TE OGH 1978/9/7 12Os126/78

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Veröffentlicht am 07.09.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und eine andere wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 und 2 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 6.Juli 1978, GZ. 6 Vr 663/78-63, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 7.April 1941 geborene beschäftigungslose Hilfsschweißer Franz A des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 und 2 StGB. schuldig erkannt, weil er am 2. März 1978 in Graz in Gesellschaft der unter einem rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten Brigitte B als Beteiligter fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Zigaretten im Werte von insgesamt 1.845 S der Maria C durch Einsteigen in das Gasthaus 'E' und Nachsperren von zwei Spielautomaten mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln, sohin durch Einsteigen in Gebäude und Nachsperren von Behältnissen mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 1, 3, 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch hat er (verspätet) Berufung angemeldet. In Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes rügt der Angeklagte das Urteil als nichtig, weil der Beisitzer, Oberlandesgerichtsrat Dr. Hans D, im Zuge der Voruntersuchung verschiedene rechtserhebliche Verfügungen getroffen, nämlich u.a. zwei Vernehmungen durchgeführt habe, sodaß er gemäß § 68 Abs. 2 StPO. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen sei.

Zu diesem Vorwurf ist der Aktenlage zunächst zu entnehmen, daß der genannte Richter am 3.Mai 1978 dem Beschwerdeführer (und der danach mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzten Mitbeschuldigten Brigitte B) die Anklageschrift kundmachte und am 8. Mai 1978 eine Erklärung des Beschwerdeführers zu Protokoll nahm, daß dieser den von ihm angemeldeten Einspruch gesondert ausführen werde (S. 3 c, 193 bis 195). Bei diesen dem Abschluß der Voruntersuchung nachfolgenden Vorgängen handelt es sich nicht um untersuchungsrichterliche Akte im Sinne des § 68 Abs. 2 StPO., dies umso weniger, als sie nach § 208 StPO. nicht nur durch den Untersuchungsrichter, sondern im Fall einer unmittelbaren Einbringung der Anklageschrift auch durch ein anderes Mitglied des Gerichtshofes, nämlich durch den Vorsitzenden der Ratskammer, besorgt werden können, ohne daß hiedurch schon für ein solches Mitglied die Eigenschaft des von der Mitwirkung bei der Hauptverhandlung ausgeschlossenen Untersuchungsrichters begründet würde (EvBl. 1969/193). Außerdem oblag es dem genannten Mitglied des Gerichtshofes nach Erledigung des Anklageeinspruches durch Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 8.Juni 1978, AZ. 10 Bs 185/78 (ON. 58), somit nach Rechtskraft der Anklage, den Beschwerdeführer über Weisung des genannten Gerichtshofes (S. 219) am 13.Juni 1978 darüber zu befragen, ob er nach Aushändigung des auch über die Untersuchungshaft absprechenden Beschlusses des Oberlandesgerichtes seine selbst verfaßte (Haft-)Beschwerde (S. 209, 210) aufrecht erhalte. Zugleich wurden Anträge auf Ladung von Entlastungszeugen für die Hauptverhandlung niederschriftlich festgehalten (S. 35 a verso). Auch aus diesem Anlaß ist Oberlandesgerichtsrat Dr. D nicht als Untersuchungsrichter, sondern ersichtlich als Vertreter des Vorsitzenden im Zwischenverfahren nach § 222 Abs. 1 StPO. tätig geworden.

Da sich die unter Nichtigkeitssanktion stehende Ausschließung von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung nur auf solche Richter bezieht, welche in derselben Sache im gerichtlichen Vorverfahren (Vorerhebungen oder Voruntersuchungen) als Untersuchungsrichter tätig geworden, nicht aber auf jene, welche nach geschlossener Voruntersuchung - wie hier - in dem im XVII. Hauptstück der Strafprozeßordnung geregelten 'Zwischenverfahren', eingeschritten sind, liegt der angezogene Nichtigkeitsgrund nicht vor. Es kann somit dahingestellt bleiben, daß diese Verfahrenstatsachen, aus denen der Beschwerdeführer den bezogenen Nichtigkeitsgrund ableiten will, ihm naturgemäß schon vor der Hauptverhandlung bekannt gewesen sein mußten und daher gleich beim Beginn derselben hätte geltend gemacht werden müssen. Das Vorliegen der Nichtigkeitsgründe der Z. 3 und 4 des § 281 Abs. 1 StPO. erblickt der Beschwerdeführer darin, daß er keine Möglichkeit gehabt hätte, sich in gehöriger Form auf die Hauptverhandlung vorzubereiten. Insbesondere sei zwei Ersuchen um Akteneinsicht nicht entsprochen worden.

