschwornengerichtes, sondern in jene des Einzelrichters des Gerichtshofes erster Instanz fällt (§ 13 Abs. 2 StPO), an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Im erneuerten Rechtsgang wird das Erstgericht auch darauf Bedacht zu nehmen haben, daß der Tatbestand des Vergehens der Begünstigung nach dem § 299 StGB voraussetzt, daß jemand einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, der Verfolgung oder der Vollstreckung der Strafe oder vorbeugenden Maßnahme absichtlich ganz oder zum Teil entzieht. Demgegenüber scheint vorliegend weder im Wahrspruch der Geschwornen noch im Urteilsspruch des Geschwornengerichtes das Tatbildmerkmal der Absichtlichkeit auf. Im übrigen stellt der Wahrspruch fest, daß Eduard A seine beiden Mitangeklagten 'durch Wegbringen der Täter und des geraubten Gutes vom Tatort der Verfolgung entzogen hat' (vollendetes Vergehen nach dem § 299 StGB), wogegen das Urteil ihn schuldig erkennt, die Mitangeklagten 'zusammen mit dem geraubten Gut vom Tatort weggebracht' zu habe, 'um sie der Verfolgung zu entziehen', was freilich rechtsrichtig nur die Beurteilung der Tat als Vergehen der versuchten Begünstigung nach den § 15, 299 StGB rechtzufertigen vermag, nicht aber die vom Erstgericht sodann tatsächlich vorgenommene als (vollendetes) Vergehen der Begünstigung nach dem § 299 StGB.
II./ Zur Berufung der Staatsanwaltschaft:
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten Ernst B und Friedrich C gemäß dem § 143 StGB (erster Strafsatz) unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB Freiheitsstrafen von je einem Jahr. Gemäß dem § 43 Abs. 1
StGB wurde ihnen die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bezüglich beider zuletzt genannten Angeklagten als mildernd: das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Wandel, das Alter unter 21 Jahren, die Enthemmung durch Alkoholgenuß und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung durch das Anerkenntnis eines Betrages von 13.000 S, bei B überdies die teilweise Schadensgutmachung; hingegen berücksichtigte es in Ansehung beider Angeklagten als erschwerend:
die Verletzung des Raubopfers.
Mit ihrer Berufung strebt die Staatsanwaltschaft die erhöhung der über B und C verhängten Freiheitsstrafen 'auf ein schuldangemessenes Ausmaß' und 'insbesondere' die Ausschaltung des Ausspruches über die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Die Berufungswerberin verweist auf die Schwere der Tat, welche ihrer Ansicht nach die Verhängung einer unbedingten (höheren, als vom Erstgericht ausgesprochenen) Freiheitsstrafe bedarf, 'um den Erfordernissen der Generalprävention genüge zu tun'.
Die Berufung ist insoweit berechtigt, als das Ausmaß der vom Geschwornengericht verhängten Freiheitsstrafen (von je einem Jahr) gerügt wird. Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht - mit Ausnahme der 'Bereitschaft zur Schadensgutmachung durch Anerkennung' als Milderungsgrund - im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründe und (trotz) Berücksichtigung der im Gerichtstag durch Vorlage eines Einzahlungsbeleges vom 3.Februar 1978 nachgewiesenen tatsächlichen - Schadensgutmachung für den Angeklagten C durch überweisung des dem Privatbeteiligten zugesprochenen Betrages von 13.000 S (§ 34 Z 14 StGB, letzter Anwendungsfall) erscheint dem Obersten Gerichtshof die - an sich berechtigte - Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß dem § 41 Abs. 1 Z 3 StGB in einem geringeren als vom Erstgericht für vertretbar erachteten Maß geboten. Unter Würdigung der persönlichkeits- und tatbezogenen Schuld der Angeklagten B und C erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von je zwei Jahren für angemessen. Selbst dieses Strafausmaß liegt noch unter der Hälfte der gesetzlichen Mindeststrafdrohung.
In diesem Umfange war der Berufung der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zuzuerkennen.
Insoweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung jedoch (auch) die Ausschaltung des Ausspruches über die Gewährung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, war dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen. Denn bei richtiger Beurteilung der Person der Angeklagten B und C - es handelt sich um bisher unbescholtene, in den Arbeitsprozeß eingegliederte Menschen im Alter von rund 19 1/2 bzw. 18 1/2 Jahren (zur Tatzeit) - und des Umstandes, daß beide das Strafübel durch die Anhaltung in Untersuchungshaft in der Dauer von einem Monat bzw. fast zwei Monaten empfanden, sind (sogar) jene besonderen Gründe im Sinne des § 43 Abs. 2 StGB gegeben, welche als Gewähr dafür angesehen werden können, daß die beiden genannten Angeklagten keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werden.
III./ Der Angeklagte Eduard A war mit seiner Berufung auf die (kassatorische) Entscheidung über die von ihm erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01407European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00062.78.0629.000Dokumentnummer
JJT_19780629_OGH0002_0120OS00062_7800000_000