Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Keller, Dr. Faseth und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Holeschofsky als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert A u.a. wegen des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. und anderer Delikte über die von der Staatsanwaltschaft bezüglich der Angeklagten Herbert A und Karl B gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 7. Februar 1977, GZ. 18 Vr 391/77-76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weingartner für den Angeklagten Herbert A, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch der Angeklagten Herbert A und Karl B und demgemäß auch in dem den Angeklagten Herbert STÖBERl betreffenden Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung unter teilweiser Neufassung des Urteilsspruches gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
'Herbert A und Karl B sind schuldig, sie haben im Februar 1977 in Bodensdorf 1.) 500 g Marihuana-Gras, sohin ein Suchtgift a) Karl B besessen, b) Herbert A von Karl B erworben und besessen;
2.) einem anderen ein Suchtgift überlassen, zu dessen Bezug dieser nicht berechtigt war, a) Karl B durch Verkauf von ca. 500 g Marihuana-Gras an Herbert A, b) Herbert A durch Verkauf von ca. 475 g Marihuana-Gras an Friedrich C. Es haben hiedurch Herbert A in Verbindung mit den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen laut den Punkten II. 1., III. und IV. des Urteils des Kreisgerichtes St. Pölten vom 7. September 1977, GZ. 18 Vr 391/77-56, (insgesamt) das Vergehen nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2, Abs. 2 SuchtgiftG., Karl B das Vergehen nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. begangen, und es werden hiefür wie folgt verurteilt: Herbert A nach dem zweiten Strafsatz des § 9 Abs. 2 SuchtgiftG. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten, Karl B nach dem ersten Strafsatz des § 9 Abs. 2 SuchtgiftG. unter Bedachtnahme gemäß den § 31 und 40 StGB. auf das mit Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 23. Februar 1977, AZ. 13 Bs 21/77, im Strafausspruch abgeänderte Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 23. November 1976, GZ. 11 E Vr 839/76-14, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 (einem) Monat, sowie letzterer auch gemäß dem § 389 StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB. wird dem Angeklagten Karl B die Vorhaft in der Zeit vom 29. März 1977, 17 Uhr, bis zum 5. Mai 1977, 12 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Die den Angeklagten Herbert A betreffenden Aussprüche über die Kosten des Strafverfahrens und über die Anrechnung der Vorhaft werden aus dem Ersturteil übernommen.' Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Herbert A und Karl B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 25. Mai 1953 geborene beschäftigungslose Herbert A und der am 3. Februar 1948 geborene Hilfsarbeiter Karl B im zweiten Rechtsgang von der gegen sie erhobenen Anklage, sie haben im Februar 1977 in Bodensdorf vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar a) Karl B durch Verkauf von 500 g Marihuana-Gras an Herbert A und b) Herbert A durch Verkauf von 475 g Marihuana-Gras an Friedrich C, und hiedurch das Verbrechen wider die Volksgesundheit nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
Im ersten Rechtsgang waren die beiden genannten Angeklagten im Sinne der Anklage des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. schuldig erkannt worden; dieses Urteil war jedoch vom Obersten Gerichtshof mit Entscheidung vom 14. November 1977, GZ. 11 0s 175/77-4, aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. in den angeführten Schuldsprüchen, sowie in den die Angeklagten A und B betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen worden. Hingegen blieben (u.a.) die in diesem Urteil enthaltenen weiteren Schuldsprüche des Angeklagten A wegen der Vergehen nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2
SuchtgiftG., § 9 Abs. 1 Z. 1 SuchtgiftG, und § 9 Abs. 2 SuchtgiftG. (Punkte II. 1., III. und IV. des Urteilssatzes) unangefochten; für diese wurde der Angeklagte A im zweiten Rechtsgang - ohne daß es deren neuerlicher Wiedergabe im Urteilstenor bedurft hätte - nach dem zweiten Strafsatz des § 9 Abs. 2 SuchtgiftG. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.
Nach den zu den Freisprüchen getroffenen Urteilsfeststellungen kaufte der Angeklagte A in Bodensdorf (Kärnten) vom Angeklagten B für den Eigenbedarf 500 g minderwertiges Marihuana-Gras mit einem Wirkstoffgehalt von unter 0,05 % Tetrahydrocannabinolen (THC) um einen Betrag von 1.000 S. Nachdem er hievon ca. 25 g verraucht hatte, ohne sich darüber klar werden zu können, ob dieses Gras überhaupt eine Suchtgiftwirkung zeigt, entschloß er sich zum Weiterverkauf an (den damals übrigens noch nicht 21 Jahre alten) Friedrich C, der für die noch vorhandenen ca. 475 g 1.000 S zahlte. C verrauchte nun einen Teil des Marihuana-Grases, verspürte jedoch keinerlei charakteristische Suchtgiftwirkung, sondern bekam Kopfschmerzen und Brechreiz. Im Gegensatz zu Marihuana-Gras mittlerer Qualität mit einem THC-Gehalt von 2 %
enthielt das gegenständliche Präparat weniger als 0,05 % THC und war daher praktisch nicht geeignet, eine Sucht hervorzurufen, da infolge des geringen Wirkstoffgehaltes theoretisch eine Menge von 12 g verraucht werden müßte, um eine gerade noch wahrnehmbare psychotrope Wirkung zu erzielen, was jedoch schon vor Eintritt einer Suchtgiftwirkung nicht gewollte Nebenerscheinungen erzeugen würde.
Das Erstgericht gelangte daher zum Ergebnis, daß 500 g dieses Marihuana-Grases weder geeignet gewesen seien, in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, noch im konkreten Fall überhaupt eine Sucht hervorzurufen;
dieses sei vielmehr als objektiv untaugliches Mittel zur Erzielung einer Sucht nicht als Suchtgift im Sinne des § 1 Abs. 1 SuchtgiftG. anzusehen. Das Erstgericht verneinte demnach auch die Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. Diese Freisprüche des Angeklagten A und B bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer lediglich auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der geltend gemacht wird, das Erstgericht hätte das festgestellte Tatverhalten der Angeklagten dem Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2
SuchtgiftG. unterstellen müssen, da es sich bei der von ihnen in Kenntnis ihrer Eigenschaft in Verkehr gesetzten Substanz um ein Suchtgift, wenn auch mit sehr schwacher Wirkung, gehandelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.
Nach dem § 1 Abs. 1 SuchtgiftG. sind Suchtgifte im Sinne des Suchtgiftgesetzes Stoffe und Zubereitungen, die wegen ihrer Eignung, eine Sucht hervorzurufen, durch zwischenstaatliche Abkommen Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung, des Verkehrs, der Ein-, Durch- und Ausfuhr, der Gebarung und Anwendung unterworfen sind. Darunter fallen die im § 1 Abs. 3 SuchtgiftG. und in der (mehrfach novellierten) Suchtgift-Verordnung (BGBl. 19/1947) ausdrücklich genannten Stoffe und Zubereitungen, laut lit. k der erstbezeichneten Gesetzesstelle mithin auch Tetrahydrocannabinole (THC). Schon daraus ergibt sich, daß es für die Beurteilung eines Stoffes oder einer Zubereitung als Suchtgift nicht darauf ankommt, welchen Wirkstoffgehalt diese Substanz hat und ob sie in concreto geeignet ist, eine Sucht hervorzurufen. Entscheidend ist lediglich, ob die Substanz wegen ihrer generellen Eignung, eine Sucht hervorzurufen, vom Gesetz als Suchtgift angesehen wird. Dies trifft aber auf alle im § 1 Abs. 3 SuchtgiftG. und in der Suchtgift-Verordnung aufgezählten Stoffe und Zubereitungen zu; deren überlassung an einen nicht Bezugsberechtigten sowie der unberechtigte Erwerb oder Besitz macht sohin auch dann strafbar, wenn nach Qualität und Quantität des dabei verwendeten Suchtgiftes die Gefahr, eine Sucht hervorzurufen, nicht gegeben ist. Denn anders als in den § 6 Abs. 1
und 9 a SuchtgiftG. wird im § 9 SuchtgiftG. weder auf eine bestimmte Suchtgiftmenge, noch auf deren Wirkung auf die tatsächlichen oder voraussichtlichen Verbraucher abgestellt.
So gesehen haben die Angeklagten dadurch, daß sie das gegenständliche Marihuana-Gras einem anderen überließen, zu dessen Bezug dieser nicht berechtigt war, sowie durch dessen Erwerb bzw. Besitz den Tatbestand des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. erfüllt.
Es war daher unter Berücksichtigung der bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche des Angeklagten A wie im Spruch zu entscheiden.
Bei der mit Rücksicht auf die Aufhebung auch des Strafausspruchs hinsichtlich des Angeklagten Herbert A vorzunehmende Neubemessung der Strafe konnte von den vom Erstgericht im wesentlichen vollzählig und richtig angeführten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden. In Anbetracht des bei diesem Angeklagten nun erweiterten Schuldspruches kann die nunmehr über ihn verhängte Freiheitsstrafe als schuldangemessen angesehen werden.
Hinsichtlich des Angeklagten Karl B war bei der Strafbemessung als mildernd kein Umstand, als erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe aus dem Jahre 1976
und - in einigen der urteilsgegenständlichen Fälle - der Rückfall innerhalb der Probezeit nach bedingter Entlassung zu werten. Dieser Umstand stellt einen eigenen Erschwerungsgrund dar, weil er zeigt, daß der Täter sich trotz des Bewußtseins eines noch offenen Strafrests nicht von neuerlichen strafbaren Handlungen abhalten ließ, weshalb der Intensität des Täterwillens eine im Rahmen des Schuldgehalts besonders zu wertende Bedeutung zukommt. So gesehen entspricht die ausgesprochene Freiheitsstrafe unter angemessener Berücksichtigung der im Spruch zitierten Urteile zu AZ. 11 E Vr 839/76 des Kreisgerichtes Krems/Donau dem Verschulden des Angeklagten Karl B.
Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01337European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00093.78.0704.000Dokumentnummer
JJT_19780704_OGH0002_0110OS00093_7800000_000