TE OGH 1978/9/8 11Os106/78 (11Os107/78)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.1978
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Piska, Dr. Kießwetter und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach dem § 270 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6.März 1978, GZ. 8 Bl 9/78 (U 59/77-27, Bezirksgericht Schärding), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 28.November 1977, GZ U 59/77-21, wurde der am 7.Juni 1959 geborene Lehrling Robert A des Vergehens des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach dem § 270

(Abs. 1) StGB schuldig erkannt, weil er am 7.November 1976 gegen 2 Uhr früh auf der Andorfer Landesstraße nahe der Ortschaft Edt bei Pfarrhof dadurch, daß er nach dem Anhalten durch eine Gendarmerie-Funkstreife und nach dem Vorhalt, als Mopedfahrer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben und dafür 50 S zahlen zu müssen, den Gendarmeriebeamten Ernst B, als dieser dabei war, sich über den Vorfall und die Verantwortung des Robert A Aufzeichnungen zu machen und ihm zu sagen, daß er auch nach dem Jugendschutzgesetz angezeigt werden müsse, etwa mit den Worten, er sei ihm noch zu jung und 'Bürscherl', er sei Judokämpfer und werde ihn gleich werfern, bedachte, ein ungestümes Verhalten an den Tag legte und den Gendarmeriebeamten Ernst B, als ihn dieser mehrmals im Namen des Gesetzes abmahnte und ihm eine Anzeige nach Art. VIII EGVG androhte, am Rockrevers erfaßte und ihn, nachdem sie beide zu Fall gekommen waren, im Straßengraben kurze Zeit erfaßte, sodaß jener seine Amtshandlung nicht fortsetzen konnte, den Gendarmeriebeamten Ernst B während einer Amtshandlung tätlich angegriffen hat. Hiefür wurde Robert A gemäß dem § 270 (Abs. 1) StGB unter Bedachtnahme auf den § 11 JGG zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Schilling und für den Fall der Nichteinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen verurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen wurde Robert A wegen Fahrens mit zu hoher Geschwindigkeit beanstandet und drang nach der Zurückgabe des Zulassungsscheines statt weiterzufahren in ungestümer Weise auf den Gendarmeriebeamten Ernst B, der den Beschuldigten ob seines Verhaltens im Namen des Gesetzes mehrmals abgemahnt und ihm auch eine Anzeige nach Art. VIII EGVG angedroht hatte, tätlich ein. Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Robert A wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wurde vom Kreisgericht Ried im Innkreis mit Urteil vom 6.März 1978, AZ 8 Bl 9/78 (ON 27 der Akten U 59/77 des Bezirksgerichtes Schärding) zurückgewiesen und aus Anlaß dieser Berufung das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe bestätigt, daß die Ersatzfreiheitsstrafe mit 10 Tagen festgesetzt wurde.

Nach teilweiser Wiederholung des Beweisverfahrens gelangte das Berufungsgericht zu folgender Sachverhaltsfeststellung:

Als der Gendarmeriebeamte B im Zuge seiner gegen den Angeklagten gerichteten Amtshandlung ankündigte, er werde auch eine Strafanzeige wegen übertretung des Jugendschutzgesetzes machen, sei der Angeklagte frech geworden, habe kraftmeierische Schimpfworte gebraucht und habe herausfordernd gefragt, wie lange die Amtshandlung wohl noch dauern werde. B habe sich das freche und ungeziemende Benehmen des Angeklagten verbeten, habe gedroht, daß der Angeklagte mit einer weiteren Anzeige nach Art. VIII EGVG zu rechnen habe, und habe dem Angeklagten den Mopedzulassungsschein mit den Worten 'Da hast Du den Zulassungsschein und jetzt verschwinde' zurückgegeben. Statt nunmehr wegzufahren, sei der Angeklagte mit den Worten 'Damit ist es aber nicht abgetan' vom Moped gestiegen und auf B zugegangen. In Erwartung eines tätlichen Angriffes habe dieser mit den Händen eine Abwehrbewegung gemacht, worauf der Angeklagte seinen Gegner am Rockkragen gepackt und gesagt habe, daß er Judokämpfer sei und einen Wurf anbringen werde. Es sei zu einem kurzen Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf beide in den angrenzenden Straßengraben gefallen seien, wo sie die Tätlichkeiten fortgesetzt hätten. Die Rückkehr der beiden anderen Gendarmeriebeamten habe der Auseinandersetzung ein schnelles Ende bereitet.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Beziehung wird in den Gründen der Berufungsentscheidung ausgeführt, die Verwirklichung des Tatbestandes des § 270 Abs. 1 StGB setze voraus, daß der tätliche Angriff während einer Amtshandlung erfolgt.

