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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Josef Toth, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Juli 2004, Zl. III-860.757/FrB/04, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Asylantrag des am 9. August 1996 eingereisten Beschwerdeführers wurde in erster Instanz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. November 1996 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung blieb letztlich erfolglos (Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Jänner 2001; die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Juli 2003, Zl. 2001/01/0178, abgelehnt).
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Oktober 1997 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Kongo gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 des Fremdengesetzes 1992 bedroht sei.
Am 26. Mai 2004 stellte der Beschwerdeführer einen neuen Asylantrag, der nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Ausdruck aus dem Asylwerberinformationssystem am 15. Juni 2004 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde. In den Verwaltungsakten ist weiters die Mitteilung des Bundesasylamtes enthalten, dass diese Zurückweisung mit 1. Oktober 2004 in Rechtskraft erwachsen ist.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes langte am 19. Mai 2004 bei der belangten Behörde ein. Zu diesem Antrag erstattete er am 8. Juni 2004 eine Stellungnahme. In den Verwaltungsakten befindet sich weiters ein Heimreisezertifikat vom 27. Juli 2004.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 2004 wies die belangte Behörde den genannten Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab. In der Begründung verwies sie auf die Zurückweisung des neuen Asylantrages und führte aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes "keine neuen bzw. keine wesentlich neuen Erkenntnisse" vorgebracht habe, die einen Abschiebungsaufschub rechtfertigen würden. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes nicht gerechtfertigt sei, die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe als Schutzbehauptung gewertet würden und seine Identität bis dato völlig ungeklärt sei. Er habe keine konkreten gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen staatlicher Behörden seines Heimatlandes angeben können. Auf Grund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel sei es der Behörde nicht verwehrt, die Ergebnisse im bereits durchgeführten Asylverfahren zu berücksichtigen. Ein Fremder habe auch im Verfahren zur Erteilung eines Abschiebungsaufschubes das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun sei. Bei einer Entscheidung "gemäß § 75 FrG" stelle das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar, wobei es ihm obliege, alles Zweckdienliche vorzubringen, und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 FrG prüfbar und nachvollziehbar zu machen. Als stichhaltig könnten Angaben im Allgemeinen dann nicht gesehen werden, wenn diese so allgemein und abstrakt sind, dass sie einer Überprüfung nicht zugänglich seien, sodass sie auch nicht als glaubwürdig angesehen werden können, oder wenn die Ausführungen sonst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 FrG nicht erkennen ließen. Eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung liege nur dann vor, wenn der einer Abschiebung entgegenstehende Grund vom Fremden nicht selbst auf zumutbare Weise beseitigt werden könne. "Auf Grund des obgenannten geschilderten Sachverhaltes erscheint der ha. Behörde somit eine Abschiebung mehr als gerechtfertigt, und müssen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit höher gewertet werden, als ihre Privaten am Weiterverbleib im Bundesgebiet. Nach ha. Sicht erscheint die Abschiebung Ihrerseits weder unzulässig noch aus tatsächlichen Gründen für unmöglich, und ist es beabsichtigt, Ihren Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gem. § 56/2 FrG abzulehnen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint.
Gemäß § 57 Abs. 1 leg. cit. ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.
Gemäß Abs. 4 des § 57 FrG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinn des Abs. 2, jedoch nicht im Sinn des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten.
Der Beschwerdehinweis auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 8. Juni 2004 führt die Beschwerde zum Erfolg. In dieser Stellungnahme hat der Beschwerdeführer unter Anschluss eines Länderberichtes behauptet, dass in seinem Heimatland seit 1998 Bürgerkrieg herrsche und die Menschenrechtslage dort höchst unsicher sei. Auf Grund der "fatalen" Sicherheitslage sei der Beschwerdeführer in der Demokratischen Republik Kongo seines Lebens nicht sicher. Weiters verwies der Beschwerdeführer unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung darauf, dass er unter einer psychischen Krankheit leide, die selbst in Österreich schwer, in seinem Heimatland aber gar nicht therapierbar sei.
Hinsichtlich des neuen Asylantrages stellte die belangte Behörde lediglich fest, dass dieser zurückgewiesen worden sei, sie unterließ aber jegliche überprüfbare Feststellungen über den Inhalt dieses - nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig zurückgewiesenen - Antrages.
Davon abgesehen wurden im rechtskräftig abgeschlossenen (ersten) Asylverfahren nicht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 FrG angesprochen. Dies erfolgte im bereits genannten Bescheid der Fremdenpolizeibehörde vom 14. Oktober 1997. Dessen verbindliche Wirkung ist allerdings nur soweit gegeben, als sich die für die Erlassung eines solchen Bescheides maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht geändert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1999, Zl. 99/21/0027).
Die belangte Behörde hat es vollständig unterlassen, sich in konkreter Weise mit dem Inhalt der genannten Stellungnahme vom 8. Juni 2004 über die Situation im Heimatland des Beschwerdeführers auseinander zu setzen. Die zitierte allgemein gehaltene Bescheidbegründung kann nicht die Feststellungen ersetzen, die erforderlich sind, um eine Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland auf Grund der gegenüber dem Jahr 1997 behauptetermaßen geänderten Verhältnisse beurteilen zu können.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. April 2005
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004210252.X00Im RIS seit
02.06.2005