Keiner der angeführten Nichtigkeitsgründe liegt vor. Jener der Z. 3 läge nur dann vor, wenn dem Angeklagten vor der Zustellung der Vorladung bis zum Tag der Hauptverhandlung eine Frist von weniger als drei Tagen zur Vorbereitung seiner Verteidigung geblieben wäre (§ 221 Abs. 1 StPO.). Abgesehen davon, daß solches nicht behauptet wird, ergibt sich aus den Akten, daß die Vorladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung am 22.Juni 1978 abgefertigt wurde (S. 3 g verso), dieser daher - da er sich im Landesgericht für Strafsachen Graz in Untersuchungshaft befand - jedenfalls mehrere Tage vor Beginn der erwähnten Frist vom Termin der Hauptverhandlung verständigt worden sein muß.

Die (an sich nicht aktenkundige) Verweigerung der Akteneinsicht könnte den Nichtigkeitsgrund der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. gegebenenfalls nur dann begründen, wenn ein entsprechender Antrag des Angeklagten oder seines Verteidigers in der Hauptverhandlung gestellt und vom Erstgericht abgewiesen worden wäre. Mangels eines solchen Antrages fehlt es aber bereits an den formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes.

Rechtliche Beurteilung

Aber auch die Mängelrüge versagt.

Soferne sie einen Begründungsmangel in der Nichterörterung des Briefes der Mitangeklagten Brigitte B an den Angeklagten vom 19.Mai 1978 (Beilage 1.) zum Hauptverhandlungsprotokoll) erblicken will, ist die Rüge ohne jede Relevanz, da sich der Inhalt dieses Schriftstückes in Beteuerungen der Zuneigung erschöpft, aber auf den Gegenstand des Strafverfahrens keinen Bezug nimmt.

Auch bei Begründung der Urteilsannahme, daß der Angeklagte und Brigitte B unter Mitnahme der Beute einschließlich von zwei Stangen Zigaretten geflüchtet seien (S. 246, 247), bedurfte es keiner ausführlichen Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen Werner C, da dieser zufolge der herrschenden Beleuchtungsverhältnisse wohl die Personen beobachten konnte, nicht aber dabei auch das leicht versteckbare Diebsgut wahrnehmen hätte müssen. Ein Begründungsmangel des Urteils wird diesbezüglich jedenfalls nicht aufgezeigt. Die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten konnte daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2

StPO. als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückgewiesen werden.

Bei Erledigung der Berufung ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll (S. 242), daß der Angeklagte nach Erteilung der Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden nur die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet und über ausdrückliches Befragen durch seinen Verteidiger zusätzlich erklärt hat, er erhebe 'lediglich die Nichtigkeitsbeschwerde und keine Strafberufung'. In einem eigenhändig verfaßten, an den Obersten Gerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 14.Juli 1978 (S. 257 bis 260) führte er nach Erörterung der Unglaubwürdigkeit der Verantwortung der Mitangeklagten Brigitte B aus, daß er eine Anmeldung der Berufung in der Hauptverhandlung nur aus Rechtsunkenntnis unterlassen habe und nunmehr ersuche, seine verspätete Berufung anzuerkennen. Selbst wenn man die in der Hauptverhandlung nach der Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung abgegebenen Erklärungen nicht als (unwiderruflichen) Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung ansehen wollte, wozu aber nach der Aktenlage gar kein Anlaß besteht, war die außerhalb der im § 284 Abs. 1 (§ 294 Abs. 1) StPO. bezeichneten Frist von drei Tagen angemeldete Berufung als verspätet anzusehen und daher gemäß § 294 Abs. 4 StPO. gleichfalls zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E01437

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00126.78.0907.000

Dokumentnummer

JJT_19780907_OGH0002_0120OS00126_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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