Im vorliegenden Fall sei mit der Zurückgabe des Zulassungsscheines und dem Befehl des Beamten, zu verschwinden, die erste Amtshandlung abgeschlossen gewesen, doch habe der Angeklagte durch sein weiteres Verhalten (Bedrohliches Zugehen auf B) eine weitere Amtshandlung des Beamten provoziert. Denn die Abwehr eines drohenden Angriffes gehöre zur selbstverständlichen Pflicht eines Sicherheitsbeamten, sofern sie bei Abwägung der beiderseitigen Interessen vertretbar sei: Das Recht solle dem Unrecht nicht weichen müssen. Die Gegenwehr des Beamten als Amptspflicht gestalte demnach eine Amtshandlung, sodaß die dem drohenden Vorgehen des Angeklagten folgenden Tätlichkeiten als tätlicher Angriff während einer Amtshandlung im Sinne des § 270 Abs. 1 StGB anzusehen seien.

Dem Angeklagten wäre es unbenommen gewesen, sein drohendes Verhalten beim Einsetzen der Gegenwehr abzubrechen und sich ohne Tätlichkeiten zurückzuziehen; er habe dies aber nicht getan, sondern sei zum Angriff übergegangen.

Nach der Auffassung der Generalprokuratur steht die Entscheidung des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6.März 1978, AZ 8 Bl 9/78, mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil nach den insoweit von den erstgerichtlichen Urteilsannahmen abweichenden Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichtes im Zeiptunkt der Eröffnung der Tätlichkeiten durch den Angeklagten die Amtshandlung des Gendarmeriebeamten nicht mehr im Gange gewesen sei. Der Meinung des Berufungssenates aber, so führte die Generalprokuratur ferner aus, die Abwehr eines drohenden Angriffs gehöre zur selbstverständlichen Pflicht eines Sicherheitsbeamten und als Amtspflicht gestalte eine Gegenwehr eine Amtshandlung, sei mit der Legaldefinition des § 269 Abs. 3 StGB nicht vereinbar, derzufolge die Annahme einer Amtshandlung (im Sinne der § 269 Abs. 1 und 2, 270 Abs. 1 StGB) Handeln des Beamten in Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt voraussetze.

Der deshalb von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes kommt keine Berechtigung zu. Zwar ist ihr beizupflichten, daß die Annahme einer Amtshandlung im Sinne der zitierten Bestimmungen das Handeln eines Beamten in Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt voraussetzt. Die Abwehr eines Angriffs auf einen Beamten muß jedoch keinesfalls im Ausfluß seiner Befehls- und Zwangsgewalt erfolgen, sondern kann ihre Berechtigung in der Bestimmung des § 3 StGB finden, demnach sich also als jedermann zustehende gerechtfertigte Notwehrhandlung deklarieren. Dennoch sind die verurteilenden Erkenntnisse der Vorgerichte aus folgenden Erwägungen zu billigen:

Ob die Amtshandlung Ernst B bereits abgeschlossen war, als er Robert A aufforderte, zu verschwinden, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage, die vom Obersten Gerichtshof nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu beurteilen ist. Nach diesen Feststellungen wäre jedoch die Amtshandlung nur dann als beendet anzusehen gewesen, wenn sich der Beamte mit jener Angelegenheit, die sein Einschreiten erforderte, nicht mehr pflichtgemäß befaßt hätte, was jedoch vorliegend verneint werden muß. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kündigte der sich im Zuge seines damaligen Einsatzes als Streifendienstbeamter befindliche Ernst B dem Angeklagten die Erstattung einer Anzeige wegen übertretung des Jugendschutzgesetzes an, verbat sich, nachdem der Angeklagte frech geworden war, unter Androhung einer weiteren Anzeige nach dem Art. VIII EGVG dessen Benehmen und gab ihm nach Einsichtnahme den Führerschein mit der - allerdings in etwas vulgärer Form formulierten - Aufforderung zurück, nunmehr den Ort der Beanstandung zu verlassen. Diese negierend eröffnete der Angeklagte die inkriminierten Tätlichkeiten. Das zeigt, daß die Amtshandlung noch nicht mit der zitierten Aufforderung an den Angeklagten abgeschlossen war, sondern ihren Abschluß erst gefunden hätte, wenn dieser der Weisung des Beamten auch gefolgt wäre. Denn - und das hat der Angeklagte auch erkannt (vgl. S 27 oben) - für den Beamten, der ja nicht wußte, ob der Angeklagte seinem Verlangen nachkommen werde, konnte die im Rahmen seines Streifendienstes und damit in Ausübung seiner Befehlsund Zwangsgewalt durchgeführte Amtshandlung gegen den Angeklagten erst mit dessen Entfernung, d.h. also erst nach Befolgung des ihm erteilten Auftrags beendet sein.

Erst wenn der Beamte erkannt hätte, daß im Augenblick von ihm in dieser Sache keinerlei weiteren Schritte mehr zu unternehmen sind, weil sich der Angeklagte seinen Anordnungen fügte, wäre die Amtshandlung als beendet anzusehen gewesen.

So gesehen mußte der ungerechtfertigten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E01523

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00106.78.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19780908_OGH0002_0110OS00106_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten